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2013/01/10 23:50:09
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] "Leben im Spital: Pfrün dner und ihr Alltag (1500 - 1800)"
Datum 2013/01/14 20:02:25
Hans-Joachim Kühn
Re: [Regionalforum-Saar] weiß jemand darüber etwas?
2013/01/31 13:01:54
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] nix Anrüchiges, aber dar über ...
Betreff 2013/01/18 09:47:09
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Sebastianus-Bruderschaft in St. Wendel
2013/01/10 23:50:09
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] "Leben im Spital: Pfrün dner und ihr Alltag (1500 - 1800)"
Autor 2013/01/18 09:47:09
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Sebastianus-Bruderschaft in St. Wendel

[Regionalforum-Saar] Rezi: Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte

Date: 2013/01/11 22:23:06
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Löhr, Isabella: Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte. Neue
Strukturen internationaler Zusammenarbeit 1886-1952 (= Kritische Studien
zur Geschichtswissenschaft 195). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010.
ISBN 978-3-525-37019-3; 342 S.; EUR 59,00.

Rezensiert für geschichte.transnational und H-Soz-u-Kult von:
Monika Dommann, Universität Basel
E-Mail: <monika.dommann(a)... musste es ja geschehen. Plötzlich ertappte ich mich dabei,
wie meine Finger auf die kleinformatige Fotografie auf dem Buchdeckel
geglitten waren. Die Verunsicherung glich jenem Zaudern beim Stolpern
auf einer Stiege. Meine auf elektronischen Leseroberflächen
kalifornischen Ursprungs eingeschliffenen Fingertechniken hatten ins
Leere gegriffen. Die Fotografie mit den Männern in Anzügen mit
eigenartig groß anmutenden Jacketts, an Tischen mit Papierstapeln,
Schreibtischunterlagen und Aschenbechern widersetzte sich meinem
Blow-up-Versuch.

Isabella Löhrs am Institut für Kulturwissenschaften in Leipzig
entstandene Dissertation widmet sich nicht bloß einem Kapitel bislang
vernachlässigter Diplomatiegeschichte (jenseits der traditionellen
Diplomatie), sondern auch einem zentralen Aspekt in der Geschichte des
Buches: der für den internationalen Handel mit Büchern prägenden
räumlichen Ausdehnung und inhaltlichen Harmonisierung von
Urheberrechten, Copyrights und Droits d'Auteur. Diese lange bloß unter
Experten diskutierten Rechtsbereiche sind gerade im Zusammenhang mit den
gegenwärtigen elektronischen Umbrüchen des Verlagswesens und den in
Konkurrenz zum Buch tretenden neuen Medien erstmals in die
Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit gerückt.

Die ersten nationalen Gesetze zum Schutz von Autoren entstanden im 18.
Jahrhundert. Ihre gesetzliche Verankerung ist nicht frei von Ironie,
wenn man bedenkt, dass gerade die Französische Revolution einen großen
Anteil an der Durchsetzung und Verbreitung geistiger Eigentumsrechte
hatte, obwohl sie gleichzeitig gerade von der Verbreitung ihrer Ideen
durch illegale offshore-Buchdruckereien profitiert hatte.[1] Im 19.
Jahrhundert wurde die nationale Begrenzung der Gesetze von Staaten mit
ökonomisch bedeutsamen Buchindustrien (insbesondere Großbritannien,
Frankreich und Deutschland) zunehmend als Regulierungslücke
wahrgenommen, welche sie mit bi- und multinationalen Handelsverträgen zu
schließen versuchten - mit begrenztem Erfolg. Insbesondere die zunehmend
als Buchpirat gebrandmarkten Vereinigten Staaten ließen den Nachdruck
ausländischer Drucksachen durch das einheimische Gewerbe mit Rekurs auf
Förderung der Wissenschaft und der Künste und der Stärkung des
inländischen Druckereien gewähren und verfolgten als Kulturimporteur
eine andere Strategie des kulturellen und ökonomischen Protektionismus
als die alten Literaturexporteure in Europa.[2]

