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2017/05/17 00:51:08 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum. Ein Handbuch |
Datum | 2017/05/18 22:13:02 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Tagber: Die Person im Mittelalter |
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2017/05/31 20:55:05 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zeit in den Wissenschaften |
Betreff | 2017/05/05 23:42:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Halberg History Tour “ |
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2017/05/17 00:51:08 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum. Ein Handbuch |
Autor | 2017/05/18 22:13:02 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Tagber: Die Person im Mittelalter |
Date: 2017/05/18 22:09:29
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...
heute in der SZ, St. Wendeler Teil:
[verfaßt von Lukas Kowol] Oberthal (red) „Planet der Nomaden“ – so
überschrieb der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel einen
Aufsatz, der überarbeitet 2006 als Buch veröffentlicht wurde.
Darin bezeichnet er Migration, also die „freiwillige oder
erzwungene Ortsveränderung“, als Massenphänomen, als eine
Konstante der Geschichte. Der Mensch war immer in Bewegung, zu
allen Zeiten, überall. Somit auch im St. Wendeler Land.
Insbesondere in der Neuzeit. Daher nahm Roland Geiger eben
diese neuzeitliche Migration in der Region in einem Vortrag
genauer unter die Lupe. Dies war der vierte Teil einer
Vortragsreihe, die sich mit den Entwicklungen der vergangenen
500 Jahre im St. Wendeler Land beschäftigt. „Migration, Wanderungsbewegungen – das ist ein umfangreiches
Thema, daher beschränke ich mich vor allem auf das 18. und 19.
Jahrhundert, auf Auswanderungen in das europäische Ausland und
nach Übersee“, eröffnete Geiger seinen Vortrag vor mehr als 60
Zuhörern im Oberthaler Rathaus. Migration – das sind vor allem Einzelschicksale, das sind
Geschichten vom Erfolg und vom Scheitern, von Mühe und Not,
von Auf- und Abstieg. Wie etwa bei Carl Nikolaus Riotte, 1814
in St. Wendel geboren, Jurist, Vorstandsmitglied einer
Eisenbahnlinie in Elberfeld, der nach 1848 in Amerika eine
neue Heimat fand. Dort, unter Abraham Lincoln, Botschafter in
Costa Rica wurde, 1873 nach Europa zurückkehrte, 1887 in der
Schweiz starb. Oder bei den Auswanderern aus St. Wendel, aus Oberlinx-, Ur-
und Baltersweiler, aus Alsweiler und Tholey, die sich seit
1830 in der Nähe von Dansville, im Bundesstaat New York,
niederließen. Geiger: „Eine Cholera-Epidemie löschte die
kleine Siedlung fast ganz aus, die Überlebenden zogen in einen
kleinen Ort namens Perkinsville. Bis kurz nach 1900 wurde dort
fast ausschließlich Deutsch gesprochen.“ 1896 wandte sich
Alois Huber, Pfarrer der katholischen Pfarrei in Perkinsville,
an den Trierer Bischof. Sein Wunsch: ein Partikel der
Wendalinus-Reliquie aus St. Wendel. Der Wunsch wurde gewährt.
Das Stückchen der Reliquie wird bis heute in Perkinsville
aufbewahrt. Menschen aus der Region zogen jedoch nicht nur nach Westen,
über den großen Teich, sondern auch nach Osten, etwa nach
Russisch-Polen. „Damit ist nicht das heutige Polen gemeint,
sondern das Gebiet östlich der Weichsel. Es war mit dem
russischen Zarenreich unioniert und wurde von diesem
verwaltet“, erläuterte Geiger. Schon 1816 machten sich mehr
als 87 Familien aus 21 Orten der Region auf den Weg dorthin,
auf der Suche nach einem besseren Leben. Nicht alle erreichten
aber das Ziel. Jacob Schubmehl aus Urweiler kam etwa nur bis
nach Frankfurt, dann „habe ihm vor der Reise gegraut“, wie er
angab. Geiger: „Ich schätze, dass gut zwei Drittel der
Reisenden umkehrten.“ Auch, weil sie auf ihrem Wege auf andere
Migranten trafen, die von schlechten Erfahrungen in
Russisch-Polen berichteten. Jene, die aus der Region nach Russisch-Polen auswandern
wollten, mussten dies bei der Regierung beantragen. Diese
hatte wenig Interesse daran, Untertanen zu verlieren. In
St. Wendel war Oberbürgermeister Carl Cetto für die Abwicklung
der Anträge zuständig. Er hatte keine allzu hohe Meinung von
jenen, die die Anträge stellten. Über Johann Heinz aus
Urweiler vermerkte er etwa: „Ein Säufer und nachläsiger
Mensch, der mit mehr Fleis und Ordnungsliebe sich sehr gut
hätte ernähren können.“ Ein weiterer sei „von jeher ein
Brandweintrinker“, ein dritter „sehr entbehrlich“. Und bei
Johann Gregorius, ebenfalls aus Urweiler, fiel Cetto ein: „Bey
seinem Abgang kann die hiesige Gegend nur gewinnen und die
russische Regierung blos verlieren.“ Soweit also Carl Cetto, der übrigens selbst einen
Migrationshintergrund hatte: Seine Vorfahren kamen um 1700 aus
Oberitalien nach St. Wendel. Und stiegen zu einer angesehenen,
mächtigen Familie in der Stadt auf. Ein weiterer Migrant,
jedoch nicht aus Italien, sondern aus Zweibrücken, wurde 1828
offiziell Bürger der Stadt. Sein Name: Franz Bruch. Seit 1820
arbeitete er im Geschäft der Familie Cetto, machte sich dann
selbstständig und legte den Grundstein zu einem Unternehmen,
das mittlerweile auch in Russland oder Tschechien Supermärkte
betreibt. Planet der Nomaden. Einwanderer, Auswanderer. Migranten. Auch
sie schreiben Geschichte und Geschichten. Einige haben Erfolg,
einige scheitern. Sie „sind die Düne, die getrieben wird, aber
auch der Wind, der vorantreibt“, wie der Historiker Schlögel
anmerkt. Der nächste Vortrag der Reihe: Dienstag, 23. Mai, 19
Uhr, Mia-Münster-Haus St. Wendel: „Das lange 19. Jahrhundert.
Napoleon, Wiener Kongress und seine politischen Folgen. |