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2022/12/17 10:34:10 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 75 Jahre Saar-Verfassung : „Das Saarland ist sicher das internationalste aller Bun desländer“ |
Datum | 2022/12/18 08:38:04 Hartmut Leibrock via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Der Ausundeinwanderer |
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2022/12/06 18:42:00 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] B. Lahusen: „Der Diens tbetrieb ist nicht gestört“ |
Betreff | 2022/12/18 08:38:04 Hartmut Leibrock via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Der Ausundeinwanderer |
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2022/12/17 10:34:10 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 75 Jahre Saar-Verfassung : „Das Saarland ist sicher das internationalste aller Bun desländer“ |
Autor | 2022/12/28 20:41:13 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Neuer Film über die coburgisc he Herzogin Luise |
Date: 2022/12/17 15:26:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Quelle: Rheinpfalz, 10.-11. Dezember 2022
Der Ausundeinwanderer
Zufälle gibt es: Da bewirbt sich ein junger US-Amerikaner um einen
Job als Verfahrenstechniker
in der Pfalz. Er bekommt die Anstellung und merkt erst nach der
Ankunft , dass
er in der alten Heimat seiner Familie gelandet ist. Denn seine
Vorfahren sind
Pennsylvanisch-Deitsche.
Von Stefan Keller
Der US-Amerikaner Erich Mace aus Pennsylvania, seine Frau Erin und
seine Tochter
Eva kommen Ende November 2018 in Frankenthal an.
Mace, heute 40 Jahre alt, hat in den USA Deutsch und
Verfahrenstechnik studiert
und ist dort auch auf das JobAngebot in der Alten Welt gestoßen.
Inzwischen arbeitet er in Teilzeit bei der Firma Worley, einem
BASF-Partnerunternehmen, in der Anilin in Ludwigshafen. Parallel
promoviert er
an der FU Berlin. Seine Frau Erin ist Englischlehrerin an einer
Internationalen
Schule in Viernheim. Die heute 36Jährige stammt aus Michigan. In
der Stadt
fühlen sie sich sofort bestens aufgenommen. „Die Menschen sind
offen und
freundlich“, sagt Erin Mace.
Was beiden US-Amerikanern nicht klar ist, als sie in der Pfalz
ankommen: Die
Familie ist in der Heimat ihrer Vorfahren gelandet, wo inzwischen
auch ihr
heute fünf Monate alter Sohn Steven geboren ist. Erich Maces
Eltern und
Großeltern leben im Umland der 95.000 Einwohner zählenden
Industriestadt
Reading in Pennsylvania, im „Pennsylvanisch-Deitsche Land“, wo
Hunderttausende
Menschen eine Sprache sprechen, die dem Pfälzischen eng verwandt
ist.
Auch Erich Mace kennt diese Sprache von Kindesbeinen an, in der er
inzwischen
sogar Lieder schreibt, um sie bewahren zu helfen. Stellt sich die
Frage, warum
er erst in Ludwigshafen und Frankenthal bemerkt hat, dass er
mitten in der
eigenen Familiengeschichte gelandet ist. Warum er also trotz enger
historischer
Verbindung ziemlich blind war für den Ursprung dieser Wurzeln, als
er und seine
Familie in der Pfalz einen neuen Anfang wagten.
Erich Mace erzählt, dass sich seine Großeltern gar nicht gern zu
ihrer eigenen
Herkunft bekennen. Viele ausgewanderte Deutsche und die
Generationen danach
hätten amerikanisches Englisch mit starkem deutschen Akzent und
durchaus
fehlerbehaftet gesprochen. Dafür seien sie von den Einheimischen
kritisiert und
für nicht gerade clever gehalten worden.
„Deitsch ist dumm“, heißt ein Lied, das Erich Mace geschrieben
hat. Darin
erklärt er, wie es sich anfühlt, von oben herab betrachtet zu
werden. Die
ältere Generation – auch Maces Großeltern – habe das den Jungen
ersparen wollen.
Die Erfahrungen der USA mit Nazi-Deutschland trugen ebenfalls dazu
bei, dass
Pennsylvanisch-Deitsche ihren möglichen Stolz auf ihre deutschen
Wurzeln nicht
unbedingt gerne zur Schau getragen haben.