Der erste Teil von Isabella Löhrs Studie ist der 1886 gegründeten Berner
Konvention gewidmet. 1858 von Schriftstellern, Wissenschaftlern,
Künstlern, Musikern, Verlegern und Juristen in Brüssel initiiert,
garantierte sie die multilaterale Anerkennung von Autorrechten und
operierte dabei in Krieg und Frieden von einem ständigen Büro in der
neutralen Schweiz aus. Das Fernbleiben der USA (sowie des russischen
Reiches bzw. der Sowjetunion) manifestierte jedoch schon bald Löcher im
anvisierten geschlossenen System von Autorrechten. Löhr analysiert diese
Konvention als ein Beispiel für die im 19. Jahrhundert entstandenen
Verwaltungsunionen, die für die Politikgeschichte und die politische
Philosophie deshalb von Interesse sind, weil sie auf die Frage nach der
Steuerbarkeit von Politik, Recht und Wirtschaft im Zuge der ersten
Globalisierung zielen. Hierbei stellt sich die grundlegende Frage,
welche die Lektüre von Löhrs Studie so anregend macht, ob die
Internationalisierung des Rechts einen Akt der Reterritorialisierung
darstellte, um die staatliche Kontrolle auch grenzüberschreitend
auszuüben und auf nationaler Ebene zu sichern und steuerbar zu halten,
oder ob die neuen internationalen Kooperationen dabei eine Eigendynamik
jenseits der nationalen Kontrollmechanismen entwickelten. Dabei geht es
auch um eine Situierung neuer Formen internationaler Zusammenarbeit
zwischen den traditionellen Mitteln der Diplomatie und den neuen Foren
des Expertentums und der Bürokratie, in deren Dienst die Herren auf der
eingangs erwähnten Fotografie zusammenkamen.

Im Fall der Berner Konvention blieb die Befugnis Recht zu sprechen
weiterhin bei den souveränen Mitgliedstaaten, die dieses Recht mittels
Revisionskonferenzen und der Ratifizierung der Konvention ausübten.
Andererseits gelang es dem Berner Büro auch während der beiden
Weltkriege seinen Betrieb aufrechtzuerhalten, wobei es hierbei auf die
Unterstützung der nationalen und internationalen Autoren- und
Verlegerverbände zurückgreifen konnte, ein Umstand der auf die starke
Interessengebundenheit der Konvention hinweist. Hierbei manifestiert
sich ein grundlegendes Problem von Politik in der Moderne: Sie bedarf
des Expertenwissens und gerät dabei in Abhängigkeiten von den
organisierten Interessen der Experten.

Dass die neuen Formen der Zusammenarbeit jedoch auch weiterhin den
Instrumenten der Weltpolitik unterworfen blieben, zeigte sich besonders
deutlich nach dem Ersten Weltkrieg, als die Friedensverträge die
Autorrechte explizit aus dem neutralen Rahmen der internationalen
Verwaltungsunion lösten und in den Kontext von Reparation und
politischer Bestrafung einordneten. Im internationalen Buchhandel wurde
dann allerdings weniger heiß gegessen, als an den Verhandlungstischen
ursprünglich gekocht worden war: Die alten Verlagsverträge behielten
auch in den 1920er-Jahren ihre unbestrittene Gültigkeit.

Im zweiten und dritten Teil rückt die Autorin die 1920er-und
1930er-Jahre in den Fokus und geht dabei auf die bislang noch kaum
beachteten Bemühungen der Berner Konvention ein, ihre Limitierung als
exklusiv europäischer Club zu überwinden und globale Rechtsstandards zu
etablieren. Denn die flächenmäßige Ausdehnung der Konvention in Afrika
und Asien hatte sie dem Kolonialismus zu verdanken, das heißt dem
Umstand, dass weite Teile Afrikas und Asiens (mit Ausnahme von Japan)
dem Vertrag qua politischer und rechtlicher Abhängigkeit vom Mutterland
angehörten, währendem beinahe der gesamte amerikanische Kontinent (mit
Ausnahme von Brasilien, Haiti und Kanada) dem Vertrag fern blieb,
beziehungsweise seit 1889 in eigenen (das heißt südamerikanischen,
zentralamerikanischen und pan-amerikanischen) Urheberrechts- und
Copyrightabkommen regelte.

Die Versuche der Berner Konvention von den USA mehr abzutrotzen als jene
seit 1891 gewährten bilateralen Verträge, die den Copyrightschutz der
Werke ausländischer Autoren davon abhängig machten, dass sie durch
amerikanische Setzmaschinen auf amerikanischen Boden gedruckt wurden,
liefen in den 1930er-Jahren endgültig ins Leere. Demgegenüber war der
1922 gegründeten Kommission für geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes
(bzw. ihre Unterkommission für geistiges Eigentum) im Süden Amerikas
mehr Erfolg beschieden, zumindest wenn man die Auswirkungen dieser
Bemühungen über den Zweiten Weltkrieg hinaus längerfristig als
Wegbereiter für die Regelwerke der UNESCO betrachtet, wie dies Isabella
Löhr tut. Dahinter steht eine von den politischen Wissenschaften
entliehene Vorstellung von global governance, als ein unter der
Oberfläche staatlichen Regierungshandelns operierendes Regieren mit und
ohne Regierung.

