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2015/01/06 20:14:00
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Hitler und Humor - Geht das ? Der "Führer" als Zielscheibe v Satire u Karikatu r
Datum 2015/01/15 14:36:03
rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Hoit abend
2015/01/27 23:15:37
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Reguliertes Abenteuer
Betreff 2015/01/23 18:56:33
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Tagungsbericht "Unterwegs a uf Pilgerstraßen"
2015/01/06 20:14:00
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Hitler und Humor - Geht das ? Der "Führer" als Zielscheibe v Satire u Karikatu r
Autor 2015/01/23 18:56:33
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Tagungsbericht "Unterwegs a uf Pilgerstraßen"

[Regionalforum-Saar] Tagber: Archäologie und K rieg. Ein neues Arbeitsfeld

Date: 2015/01/11 22:45:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

From:    Christian Jansen <jansen(a)...   12.01.2015
Subject: Tagber: Archäologie und Krieg. Ein neues Arbeitsfeld
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Svend Hansen, Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen
Instituts; Christian Jansen, Neuere Geschichte, Universität Trier;
Friedrich-Ebert-Stiftung
05.11.2014-07.11.2014, Trier

Bericht von:
Svend Hansen, Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen
Instituts; Christian Jansen, Neuere Geschichte, Universität Trier;
Martijn Eickhoff, Radboud Universiteit Nijmegen/NIOD Amsterdam
E-Mail:<svend.hansen(a)... <jansen(a)... gedachten wir nicht nur der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts,
die vor 75 bzw. 100 Jahren begannen. Leider sind auch aktuell die
Nachrichten voll von Kriegen in der ganzen Welt, ja sogar wieder in
Europa. Viele reiben sich verwundert die Augen, weil sie Krieg als
Mittel der Politik nicht mehr für möglich, geschweige denn akzeptabel
hielten.

Die Tagung war schon lange geplant, bevor sie durch die Ereignisse in
der Ukraine eine ungeahnte Aktualität erhielt. Thematisiert werden
sollte das Thema Archäologie und Krieg in dreifacher Weise. Erstens
sollte die Archäologie des Krieges thematisiert werden, nämlich wie
heute die Dokumentation von neuzeitlichen Schlachtfeldern, Stellungen,
Lagern, aber auch von Massengräbern zur Aufgabe der Archäologie geworden
ist. Zweitens sollte die Rolle der Archäologen im Krieg thematisiert
werden, als Bewahrer der Kulturgüter oder als ihre Vernichter. Wo wird
der Archäologe aktiv bei der Plünderung von Museen und Zerstörung des
historischen Erbes besetzter Gebiete sowie der Neubewertung der
Geschichte besetzter Gebiete durch Ausgrabungen? Schließlich sollten
diese Fragen eingeordnet werden in das rasant wachsende Interesse in der
Archäologie am Krieg auch in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Die
Tagung ist Teil der forschungsgeschichtlichen Studien im Deutschen
Archäologischen Institut. Veranstaltet wurde sie von Christian Jansen
(Trier) und Svend Hansen (Berlin) in Verbindung mit der
Friedrich-Ebert-Stiftung, die das Karl-Marx-Haus als Tagungsort in Trier
zur Verfügung stellte.

