Gottesdienst wider Nazi-Grauen :
Dialogpredigt gegen das Vergessen
St. Wendel In der evangelischen Stadtkirche und in
Niederlinxweiler stehen Veranstaltungen
an.
Wir leben in Zeiten, in denen jüdische Mitbürger sich nicht mehr
trauen, mit ihrer
Kippa auf die Straße zu gehen – hier in Deutschland“, kritisiert
Hartmut König.
„Das darf doch einfach nicht sein. Wissen die Leute nicht mehr,
was hier einmal
geschehen ist? Es darf nicht vergessen werden! Wir müssen uns
erinnern, damit es
nicht noch mal so weit kommen kann!“ Es, damit ist die Nazi-Zeit
mit all ihrem Grauen
gemeint. Und damit die nicht wiederaufersteht, laden er, Hartmut
König, und Pfarrer
Gabriel Schäfer die Bevölkerung zur Dialogpredigt. Deren
Leitspruch lautet: „Vergiss
nicht, was du gesehen und gehört hast!“
Ort des Geschehens ist am Sonntag, 12. Januar, die evangelische Stadtkirche in St. Wendel. Beginn
der Dialogpredigt ist
um 10 Uhr.
Mitorganisator Hartmut König ist praktisch selbst betroffen, denn
sein Großvater
sei Jude gewesen. Er selbst ist es demnach zu einem Viertel. „Auf
dieses Viertel
bin ich sehr stolz“, betont er. König wuchs nach eigenen Angaben
mit christlichen
und jüdischen Werten, Feiertagen und Festen auf. Sein Großvater
habe die Nazi-Zeit
und den Zweiten Weltkrieg nur knapp überlebt. In Holland habe er
in einem Haus Unterschlupf
gefunden, in dessen Nachbarschaft sich Anne Frank mit ihrer
Familie versteckte.
Königs Großvater sei sein Vorbild gewesen, ein stolzer, bedachter
Mann, der ihn
vieles gelehrt habe, was er noch heute sehr schätze. König
erzählt, dass es ihn
schmerze, dass antisemitisemitisches Denken und Rechtsextremismus
zunehme und in
manchen Kreisen wieder hoffähig werde. Der Anschlag von Halle im
Oktober 2019 zeige,
wie groß die Gefahr ist, die von gewaltbereiten Antisemiten und
Rechtsextremisten
ausgeht. König will nicht mehr nur zuschauen und bedauern, was
geschieht. Er will
reden, erklären, berichten. „Wir müssen uns vor Augen halten, wie
schrecklich es
einmal war. Das kann doch keiner mehr wollen. Wir dürfen nicht
zulassen, dass Fremdenhass
und Rechtsextremismus weiter zunehmen!“
Die Dialogpredigt gegen das Vergessen wird laut Gabi Koepke von
der evangelischen
Gesamtkirchengemeinde St. Wendel von Pfarrer Schäfer und seiner
Konfirmandengruppe
vorbereitet. Die Konfirmanden werden den Gottesdienst demnach mit
ihren Gedanken
zum Thema „Angst um den Frieden“ eröffnen. Später wird Hartmut
König über seine
persönlichen Erfahrungen und die seines Großvaters berichten. Für
den 77-jährigen
evangelischen Diakon im Ruhestand steht das gesamte Jahr 2020
unter dem Grundsatz
des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – dieses Jahr
jährt sich die
Befreiung der Gefangenen aus dem Konzentrationslager Auschwitz zum
75. Mal. „Der
Nationalsozialismus und der durch ihn ausgelöste Zweite Weltkrieg
mit seinen Gräueltaten
wird für alle Zeit der Schandfleck in der deutschen Geschichte
sein.“
Die Zeitzeugen werden weniger, aber König appelliert an alle, die
dabei waren, alle,
die die Geschichten gehört und gelesen haben, alle, die ihm
zuhören werden: „Vergiss
nicht, was du gesehen und gehört hast!“
Die gesamte Bevölkerung ist geladen, einen der beiden
Gottesdienste zu besuchen
und an den Gedanken von Pfarrer Schäfer, seiner Konfirmandengruppe
und Hartmut König
teilzuhaben.
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