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2005/08/16 09:03:59
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Geschichte und Politik II: Saarländische Alltagsgeschichte
Datum 2005/08/19 17:50:07
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Stellungnahme von Prof Haubrichs zu Peters "Wendalinus"
2005/08/15 23:52:39
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[Regionalforum-Saar] Kriegszeiten - Buchvorstellung
Betreff 2005/08/19 17:50:07
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[Regionalforum-Saar] Stellungnahme von Prof Haubrichs zu Peters "Wendalinus"
2005/08/16 09:03:59
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[Regionalforum-Saar] Geschichte und Politik II: Saarländische Alltagsgeschichte
Autor 2005/08/19 17:50:07
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[Regionalforum-Saar] Stellungnahme von Prof Haubrichs zu Peters "Wendalinus"

[Regionalforum-Saar] Manfred Peter, Der heilige Wendelin

Date: 2005/08/17 10:10:15
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Guten Morgen,
 
heftigste Reaktionen ruft zur Zeit das obengenannte Buch hervor. Hier sind Anmerkungen dazu von Dr. Franz-Josef Reichert.
 
mfg
 
Roland Geiger
 

Anmerkungen zu Manfred Peter: „Der heilige Wendelin – die Geschichte eines faszinierenden Lebens.“

 

Die Gestalt des Volksheiligen Wendalinus hat immer wieder die Phantasie des gläubigen Volkes angeregt und dazu geführt, dass seine Verehrung bis heute ungebrochen ist. Mittelpunkt ist die nach ihm benannte Stadt St. Wendel, wo seine Gebeine ruhen und Gegenstand religiöser Betrachtung sind.

 

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass uns in diesen Tagen ein Büchlein begegnet, das sich dieser Gestalt unter den verschiedensten Aspekten widmet (1).

 

Wir wollen uns mit den Gegenständen kritisch befassen, die Peter hinsichtlich des frühen Glaubensboten und Tholey, seiner angenommenen Wirkungsstätte als Abt, heranzieht. Grundlage meiner Befassung sind meine baugeschichtlichen Beobachtungen im Rahmen von Grabungen und Maueruntersuchungen unter und an der gotischen Abteikirche (2) und meine daraus abgeleiteten Ergebnisse zu Leben und Sterben des hl. Cuno von Pfullingen (3).

Eine sehr gute Zusammenfassung des kunst- und geistesgeschichtlichen Hintergrundes des heutigen Benediktinerklosters Tholey sind die Beiträge zum 1350-jährigen Jubiläums von Ort und Abtei Tholey (4).

 

Man kann es wenden und drehen wie man will. Die nachweisbare Historizität von Tholey und seiner bau- und klostergeschichtlichen Überlieferung beginnt mit dem Testament des fränkischen Adligen Adagisel-Grimo aus dem Jahr 634. In den Worten des Stifters wird erstmals schriftlich festgehalten, dass am Ort des heutigen Klosters so etwas wie eine Kirche und eine Klerikergemeinschaft entstanden, die in geistlichen Dingen der Diözese Trier unterstanden, grundrechtlich aber mit dem bischöflichen Stuhl von Verdun verbunden waren. Die Frage Klerikergemeinschaft – Kloster ist umstritten. Die Forschung neigt aber eindeutig der Annahme einer freien Klerikergemeinschaft zu. Insofern ist die Annahme eines ‚ersten Abtes’, welches Amt Peter dem Wendalinus zuschreiben will, ohne jede historische Begründung. Weder wissen wir sicher, dass es einen solchen ‚ersten Abt’ mit diesem Namen,  noch dass es ein solches ‚Amt’ gegeben habe. Weder Selzer (5) noch Haubrichs (6) dürfen als Zeugen für eine derartige Behauptung herangezogen werden.

 

Insofern geht der Versuch des Autors, Wendelinus in dieser Funktion zu sehen, ins Leere.

 

Ebenso ärgerlich ist der Versuch von Manfred Peter, das anlässlich der Ausgrabungen 1957 – 59 im nördlichen Nebenchor der Abteikirche freigelegte Mausoleum mit der Bestattung des Wendelinus in Verbindung zu bringen.

