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2015/10/18 22:19:06
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Rez. AG: W. Blösel: Die römische Republik
Datum 2015/10/22 18:35:36
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] unbedingt die ersten drei Abs ätze lesen
2015/10/13 23:43:24
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Jüdische Soldaten im kollekti ven Gedächtnis Zentraleuropas. Die Erinnerung an den Ers ten Weltkrieg aus jüdischer Perspektive
Betreff 2015/10/08 22:40:05
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Konf: Und die Moral von der Geschicht'? Ethische Problemlagen historischer Arbeit
2015/10/18 22:19:06
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Rez. AG: W. Blösel: Die römische Republik
Autor 2015/10/22 18:35:36
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] unbedingt die ersten drei Abs ätze lesen

[Regionalforum-Saar] The Jet Sex. Airline Stewardesses and the Making of an American Icon

Date: 2015/10/22 18:25:16
From: Rolgeiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Vantoch, Victoria: The Jet Sex. Airline Stewardesses and the Making of
an American Icon. Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2013.
ISBN 978-0-8122-4481-6; 296 S.; $34.95.

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Anke Ortlepp, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Universität
Kassel
E-Mail: <anke.ortlepp(a)... werden - das war in den 1950er-Jahren ein amerikanischer
Mädchentraum. Mit Pan Am um die Welt fliegen, eigenes Geld verdienen,
den Lifestyle eines 'glamour girls' genießen. Das waren die wichtigsten
Bestandteile dieses Traumes. Seitdem hat sich nicht allein die
Berufsbezeichnung von Stewardessen geändert, die zu Flugbegleiterinnen
wurden. Auch ihre Arbeitsbedingungen und ihr Image haben in den
vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Diesen
Wandel von der amerikanischen Ikone zur schlechtbezahlten Servicekraft
zeichnet Victoria Vantoch in "The Jet Sex" nach. Dabei bettet sie ihr
Narrativ nicht allein in die Geschlechtergeschichte der
Nachkriegsjahrzehnte ein, sondern sie verortet ihre Akteurinnen auch in
der Geschichte der amerikanischen Konsumkultur und des Kalten Krieges.
Debatten über Vorstellungen von idealer Weiblichkeit seien auf den
Körpern und in den Arbeitsplatzbeschreibungen von Flugbegleiterinnen
ausgetragen worden, argumentiert Vantoch. Dabei sei es jedoch nicht
allein um die Wirkmächtigkeit dieser Ideale in einem nationalen
politischen und kulturellen Zusammenhang gegangen. Vielmehr seien
Flugbegleiterinnen zu internationalen Botschafterinnen des 'American Way
of Life' stilisiert worden, die mit ihrem Aussehen und ihrem Verhalten
einer um globale Vorherrschaft ringenden freiheitlich kapitalistischen
Konsumgesellschaft körperliche Gestalt verliehen hätten. Vor diesem
Hintergrund waren weder ethnische Zugehörigkeit noch gesellschaftliche
Schicht oder Bildungsstand zufällige Merkmale der Frauen, die über die
Jahrzehnte den Berufsstand ausmachten. Dem sich wandelnden Zusammenspiel
von 'gender', 'class', 'race' und 'beauty' bei der Konstruktion der
amerikanischen Ikone Flugbegleiterin und ihrer Entzauberung widmet sich
Vantoch in insgesamt sieben Kapiteln.