Die Tagung wurde von ELISABETH NEU (Trier) als Hausherrin eröffnet, die
die Beiträge von Karl Marx für die Geschichte und Philosophie der Antike
würdigte sowie seine weitgespannten Interessen an der Archäologie,
Ethnologie und zuletzt der Geologie herausstrich. In einer gut besuchten
öffentlichen Auftaktveranstaltung erläuterten HARALD MELLER (Halle) und
HEIDRUN DERKS (Kalkriese), wie der Krieg im Museum präsentiert werden
kann. Harald Meller, der eine Ausstellung über den Krieg in Halle
konzipiert, gab einen fulminanten Überblick über aktuelle Forschungen
zum Thema, wobei die Schlachtfeldarchäologie in Sachsen-Anhalt und in
Mecklenburg spektakuläre Neufunde gemacht und mit modernsten Methoden -
nicht mehr der Radiocarbon-Datierung, sondern auch mit DNA-Analysen und
anderen archäobiologischen Verfahren - untersucht hat. Während im
mecklenburgischen Tollensetal ein bronzezeitliches Schlachtfeld gefunden
worden zu sein scheint, hat das Landesamt für Denkmalpflege in
Sachsen-Anhalt den Ort der Schlacht von Lützen im November 1632 zwischen
schwedischen und kaiserlichen Truppen minutiös untersucht. Es gelang
nicht nur, den Ort zu lokalisieren, an dem der schwedische König Gustav
Adolf getötet wurde, die Auswertung der Munitionsfunde erlaubt es auch,
zeitgenössische Berichte sowie Pläne und Stiche auf ihre Glaubwürdigkeit
zu überprüfen. Ein Massengrab ist ein eindringliches Zeugnis des
Grauens. Es konnte im Block geborgen und in der Werkstatt unter
Laborbedingungen freigelegt werden. Die anthropologische Analyse zeigt
die vielen Verletzungen, welche die Toten aufweisen, und die auf einen
langen Kriegseinsatz hindeuten. Der letzte in das Grab gelegte Tote
wurde mit ausgestreckten Armen inszeniert: zynische Erinnerung an den
Gekreuzigten?

Heidrun Derks stellte die Konzeptionen der ersten und der jetzigen
Ausstellungen im Museum Kalkriese dar. Am seinerzeit identifizierten Ort
der sogenannten Varusschlacht entstand das erste archäologische Museum
in Deutschland, das die Zeugnisse eines Kriegsereignisses thematisiert.
Keine Skelette aus Massengräbern, Funde nur kleiner Dimensionen, die
kaum ausstellenswert sind, zwangen dazu die Menge der beteiligten
römischen Soldaten in Form von Zinnsoldaten oder von Kugeln zu
verdeutlichen. Installationen, die nicht minder verstören wie die Toten
aus einem Massengrab. Das Publikum würdigte die engagierten Vorträge
durch rege Nachfragen.

Die eigentliche Fachtagung eröffnete FLORIAN KLIMSCHA (Berlin) mit einem
Vortrag über das "neu erwachte Interesse an gewaltsamen Konflikten in
der prähistorischen Archäologie", der einen informativen Überblick über
Tendenzen der rasant wachsenden Literatur zum Thema Krieg gab, indem er
den Beginn des gewachsenen Interesses am Krieg in Deutschland seit 1990
als ein verspätetes Phänomen deutete. International sei seit 1970 ein
Anwachsen des Interesses zu vermerken. Vorsicht sei zudem geboten. Seit
dem 19. Jahrhunderts sei das Thema in der Archäologie etwa in
migrationistischen Erzählungen sehr präsent gewesen. Vielfach sei es
aber nicht als Krieg sondern als Kampf bezeichnet worden.

HEIDI KÖPP-JUNK (Trier) gab einen prononcierten Überblick über
Gewaltdarstellungen und literarische Erwähnungen des Krieges von der
vordynastischen Zeit bis ins Neue Reich. Schon die berühmte
Narmerpalette, die in die Zeit um 3100 v. Chr. datiert, zeigt Pharao,
wie er die Feinde erschlägt, ein Darstellungstypus, der bis in das Neue
Reich in die Zeit der sogenannten Seevölker und darüber hinaus in
griechische Zeit nachzuweisen ist. Sie zeigte innovative Techniken, wie
Belagerungstürme auf Rädern und dann die eleganten leichten Streitwagen
aus dem Grab des Tutanch Amun. Schriftquellen verdeutlichen uns die
Dimensionen des Krieges, die weit über den archäologisch fassbaren
Befund hinausgehen.

