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2015/10/17 18:13:49
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag 21.10.2015 "Feldpost briefe eines Wellesweiler Bürgers" und Die Grundsteinleg ung des HJ-Heimes in Wiebelskirchen 1938
Datum 2015/10/22 18:25:16
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] The Jet Sex. Airline Stewardesses and the Making of an American Icon
2015/10/12 18:11:38
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] reichskammergerichtspersonal
Betreff 2015/10/27 23:57:02
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] The Rise of Heritage
2015/10/26 22:57:45
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Auswandererschicksale
Autor 2015/10/22 18:25:16
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] The Jet Sex. Airline Stewardesses and the Making of an American Icon

[Regionalforum-Saar] Rez. AG: W. Blösel: Die römische Republik

Date: 2015/10/18 22:19:06
From: Rolgeiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...


Blösel, Wolfgang: Die römische Republik. Forum und Expansion (=
Geschichte der Antike). München: C.H. Beck Verlag 2015. ISBN
978-3-406-67413-6; Broschur; 304 S., 8 Abb., 10 Karten; EUR 16,95.

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Dirk Wiegandt, Historisches Seminar, Goethe-Universität Frankfurt am
Main
E-Mail: <dirk.wiegandt(a)... der neuen Reihe "Geschichte der Antike" des C.H. Beck Verlags, die
einem breiteren Publikum eine Einführung in die Großepochen der Alten
Geschichte geben will, widmet sich Wolfgang Blösel der römischen
Republik, zu der Beck bereits einen kürzeren Überblick von Martin Jehne
und einen ausführlicheren von Klaus Bringmann publiziert hat.[1] Blösel
gelingt es aber, innerhalb einer weithin traditionellen, sehr
ereignisgeschichtlich orientierten Erzählung neue Deutungen für den
Aufstieg und Fall der Republik zu präsentieren, die auf seinen
Spezialstudien beruhen und neueste Literatur mit einbeziehen.

In neun chronologisch aufgebauten und vom Umfang her ausgewogenen
Kapiteln spannt Blösel den weiten Bogen von den dunklen Ursprüngen in
der Königszeit bis zur Neuregelung der Republik durch Octavian im Jahre
27 v.Chr. Abgerundet wird das Buch durch einen knappen
Anmerkungsapparat, eine sehr detaillierte Zeittafel, einen gut
selektierten und kommentierten Literaturüberblick sowie ein Personen-
und Ortsregister.

Die seiner Meinung nach ausschlaggebenden Faktoren der historischen
Entwicklungen, denen auch der etwas sperrige Untertitel mit dem
ungleichen Begriffspaar "Forum und Expansion" geschuldet ist, legt
Blösel in der kurzen Einführung (S. 11-18) dar: im Inneren eine
Nobilität, die sich ab dem 2. Jahrhundert spezialisiert, dabei
demilitarisiert und auf das zivile Zentrum der Republik ausrichtet, was
Blösel mit Statistiken aus seinen Studien belegt (etwa S. 214); im
außenpolitischen Bereich das rapide Ausgreifen Roms und zuletzt der
stetig wachsende Einfluss der wenigen fähigen Feldherren in beiden
Sphären. Diese zentralen Elemente durchdringen die gesamte Darstellung
und werden immer wieder auch expliziert (besonders die Hauptthese der
Demilitarisierung, so S. 152-154).

Den Motor der außergewöhnlich dynamischen Expansion Roms sieht Blösel in
der Spitzengruppe der Aristokratie, der patrizisch-plebejischen
Nobilität, aus der man nur durch militärischen Ruhm herausragen konnte.
Gestützt auf die Ressourcen eines Bundesgenossensystems und ein
gestuftes Bürgerrecht konnten die Magistrate in ihren kurzen Amtszeiten
immer neue Armeen rekrutieren und Anlässe finden, um sich auszuzeichnen.
Dabei distanziert sich Blösel von Harris, dessen Sicht eines
imperialistischen und aggressiven Roms er für zu weitgehend hält
(besonders S. 139).[2] Zwar attestiert er Rom ein starkes
wirtschaftliches Interesse im Westen des Mittelmeers während der ersten
Römisch-Punischen Kriege (S. 97), aber für den Osten und Nordafrika
folgt er eher der schon von Mommsen und neuerdings mit
politiktheoretischer Akzentuierung von Eckstein vertretenen These, dass
Rom in diese Bereiche im zweiten Jahrhundert hineingezogen worden sei
und eine indirekte Herrschaft nicht ausgereicht habe (S. 139).[3]

Parallel zu diesem eher unfreiwilligen Ausgreifen sieht Blösel in dieser
Zeit auch einen Zerfall der bis dahin homogenen Führungsschicht: Weniger
sei die griechische Kultur ursächlich, mit der Rom seit Ende des dritten
Jahrhunderts verstärkt in Kontakt kam, als der ungeheure Reichtum, der
aus dem Osten nach Rom floss und zu vergeblichen Bemühungen führte,
durch gesetzliche Regelungen die massiven Vermögensunterschiede zu
nivellieren. Damals verschoben sich seiner Meinung nach die
Konkurrenzfelder der Aristokratie in den zivilen Bereich (S. 154), und
diese Demilitarisierung habe immer häufigere militärische Desaster nach
sich gezogen. Er bescheinigt den Senatoren "tiefgreifende Defizite bei
der Wahrnehmung ihrer Aufgaben" (S. 149), die das Vertrauen in die alten
Strukturen nachhaltig erschüttert und später die
Loyalitätsverschiebungen der Soldaten hin zu den Feldherren erleichtert
hätten.

