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2013/01/10 17:16:24
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] weiß jemand darüber ewas ?
Datum 2013/01/11 22:23:06
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Rezi: Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte
2013/01/21 17:09:33
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Johann Nikolaus Riem, geb. ca. 1682
Betreff 2013/01/31 13:01:54
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] nix Anrüchiges, aber dar über ...
2013/01/10 17:16:24
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] weiß jemand darüber ewas ?
Autor 2013/01/11 22:23:06
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Rezi: Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte

[Regionalforum-Saar] "Leben im Spital: Pfrün dner und ihr Alltag (1500 - 1800)"

Date: 2013/01/10 23:50:09
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Tagber: Leben im Spital - Pfründner und ihr Alltag (1500 -
         1800)
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Spitalarchiv Regensburg
09.11.2012-10.11.2012, Regensburg

Bericht von:
Kathrin Pindl, Archiv der St. Katharinenspitalstiftung / Universität
Regensburg
E-Mail: <spitalarchiv(a)... im Spital: Pfründner und ihr Alltag (1500 - 1800)" - so lautete
der Titel einer Tagung, die am 9. und 10. November 2012 im Regensburger
St. Katharinenspital stattfand und vom Wissenschaftlichen Beirat des
Spitalarchivs unter Federführung von Daniel Drascek, Peter Schmid und
Artur Dirmeier organisiert wurde. Im Mittelpunkt standen die ehemaligen
Bewohner der Spitäler - die so genannten Pfründner - und eine Annäherung
an deren lebensweltliche Grundlagen. Zunächst stimmte eine historische
Stadtführung mit Peter MORSBACH unter dem Motto "Pfründenwelten" auf den
Gegenstand der Tagung ein.

Nach einer Begrüßung durch Spitalmeister Willibald Koller und der
Eröffnung mit Grußworten von Bürgermeister Gerhard Weber sowie Christian
Wolff, Dekan der Fakultät für Sprach-, Literatur- und
Kulturwissenschaften an der Universität Regensburg, erläuterte
Spitalarchivar Artur Dirmeier in einer knappen Einführung die Relevanz
der Spitalforschung für die Alltags-, Mikro- und
Sozialgeschichtsschreibung. Die zumeist früh einsetzende und oftmals
detaillierte Überlieferung der Hospitalarchive biete Erkenntnispotential
zur (vergleichenden) Untersuchung verschiedenster Themenkreise innerhalb
des Spitalspektrums und darüber hinaus - etwa im Bereich von Rechts- und
Medizingeschichte, ökonomischen Fragestellungen, Gender-Aspekten, der
Genese kommunaler Selbstverwaltung und weiteren Forschungsfeldern im
(über-)regionalen Kontext.

In der von JOACHIM WILD (München) moderierten ersten Sektion zu
Begriffsklärung und Quellenbasis widmete sich HANS-GEORG HERMANN
(München) den geistlichen Wurzeln der Spitalpfründe aus
rechtshistorischer Perspektive und skizzierte deren bürgerliche
Ausprägung im Verlauf der Frühen Neuzeit. Die Entwicklung weg vom
sozial-karitativ altruistischen Modell der Spitäler entsprechend ihres
wohltätigen Stiftungszwecks hin zum "Pfründenkauf" gehe nach Hermann mit
einer zunehmenden Kommerzialisierung der Spitalkonzeption einher. Diese
Alternation im Selbstverständnis der frühneuzeitlichen Hospitäler  habe
vornehmlich im Erbrecht - traditionell gingen Nachlässe der Insassen in
den Spitalbesitz über - gesonderten juristischen Regelungsbedarf nach
sich gezogen. Konkret sei dies an kirchlichen und weltlichen
Rechtsquellen sowie anhand von Spitalstatuten und Pfründenverträgen
nachvollziehbar. Hieraus könne Nutzen etwa für die Untersuchung der
Finanzierungsgrundlagen frühneuzeitlicher Hospitäler erwachsen.

Weiter lieferten MICHAEL DIEFENBACHER (Nürnberg) als Vorsitzender des
Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare, EDWIN HAMBERGER
(Mühldorf) und JOHANNES LASCHINGER (Amberg) einen fachlich fundierten
Überblick zur Überlieferung des Pfründnerwesens am Beispiel der
bayerischen Stadtarchive Nürnberg, Mühldorf am Inn und Amberg. Ihre
engagierten Beiträge befassten sich mit der Quellensituation zur
Lebenswelt der Spitalinsassen. Was die Überlieferungslage angehe, so
herrsche im Allgemeinen eine Diskrepanz zwischen reinem
Verwaltungsschriftgut einerseits und Ego-Dokumenten zum spezifischen
Lebensalltag der Pfründner auf der anderen Seite. In erster Linie
lieferten Rechnungen, Protokolle und Nachlassinventare wissenschaftlich
verwertbare Informationen zu sozialer Hierarchie und Lebensstandard.