 

Nach meinen Beobachtungen, die ich in meiner erwähnten Dissertation 1960 zu Papier gebracht hatte und den 2002 veröffentlichten weitergehenden Untersuchungen hinsichtlich des Tiefgrabes steht es völlig außer Frage, dass dieses Grab an ‚prominenter’ Stelle nur für Cuno von Pfullingen angelegt worden sein kann, der hier nach seiner Ermordung am 1. Juni 1066 bei Ürzig auf Betreiben des Bischofs von Verdun, Theoderich (1047-1089), unter Abt Abbo feierlich bestattet und während des Mittelalters verehrt wurde. Zeugnis für diese Zuschreibung ist die kurz nach der Beisetzung von dem Tholeyer Mönch Theoderich verfasste vita et passio (7) des als heiligmäßig verehrten Kirchenmannes.

 

In einer bevorstehenden Veröffentlichung zu diesem Thema werde ich nachweisen, dass das Tholeyer Mausoleum nach dem Vorbild des Grabes für den Klostergründer St. Pirminius im Benediktinerkloster Hornbach errichtet wurde. Der 753 verstorbene Pirmin wurde dort im 9. Jahrhundert beigesetzt. Sein heute mustergültig renoviertes und zu besichtigendes Ehrengrab in der Klosterkirche Hornbach ist bis auf unwesentliche Details genaues Vorbild für die Tholeyer Anlage. Insofern gibt es überhaupt keinen Anhaltspunkt, das Tholeyer Grab vor dem 9. Jahrhundert, und damit vor Hornbach anzusetzen, um es vielleicht mit Wendelinus in Verbindung zu bringen. Die räumliche und geistige Nähe der Benediktinerklöster Hornbach und Tholey ist ein zu starkes Argument. Auch ist mir kein älteres Beispiel für ein solches Grabgewölbe bekannt, von dem Hornbach und Tholey gleichermaßen abgeleitet sein könnten.

 

Leider ist der Autor des in Frage stehenden Büchleins der Versuchung nicht aus dem Weg gegangen, sich belegbare Fakten zur Stützung abenteuerlicher Thesen so zurecht zu biegen, dass sie seine Auffassung zu untermauern scheinen; auch seine Zitiertechnik vermag nicht immer zu überzeugen (8). Phantasie und Vorstellungskraft – an sich keine verwerflichen Eigenschaften – haben den 1943 in Primstal (Kreis St. Wendel) geborenen Verehrer des Heiligen Wendelin zu „faszinierenden“ Annahmen verführt, die der Nachprüfung leider nicht überall standhalten.

 

Man würde dem Autor die Abgeklärtheit und Wissenschaftlichkeit wünschen, die beispielsweise in der Untersuchung von Peter Volkelt (9) obwaltet und die, neben Selzer, zu den ‚Inkunabeln’ der Wendalinus-Forschung zu zählen ist.

 

(1) Manfred Peter: Der heilige Wendelin – Die Geschichte eines faszinierenden Lebens. Nonnweiler-Otzenhausen 2005. ISBN 3-9806866-5-5

(2) Franz-Josef Reichert: Die Baugeschichte der Benediktiner-Abteikirche Tholey. Veröffentlichung des Instituts für Landeskunde des Saarlandes Nr. 3. Saarbrücken 1960.

(3) Ders. Cuno von Pfullingen, Elekt von Trier – das Weiterleben eines Heiligen. Kurtrierisches Jahrbuch 2002. Trier 2002, S. 47-84.

(4) THOLEY 634. Sonderdruck aus: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Band 96, 1985, Heft 3/4. ISSN 0303-4224.

(5) P. Alois Selzer SVD: St. Wendelin – Leben und Verehrung eines Alemannisch-Fränkischen Volksheiligen, Analyse eines Legenden-Heiligen. Mödling bei Wien, 1962 2   

(6) Wolfgang Haubrichs: Die Tholeyer Abtslisten des Mittelalters – Philologische, onomastische und chronologische Untersuchungen. Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung XV. Saarbrücken 1986.

(7) In: Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum Tomus VIII,. Edidit Georgius Heinricus Pertz. Hannover 1848, S. 212-219.

(8) Auf  S. 92 zitiert er Reichert, THOLEY 634, mit der Beschreibung des Gewölbegrabes im nördlichen Seitenchor. Er geht aber nicht auf die weiterführenden Darlegungen ein, die dieses Grab dem Cuno von Pfullingen (+ 1066 und in Tholey feierlich bestattet)  zuordnen.

(9) Peter Volkelt: Der hl. Wendalin in neuerer Forschung. Sonderdruck aus: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, XII-1962.

 

 

 

Dr. Franz-Josef Reichert