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2005/08/17 10:10:15
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[Regionalforum-Saar] Manfred Peter, Der heilige Wendelin
Datum 2005/08/29 21:26:22
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[Regionalforum-Saar] Buchvorstellung aus der Pfalz
2005/08/17 10:10:15
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[Regionalforum-Saar] Manfred Peter, Der heilige Wendelin
Betreff 2005/08/10 18:46:04
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[Regionalforum-Saar] Über die Geschichte der Pf arrei Alsweiler
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[Regionalforum-Saar] Manfred Peter, Der heilige Wendelin
Autor 2005/08/29 21:26:22
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[Regionalforum-Saar] Stellungnahme von Prof Haubrichs zu Peters "Wendalinus"

Date: 2005/08/19 17:50:07
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FAKULTÄT 4 DER UNIVERSITÄT DES SAARLANDES PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT II:

SPRACH-, LITERATUR- UND KULTURWISSENSCHAFTEN

FACHRICHTUNG 4.1 - Germanistik

- Prof. Dr. W. Haubrichs -

Universität des Saarlandes –

FR 4.1 Germanistik Postfach 151150 –

 

D-66041 Saarbrücken

 

Saarbrücken, den 17.08.2005 Ha/Ge

 

Stellungnahme zum Buch von

Manfred PETER

,Der heilige Wendelin. Die Geschichte eines faszinierenden Lebens'.

Nonnweiler-Otzenhausen (Verlag Barr) 2005

 

Jeder, der sich mit Legenden, der sog. Hagiographie beschäftigt, weiß, dass man sich diesen, wenn man historische Information aus ihnen ziehen will, mit äußerster Vorsicht und Kritik nähern muss, und dies um so mehr, je entfernter ihre Entstehungszeit vom vorgeblich berichteten Geschehen anzusetzen ist. Die Legenden, die vom Leben und Wunderwirken des heiligen Wendalinus, des Patrons von St. Wendel, Erstaunliches zu erzählen haben, sind nicht vor dem 15. Jahrhundert, also ca. 900 Jahre nach der von M. Peter erschlossenen Lebenszeit des Heiligen zu datieren. Eine der Legenden, die nüchternste und noch am wenigsten entwickelte, nach der Klassifizierung des hier maßgebenden Buches von Aloys Selzer (St. Wendelin, 1962) L2 genannt, könnte mit ihrer Rezeption einer Verduner martyrologischen Notiz zum Heiligen bis ins 11. oder 12. Jahrhundert zurückreichen: Verdun ist der älteste bekannte Besitzer von St. Wendel, das ursprünglich Basonevillare ("Weiler des Baso"), später *Bosenweiler (vgl. noch den heutigen Bosenbach) hieß. Die frühesten Nachrichten zu Wandalinus - so die älteste Namensform des Heiligen - bietet die zwischen 994/1008 entstandene Vita des Bischofs Magnerich von Trier (f nach 587), die Eberwin, Abt von Tholey und St. Martin in Trier verfasste. Er erzählt , dass zu des Bischofs Zeiten im Vosagus (das sind die Vogesen, die aber nach Auffassung des 11. Jahrhunderts auch die Pfälzer Haardt und den gesamten Hunsrück umfassten, als Eremiten Paulus (der spätere Bischof von Verdun 626-643/47), Ingobertus (St. Ingbert), Disibodus (Disibodenberg an der Nahe) und Wandalinus wirkten. Er vergleicht sie lose mit anderen Heiligen und Klostergründern des (südlichen) Vosagus, wie z.B. dem berühmten irischen Mönch Columban, der Luxeuil gründete, und seinem Schüler Gallus, der später St. Gallen gründete, zu. Für Columban sagt Eberwin, dass er aus Hibernia, aus Irland, stammte, für die anderen Heiligen behauptet er dies nicht. Es kam ihm vor allem darauf an, das Trierer Land als ein Land der Heiligen und die Zeit seines Bischofs als eine "heilige Zeit" zu erweisen.

 

Seit dem 10. Jahrhundert gibt es auch großräumig in Ostfrankreich und Deutschland kalendarische Einträge, welche den Heiligen Basonevillari, damit St. Wendel, zuordnen. Im 11. Jahr-hundert entsteht in Verdun die schon erwähnte, weiter verbreitete martyrologische Notiz, welche auch von häufigen Wundern an seinem Grabe berichtet, was für die Kultgeschichte des Heiligen sicherlich wichtig ist. Dies ist alles, was wir in diesen ebenfalls schon ca. 400 Jahre nach der vermuteten Lebenszeit des hl. Wandalinus entstandenen Quellen über ihn erfahren, d.h. so gut wie nichts.

