Johann Georg Schreiber
(1676–1750). Kupferstecher und
Atlasverleger
Autor Jäger, Eckhard
Erschienen Bad Langensalza 2019: Verlag
Rockstuhl
Anzahl Seiten 98 S.
Preis € 39,95
ISBN 978-3-95966-430-1
Rezensiert für H-Soz-Kult von Gyula Pápay, Historisches
Institut, Universität
Rostock
Der Kupferstichdruck war von der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts bis zur
Mitte des 19. Jahrhunderts das beherrschende Medium in der
Verlagskartografie.
Der Wechsel vom Holzdruck zum Kupferstich ermöglichte eine
wesentlich
differenziertere kartografische Darstellung. Die Karten der
ersten großen
Weltatlanten von Abraham Ortelius (1527–1598) und Gerhard
Mercator (1512–1594)
wurden mit Kupferstich angefertigt. Die aufwendige Erstellung
der
Kupferdruckplatten stellte in technischer und künstlerischer
Hinsicht hohe
Anforderungen an die Kupferstecher. Die Kartenblätter wurden
meist einfarbig
gedruckt und durch Handkolorit komplettiert. Im frühen 19.
Jahrhundert wurde
diese Verfahrensweise sukzessive durch die Lithografie
verdrängt, die den Druck
in mehreren Farben ermöglichte.
In den die Kartografiegeschichte umfassend reflektierenden
Veröffentlichungen
stehen bisher die größeren Kartenverlage wie der von Johann
Baptist Homann
(1664–1724) in Nürnberg gegründete im Vordergrund. Eckhard
Jägers Publikationen
zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass der Autor seit mehreren
Jahren
Aktivitäten zur Aufhellung der Lebensumstände und Arbeitsweise
jener
Kupferstecher und Kartographen entfaltet, die in den
Publikationen zur Kartografiegeschichte
bisher nicht die gebührende Würdigung erfahren haben. So wurde
die Tätigkeit
des Leipziger Verlegers und Kupferstechers Johann George
Schreiber bisher nur
in Ausschnitten und dies lediglich in Zeitschriften mit
regionaler Ausstrahlung
beschrieben, unter anderem von Rudi Ogrissek[1] sowie von Marianne und
Werner Stams[2]. Mit Jägers Publikation
liegt nun die
erste Monografie zum Wirken Schreibers vor. Hier wird seine
Tätigkeit in ihrer
ganzen Breite dargelegt und außerdem sehr anschaulich mit 82
Abbildungen
illustriert. Auch die bisher wenig beachteten Taschenkalender
und
Stadtansichten, bei denen es sich um wertvolle Bildquellen mit
medienhistorischer Relevanz handelt, werden gewürdigt.
Die Monografie ist in vier größere Teile gegliedert. Im ersten
Abschnitt wird
das Leben und Werk Schreibers beschrieben (S. 6–47), im zweiten
Teil seine
kartografische Tätigkeit (S. 48–77). Der dritte Teil behandelt
die die übrigen
Publikationen, wie z.B. die Kalender (S. 78–82). Das vierte und
letzte Kapitel
ist ein sozialökonomischer Exkurs zum kartografischen
Kupferstich des 18.
Jahrhunderts, der unter anderem Auskunft über die Relation
zwischen
Lebenshaltungskosten und Landkartenpreisen enthält. Komplettiert
wurden diese
Teile durch ein Literaturverzeichnis und Personalregister sowie
eine Erklärung
zu historischen Maßen, Münzen und Papierformaten.
Zu den Lebensumständen Schreibers konnte der Autor wenig neue
Informationen
beitragen, da die Überlieferungen äußerst spärlich sind.
Kurioserweise ist die
Hauptquelle hierfür ein Lexikoneintrag, der noch zu Lebzeiten
Schreibers
publiziert wurde. Dabei handelt es sich um das Zedler-Lexikon,
das ab 1732 in
64 Bänden in Leipzig und Halle erschien. Der 35. Band dieses
Lexikons (1743)
enthält bemerkenswerte Details unter anderem zur
Kartierungsarbeit Schreibers,
aber seine Aufnahmemethodik wird nicht explizit erläutert.