Dabei liefern die ersten beiden Kapitel einen Einstieg ins Thema. Im
ersten Kapitel skizziert die Autorin die Entstehung des Berufs der
Flugbegleiterin. Angeregt durch die approbierte Krankenschwester Ellen
Church, die 1930 mit sieben Kolleginnen bei United Airlines anheuerte,
stellten bald auch alle anderen Fluggesellschaften vornehmlich weibliche
Kräfte als Kabinenpersonal ein. Einer wohlhabenden, männlichen Klientel
vorbehalten, entwickelte sich die zivile Passagierluftfahrt zu einem
schnell expandierenden Markt. Diese Tendenz setzte sich nach dem Zweiten
Weltkrieg ebenso fort wie die Feminisierung des Flugpersonals, von der
(natürlich) der Kapitänsberuf ausgenommen blieb. Wie Vantoch im zweiten
Kapitel zeigt, stellte die Berufstätigkeit von Stewardessen keine
Infragestellung konservativer Geschlechterideale dar, zu denen die
amerikanische Gesellschaft im ersten Nachkriegsjahrzehnt zurückkehrte.
Vielmehr wurde auch die Flugkabine zum wichtigen Ort für Inszenierungen
von Weiblichkeit umfunktioniert und glich damit den überall aus dem
Boden sprießenden Vorstädten. Im Flieger, so die PR-Abteilungen der
Fluggesellschaften, erfanden junge, gutaussehende Frauen aus der
amerikanischen Mittelschicht die Häuslichkeit neu, indem sie sich wie
Hausfrauen einfühlsam und aufopferungsvoll um die Flugreisenden
kümmerten. Ihre dauerhafte Unabhängigkeit war nicht zu befürchten:
Beschäftigungsverhältnisse endeten automatisch bei Heirat,
Schwangerschaft oder dem Erreichen des 31. Lebensjahres. Trotz dieser
Rahmenbedingungen, so zeigt Vantoch, entschieden sich hunderttausende
junge Frauen für eine Berufstätigkeit als Flugbegleiterinnen, aus
Neugier, Abenteuerlust, dem Wunsch nach Selbstständigkeit und um die
Zeit zwischen Collegeabschluss und Eheschließung mit einer gut bezahlten
Tätigkeit zu überbrücken.

Während diese beiden Kapitel auch viel Bekanntes rekapitulieren, leisten
die folgenden drei wichtige neue Beiträge zur Geschichte der
Flugbegleiterinnen. So befasst sich Kapitel drei mit afroamerikanischen
Anwärterinnen auf den Stewardessenberuf. Auch junge, gut situierte
Afroamerikanerinnen wie Patricia Banks, die im Zentrum dieses Kapitels
steht, träumten den Traum von der weiten Welt. Sie wurden zwar zu
Vorstellungsgesprächen eingeladen, eingestellt wurde aber bis 1957
keine. Afroamerikanerinnen entsprachen schlicht nicht den
Schönheitsidealen, die in den Personalabteilungen der Fluggesellschaften
als normativ gesetzt wurden. Vantoch erkennt hierin eine Form von
rassistisch motivierter Benachteiligung, die auch in anderen
Berufsfeldern zur Diskriminierung afroamerikanischer Erwerbstätiger
führte. Sie zeigt, wie Banks und einige andere Frauen mit Unterstützung
verschiedener Bürgerrechtsorganisationen auf dem Rechtsweg für ihre
Inklusion kämpften. Auch wenn diese Bemühungen in Einzelfällen zu
Erfolgen führten und Patricia Banks schließlich für Capital Airlines
flog, blieb der Beruf der Flugbegleiterinnen eine vornehmlich von weißen
Frauen ausgeübte Beschäftigung. Vantoch erkennt dennoch eine
weiterreichende Bedeutung dieser Erfolge: mit ihrer Anerkennung als
berufstaugliche Jobanwärterinnen und ihrer Einstellung als Stewardessen
erweiterten Afroamerikanerinnen akzeptierte Vorstellungen amerikanischer
Weiblichkeit. Zugleich akzeptierten sie - wenig überraschend, wie auch
Vantoch findet - einen Weiblichkeitsentwurf, der sich an konservativen,
mittelständischen Idealen orientierte.