Auch wenn seine Eltern – „Mei Daadi ist Vermögensberater gewest
und meine Maami
Abwaerdern, also Krankenschwester“ – schon viel offener mit der
Sprache aus der
Alten Welt und der eigenen Vergangenheit umgegangen seien, habe
das alles dazu geführt,
dass Erich Mace bis heute noch nicht weiß, von wo ganz genau aus
sich seine
Ahnen vor gut 300 Jahren über den Atlantik aufgemacht haben.
Vielleicht wird er
es auch nie erfahren.
In der neuen Heimat in Frankenthal pflegen die Maces nun den
gesamten
Sprachschatz ihrer Familie. Erin Mace redet mit den Kindern nur
Amerikanisch,
Erich Mace spricht bewusst PennsylvanischDeitsch, Hochdeutsch und
Frankenthaler
Pfälzisch. Es soll nichts vergessen und es soll nichts unter den
Tisch gekehrt
werden. Maßgeblich geholfen, die Pfalz für sich verorten zu
können, hat dem
jungen Ehepaar der Film „Hiwwe wie driwwe“ von Benjamin Wagener
(Schwegenheim)
und Christian Schega (Landau), der 2019 die Region begeistert und
vielen
Pfälzern die Auswandergeschichte witzig-ironisch, aber auch
informativ
näherbrachte.
In „Hiwwe wie driwwe“ hatte sich der US-amerikanische und
pennsylvanisch-deitsche Deutschlehrer Douglas Madenford als
Hauptdarsteller auf
Spurensuche begeben. Am 24. April 2019 feierte der Streifen,
gedreht in
Pennsylvania rund um die pennsylvanisch-deitsche Hochburg Kutztown
mit seinem
Heritage-Center sowie in der Pfalz, eine umjubelte Premiere in
Landau.
Erich und Erin sehen den Streifen im Frühjahr 2019 und sind
vollkommen
überrascht: „Wir haben darin unsere Heimat gesehen, Straßen, die
wir kannten,
Städte und die Gegend, aus der wir kommen“, berichten sie im
Gespräch mit der
RHEINPFALZ am SONNTAG. Und sie stellten fest: Die Pfalz rund um
Ludwigshafen
ähnelt auch landschaftlich der alten Heimat sehr. Die 1748
gegründete Stadt
Reading ist der Verwaltungssitz von Berks County im „Rust Belt“,
dem „Rostgürtel“,
der ältesten und größten Industrieregion im Nordosten der
Vereinigten Staaten,
die sich über mehrere Staaten erstreckt und in weiten Teilen
ländlich geprägt
ist. Im Film erkennt Erich Mace mit Doug Madenford auch seinen
zwei Jahre
älteren Schulkameraden wieder. Beide hatten in den USA denselben
Deutschlehrer,
sind später zeitweise sogar Kommilitonen. Das alles weckt bei
Erich Mace
Heimatgefühle und das Interesse an der eigenen Sprache und der
Geschichte noch
einmal neu.
Das Ehepaar Mace hat die RHEINPFALZ am SONNTAG zum Mittagessen mit
einem
Festtagsgericht aus der Heimat eingeladen: Auf dem Tisch stehen
„Buweschenkel“,
eine Schüssel „Gummerselaat“ und „Rotrieweoier“. Das sind große
gefüllte
Ravioli, hartgekochte Eier in Rote-BeteSalat und Gurkensalat.
Sofort sind die Bezeichnungen
Gesprächsthema.
„Mir sagen Gummer zur Gurke, wie heißt bei euch die Ernte?“, fragt
Erich.
„Gummere sagen wir auch, antwortet der Autor. Und die werden
„gerobbt“.
„Wie bei uns“, sagt Erich. „Buweschenkel“ bezeichnet die Form der
Nudel. Das
schwäbische Wort „Buwespitzle“ für Schupfnudeln kennen die Maces
noch nicht.
Aber die Erklärung sorgt natürlich für Heiterkeit.
Zum Innenleben der Nudeln. Mace holt eine Schüssel aus der Küche
und erklärt:
„Des isch es Fillsel.“ Klingt wie in der Pfalz: „Das“ wird durch
„es“ ersetzt.