Literarische Quellen sind jedoch nicht immer ausreichend um die Details
der Kriegsführung, die aber entscheidend sein können, voll zu erfassen.
CHRISTOPH SCHÄFER (Trier) führte in seinem Vortrag experimentelle
Archäologie als Wissenschaft vor. Der Nachbau von Geschützen und von
Kriegsschiffen für die Flüsse Rhein und Donau folgt präzise den wenigen
archäologischen Funden. Bis in die Details wurden die originalen
Materialien verwendet. Alle Schießversuche wurden akribisch
aufgezeichnet, denn die Wiederholbarkeit der Experimente stellt eine
notwendige Voraussetzung für die wissenschaftliche Verwertbarkeit der
Ergebnisse dar. Die Nachbauten erfolgten in einem sehr großen Team
unterschiedlicher Fachleute, die die neueste Technik verwendeten.

In die Konfrontation mit den Überresten der Weltkriege führten CHRISTIAN
TERZER und MARKUS WURZER (beide Innsbruck) aus der Projektgruppe
"Archäologie des Alpenkriegs 1915-18" von Harald Stadler an der
Universität Innsbruck mit ihren Berichten über die Frontarchäologie in
den Dolomiten Süd- und Osttirols ein. Oberhalb der Baumgrenze und in
teilweise halsbrecherischen Höhenlagen zeigte Terzer nicht nur die
Bedingungen auf, unter denen ArchäologInnen heute arbeiten, sondern
veranschaulichte damit auch die extremen Bedingungen unter denen die
italienischen und die österreichischen Soldaten von 1915 bis 1918
gegeneinander um jeden Meter kämpften. Deutlich wies Terzer darauf hin,
dass die Archäologie häufig mit den Wünschen der Gemeinden nach
touristischen Attraktionen in Form von Schützengräben und
Mannschaftsbaracken in Konflikt gerät.

ERMENGOL GASSIOT BALLBÈ (Barcelona) stellte in seinem Vortrag die
Schwierigkeiten bei der historischen Aufarbeitung der Francodiktatur in
Spanien zwischen 1939 und 1976 dar. Besonders die etwa 200.000 Menschen,
die nach 1939 im Zuge der franquistischen Repression ermordet wurden,
liegen noch immer in Massengräbern, ohne dass ihre Kinder, Enkel und
Urenkel sie bestatten konnten. Auch Restitutionsansprüche konnten
bislang nicht erfolgreich durchgesetzt werden. Sehr eindringlich waren
Bilder von einigen der inzwischen 80 freigelegten Massengräber mit ca.
4.000 Toten.

MARTIJN EICKHOFF (Amsterdam/Nijmegen) behandelte in seinem, zusammen mit
Marieke Bloembergen geschriebenen Vortrag die japanische Archäologie im
besetzten Java zwischen 1942 und 1945. Am Beispiel von Grabungen und
Rekonstruktionen am buddhistischen Heiligtum von Borobudur und im
Kontext der von den Japanern nach ihren Eroberungen im Zweiten Weltkrieg
geplanten "großasiatischen Wohlstandssphäre" zeigte er einen
überraschend toleranten Umgang der japanischen Besatzer mit den
kulturellen Überlieferungen der kolonisierten Indonesier, die zum Teil
an die niederländische kolonialarchäologische Infrastruktur anknüpfte.

Die dritte Sektion "Archäologen im Krieg" leitete TIMO SAALMANN
(Nürnberg) ein mit einem Beitrag über archäologische Forschungen unter
deutscher Besatzung in Belgrad, die vom NS-Ahnenerbe großzügig
finanziert, aber von den beteiligten Archäologen wegen der schwierigen
Erreichbarkeit Belgrads im Krieg und den ungünstigen Rahmenbedingungen
eher halbherzig durchgeführt wurde. Die Grabungen unter der Leitung des
Direktors des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, Wilhelm
Unverzagt, bestätigten nach damaligem Kenntnisstand die Ablösung der
indigenen "Vinca"-Kultur durch die indogermanische "Vucedol"-Kultur. Die
Grabung diente aber offenbar nicht nur ideologischen Zwecken, sondern
stellte auch ein Prestigeprojekt dar.