Kapitel vier verfolgt die Weiterentwicklung der Flugbegleiterin zur
Kulturbotschafterin in den 1960er-Jahren. Im Zeitalter des
Düsenflugzeugs verkörperte die 'jet stewardess' die Errungenschaften des
Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit: Überfluss, Freiheit, Konsum und -
damals neu - Glamour. Damit repräsentierte sie, so Vantoch, "a
particular version of the nation itself" (S. 119). Im Kampf der USA und
der UdSSR um die globale Vormachtstellung während des Kalten Krieges kam
ihr deshalb eine wichtige Funktion zu. In Designeruniformen gehüllte und
dank gnadenloser Stylingvorschriften perfekt gepflegte Körper flogen um
die Welt als Aushängeschilder amerikanischen kulturellen und
technologischen Überlegenheitsgefühls. Vantoch beschreitet völliges
Neuland, wenn sie diesen Weiblichkeitsentwurf in Kapitel fünf mit dem
sowjetischen Pendant vergleicht. Dieses Kapitel basiert auf bislang
wenig beachteten russischen Archivmaterialien zur Geschichte der
sowjetischen zivilen Luftfahrt sowie Interviews mit ehemaligen Aeroflot
Flugbegleiterinnen. Diese Frauen sahen sich und wurden gesehen als
Service- und Sicherheitspersonal, das ähnlich zupackend und ideologisch
linientreu agierte, wie ihre Zeitgenossinnen in vielen anderen,
geschlechterintegrierten Beschäftigungsfeldern dies taten. Amerikanische
Beobachter, die kaum sowjetische Stewardessen zu Gesicht bekamen,
diagnostizierten einen Mangel an Glamour und sprachen - infiziert von
'red' und 'lavender scare' - allen sowjetischen Frauen ihre Weiblichkeit
schlichtweg ab. Als völlig überrascht beschreibt Vantoch so auch die
Reaktionen derer, die beim ersten Zusammentreffen amerikanischer und
sowjetischer Flugbegleiterinnen am John F. Kennedy Flughafen anlässlich
der Einweihung der Flugstrecke New York-Moskau 1968 zugegen waren.
Purser Natasha Arutyunova und ihre Kolleginnen erwiesen sich als
erstaunlich exporttaugliche Exemplare sowjetischer Weiblichkeit, die im
Kampf der Kulturen auf Augenhöhe antraten.

In Kapitel sechs betrachtet Vantoch die ab Mitte der 1960er-Jahre
einsetzende zunehmende Sexualisierung der amerikanischen
Flugbegleiterin, die sich in Imagekampagnen und materieller Kultur
niederschlug. Damit greift sie einen vielfach thematisierten
Zusammenhang auf, ohne den das Buch allerdings eine Leerstelle aufwiese.
Deshalb hat es eher kursorischen Charakter, geht aber auf alle wichtigen
Aspekte wie aufreizende Kleidung, Lockerung der Styling-Richtlinien und
sexistische Werbekampagnen wie zum Beispiel die "Fly-Me"-Kampagne von
National Airlines ein. Spannender ist das abschließende Kapitel, in dem
die Verfasserin über die Herausbildung eines feministischen Bewusstseins
bei Vertreterinnen einer Berufsgruppe nachdenkt, deren Image und Alltag
stets normative, wenig fortschrittliche Weiblichkeitsentwürfe
reflektierte. Hier knüpft sie an die Arbeiten von Kathleen Barry an,
wenn sie sich mit arbeitsrechtlichen Fragen befasst und nachzeichnet,
wie Gewerkschaften und Einzelpersonen (vor allem auf dem Rechtsweg)
gegen Formen struktureller Diskriminierung des weiblichen
Kabinenpersonals amerikanischer Fluggesellschaften vorgingen. Vantoch
kommt zu dem einleuchtenden Schluss, dass sich Flugbegleiterinnen seit
Ende der 1960er-Jahre erfolgreich gegen traditionelle Geschlechterrollen
wehrten und damit einen wichtigen, bislang unterschätzten Beitrag zur
amerikanischen Frauenbewegung leisteten.

"The Jet Sex" ist eine vergnügliche Lektüre. Immer wieder stellt Vantoch
einzelne Akteurinnen in den Vordergrund; Flugbegleiterinnen, die sie
interviewt hat und deren Schicksale ihrer Erzählung Dynamik verleihen.
Die Betrachtung ist quellengesättigt und gut geschrieben. Auch wenn die
Anlage der Kapitel etwas ungleichgewichtig ist und nicht alle
Einschätzungen zutreffen - in meiner Einschätzung waren Flugkabinen
keine grundsätzlich rassengetrennten Räume - so schmälert dies nicht die
Relevanz dieses Werkes. Dies ist ein empfehlenswertes Buch, nicht nur
für Fans der Geschichte der kommerziellen Passagierluftfahrt und der
amerikanischen Geschlechtergeschichte.


Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Jürgen Martschukat <juergen.martschukat(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2015-4-051>