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[Regionalforum-Saar] SZ: Vortrag über die Gesc hichte der Gemeinde Namborn
Datum 2013/11/24 21:12:37
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[Regionalforum-Saar] SZ: Vortrag über die Gesc hichte der Gemeinde Namborn
Autor 2013/11/24 21:12:37
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[Regionalforum-Saar] der Friedhof in St. Wendel

Date: 2013/11/23 19:19:03
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Salü,

heute stand in der SZ unter Momente ein Artikel über den St. Wendeler Friedhof, den Traudl Brenner aus SB verfaßte. Sie hatte mich Ende Oktober angerufen, wir haben uns auf dem Friedhof getroffen und waren gut 2 Stunden unterwegs. Sie hat mir eine Woche später einen ersten Entwurf zugesandt, den ich überarbeitete und zurücksandte. Ein paar Sachen hat sie übernommen, zwei Korrekturen leider weggelassen (Arzberger starb 1822, nicht 1922, und die Stele der Familie Riegel kann nicht von 1784 sein, weils damals den Friedhof dort noch nicht gab und die Riegels erst im 19ten Jahrhundert nach St. Wendel kamen). Ich hatte noch ein paar weitere Details im Artikel, die sie aber wohl aus Platzgründen wegließ.

Ich bringe deshalb anschließend nicht die SZ-Version, sondern meine Korrektur. Ist ein klein wenig mehr, als in der Zeitung drinnestand.

Mit freundlichem Gruß
 
Roland Geiger

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Der Friedhof von St. Wendel   
Spaziergänge durch die Geschichte der Stadt
 
Traudl Brenner
 
Der Friedhof von St. Wendel liegt an der Werschweiler Straße, gegenüber dem Gymnasium "Wendalinum". Vor fast genau zweihundert Jahren ist er entstanden, dieser heute stattliche, große Friedhof mit den schönen alten Bäumen, der hohen Mauer - und den alten Gräbern, um die sich viele Geschichten ranken.
 
Roland Geiger, St. Wendeler Stadtführer und zudem professioneller Ahnenforscher,  hat zu unserem Treffen einen alten Plan mitgebracht, nach dem der Friedhof, der schon zwei Vorgänger hatte, damals gestaltet worden ist.  Auf einem Blatt ist da - mit wenigen Strichen und spitzer Feder - der erste Weg markiert. Ihn säumen die Namen der ersten Familiengräber,  in schnörkeliger, altmodischer  Handschrift geschrieben - Namen,  die auch heute noch in St. Wendel verbreitet sind.
 
Am Tor neben der Leichenhalle  beginnt der Weg, den wir vom Plan kennen.  Und tatsächlich gibt es heute noch an den dort eingetragenen Stellen die Gräber der alteinsgesessenen St. Wendeler Familien - etwa Riotte und Tholey. Und Cetto - diese geschäftstüchtige italienische Familie hat der Stadt zweimal Land zur Anlage von Friedhöfen verkauft (1785 und 1814).
 
Wir finden noch viel mehr Namen und Grabinschriften, aus denen man etwas von der Historie der Stadt entdecken kann. Am Ende des  Wegs,  schon im alten Plan vermerkt, sind zum Beispiel Gräber von hochwohlgeborenen Herrschaften aus Coburg - etwa das sehr aufwändig gestaltete "Sebaldtische Familienbegräbnis". Wir lesen, dass August Martin Friedrich Sebald im Jahre 1816 mit Frau und Kindern nach St. Wendel kam -  als Mitglied des Verwaltungsmannschaft, die Herzog Ernst III von Sachsen-Coburg-Saalfeld entsandte. Sein Sohn Friedrich Wilhelm Sebaldt wurde später Regierungspräsident in Trier und zeichnete sich unrühmlich aus, als er befahl, demonstrierende Bürger zusammenschießen zu lassen. Er ruht auf dem St. Wendeler Friedhof neben seiner Ehefrau Anna Katharina Demuth.
 
Und gleich gegenüber ist die Grabstätte des "Sachsen-Coburgischen Kammerherrn und Beamten" Graf Alexander Solms-Tecklenburg. Der Graf hat lange in St. Wendel gelebt und war in dritter Ehe mit einem St. Wendeler Mädchen verheiratet - Johanna Simon. Das sie 30 Jahre jünger war als er, hat wohl weder sie noch ihn gestört. Solms fiel 1831 in Ungnade, als ihm Bestechlichkeit nachgewiesen wurde – er hatte militärpflichtigen St. Wendlern Heiratsscheine ausgestellt, so daß sie vom Militär befreit wurden, dafür Geld genommen und sich dabei erwischen lassen.
 