Auch widerspricht Blösel dezidiert der alten These, die römische
Republik mit ihrer stadtstaatlichen Verfassung sei an der Überforderung
durch ein Weltreich gescheitert (S. 220). Die notwendigen Prorogationen
seien vielmehr durch die aus egoistischen Motiven rührende Weigerung
vieler Senatoren bedingt gewesen, Statthalterschaften zu übernehmen,
nicht dagegen durch einen Mangel an Amtsträgern.

Blösel bietet ein sehr gut lesbares Narrativ, das er gelegentlich durch
Erklärungen politischer und gesellschaftlicher Strukturen unterbricht
und in dem er mit scharfem analytischen Blick Gesamtzusammenhänge
verständlich machen kann. In den ersten Kapiteln über die Frühzeit mit
ihrer schlechten Quellenlage hat er mehr Raum, um detailliert und
souverän über die Formierung von Institutionen und Gesellschaft zu
schreiben und dabei auch viele Kontroversen zu berücksichtigen.[4]
Allerdings nehmen in historisch besser überlieferter Zeit die
Schilderungen einzelner Kriegszüge fast schon überhand, während
Kulturelles doch sehr kurz kommt.

Und damit zum wichtigsten Kritikpunkt aus Sicht des Rezensenten: Muss
eine Geschichte der römischen Republik stets so stark auf die
kriegerische Expansion fokussiert sein? Sicherlich ist es ein
Faszinosum, wie aus dem kleinen Stadtstaat ein Imperium werden konnte.
Doch ist das militärische Ethos der Aristokratie wirklich das
Alleinstellungsmerkmal Roms? Blösel deutet immer wieder die engen
Kontakte Roms, gerade in der Frühzeit, mit anderen italischen Städten
und Völkern an, aber verfolgt diese Vergleichsmöglichkeiten nicht.
Generell werden andere Aspekte wie Religion oder Literatur gestreift,
jedoch oft nur in wenigen Sätzen verstreut abgehandelt. Die reiche
Literaturlandschaft, das Fest- und Spielewesen, die Villenkultur, all
das findet hier nur wenig bis gar keinen Platz. Gerade für seine
zentrale These des Wertewandels im zweiten Jahrhundert wäre eine
intensivere Auseinandersetzung mit den kulturellen und nicht nur den
wirtschaftlichen Veränderungen dienlich.[5]

Das klassische, vor allem politisch-militärisch geprägte Bild Roms,
angereichert mit neuen Deutungen, hat den Vorzug erhalten. Das mag man
teilweise bedauern, nichtsdestoweniger hat Blösel eine gelungene,
kenntnisreiche und anregende Einführung geschrieben, die das
individuelle und kollektive Versagen der Nobilität fast wie einst schon
Sallust betont.

Wie gewohnt bei Beck ist das Buch bis auf einige Kleinigkeiten
hervorragend lektoriert, die Abbildungen und Karten sind von sehr guter
Qualität.[6] Die wenigen Endnoten beschränken sich auf markante Quellen,
wenn auch die Selektionskriterien nicht immer klar sind.[7]


Anmerkungen:
[1] Martin Jehne, Die römische Republik. Von der Gründung bis Caesar, 3.
durchgesehene Aufl., München 2013 (1. Aufl. 2006) und Klaus Bringmann,
Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus, 2.
durchgesehene Aufl., München 2010 (1. Aufl. 2002).
[2] William V. Harris, War and Imperialism in Republican Rome: 327-70
B.C., Oxford 1979.
[3] Arthur M. Eckstein, Mediterranean Anarchy, Interstate War, and the
Rise of Rome, Berkeley 2006 und ders., Rome Enters the Greek East. From
Anarchy to Hierarchy in the Hellenistic Mediterranean, 230-170 BC.,
Malden 2008.
[4] Einzig hinsichtlich des umstrittenen foedus Cassianum lässt Blösel
seine Leser verwirrt zurück: Auf S. 50 favorisiert er die Frühdatierung
493, auf S. 65 dagegen 358.
[5] Das entsprechende Unterkapitel (S. 140-149) widmet kaum eine Seite
der nicht weiter problematisierten, obwohl umstrittenen Hellenisierung
Roms, sondern konzentriert sich auf die ökonomischen Auswirkungen der
Expansion auf die Nobilität.
[6] In der Bibliographie fehlen die Auflösungen für Flower (= Ancestor
Masks and Aristocratic Power in Roman Culture, Oxford 1996) auf S. 287;
für Beck (= Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die
Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005) auf
S. 289; Mouritsen (1997) statt richtig (1998) auf S. 292. Die
Kartenlegenden auf S. 81 und S. 183 stimmen teils nicht mit dem
Sprachgebrauch im Text überein ("Sacra via", "Curie",
"Arnus-Rubico-Linie").
[7] Auf S. 213 gibt es gleich zwei Endnoten zu Ciceros Rede über den
Oberbefehl des Pompeius, auf S. 217 dann aber keine Endnote, obwohl
Begriffe aus der Rede zitiert werden. Auf S. 234 in Endnote 10 wird
einmalig und unerklärlicherweise auf einen Spezialaufsatz verwiesen.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Lennart Gilhaus