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Datum | 2021/08/31 08:38:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Allerunterthänigst u nterfertigte Bitte“ – Inhalt, Form und Bedeut ung von Bittschriften im langen 19. Jahrhundert |
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2021/08/24 08:54:24 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Kommentar zu "Als Bomben auf T ürkismühle fielen" gestern in der SZ |
Betreff | 2021/08/12 17:24:09 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Mühlen, Kraftwerke, Wasse rbauten. Die Regulierung von Flüssen und Gewässern in der Rechtsgeschichte |
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2021/08/31 23:30:57 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Kinderlosigkeit. Ersehnte, verweigerte und bereute Elternschaft im Mittelalter |
Autor |
Date: 2021/08/24 09:22:16
From: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Guten Morgen,
gestern erschien im Regionalteil der Saarbrücker Zeitung ein
Artikel über den
Bombenangriff auf Türkismühle am 22. Februar 1945.
Der St. Wendeler Redakteur Thorsten Grim hatte den Türkismühler
Heimatforscher
Helmut Weiler interviewt und aus dessen Aussagen diesen Artikel
zusammengebastelt. Ich hatte schon lange befürchtet, daß mich das
zunehmende Alter
hat ruhiger und gelassener werden lassen, aber das hat sich als
unbegründet
erwiesen. Ich habe gestern morgen gut zwei Stunden damit
verbracht, die
nachstehende Email an Herrn Grim zu verfassen.
Den Artikel selbst finden Sie unkommentiert in der nächsten Email,
allerdings
reduziert um die Fotos.
Roland Geiger
----------------
Guten Morgen, Herr Grim,
ich habe Ihren Artikel über den Bombenangriff aus Türkismühle
gelesen. Mir ist
klar, daß Sie nur wiedergegeben haben, was Herr Weiler Ihnen
erzählt hat. Aber
kaum etwas davon, was den Hintergrund des Angriffs betrifft,
entspricht der Realität.
Es handelte sich um einen Tagangriff, die Bomber kamen um 15 Uhr.
Damit war es
nicht die Royal Air Force, die den Angriff flog, sondern die
Amerikaner flogen
diesen Angriff. Damit ist das schöne Foto der Lancaster, das Sie
zeigen,
nutzlos, denn sie gehörte zu den Briten.
Ein paar Tage nach dem Angriff - am 26. Februar - überflog die
Ninth AirForce
(US) in einer Höhe von 24.000 Fuß den Ort und schoß Fotos, um zu
klären,
welchen Schaden sie zuvor am Bahnhof angerichtet hatte. Woraus
sich folgern läßt,
daß tatsächlich der Bahnhof das Ziel war. Türkismühle war
Verkehrsknotenpunkt,
von hier zweigte die Eisenbahnstrecke nach Hermeskeil ab. Legt man
diesen
Knotenpunkt lahm, können keine Züge passieren, was die Bewegungen
des Feindes
erheblich einschränkt. Damit handelte es sich hier um einen
taktischen Angriff,
der der aktuellen Lage geschuldet war.
Die Ninth Air Force besaß keine sog. „schweren Bomber“ (B-17
Flying Fortress
und B-24 Liberator), sondern kleinere mittelschwere und maximal
zweimotorige, z.B.
die B-26 Marauder. Sie war wendiger und für kleinere Ziele, z.B.
Türkismühle,
viel besser geeignet, als die viel behäbigeren schweren Bomber.
Letztere
tauchten nur in Pulks auf, was ihre Effizienz steigerte. Marauders
flogen
allein oder in kleinen Rotten zu drei oder sechs.
Sie beziehen sich auf die Operation Clarion. Darin findet sich in
wikipedia:
„Die 9th Air Force war mit 465 Bombern und 1053 Kampfflugzeugen im
Einsatz. Sie
bombardierten zahlreiche Eisenbahnbrücken und Bahnknoten im Raum Gießen,
Freiburg, Bingen
und Köln
und zerstörten unter anderem 118 Lokomotiven. Sie verloren im
Luftkampf drei
Bomber und zwölf Jagdflugzeuge, schossen dagegen 17 deutsche
Flugzeuge ab.“
Glauben Sie wirklich, General Spaatz hätte zugelassen, daß in
Vorbereitung
dieses Angriffes Flugblätter abgeworfen würden, um den Feind am
Boden zu
warnen? Die Alliierten besaßen die Lufthohheit, aber sie wußten,
daß sich am
Boden Truppen befanden, die sich wehren würden. Flugblätter hätten
die
Zivilisten gelesen, die Truppen aber auch. Die Soldaten beider
Seiten waren
mutig, aber wirklich dumm war keiner von ihnen.
