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2022/12/17 15:26:05
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Der Ausundeinwanderer
Datum 2022/12/28 20:41:13
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Neuer Film über die coburgisc he Herzogin Luise
2022/12/17 15:26:05
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Der Ausundeinwanderer
Betreff 2022/12/28 21:05:13
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] die Synagoge in St. Wendel, Zusatz 1
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Re: [Regionalforum-Saar] „Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler“
Autor 2022/12/09 12:02:58
Joerg Weinkauf via Regionalforum-Saar
Re: [Regionalforum-Saar] Warntag

Re: [Regionalforum-Saar] Der Ausundeinwanderer

Date: 2022/12/18 08:38:04
From: Hartmut Leibrock via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Hallo Roland,

das ist ein sehr interessanter Bericht.
Bei der Durchsicht der Unterlagen im Haus bin ich auf einen Verwandten gestoßen, der in Erie, Pennsylvania lebt bzw. lebte. Der ist ein Verwandter meines Opas, der aus der Pfalz stammt. Also ist er einer der vielen Auswanderer aus der Pfalz nach Pennsylvania. Sehr interessant.

Liebe Grüße und schönen 4. Advent
Hartmut 


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Am Samstag, Dezember 17, 2022, 15:26 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)... class="iosymail">

Quelle: Rheinpfalz, 10.-11. Dezember 2022

Der Ausundeinwanderer

Zufälle gibt es: Da bewirbt sich ein junger US-Amerikaner um einen Job als Verfahrenstechniker in der Pfalz. Er bekommt die Anstellung und merkt erst nach der Ankunft , dass er in der alten Heimat seiner Familie gelandet ist. Denn seine Vorfahren sind Pennsylvanisch-Deitsche.
Von Stefan Keller

Der US-Amerikaner Erich Mace aus Pennsylvania, seine Frau Erin und seine Tochter Eva kommen Ende November 2018 in Frankenthal an.

Mace, heute 40 Jahre alt, hat in den USA Deutsch und Verfahrenstechnik studiert und ist dort auch auf das JobAngebot in der Alten Welt gestoßen.

Inzwischen arbeitet er in Teilzeit bei der Firma Worley, einem BASF-Partnerunternehmen, in der Anilin in Ludwigshafen. Parallel promoviert er an der FU Berlin. Seine Frau Erin ist Englischlehrerin an einer Internationalen Schule in Viernheim. Die heute 36Jährige stammt aus Michigan. In der Stadt fühlen sie sich sofort bestens aufgenommen. „Die Menschen sind offen und freundlich“, sagt Erin Mace.

Was beiden US-Amerikanern nicht klar ist, als sie in der Pfalz ankommen: Die Familie ist in der Heimat ihrer Vorfahren gelandet, wo inzwischen auch ihr heute fünf Monate alter Sohn Steven geboren ist. Erich Maces Eltern und Großeltern leben im Umland der 95.000 Einwohner zählenden Industriestadt Reading in Pennsylvania, im „Pennsylvanisch-Deitsche Land“, wo Hunderttausende Menschen eine Sprache sprechen, die dem Pfälzischen eng verwandt ist.

Auch Erich Mace kennt diese Sprache von Kindesbeinen an, in der er inzwischen sogar Lieder schreibt, um sie bewahren zu helfen. Stellt sich die Frage, warum er erst in Ludwigshafen und Frankenthal bemerkt hat, dass er mitten in der eigenen Familiengeschichte gelandet ist. Warum er also trotz enger historischer Verbindung ziemlich blind war für den Ursprung dieser Wurzeln, als er und seine Familie in der Pfalz einen neuen Anfang wagten.

Erich Mace erzählt, dass sich seine Großeltern gar nicht gern zu ihrer eigenen Herkunft bekennen. Viele ausgewanderte Deutsche und die Generationen danach hätten amerikanisches Englisch mit starkem deutschen Akzent und durchaus fehlerbehaftet gesprochen. Dafür seien sie von den Einheimischen kritisiert und für nicht gerade clever gehalten worden.