 

Die späten Legenden des Heiligen sind ganz entsprechend für ihre Entstehungszeit und für die Kultgeschichte wertvolle Quellen, nicht aber fir des Wandalinus Leben. Wenn nun M. Peter diese späten Quellen für bare Münze nimmt, so begeht er, übrigens ohne diese in sich differenten Texte zu analysieren, einen schwerwiegenden Verstoß gegen historisch-kritische Methoden. Gehen wir seine auf die späten Legenden gestützten Behauptungen im Einzelnen durch:

 

1) Wandalinus soll Ire gewesen sein, wovon die frühesten Quellen nichts wissen. Die viel-leicht älteste Legende (11./12. Jh.?) L2 gibt dem Heiligen eine irische Abkunft und befindet sich dabei in modischer Übereinstimmung mit anderen Legenden über Heilige des Maas-Mosel-Raumes, von denen man nichts oder wenig wusste, so etwa mit dem hl. Chraudingus, dem Gründer von Beaulieu in den Argonnen, der irgendwann im späten 7. Jahrhundert aus Tholey gekommen war. Erst die Legenden des 15./16. Jahrhunderts machen Wendelin (so die deutsche Namensform) zum irischen Königssohn. Der Name Wandalinus ist eindeutig ein fränkisch-romanischer Mischname aus dem beliebten germ. Stamm * Wanda- 'sich wenden, bewegen' und dem romanischen Suffix -linus, so wie übrigens auch die Heiligen Landolinus und Fridolinus (von Säckingen am Oberrhein), denen man ebenfalls im 10./11. Jh. eine irische Herkunft andichtet. die Identifizierung mit dem irischen Namen Findalân, die M. Peter vornimmt, ist sprachwissenschaftlich unhaltbar.

 

2) Nach M. Peter soll Wandalinus auch der erste Abt des Klosters Tholey gewesen sein, zusätzlich auch der Lehrer des vorher schon erwähnten Paulus, des späteren Bischofs von Verdun gewesen sein. Dies ist eine kühne Kombination aus der späten deutschen, 1471 im Augsburger ,Wenzelspassional' zuerst gedruckten Legende und der Tholeyer Abtsliste, deren ältester Zeuge 1489/1517 entstand. In dieser wird W. als Abt von Tholey bezeichnet. Die Abtsliste entnahm der im 10. Jahrhundert in Verdun "erfundenen" Vita des hl. Paulus die nachweislich falsche Nachricht, dass dieser Mönch in Tholey gewesen sei und seine monastische Prägung von seinem Abt, als namentlich nicht genanntem magister, d.h. Lehrer, erfahren habe, beförderte Paulus jedoch auch zum Abt, was der Tholeyer Überlieferung der Vita noch im 16. Jahrhundert fremd war. Dieser Lehrer sei Wendalinus gewesen, so M. Peter: er folgt damit dem Kirchenhistoriker Caspar Bruschius, der dies zuerst 1551, indem er die Vita des ,Wenzelspassionals' interpretierte, behauptete. Die ältesten Quellen wissen von dieser Würde des Eremiten Wandalinus nichts; erst die Legende L2 (11./12. Jahrhundert ?) spricht davon, dass er - entsprechend der Spiritualität der Zeit - Mönch geworden sei. Auch dies ist späte Konstruktion: auf der sicheren Basis des Testaments des Adalgisil Grimo von 634 wissen wir nur, dass dieser Verduner Diakon die Klerikergemeinschaft in Tholey einrichtete, diese also kaum allzu lange vorher gegründet worden sein kann.

 

Mit sonstigen, oft recht fantasiereichen Vermutungen des Autors sich zu befassen, lohnt nicht. Das Beste, was sich zu diesem auf späte Legenden gestützten Buch sagen lässt, ist, dass es diese bereichert. Dem hl. Wandalinus oder Wendelin tut das nichts: seine in den ältesten Quellen auf mündliche Überlieferung und tradierten Kult gestützte Existenz im frühen Mittel-alter ist, wie auch die für die Zeit charakteristische alte Namensform zeigt, durchaus wahrscheinlich.

 

(Pro . Dr. W. Haubrichs)

 

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