Direkt neben Sebaldt findet sich eine vergleichsweise pompöse Grabanlage – ein großer Steinsockel, den vier schwarze metallene Platten zieren. Sie befanden sich ursprünglich an einem anderen Stein, der vor der evangelischen Kirche stand und auf dem eine Bronzefigur, die Concordia, thronte. Die Tafeln nennen die Namen der Toten aus den Kriegen von 1866 und 1870/1871. Die Concordia fiel den Nazis zum Opfer – sie machten Kanonenkugeln draus. Die Tafeln kamen in den 1970ern an den Stein auf dem Friedhof. Der war aber ursprünglich 1822 für einen hohen Beamten der Coburger namens Christoph Arzberger errichtet wurde, der auf Dienstreise in St. Wendel starb.
 
Ein verrücktes Stück Geschichte spiegeln diese Grabstätten wider -  und es ist gut, wenn man einen Kenner wie Roland Geiger dabei hat, der  erklären kann, wie St. Wendel Anhängsel des 390 Kilometer entfernten Coburg wurde. Tatsächlich war der Coburger Herzog Ernst für seine Verdienste in den Kriegen gegen Napoleon 1816 mit St. WEndel und auch Baumholder belohnt worden. So kamen also auch die Verwaltungsbeamten aus Coburg nach St. Wendel. Herzog Ernst hat dann 1834 das St. Wendeler Land an Preußen verkauft.
 
Aber dieser skurrilen Coburger Episode verdankt St. Wendel auch den Einzug in die Schmonzetten-Literatur:  Denn Herzog Ernst hat seine blutjunge Frau Luise wegen angeblichen Fremdgehens von Coburg in seine "Kolonie" St. Wendel verbannt. Ihre beiden kleinen Söhnchen musste die gerade mal 24 Jahre alte Luise zurücklassen. Sie hat sich aber in St. Wendel offenbar recht wohl gefühlt, war beliebt - eine Landesmutter. Nach der Scheidung vom Herzog heiratete Luise den  Stallmeister Maximilian Alexander von Hanstein. Sie ist, erst 31 Jahre alt, in Paris gestorben, wo sie Heilung von einer Krankheit gesucht hatte. Eine Odysee des Leichnams folgte: Luise wurde in Paris begraben, dann  1832 Richtung St. Wendel auf die Reise geschickt, dort aber nicht auf dem Friedhof bestattet, sondern zunächst in der Dorfkirche von Pfeffelbach bei Kusel. Von da musste sie nach weiteren 14 Jahren umziehen in die herzogliche Gruft in Coburg und von dort 1860 in das neue Mausoleum auf dem Coburger Friedhof.  
 
Was aus Luises Sohn Albert wurde, wissen wir Saarländer natürlich: Er heiratete die englische Kronprinzessin Victoria,  war der legendäre Prinzgemahl Albert - und die St. Wendeler Luise war somit die Urururgroßmutter  der heutigen Königin Eliabeth II. von England. Luise lebt in St. Wendel in Lebensgröße weiter: Vorm Rathaus-Eingang steht sie, in Bronze gegossen. 
 
Aber wir gehen jetzt wieder zurück zum Friedhof  und finden noch viele herausragend schöne Grabstätten aus späteren Jahren, treffen auf bekannte Namen: Die Stele der Familie Riegel zum Beispiel, einer Apothekerfamilie, die auch Bier braute. Und immer wieder Riotte:  Gab es da nicht einen  Komponisten dieses Namens? Und wirklich: Philipp  Jacob Riotte ist 1776 in St. Wendel geboren, ist aber in Wien bestattet, wo er als Kapellmeister Karriere gemacht hat. Nicht weit vom alten Rathaus steht sein Geburtshaus, wie uns eine Erinnerungstafel verkündet.
 
Dann taucht am Weg ein bildhübsches kleines Kapellchen aus gelblichem Chaumont-Sandstein auf.  Und auch darum rankt sich eine schöne Geschichte:  Bauen ließ es die in St. Wendel geborene und in Wiesbaden gestorbene Johanna Riefer für ihre Eltern. DAs Geld dafür hatte sie in zwei Koffern aus Amerika mitgebracht, wohin sie in den 1890ern auswanderte. Sie trat um die Wende zum 20. Jahrhundert als Haushälterin in Amerika in den  Dienst des Eisenbahntycoons Huntington.  1924 kam sie zurück nach St. Wendel, das ihr – die sich an das Leben in den Oberen Zehntausend gewohnt hatte – schnell viel zu klein wurde. Sie kaufte sich ein Haus in Wiesbaden, und dort ist sie 1943 gestorben. Aber begraben liegt sie in St. Wendel – in einem normalen Grab, nicht in der Kapelle.  Roland Geiger hat über Johanna, ihre Geldkoffer und ihr Kapellchen ein Büchlein mit dem Titel: "Die Dollartante" geschrieben. 
 