„Deitsch ist dumm“, heißt ein Lied, das Erich Mace geschrieben hat. Darin erklärt er, wie es sich anfühlt, von oben herab betrachtet zu werden. Die ältere Generation – auch Maces Großeltern – habe das den Jungen ersparen wollen. Die Erfahrungen der USA mit Nazi-Deutschland trugen ebenfalls dazu bei, dass Pennsylvanisch-Deitsche ihren möglichen Stolz auf ihre deutschen Wurzeln nicht unbedingt gerne zur Schau getragen haben.

Auch wenn seine Eltern – „Mei Daadi ist Vermögensberater gewest und meine Maami Abwaerdern, also Krankenschwester“ – schon viel offener mit der Sprache aus der Alten Welt und der eigenen Vergangenheit umgegangen seien, habe das alles dazu geführt, dass Erich Mace bis heute noch nicht weiß, von wo ganz genau aus sich seine Ahnen vor gut 300 Jahren über den Atlantik aufgemacht haben. Vielleicht wird er es auch nie erfahren.

In der neuen Heimat in Frankenthal pflegen die Maces nun den gesamten Sprachschatz ihrer Familie. Erin Mace redet mit den Kindern nur Amerikanisch, Erich Mace spricht bewusst PennsylvanischDeitsch, Hochdeutsch und Frankenthaler Pfälzisch. Es soll nichts vergessen und es soll nichts unter den Tisch gekehrt werden. Maßgeblich geholfen, die Pfalz für sich verorten zu können, hat dem jungen Ehepaar der Film „Hiwwe wie driwwe“ von Benjamin Wagener (Schwegenheim) und Christian Schega (Landau), der 2019 die Region begeistert und vielen Pfälzern die Auswandergeschichte witzig-ironisch, aber auch informativ näherbrachte.

In „Hiwwe wie driwwe“ hatte sich der US-amerikanische und pennsylvanisch-deitsche Deutschlehrer Douglas Madenford als Hauptdarsteller auf Spurensuche begeben. Am 24. April 2019 feierte der Streifen, gedreht in Pennsylvania rund um die pennsylvanisch-deitsche Hochburg Kutztown mit seinem Heritage-Center sowie in der Pfalz, eine umjubelte Premiere in Landau.

Erich und Erin sehen den Streifen im Frühjahr 2019 und sind vollkommen überrascht: „Wir haben darin unsere Heimat gesehen, Straßen, die wir kannten, Städte und die Gegend, aus der wir kommen“, berichten sie im Gespräch mit der RHEINPFALZ am SONNTAG. Und sie stellten fest: Die Pfalz rund um Ludwigshafen ähnelt auch landschaftlich der alten Heimat sehr. Die 1748 gegründete Stadt Reading ist der Verwaltungssitz von Berks County im „Rust Belt“, dem „Rostgürtel“, der ältesten und größten Industrieregion im Nordosten der Vereinigten Staaten, die sich über mehrere Staaten erstreckt und in weiten Teilen ländlich geprägt ist. Im Film erkennt Erich Mace mit Doug Madenford auch seinen zwei Jahre älteren Schulkameraden wieder. Beide hatten in den USA denselben Deutschlehrer, sind später zeitweise sogar Kommilitonen. Das alles weckt bei Erich Mace Heimatgefühle und das Interesse an der eigenen Sprache und der Geschichte noch einmal neu.

Das Ehepaar Mace hat die RHEINPFALZ am SONNTAG zum Mittagessen mit einem Festtagsgericht aus der Heimat eingeladen: Auf dem Tisch stehen „Buweschenkel“, eine Schüssel „Gummerselaat“ und „Rotrieweoier“. Das sind große gefüllte Ravioli, hartgekochte Eier in Rote-BeteSalat und Gurkensalat. Sofort sind die Bezeichnungen Gesprächsthema.

„Mir sagen Gummer zur Gurke, wie heißt bei euch die Ernte?“, fragt Erich.

„Gummere sagen wir auch, antwortet der Autor. Und die werden „gerobbt“.

„Wie bei uns“, sagt Erich. „Buweschenkel“ bezeichnet die Form der Nudel. Das schwäbische Wort „Buwespitzle“ für Schupfnudeln kennen die Maces noch nicht. Aber die Erklärung sorgt natürlich für Heiterkeit.