BLAGOJE GOVEDARICA (Berlin) berichtete abschließend ausführlich vom
Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegovina (1992 bis 1995), dem 100.000 Menschen
zum Opfer fielen. Auch damals gab es ein ungläubiges Staunen, dass Krieg
in Jugoslawien und mitten in Europa wieder möglich war. Die Zerstörung
der Brücke von Mostar und zahlreicher Moscheen sind auch nach ihrem
Wiederaufbau Mahnmale gegen den Krieg. Die archäologische Infrastruktur
in Bosnien-Herzegowina ist weitgehend zerstört, es gibt keine
Denkmalpflege, das Landesmuseum in Sarajevo ist geschlossen.

In der Abschlussdiskussion wurde betont, wie fruchtbar die
Zusammenführung der unterschiedlichen archäologischen Ansätze und
Fragestellungen zum Thema Krieg und die interdisziplinäre Kooperation
von Prähistorikern, Ägyptologen und Historikern in der Tagung empfunden
wurde. Krieg und massenhafte Gewalt sind zwar in der Lage Gesellschaften
und Gruppen für Generationen zu trennen, sie führen aber in der
Forschung zu einer Menge wichtiger interdisziplinärer Berührungspunkte.
Archäologische Forschung, vor allem wenn sie sich nicht nur auf die Orte
und Praxis von Krieg und Gewalt beschränkt, sondern auch deren
kulturelle Repräsentationen untersucht, hat das Potenzial bestehende
literarische oder ikonografische Darstellungen zu ergänzen und zu
korrigieren. Der archäologische interdisziplinäre Ansatz, der zu
vielfältigen und manchmal sehr anschaulichen Einblicken in die
Vergangenheit führt, hilft außerdem die Art und Weise zu reflektieren,
wie Gesellschaften früher und heute sich mit den Erfahrungen mit Krieg
und Gewalt auseinandersetzen.

Da ein Teil der vorgesehenen Vorträge wegen des GDL-Lokführerstreiks,
der mehrere TeilnehmerInnen an der Reise nach Trier gehindert hat,
leider ausfallen mussten, wurde angeregt das Thema in einer weiteren
Konferenz in nächster Zukunft fortzuführen.

Konferenzübersicht:

Öffentliche Auftaktveranstaltung
Elisabeth Neu (Karl Marx Haus Trier), Begrüßung

Svend Hansen (Berlin)/ Christian Jansen (Trier), Einführung

Harald Meller (Halle), Betrachtungen zur Disziplin der
Schlachtfeldarchäologie

Heidrun Derks (Kalkriese), Darstellung eines Kriegs im Museum §
Diskussion

1. Sektion: Methodische Zugänge

Florian Klimscha (Berlin), Krieg in der Archäologie - Archäologen im
Krieg. Friedensparadigmata und das neu erwachte Interesse an gewaltsamen
Konflikten in der prähistorischen Archäologie

Heidi Köpp-Junk (Trier), Quellen zum Krieg im Alten Ägypten

Christoph Schäfer (Trier), Experimentelle Archäologie als Methode zur
Erforschung antiker Kriegführung

2. Sektion: Archäologie des Krieges

Christian Terzer/ Markus Wurzer (Innsbruck), Frontarchäologie in den
Dolomiten Süd- und Osttirols

Ermengol Gassiot Ballbè (Barcelona), The Political, Social and
Scientific Contexts of Archaeological Investigations of Mass Graves from
Spanish Civil War and Francoism

Martijn Eickhoff (Amsterdam/Nijmegen), Japanische Archäologie im
besetzten Java (1942-1945).

3. Sektion: Archäologen im Krieg

Timo Saalmann (Nürnberg), Die Ahnenerbe-Grabungen auf der Festung
Belgrad 1942-43

Blagoje Govedarica (Berlin), Archäologie des Bürgerkriegs in Bosnien

Schlussdiskussion

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