„Die Englischen sagen ,Dutch potato filling’“. Die Zutaten sind
laut Erich und
Erin: „Grumbeere, altes Brot, Zwiwwle, Sellerie, Budder, Salz un
Peffer.“
Übergossen mit flüssiger Butter ist das Ganze sehr schmackhaft und
macht
ziemlich satt.
Mace hat Chemie und Mathematik studiert, Nebenfach Deutsch. „Mein
Deutschunterricht
hat mir in der High School gut gefallen, und neben den familialen
Gründen fand
ich, dass Deutsch immer noch im Bereich Chemie und
Ingenieurwissenschaften
relevant war.“ Das war jedenfalls seine eigentliche Motivation,
eine
Arbeitsstelle in Deutschland anzunehmen.
„Was wären die Mathematik und Chemie ohne Kepler, Gauß, Leibniz,
Helmholtz,
Einstein, Heisenberg und Haber oder die Weltwirtschaft ohne Bayer,
die BASF und
Linde?“, fragt er am Esstisch rhetorisch und in gesprochenem
Schriftdeutsch –
bevor er lässig wieder ins Pennsylvanisch-Deitsche wechselt, das
nach
offiziellen Angaben heute noch rund 400.000 Menschen in den
Vereinigten Staaten
sprechen, darunter viele Amische und Mennoniten.
Erich Mace kennt viele von ihnen aus seinem früheren Leben. „Die
Amishe leben
noch immer sehr abgeschlossen für sich auf ihren ,Bauereien’“, –
ihren
Bauernhöfen. Dort bleibe die Sprache weiter urtümlich erhalten,
auch weitgehend
unbeeinflusst vom starken Tourismus in der Region oder modernen
Entwicklungen.
Maces eigene Familie ist dagegen evangelisch-freikirchlich
geprägt.
„Die sogenannten ,fancy’ Pennsylvanisch-Deitschen waren schon
immer stärker der
Welt zugewandt, blieben nie nur unter sich“, erklären Mace und
seine Frau Erin.
„Fancy“ bedeutet „schick“ und hat oft auch einen leicht ironischen
Unterton.
Erich und Erin Mace sind fest überzeugt, dass sich die Sprache
Pennsylvanisch-Deitsch weiter verändern wird. „Es gibt zum
Beispiel in der
alten Sprache keine Worte für alle technischen Neuerungen“,
erklärt Mace.
„Dafür werden die englischen einfließen.“ Oder es werden neue
erfunden.
Umso wichtiger sei es, viel Textliches in Pennsylvanisch-Deitsch
zu
veröffentlichen, um den aktuellen Zustand zu dokumentieren und zu
archivieren,
fordert er.
Mace freut sich, dass aktuell neue Bücher, auch Kinderbücher, in
der Sprache
seiner Vorfahren aufgelegt werden. Er wünscht sich, dass sich die
Menschen auf
beiden Seiten des Großen Teichs ihre Vergangenheit, ihre Herkunft
sowie ihre
enge Beziehung und die Unterschiede bewusst machen – um sich
miteinander besser
zu verstehen.
Und Erich Mace will alle Bemühungen in diese Richtung unterstützen
– was ihn
zurück zum Filme „Hiwwe wie Driwwe“ bringt. „Dieser Film war auch
ganz wichtig
für den Erhalt und das Fixieren der Sprache und der Kultur“, ist
Mace
überzeugt. Seine Frau und er sind jedenfalls bereits gespannt auf
Teil zwei.
Laut Regisseur Wagener soll er voraussichtlich Anfang 2024 ins
Kino kommen.
„Wir verfolgen die Dreharbeiten und freuen uns auf die neuen
Gemeinsamkeiten
und Unterschiede“, sagt Erich Mace, und seine Frau Erin stimmt ihm
nickend zu.
EIN LIED, EIN GEDICHT
Erich Mace engagiert sich inzwischen stark fürs
Pennsylvanisch-Deitsche. Schon
immer habe er Texte und Lieder geschrieben, erzählt er, denn er
spielt Gitarre,
Bass, Schlagzeug und Klavier. Der Herausgeber der Zeitung „Hiwwe
wie Driwwe“,
Michael Werner, (Nieder-Olm), habe ihn dazu ermuntert, auch Lieder
„in seller
Sprooch“ zu schreiben.