Zum Innenleben der Nudeln. Mace holt eine Schüssel aus der Küche und erklärt: „Des isch es Fillsel.“ Klingt wie in der Pfalz: „Das“ wird durch „es“ ersetzt. „Die Englischen sagen ,Dutch potato filling’“. Die Zutaten sind laut Erich und Erin: „Grumbeere, altes Brot, Zwiwwle, Sellerie, Budder, Salz un Peffer.“ Übergossen mit flüssiger Butter ist das Ganze sehr schmackhaft und macht ziemlich satt.

Mace hat Chemie und Mathematik studiert, Nebenfach Deutsch. „Mein Deutschunterricht hat mir in der High School gut gefallen, und neben den familialen Gründen fand ich, dass Deutsch immer noch im Bereich Chemie und Ingenieurwissenschaften relevant war.“ Das war jedenfalls seine eigentliche Motivation, eine Arbeitsstelle in Deutschland anzunehmen.

„Was wären die Mathematik und Chemie ohne Kepler, Gauß, Leibniz, Helmholtz, Einstein, Heisenberg und Haber oder die Weltwirtschaft ohne Bayer, die BASF und Linde?“, fragt er am Esstisch rhetorisch und in gesprochenem Schriftdeutsch – bevor er lässig wieder ins Pennsylvanisch-Deitsche wechselt, das nach offiziellen Angaben heute noch rund 400.000 Menschen in den Vereinigten Staaten sprechen, darunter viele Amische und Mennoniten.

Erich Mace kennt viele von ihnen aus seinem früheren Leben. „Die Amishe leben noch immer sehr abgeschlossen für sich auf ihren ,Bauereien’“, – ihren Bauernhöfen. Dort bleibe die Sprache weiter urtümlich erhalten, auch weitgehend unbeeinflusst vom starken Tourismus in der Region oder modernen Entwicklungen.

Maces eigene Familie ist dagegen evangelisch-freikirchlich geprägt.

„Die sogenannten ,fancy’ Pennsylvanisch-Deitschen waren schon immer stärker der Welt zugewandt, blieben nie nur unter sich“, erklären Mace und seine Frau Erin. „Fancy“ bedeutet „schick“ und hat oft auch einen leicht ironischen Unterton.

Erich und Erin Mace sind fest überzeugt, dass sich die Sprache Pennsylvanisch-Deitsch weiter verändern wird. „Es gibt zum Beispiel in der alten Sprache keine Worte für alle technischen Neuerungen“, erklärt Mace.

„Dafür werden die englischen einfließen.“ Oder es werden neue erfunden.

Umso wichtiger sei es, viel Textliches in Pennsylvanisch-Deitsch zu veröffentlichen, um den aktuellen Zustand zu dokumentieren und zu archivieren, fordert er.

Mace freut sich, dass aktuell neue Bücher, auch Kinderbücher, in der Sprache seiner Vorfahren aufgelegt werden. Er wünscht sich, dass sich die Menschen auf beiden Seiten des Großen Teichs ihre Vergangenheit, ihre Herkunft sowie ihre enge Beziehung und die Unterschiede bewusst machen – um sich miteinander besser zu verstehen.

Und Erich Mace will alle Bemühungen in diese Richtung unterstützen – was ihn zurück zum Filme „Hiwwe wie Driwwe“ bringt. „Dieser Film war auch ganz wichtig für den Erhalt und das Fixieren der Sprache und der Kultur“, ist Mace überzeugt. Seine Frau und er sind jedenfalls bereits gespannt auf Teil zwei. Laut Regisseur Wagener soll er voraussichtlich Anfang 2024 ins Kino kommen.

„Wir verfolgen die Dreharbeiten und freuen uns auf die neuen Gemeinsamkeiten und Unterschiede“, sagt Erich Mace, und seine Frau Erin stimmt ihm nickend zu.

EIN LIED, EIN GEDICHT
Erich Mace engagiert sich inzwischen stark fürs Pennsylvanisch-Deitsche. Schon immer habe er Texte und Lieder geschrieben, erzählt er, denn er spielt Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier. Der Herausgeber der Zeitung „Hiwwe wie Driwwe“, Michael Werner, (Nieder-Olm), habe ihn dazu ermuntert, auch Lieder „in seller Sprooch“ zu schreiben.