Im nächsten Panel zum "Weg ins Spital" beschäftigte sich
ALEXANDRA-KATHRIN STANISLAW-KEMENAH (Dresden) mit der Aufnahme ins
Jakobsspital zu Dresden im 16. und 17. Jahrhundert. Anhand von
Supplikationen - Bittschriften mit dem Ziel, in die Einrichtung
zugelassen zu werden - wurden im Hinblick auf Exspektanz und Protektion
hauptsächlich Biographie und Motive der Dresdener Spitalinsassen sowie
deren durchschnittliche Verweildauer untersucht und diesbezüglich ein
struktureller Wandel in der Frühen Neuzeit aufgezeigt. Darüber hinaus
thematisierte Stanislaw-Kemenah am Exempel zweier Spitalordnungen von
1536 und 1594 im Licht der Reformation das Spannungsfeld zwischen
normativ regulierter Kollektivdisziplin und der Konstruktion eines neuen
Identitätsbewusstseins der Insassen als Individuen. Letzteres habe sich
in vermehrten Autonomiebestrebungen der Pfründner hinsichtlich ihrer
Alltagsgestaltung geäußert, wie die Referentin dem interessierten
Fachpublikum mit einer Reihe authentischer Zitate aus besagten
Supplikationsschriften veranschaulichte - etwa zur angestrebten
Weiterausübung der Berufstätigkeit eines Pfründners.

RUDOLF NEUMAIER (München), der sich dem Thema "Pfründner" bereits in
seiner Dissertation am Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte in
Regensburg zugewandt hatte, stellte im Folgenden die Zusammensetzung der
Klientel des Regensburger Katharinenspitals als Referenz für den
(süd-)deutschen Raum mit Hilfe von Quellen aus dem Spitalarchiv und
Kirchenbüchern aus dem Archiv der Evangelischen Landeskirche vor. Sein
Fokus lag auf der wirtschaftlichen Situation der Pfründner und hier auf
der Kernfrage nach einer Definition von Bedürftigkeit im Verständnis des
in Selbstzuschreibung so genannten "Bürgerspitals" (im Gegensatz zu
einem "Armenspital"). Daneben befasste sich Neumaier mit der
tatsächlichen Position der Pfründner im sozialen Gefüge der
frühneuzeitlichen Stadt. Seine Auswertung von 900 personenbezogenen
Datensätzen aus den Jahren zwischen 1649 und 1809 zeige, dass die
ansonsten heterogene Sozialstruktur im Katharinenspital von
vergleichsweise wohlhabenden, wenn auch keineswegs als vermögend
einzustufenden Bürgerswitwen fortgeschrittenen Alters dominiert worden
sei, die ihre Aufnahme im Spital durchaus als Privileg und damit
Spiegelung ihres Status begriffen hätten - obschon sie teilweise zu
Arbeiten in Akkordanz mit den Spitalstatuten angehalten worden seien.

Seinen Abschluss fand der erste Tag mit einem öffentlichen Abendvortrag
in feierlichem Rahmen. In einer Einführung betonte Medizinhistoriker
KLAUS BERGDOLT (Köln) die zentrale Rolle des Archivs der St.
Katharinenspitalstiftung als Forschungszentrum und Multiplikator zur
Spitalhistorie im deutschsprachigen und internationalen Raum und
würdigte in diesem Zusammenhang die Arbeit von Spitalarchivar Artur
Dirmeier als Mitherausgeber der Reihe "Studien zur Geschichte des
Spital-, Wohlfahrts- und Gesundheitswesen".