In seinem Lied „Zwee Seide vun ́em Silwerschtick“, das er bei den
Bockenheimer
Mundarttagen vorstellte, schildert Mace seine Situation:
Ich kenn zwee Seide vun em Silwerschtick.
Sie kenne enanner gar net sehne,
Doch in der Midde sin sie vergnippt
Un es gebt dausend Silwerschticker in em Regge.
ALTE SPRACHE NEUE WELT
PENNSYLVANISCH-DEUTSCH
Um religiöser Verfolgung zu entgehen, sind vor allem im 18.
Jahrhundert
Mitglieder verschiedener protestantischer Glaubensrichtungen wie
Mennoniten und
Pietisten nach Pennsylvanien ausgewandert. Viele stammten aus der
historischen
Kurpfalz, aber auch aus den angrenzenden Gebieten in Baden,
Württemberg, der
deutschsprachigen Schweiz und dem Elsass. Zunächst gab es im
US-amerikanischen
Einwanderungsgebiet verschiedene Dialekträume. Ab etwa 1800 gehen
Forscher von
einer überregionalen Angleichung der Dialekte auf der Basis des
Pfälzischen
aus, das „Pennsylvania Dutch“ war entstanden. Pennsylvania-Deutsch
ähnelt in
seiner Grundstruktur stark dem Vorderpfälzischen und
Kurpfälzischen zwischen
Mannheim, Ludwigshafen, Speyer und Neustadt, allerdings gänzlich
ohne die nach
der Auswanderungswelle ins Pfälzische eingeflossenen französischen
Wörter.
Heute wird Pennsylvania Dutch vor allem von den Amischen und den
Mennoniten
alter Ordnung an die nächste Generation weitergegeben. Bis zu den
beiden
Weltkriegen war das Pennsylvania Dutch eine im Südosten
Pennsylvanias relativ
weit verbreitete Sprache mit etwa 800.000 Sprechern.
Erst antideutsche Maßnahmen und repressive Gesetze infolge der
Weltkriege sowie
der soziale Druck auf die Sprecher führten dazu, dass die Sprache
in vielen
Fällen nicht mehr an die folgende Generation weitergegeben wurde.
DER ARBEITSKREIS
2003 wurde in Ober-Olm der Deutsch-Pennsylvanische Arbeitskreis
gegründet. Der Verein
fördert den sprachlich-kulturellen Austausch zwischen dem
deutschen und dem
pennsylvanisch-deutschen Sprachraum. Seit 2006 gibt es auch eine
Webseite auf
Pennsylvania-Deutsch. Einige Autoren publizieren in der von
Michael Werner vor
25 Jahren gegründeten pennsylvania-deutschen Zeitung „Hiwwe wie
Driwwe“. Werner
ist Sprachwissenschaftler, Publizist und Musiker. Er hat 2021 das
Buch „Hiwwe
wie Driwwe. Der Pennsylvania-Reiserverführer“ verfasst. Seit 2011
vergibt die
Jury des Pfälzischen Mundartdichterwettstreits in Bockenheim als
Sonderpreis
den „Hiwwe wie Driwwe Award“ für pennsylvanisch-deutsche
Literatur.
DIE UNTERSCHIEDE
Der unbestimmte Artikel ist immer „en“, also „en Mann“, „en Fraa“,
„en Kind“ im
Gegensatz zu „en Mann“, „e Fraa“, „e Kind“ im Vorderpfälzischen.
In Wörtern wie „kurz“ oder „dort“ erscheint der Vokal als Laut
„a“, nicht als
„oa“, also „katz“, „dat“ statt „koatz“, „doat“. Der Doppellaut
„au“ wird in vielen
Unterdialekten als langes „a“ gesprochen.
Lehnwörter aus dem amerikanischen Englisch werden meist wie
deutsche Wörter
benutzt: Englisch „to farm“ für „Landwirtschaft betreiben“ wird
zu: „Als ich
hab gefarmt“.
Tipps
Michael Werner: „Hiwwe wie driwwe. Der Pennsylvania
Reiseverführer.“Agiro-Verlag Neustadt, 2021.
Mehr zum gleichnamigen Filmprojekt: hiwwewiedriwwe.com