In seinem Lied „Zwee Seide vun ́em Silwerschtick“, das er bei den Bockenheimer Mundarttagen vorstellte, schildert Mace seine Situation:

Ich kenn zwee Seide vun em Silwerschtick.
Sie kenne enanner gar net sehne,
Doch in der Midde sin sie vergnippt
Un es gebt dausend Silwerschticker in em Regge.

ALTE SPRACHE NEUE WELT

PENNSYLVANISCH-DEUTSCH
Um religiöser Verfolgung zu entgehen, sind vor allem im 18. Jahrhundert Mitglieder verschiedener protestantischer Glaubensrichtungen wie Mennoniten und Pietisten nach Pennsylvanien ausgewandert. Viele stammten aus der historischen Kurpfalz, aber auch aus den angrenzenden Gebieten in Baden, Württemberg, der deutschsprachigen Schweiz und dem Elsass. Zunächst gab es im US-amerikanischen Einwanderungsgebiet verschiedene Dialekträume. Ab etwa 1800 gehen Forscher von einer überregionalen Angleichung der Dialekte auf der Basis des Pfälzischen aus, das „Pennsylvania Dutch“ war entstanden. Pennsylvania-Deutsch ähnelt in seiner Grundstruktur stark dem Vorderpfälzischen und Kurpfälzischen zwischen Mannheim, Ludwigshafen, Speyer und Neustadt, allerdings gänzlich ohne die nach der Auswanderungswelle ins Pfälzische eingeflossenen französischen Wörter. Heute wird Pennsylvania Dutch vor allem von den Amischen und den Mennoniten alter Ordnung an die nächste Generation weitergegeben. Bis zu den beiden Weltkriegen war das Pennsylvania Dutch eine im Südosten Pennsylvanias relativ weit verbreitete Sprache mit etwa 800.000 Sprechern.

Erst antideutsche Maßnahmen und repressive Gesetze infolge der Weltkriege sowie der soziale Druck auf die Sprecher führten dazu, dass die Sprache in vielen Fällen nicht mehr an die folgende Generation weitergegeben wurde.

DER ARBEITSKREIS
2003 wurde in Ober-Olm der Deutsch-Pennsylvanische Arbeitskreis gegründet. Der Verein fördert den sprachlich-kulturellen Austausch zwischen dem deutschen und dem pennsylvanisch-deutschen Sprachraum. Seit 2006 gibt es auch eine Webseite auf Pennsylvania-Deutsch. Einige Autoren publizieren in der von Michael Werner vor 25 Jahren gegründeten pennsylvania-deutschen Zeitung „Hiwwe wie Driwwe“. Werner ist Sprachwissenschaftler, Publizist und Musiker. Er hat 2021 das Buch „Hiwwe wie Driwwe. Der Pennsylvania-Reiserverführer“ verfasst. Seit 2011 vergibt die Jury des Pfälzischen Mundartdichterwettstreits in Bockenheim als Sonderpreis den „Hiwwe wie Driwwe Award“ für pennsylvanisch-deutsche Literatur.

DIE UNTERSCHIEDE
Der unbestimmte Artikel ist immer „en“, also „en Mann“, „en Fraa“, „en Kind“ im Gegensatz zu „en Mann“, „e Fraa“, „e Kind“ im Vorderpfälzischen.

In Wörtern wie „kurz“ oder „dort“ erscheint der Vokal als Laut „a“, nicht als „oa“, also „katz“, „dat“ statt „koatz“, „doat“. Der Doppellaut „au“ wird in vielen Unterdialekten als langes „a“ gesprochen.

Lehnwörter aus dem amerikanischen Englisch werden meist wie deutsche Wörter benutzt: Englisch „to farm“ für „Landwirtschaft betreiben“ wird zu: „Als ich hab gefarmt“.

Tipps
Michael Werner: „Hiwwe wie driwwe. Der Pennsylvania Reiseverführer.“Agiro-Verlag Neustadt, 2021.

Mehr zum gleichnamigen Filmprojekt: hiwwewiedriwwe.com




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