Was schauen wir uns jetzt noch an auf dem St. Wendeler Friedhof?
Da sind viele Soldatengräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Und auch die Gräber zahlreicher sog. „Fremdarbeiter“, die von den Nazis verschleppt wurden und hier fern der Heimat umkamen. Auch  die Opfer des Bombenangriffs auf St. Wendel vom Heiligabend 1944 haben ihren eigenen Bereich. Genau wie die St. Wendeler Priester seit 1800 und die Franziskanerinnen von Waldbreitbach, die das erste St. Wendeler Krankenhaus gegründet haben. 
Die Patres und Brüder der hier seit 1898  ansässigen Steyler Missionare haben dagegen einen eigenen Klosterfriedhof, tief im Wald oberhalb des Missionshauses. 533 Gräber von Patres und Brüdern reihen sich da exakt aneinander. Aber auch einen jüdischen Friedhof gibt es, weit außerhalb des Orts auf Urweiler Bann gelegen. Er wurde 1870 auf privatem Gelände errichtet und wird seit jeher von der Stadt gepflegt. Er hat die Nazis recht gut überstanden – im Gegensatz zur St. Wendeler Synagoge, die verwüstet, verbrannt und dann abgerissen wurde. Ihr Standort in St. Wendel ist heute nur sehr schwer zu finden.
 
Nun suchen wir aber auch noch die Gräber Prominenter aus jüngerer Zeit. Da ist zum Beispiel die Grabstätte des Ehrenbürgers  Max Müller. Der geborene St. Wendeler war Bürgermeister von Wadern und hat in den 1920ern das Standardwerk zur Geschichte der Stadt geschrieben. Auch das Grab seines Vorgängers im 19. Jahrhundert, Julius Bettingen, ist hier zu finden. Auch Werner Zeyer, von 1979 bis 1985  saarländischer Ministerpräsident, im Jahr 2000  gestorben, ist hier begraben.  Und nicht weit vom Eingang des Friedhofs entfernt ist das Ehrengrab der Künstlerin Mia Münster, nach der das "Mia-Münster-Haus" seinen Namen hat, die Herberge der Kreisbibliothek. Herausragend:  In der Mitte des Friedhofs finden wir  das Grab der Schriftstellerin Felicitas Frischmuth, mit dem von ihrem Ehemann, dem Bildhauer Leo Kornbrust - dem "Vater" der in der Nähe beginnenden Skulpturenstraße - geschaffenen Grabstein. Nicht zu übersehen ist natürlich auch das große Familiengrab der Familie Bruch, Gründer der Globus-Handelshöfe.
 
Schluss:
 
Der heute Friedhof ist schon der vierte in St. Wendel. Wann der erste angelegt wurde, wissen wir nicht. Er lag um die Wendelskirche herum und war ausschließlich Katholiken vorbehalten – kein Kunststück, denn schließlich durften bis 1784 nur Katholiken in St. Wendel wohnen. Er wurde 1785 entfernt – aus hygienischen Gründen. Damals schon lange außer Gebrauch war ein Friedhof im Hof hinter der Magdalenenkapelle, in deren Krypta (heute Weinkeller) noch bis 1780 verstorbene Kleinkinder bestattet wurden. Draußen vor der Stadt lag bei der St. Annenkapelle ein Ausweichfriedhof für „Zeiten großen Sterbens“. Dort liegt heute das Green der 2ten Bahn des neuen Golfplatzes. Der Friedhof um die Kirche wurde unmittelbar außerhalb der alten Stadtmauer verlegt, dort steht heute der Saalbau. 1814 wanderten die Toten erneut und zwar auf die Sprietacht, so lautet der Name der Flur, auf der der heutige Friedhof in der Werschweilerstraße liegt.
 
Und dann gibt es noch die vielen St. Wendeler, die zwar hier geboren, aber nicht hier begraben liegen. Das sind viele der Toten des Zweiten Weltkrieges, und das sind die vielen Auswanderer, die Mitte des 19. Jahrhunderts scharenweise nach Amerika gezogen sind – warum auch immer. Roland Geiger hat Kontakt mit ihren Nachkommen und reist oft nach Amerika, um Vorträge über die Geschichte der Heimat ihrer Ahnen zu halten.
 
Noch eine Episode aus der "Coburger Geschichte" zum Schluss: Die Stadt St. Wendel hat von Herzog Ernst 1859 ein tolles Geschenk bekommen: Er stiftete den Leichenwagen, in dem die Herzogin Luise schließlich von Pfefelbach nach Gotha befördert worden war.