Die Gründung des Instituts für Geistige Zusammenarbeit im Jahr 1926 in
Paris stand anfänglich durchaus in Konkurrenz zum Berner Büro, konnte
sich jedoch zu Beginn der 1930er-Jahren ein eigenes Profil erarbeiten,
das auf eine enge Vernetzung mit Berufsverbänden, Rechtsexperten und
diversen internationalen Organisation setzte, der Rechtsannäherung
zwischen Europa und Amerika Priorität zusprach, und dabei auf die
Vermittlung Brasiliens zählen konnte. Ihre Schlagkraft war dennoch
begrenzt und stets davon abhängig, dass die beteiligten Staaten bereit
waren, eine internationale Konvention zu unterzeichnen und zu
ratifizieren.

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Paris im Jahr 1940 floh ein
Großteil der Mitarbeiter des Instituts für Geistige Zusammenarbeit ins
Ausland, und ihr Direktor versuchte durch Unterstützung der Rockefeller
Foundation von den USA aus die Institutsaktivitäten am Leben erhalten.
Angesichts der von Löhr erstmals minutiös untersuchten Aktivitäten des
Instituts für Geistige Zusammenarbeit drängt sich der Gedanke auf, dass
das Jahr 1940 vielleicht als eigentliches Kippjahr in der Geschichte des
internationalen Copyrights bezeichnet werden müsste, weil von nun an
Tempo, Rhythmus und Melodie dieses Rechtsbereiches von den USA aus
geprägt wurden.[3] Die 1945 unter Ägide der USA als Sonderorganisation
der UNO gegründete UNESCO wird von Löhr als Fortsetzung der Kommission
für geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes verstanden, obwohl sie
schließlich 1952 in eine eigene, im Vergleich zur Berner Konvention
reduzierte Weltkonvention - der Universal Copyright Convention -
mündete, und damit auch in Konkurrenz zur Berner Konvention trat.

Es ist Isabella Löhr in der vorliegenden empirisch dichten Studie
hervorragend gelungen, rechtswissenschaftliche Problemfelder äußerst
produktiv an die Fragestellungen der Kulturwissenschaften heranzuführen.
Dass sie dabei eine Kontinuität der Entwicklungen im globalen
Urheberrecht unterstreicht, die Handlungsspielräume der von ihr
untersuchten Organisationen und Netzwerke stark macht und dabei die
Diskontinuitäten und auch begrenzten Steuerungsmöglichkeiten staatlichen
und nichtstaatlichen Handelns angesichts neuer medialer Konstellation
nicht auch noch im Detail untersuchen kann, ist der prägnanten Studie
keinesfalls zum Vorwurf zu machen. Diese Perspektivierungen der Arbeit
werden im Schlusswort selbstkritisch reflektiert. Man folgt der Autorin
bis zum Schluss interessiert bei ihren Erkundungen hinter die Türen
staatlicher und parastaatlicher Konferenzen und erfährt einiges über den
Inhalt jener Papierstapel, die auf der eingangs erwähnten Fotografie von
den Männern mit Anzügen verfasst und diskutiert werden.


Anmerkungen:
[1] Vgl. Robert Darnton, The Forbidden Best-Sellers of Pre-Revolutionary
France, New York 1995; kritisch hierzu: Haydn T. Mason (Hrsg.), The
Darnton Debate. Books and Revolution in the Eighteenth Century, Oxford
1998.
[2] Catherine Seville, The Internationalisation of Copyright Law. Books,
Buccaneers and the Black Flag in the Nineteenth Century, Cambridge
2009.
[3] Zu den Debatten in den USA in den 1930er-Jahren aus
medienhistorischer Sicht vgl.: Monika Dommann, Recording Prints, Reading
Films. Mikrofilme, amerikanische Kosmopoliten und die Entdeckung des
Copyrightproblems in den 1930er Jahren, in: Zeitschrift für
Medienwissenschaft 2 (2010) 2, S. 73-83.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Katja Naumann <knaumann(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-1-023>