Hierfür liegen auch
keine anderweitigen Quellen vor.[3]
Die Eckdaten des Lebenslaufs Schreibers sind hingegen gut
dokumentiert. Er ist
am 10. Dezember 1676 in Neusalza, in der Nähe von Bautzen,
geboren. In Bautzen
absolvierte er das Gymnasium. Hier eignete er sich
autodidaktisch die
Verfahrenstechnik des Kupferstichs und auch der Kartierung an.
1700 stellte er
das detailreiche Vogelschaubild Bautzens fertig. Darauf folgte
die Karte der
Oberlausitz 1705. Im Jahr 1709 siedelte er nach Leipzig um und
ließ sich in die
Universitätsmatrikel eintragen. Ob er jedoch tatsächlich ein
Studium
absolvierte, lässt sich nicht nachweisen. Er war wohl eher ein
nicht-akademischer Universitätsbürger, der einer künstlerischen
Tätigkeit nachging.
Sein Leipziger Aufenthalt wurde zwischen 1712 und 1718 durch
eine Beschäftigung
in Zeitz und Naumburg unterbrochen, in deren Lauf u. a. eine
Karte der Stifte
Naumburg und Zeitz sowie Vogelschaubilder entstanden sind. Nach
seiner Rückkehr
entfaltete Schreiber in Leipzig eine vielfältige
Verlagstätigkeit. Besonders
hervorzuheben ist hieraus der „Atlas Selectus…“, der ab etwa
1727 herausgegeben
wurde. Dieser Atlas war der erste Weltatlas, der in Sachsen
erstellt wurde. Von
kulturhistorischer Bedeutung sind auch Schreibers Ansichten
Leipzigs. Er wohnte
in der Nachbarschaft von Johann Sebastian Bach. Dementsprechend
verhilft Jägers
Monografie den Leser/innen auch zu einer aufschlussreichen
„Zeitreise“ in das
Leipzig der Bach-Zeit, indem hier mehrere, ansonsten schwer
zugängliche
Stadtansichten und Straßenszenen abgebildet wurden.
Ein besonderes Verdienst des Autors der vorliegenden Monografie
besteht darin,
dass er ein vollständiges und illustriertes Werkverzeichnis
Johann George
Schreibers zusammengestellt hat. Der illustrierte Katalog der
Atlaskarten weist
298 Positionen auf. Abschließend wird noch die Weiterführung des
Verlages durch
Schreibers Nachfolger bis zum 19. Jahrhundert dargelegt. Jägers
Monografie ist
somit ein bemerkenswerter Beitrag nicht nur zur
Kartografiegeschichte, sondern
auch zur Mediengeschichte des 18. Jahrhunderts.
Anmerkungen:
[1] Rudi Ogrissek, Die
Oberlausitzkarte Lusatia
Superioris Tabula Chorographica des Johann George Schreiber aus
dem Anfang des
18. Jahrhunderts, in: Sächsische Heimatblätter, 5 (1981), S.
223–226.
[2] Marianne und Werner Stams,
Der Kartograph,
Kupferstecher und erste sächsische Kartenverleger Johann George
Schreiber aus
Neusalza-Spremberg 1676–1750, in: Neues Lausitzisches Magazin.
Neue Folge 7
(2004), S. 110–137.
[3] Art. „Schreiber, (Johann
George)“, in:
Johann H. Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges
Universal-Lexicon Aller
Wissenschafften und Künste, Bd. 35 (1743), Sp. 1152–1157. Siehe
dazu die
digitalisierte Version des Lexikons: https://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&seitenzahl=590&bandnummer=35&view=100&l=deiew=100&l=de
(7.12.2019)
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Roland Geiger
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