Anschließend bot Dirmeier ein überblicksartiges Panorama zur
800-jährigen Geschichte des Katharinenspitals als sozial-karitative
Institution in Regensburg, indem er auf bedeutsame Stationen in der
Geschichte des Spitals einging. Das Katharinenspital war gegen 1226 aus
der Fusion des Domspitals mit dem Brückenspital am Nordende der
Steinernen Brücke entstanden, was zunächst - ableitbar aus einer
Vielzahl von Ablassbriefen - mit reger Bautätigkeit einhergegangen war.
Die Finanzierung der Einrichtung, deren Leitungsgremium sich bis zur
Gegenwart (nach Bestimmungen des Westfälischen Friedens konfessionell
paritätisch) aus Mitgliedern von Domkapitel und Bürgerschaft
zusammengesetzt hat, erfolgte sowohl über Stiftungen und Spenden als
auch, im Verlauf der Frühen Neuzeit in zunehmendem Maße, aus Profiten
wirtschaftlicher Aktivität, Kapitalerträgen und eben Pfründenverkäufen.
Die Lebensumstände der Pfründner im Katharinenspital wurden von Dirmeier
unter Zuhilfenahme historischen Bildmaterials - etwa Lageplänen der
Pfründnerzimmer aus dem 17. Jahrhundert - illustriert.

Die erste Tagungssektion am Samstag, moderiert von BERNHARD LÖFFLER
(Regensburg), war dann den lebensweltlichen Grundlagen des
Pfründnerwesens gewidmet. MARTIN SCHEUTZ (Wien) und ALFRED STEFAN WEISZ
(Salzburg) entwarfen unter anderem mittels der Analyse von
Rechnungsbuchbeständen aus der Frühen Neuzeit eine typische Woche im
Leben eines Spitalbewohners zwischen alltäglichen Verrichtungen,
religiöser Pflicht und Anstaltsregeln. Beide legten intensives Augenmerk
auf ihre Perzeption österreichischer und deutscher Spitäler als durchaus
"totale Institutionen" und damit streng reglementierte
"Verwahranstalten" in ideeller Analogie etwa zu Klöstern und
Gefängnissen. Damit positionierten sich Scheutz und Weiß entgegen
Neumaiers Betrachtung des Spitals als eine ins städtische System
integrierte, "offene" Einrichtung. Eine kontroverse Diskussion erfuhr
des Weiteren die Definition des Begriffs "Freizeit" im Kontext der
Frühen Neuzeit, wobei im Plenum Konsens darüber erzielt wurde, dass das
postmoderne Verständnis von Freizeit als Rekreation und Zerstreuung
abseits der Sphäre des Beruflichen keinesfalls den wissenschaftlichen
Blick auf zeitgenössische Muster geringerer Distanz zwischen Arbeitsraum
und Privatleben verstellen dürfe.

Anschließend rekonstruierte WOLFGANG REDDIG (Bamberg) den individuellen
und kollektiven Besitz frühneuzeitlicher Pfründner unter Einbeziehung
archäologischer Grabungsfunde, Tafelgemälden als Bildquellen sowie unter
Berücksichtigung von Nachlassinventaren aus der Zeit von 1500-1800.
Speziell das Vorhandensein eigenen Leinenzeugs habe in der Frühen
Neuzeit eine zentrale Kategorie sozialer Distinktion im Spital
dargestellt, wie der Referent wiederholt betonte. Reddig zufolge böten
Erkenntnisse zur materiellen Sachkultur eine im aktuellen historischen
Diskurs manchmal vernachlässigte Gelegenheit, Primärinformationen zur
Alltags- und Mentalitätsgeschichte der Frühen Neuzeit zu erhalten.

DANIEL DRASCEK (Regensburg) leitete das folgende Panel zu "Gesundheit
und Verpflegung". Darin widmete sich CARLOS WATZKA (Eichstätt) in einem
herausragend energischen Vortrag der Gesundheitsversorgung in
Hospitälern aus sozialwissenschaftlicher Perspektive mit Blick auf das
frühneuzeitliche Verständnis von Medizin zwischen evidenzbasierter
Naturwissenschaft und Transzendenz. Zur Analyse des multifunktional
angelegten zeitgenössischen Sozial- und Gesundheitswesens sei die
Kenntnis von Krankheits- und Therapieannahmen der Frühen Neuzeit
unabdingbar, um etwa den Umgang mit physisch und psychisch Erkrankten im
Spital - zum Beispiel die Praxis des Aderlass - kritisch einordnen oder
Kennziffern wie historische Mortalitätsraten angemessen bewerten zu
können. Daneben lohne eine Betrachtung der Kontinuität tradierter
Medizinpraktiken im zentraleuropäischen Bereich aus Mittelalter und
Früher Neuzeit auch abseits des Paradigmas eines diesbezüglichen
Kulturtransfers aus dem islamischen Raum.