Flugblätter dienten dazu, den Feind zu demotivieren und zum
Aufgeben zu
bringen; ihr Zweck war, die Gefahr von der anderen Seite zu
verringern. Ein
Text wie „Türkismühle im Loch - wir kriegen Dich doch“ ist eine
Provokation,
eine Verhöhnung, nicht eine Aufforderung zur Aufgabe. Dazu kommt:
wer soll
diese Flugblätter abgeworfen haben? Es mußte eine zweimotorige
Maschine sein,
aus deren Bombenschacht die Blätter abgeworfen wurden. Sie mußte
den Raum über
Türkismühle unbeschadet erreichen (also mindestens drei oder mehr
Flugzeuge),
tief runter gehen (von normaler Höhe bei 8 km auf mindestens 500
Meter), damit
die Blätter auch wirklich in Türkismühle landen, und sie mußte die
ganze
Strecke wieder zurückfliegen. Der ganze Aufwand, um dem Feind zu
sagen, für
welch einen Idioten man ihn hält. Dazu muß man schon wirklich
bescheuert sein.
Nach dem Angriff kamen lt. Weiler die Jäger in Form amerikanischer
P-38
Lightnings, um die Leute am Boden davon abzuhalten, die
Verschütteten zu
bergen. Wie soll ich das schreiben? Wissen Sie, wie ein Pilot in
einem Jäger
zielt? Mit seiner ganzen Maschine, denn die Maschinengewehre sind
fest in der
Tragfläche eingebaut und zielen auf einen Punkt, der in einer
gewissen
Entfernung genau vor der Flugzeugnase in Flugrichtung liegt. D.h.
bei einem
Vorbeiflug kann der Pilot zwar feuern, aber er trifft nichts, weil
das Ziel
dann neben ihm liegt. Er muß also ein ganzes Stück wegfliegen,
drehen, seine
Nase auf das Ziel ausrichten und darauf losfliegen. Ein ganzes
Stück davor
schießt er und dreht gleich wieder ab, denn er kommt mit ein paar
hundert
Stundenkilometern an. Dreht er nicht rechtzeitig ab, fliegt er in
den Boden.
Der Begriff „Dachrutscher“ scheint ein lokaler Begriff zu sein.
Ich hörte ihn
in den 90ern zum ersten Mal. Er bezeichnet einen feindlichen
Jäger, der
spätabends sehr tief über die Dächer der Häuser geflogen sein
soll, daher der Name.
Welcher Nationalität er war, wußte niemand, und gesehen hat ihn
wohl auch
niemand. Die Flugzeuge, die Herr Weiler meint, die P-38 Lightning,
wurde in der
Regel als Eskorte für Bomber eingesetzt (suchen Sie doch mal nach
dem Gedicht
„Lightnings in the Sky“), aber auch als Jagdbomber, d.h. unter den
Tragflächen
hingen leichte Bomben. „Jabo“ für Jagdbomber ist dann auch der
Begriff, den die
Leute hierzulande den einzel oder in Rotte fliegenden einsitzigen
und
einmotorigen Jagdflugzeugen der Amerikaner gaben, die so gut wie
jedes sich
anbietende Bodenziel angriffen, wiederum taktisch, um potentielle
Gegner auf
dem Boden auszuschalten. Um festzustellen, wie sich aus einem
schnellfliegenden
Flugzeug aus ein paar hundert Metern Höhe der Unterschied zwischen
Zivilisten
und Soldaten ausmachen läßt, empfehle ich Ihnen einen Flug in
Marpingen in
einem zweisitzigen Tiefdecker. Schauen Sie aus dem Fenster, und
identifizieren
Sie Personen und Tiere.
Herr Weiler gibt an, es seien etwa 50 Personen bei dem Angriff
umgekommen. Ein
bißchen später sagt er, die letzten Opfer seien nach 1,5 Jahren
gefunden
worden. D.h. es dürfte einfach sein, die Zahl und Namen der Toten
ermitteln.
Oder ist das zuviel Mühe und paßt nicht in sein Feindbild?
Zu dem Einsatz der Amerikaner über Türkismühle am 22. Februar 1945
gibt es
sicher einen Einsatzbericht, der im amerikanischen Nationalarchiv
in College
Park, Maryland, liegt. Dort muß man heutzutage nicht mal
hinfahren. Aber drum
bemühen muß man sich schon.
Die Erinnerung spielt uns Streiche, vor allem an Erlebnisse, die
wir als junge
Menschen hatten. Wir interpretierten sie mit den intellektuellen
Möglichkeiten,
die wir damals hatten. Im Laufe der Jahre erinnern wir uns dann
nicht mehr an
die Erlebnisse, sondern an diese Interpretationen und das, was uns
andere
darüber erzählten.
Ich sprach in den 1990ern mit einem Augenzeugen aus Eisen, der mir
von einem
Flugzeugabsturz berichtete. Dort drüben, wies er mit der Hand, kam
das Flugzeug
her und brannte. Hier drüben ist einer ausgestiegen, und dort
hinter den
Häusern ist es abgestürzt. Ich nahm seine Aussage als Grundlage
und fand
heraus, daß er von drei Ereignissen sprach, die zu
unterschiedlichen Zeiten
binnen zweier Jahre stattgefunden hatten.
Augenzeugenberichte sind tolle Grundlagen, aber sie müssen
analysiert werden.
Sonst kann das furchtbar in die Hose gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger