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2021/08/24 08:54:24
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kommentar zu "Als Bomben auf T ürkismühle fielen" gestern in der SZ
Datum 2021/08/24 09:12:25
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Autor 2021/08/24 09:12:25
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[Regionalforum-Saar] Vortrag "Peter Engels Nachruf - Legende und Wirklichkeit"

[Regionalforum-Saar] Als Bomben auf Türkismüh le fielen

Date: 2021/08/24 08:55:31
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gestern in der SZ, Regionalteil St. Wendel:

Als Bomben auf Türkismühle fielen

[Großes Foto: Am 22. Februar 1945 erfolgte der folgenreichste von insgesamt 51 Luftangriffen auf Türkismühle. Das Foto zeigt einen viermotorigen britischen Bomber vom Typ Lancaster im Anflug auf Hamburg im Zweiten Weltkrieg.]

Türkismühle Am Bahnhof Türkismühle eröffnete im Sommer ein Döner-Imbiss. Aber das Grundstück, auf dem er steht, hat eine tragische Geschichte: Hier suchten im Februar 1945 zahlreiche Menschen im Keller eines Hotels Schutz vor den Bomben, die die Alliierten über Türkismühle abwarfen – vergeblich.

Von Thorsten Grim, Redakteur Lokalredaktion St. Wendel

Mit der Ardennenoffensive im Winter 1944/45 hatte Hitler im Westen alles auf eine Karte gesetzt – und verloren. Wenngleich die Wehrmacht damit den Angriff der West-Alliierten auf das Deutsche Reich nach Einschätzung der Historiker der Bundeszentrale für Politische Bildung um etwa sechs Wochen verzögert hatte. Dennoch war mit dem Scheitern der Großoffensive der von den Nazis noch immer beschworene Endsieg endgültig in unerreichbare Ferne gerückt. Unaufhaltsam wanderte die West-Front in östliche Richtung.

Dabei helfen, den Widerstand der Deutschen zu brechen, sollte die Operation Clarion. So lautete der Code-Name der größten und weiträumigsten anglo-amerikanischen Luftangriffskampagne im Zweiten Weltkrieg. Innerhalb von 48 Stunden wollten die Alliierten am 22. und 23. Februar 1945 der Infrastruktur im Reich einen tödlichen Schlag versetzen. Auch das Dörfchen Türkismühle hatten die Angreifer als Ziel für ihre Bomberpiloten auserkoren.

Seine Entstehung verdankt der Ort einer günstigen Verkehrslage. Und genau die sollten ihm und zahlreichen Menschen am 22. Februar ’45 zum Verhängnis werden. Allerdings fielen die Bomben auf den Bahnknotenpunkt nicht aus heiterem Himmel. Es war bewölkt. Und: „Der Angriff war angekündigt worden“, erinnert sich Helmut Weiler. Der Türkismühler ist pensionierter Gymnasiallehrer und passionierter Heimatforscher. Zahlreiche Schriften hat Weiler zur Geschichte seines Heimatortes und des Hochwaldes verfasst. Auch mit dem Bombardement Ende Februar 1945 hat er sich befasst. „Die Alliierten hatten über dem Dorf Flugblätter abgeworfen. Darauf stand: Türkismühle im Loch – wir kriegen Dich doch“, berichtet der Heimatforscher, der damals noch ein kleiner Junge war.

76 Jahre später sitzen wir am Tisch des Esszimmers in seinem Wohnhaus, das im Gebiet auf dem Eber steht. „Hier, wo wir jetzt sitzen, waren damals jede Menge Luftabwehrgeschütze stationiert“, berichtet Weiler. „Wenn man in diese Richtung weiter geht“, er zeigt aus dem Fenster in westliche Richtung, „würde man eine Absturzstelle finden. Da wurde eine viermotorige Maschine der Amis abgeschossen.“

Anlass für Weiler, sich noch einmal mit jenem Schicksalstag wenige Monate vor Kriegsende zu beschäftigen, war jüngst die Neueröffnung des Türkismühler City-Grills in der Saarbrücker Straße. Denn der steht genau auf jenem Platz, wo damals zahlreiche Menschen ihr Leben verloren.

Die Bomber mit ihrer todbringenden Luftfracht kamen nachmittags gegen 15 Uhr aus Richtung Nohfelden durch das Nahetal geflogen. Tief brummten die Motoren der Propellermaschinen, Sirenen hatten Fliegeralarm geheult. Bis 1944 war Türkismühle fast vollständig von Luftangriffen verschont geblieben. Doch mit dem Näherrücken der Front war das florierende Dörfchen immer stärker ins Visier der Bomberstaffeln gerückt. Schließlich war hier ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt – gerade auch für die Wehrmacht. 51 Angriffe aus der Luft sollten in der Folge bis Kriegsende über Türkismühle niedergehen.

Der damals beidseitige Trennungsbahnhof lag und liegt an der Nahetalbahn und war Endpunkt der Hochwaldbahn nach Trier sowie der Westrichbahn nach Kusel. „Gerade in den letzten Kriegsmonaten und -wochen ging durch den Bahnhof viel Kriegsgerät durch“, weiß Weiler und berichtet von einer alten Militärrampe im Wald, „die es noch immer gibt“. Über diese konnte Großgerät auf die Schiene gebracht oder von dort heruntergeholt werden. „Es gibt sogar Zeitzeugen, die mir erzählt haben, dass hier einige V2 verladen wurden.“ Die Abkürzung V2 steht für Vergeltungswaffe zwei, die weltweit erste funktionsfähige Großrakete mit Flüssigkeitstriebwerk. Die ballistische Artillerie-Rakete kam im Zweiten Weltkrieg ab 1944 in großer Zahl zum Einsatz.

Als sich die Bomber am 22. Februar 1945 dem Ort näherten, hielt gerade ein Passagierzug in Türkismühle. Da Fliegeralarm gegeben war, rannten die Menschen aus Zug und Bahnhof und suchten Schutz in dem vermeintlich sicheren Keller des unweit gelegenen Hotels Zwetsch. Das war in den 1870er-Jahren als Hotel zur Post erbaut worden.

Ungeachtet der Flugabwehrgeschütze auf der Anhöhe, wo heute Weiler wohnt, drangen die Bomber vor. Dann waren die Flieger über dem Dorf, öffneten die Klappen an den Bäuchen ihrer fliegenden Festungen und luden ihre tödliche Fracht ab. Gewaltige Explosionen erschütterten den Bahnhof und die umliegenden Gebäude. Die Gleisanlage wurde nachhaltig zerstört, ebenso unter anderem das Bahnhofsgebäude, das Gasthaus Schulz sowie das Geschäftshaus Anton Meier. Auch das Hotel Zwetsch wurde getroffen. Dessen Keller galt zwar als bombensicher, wurde aber dennoch zur Todesfalle.

„Man schätzt, dass etwa 50 Menschen in dem Keller Schutz suchten und verschüttet wurden. In dem Keller lagerte Koks, der sich durch den Bombenangriff wohl entzündete. Das Feuer entzog der Luft den Sauerstoff und die Menschen erstickten“, berichtet Weiler. „Neben den beiden Hotelbesitzerinnen Philippine und Ida Zwetsch sowie ihrer Schwester Luise fanden weitere Personen aus Türkismühle, den Nachbarorten sowie die Fahrgäste des gerade angekommenen Zuges und zudem fünf Wehrmachtsangehörige, (. . .), den Tod.“

Während der Lösch- und Rettungsarbeiten griffen immer wieder amerikanische Kampfflugzeuge die Rettungskräfte an. „Wir haben die Flugzeuge nur Dachrutscher genannt, weil sie immer so tief über die Dächer der Häuser geflogen kamen“, sagt der Heimatforscher. Die Dachrutscher waren Jäger der Firma Lockheed mit der Bezeichnung P-38 Lightning. Jedenfalls machten diese Angriffe die Bergung der Opfer aus den Schuttmassen tagsüber schwierig bis nahezu unmöglich. Die in den folgenden Nächten geborgenen Opfer setzte man – ebenfalls nachts – auf dem Friedhof in Nohfelden bei, da ein solcher in Türkismühle selbst zur damaligen Zeit noch nicht angelegt war. „Die letzten Opfer konnten aber erst gut eineinhalb Jahre später völlig skelettiert geborgen werden“, hat Weiler recherchiert.

Das Grundstück des ehemaligen Hotels Zwetsch blieb in der Folgezeit unbebaut. Bis jetzt. 76 Jahre nach der Zerstörung des ehemaligen Hotels zur Post sei mit dem repräsentativen Neubau ein würdiger Nachfolger gefunden worden, „der wie das Vorgängergebäude zu einer Institution werden kann“. Jedenfalls wünscht Weiler das der Familie Kartal Vakkas, die den Citiy-Grill betreibt.