Diätetik und Verpflegung am Beispiel verschiedener norddeutscher
Institutionen standen im Mittelpunkt des Tagungsbeitrags von BARBARA
KRUG-RICHTER (Saarbrücken). Die Referentin vollzog logistische und
organisatorische Rahmenbedingungen der Spitalversorgung unter anderem am
Beispiel des Imports von Trockenfisch nach und wandte sich maßgeblich
den kulturellen Aspekten der Speiseplanung von Hospitälern zu.
Methodische Ansätze zur quantitativen Messung des Fleischkonsums wurden
angesichts nicht zuletzt im Vergleich mit der Gegenwart
unverhältnismäßig hoch erscheinender Verzehrraten kritisch von
Referentin und Publikum hinterfragt, doch konnten diesbezügliche
Unklarheiten in engagierter Plenumsdiskussion nicht abschließend geklärt
werden. Auch die Veränderung der Speisepläne in Folge der Reformation
wurde in interdisziplinärer Runde diskutiert. Katholische
Fastenvorschriften seien - abgelöst von ihrem theologischen Hintergrund
- in derart signifikantem Ausmaß in kollektives Bewusstsein und
Alltagskultur diffundiert, dass noch Jahrzehnte nach dem
Konfessionswechsel in manchen Hospitälern des niederdeutschen Raumes
freitags traditionell Fisch serviert worden sei. Dies stelle ein bis
dato kaum untersuchtes Phänomen interkonfessionellen Kulturaustausches
dar.

In der letzten Sektion unter dem Titel "Leben auf engstem Raum"
referierte GISELA DROSSBACH (München/Augsburg) Konflikt und
Konfliktbewältigung im Spital aus rechtshistorischer Perspektive.
Probleme im disziplinarischen und zwischenmenschlichen Rahmen
erforderten Normen als abstrakte und allgemeingültige, von einer als
übergeordnet betrachteten Instanz erlassene Statuten, die das
Zusammenleben der Spitalgemeinschaft über bloße Rechtsgewohnheiten
hinaus regelten. Dies spiegle sich in der Normierungsintensität der
Epoche wider. Über ihren deskriptiven Wert hinaus eröffneten
Spitalordnungen die Möglichkeit, Brüche im Sozialgefüge der Spitäler zu
ermitteln und insofern eine wissenschaftliche Annäherung an die
Lebenswirklichkeit im frühneuzeitlichen Spital zu erreichen. 

STEFAN DIETERs (Memmingen/Kempten) Vortrag zum religiös geprägten Alltag
im Kaufbeurer Heilig-Geist-Spital als Beispiel für das geistliche Leben
in einer bikonfessionellen Reichsstadt beschloss die Reihe der
Tagungsvorträge. Dieter konstatierte, dass nur in Extrembereichen
menschlicher Existenz wie dem Bestattungswesen die Kohabitation von
Katholiken und Protestanten im Spital reibungslos verlaufen sei. Davon
abgesehen hätten Anhänger beider Konfessionen regelmäßig nicht nur den
Sakralraum für ihre Zwecke instrumentalisiert. Das Bestreben vornehmlich
der katholischen Seite nach religiöser Parität sei, zumindest in
Kaufbeuren, wiederholt blockiert worden. Vergleichbare Problematiken im
gemischtkonfessionellen Zusammenleben dürften auch in anderen, ihrer
Genese nach ähnlichen Hospitälern aufgetreten sein, so etwa im
Regensburger Katharinenspital.

Als Fazit der gut besuchten Tagung "Leben im Spital: Pfründner und ihr
Alltag (1500 - 1800)" bleibt die Feststellung, dass die Beschäftigung
mit Spitalgeschichte zahlreiche Anknüpfungspunkte für neue
Fragestellungen aus dem historischen, aber auch sozial-, rechts- und
wirtschaftswissenschaftlichen Themenfeld bietet. Eine größere
Beteiligung von Nachwuchswissenschaftlern wäre wünschenswert, erscheint
doch ein vertiefter Austausch von Spitalforschern unterschiedlicher
Provenienz auch für die Zukunft als Desiderat. Die geplante
Veröffentlichung der Beiträge, die ausnahmslos durch gehobenes Niveau
sowohl in fachlicher als auch rhetorischer Hinsicht bestachen, in einem
Tagungsband mag einen weiteren Impuls zur interdisziplinären
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hospitäler liefern.

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4566>