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[Regionalforum-Saar] ich traf Bernd Brill im Hiwwelhaus
Datum 2012/07/11 20:56:24
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[Regionalforum-Saar] St. Wendel dreht die Zeit z urück
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[Regionalforum-Saar] ich traf Bernd Brill im Hiwwelhaus
Autor 2012/07/11 20:56:24
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[Regionalforum-Saar] Mönche, Schreiber und Gel ehrte. Bildung und Wissenschaft im Mittelalter

Date: 2012/07/03 22:10:00
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Nonn, Ulrich: Mönche, Schreiber und Gelehrte. Bildung und Wissenschaft
im Mittelalter [43 s/w und 19 farb. Abb.]. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft 2012. ISBN 978-3-534-23072-3; geb. mit SU; 200 S.; EUR
29,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Sita Steckel, Exzellenzcluster 212 "Religion und Politik in den Kulturen
der Vormoderne und der Moderne", Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
E-Mail: <sita.steckel(a)... Themenfeld der Wissenskulturen oder der Wissenschaft und Bildung in
der Vormoderne hat sich in der Forschung der letzten zwei Dekaden als
äußerst produktiv erwiesen, nicht zuletzt, was das europäische
Mittelalter betrifft. Gerade der Blick auf die Verbindungen von Wissen
und Macht - oder von Wissen und religiöser Autorität, von Wissen und
kulturellem Transfer etc. - kann dabei nicht nur das Bildungswesen
erhellen, sondern auch die Schnittstellen aufzeigen, die in der
Vormoderne etwa zwischen Politik, Religion, Literatur, Wissenschaft und
Recht bestanden.[1]

Nach wie vor ist das Themenfeld allerdings gerade in der Lehre schwer zu
vermitteln: Es fehlt vor allem an aktuellen Überblicksdarstellungen, die
Studierenden einen ersten Einstieg in die durchaus komplexe Materie
vermitteln könnten. Ein neuer Band, der sich nicht nur einen Überblick
über Bildung und Wissenschaft im gesamten Mittelalter vorgenommen hat,
sondern seinen Stoff noch für Studierende wie für eine breitere
Öffentlichkeit verständlich darbietet, ist von daher nur zu begrüßen. Es
dürfte auch unmittelbar einsichtig sein, dass Ulrich Nonn für den
vergleichsweise kompakten Band von 200 Seiten eine Auswahl aus dem
breiten Material treffen und bestimmte Schwerpunkte setzen musste.

Der von Nonn gewählten Darstellungsweise gelingt es dennoch, einen
kenntnisreichen, breiten Überblick über Schultypen und 'Schulfächer' in
den verschiedenen Epochen des Mittelalters von den karolingischen
Bildungsreformen bis zum Humanismus zu geben. Besonders gut gelingt dem
Alltagshistoriker Nonn die überaus anschauliche, vielfach direkt aus den
Quellen gegriffene Darstellung, die man kaum anders als farbenfroh
nennen kann. Dieser Eindruck wird von den über fünfzig teils farbigen
Abbildungen des Bandes verstärkt, die mittelalterliche Schulszenen und
Wissensideale sehr einprägsam illustrieren.

Der Aufbau des Buches folgt größtenteils der Chronologie, baut aber
mehrere thematische Schwerpunkte ein, die teilweise typische
Forschungsfelder zu Wissen, Bildung und Wissenschaft im Mittelalter
abdecken. Der mit drei Seiten recht knappen Einleitung folgen zunächst
mehrere thematische Kapitel zum Frühmittelalter. Nach kurzen
Überlegungen zum 'Verfall des römischen Bildungswesens?' (S. 10-15)
werden die karolingischen Bildungsreformen (S. 16-26) geschildert, bevor
ausführlich das Bildungsideal der artes liberales diskutiert (S. 27-56)
und das Schulwesen der Kloster- und Domschulen innerhalb der früh- und
hochmittelalterlichen Kirche dargestellt wird (S. 57-79). Ein
Übergangskapitel widmet sich dann der Entwicklung der Scholastik (S.
80-96) und schlägt den Bogen zum nächsten größeren Kapitel, zu den
mittelalterlichen Universitäten (S. 96-137). Darauf folgt ein eigenes
Kapitel zu städtischen Schulen des Spätmittelalters (S. 137-149) und ein
erneut recht ausführlich gehaltenes Kapitel zum Humanismus als 'neuer
Bildungsbewegung' (S. 150-190). Knapp gehaltene Schlussüberlegungen zu
Bildung im Mittelalter und heute (S. 190-192) beschließen den Band. Ein
Verzeichnis ausgewählter Quellen und Literatur und ein Personenregister
schließen sich an.

Innerhalb der einzelnen Kapitel kombiniert Nonn Zugriffe und
Darstellungsweisen, die das Gerüst der schulischen
Institutionengeschichte mit nuancierenden Einzeldiskussionen und
beispielhaft illustrierenden Gelehrtenbiographien mischt. Im Rahmen der
Kapitel zum Früh- und Hochmittelalter werden so nicht nur die
karolingischen Bildungsreformen angesprochen, sondern es wird auch
diskutiert, welche Variationen und Sinngebungen des Bildungsideals der
artes liberales sich auffinden lassen, noch untermischt mit einer
Diskussion diverser mittelalterlicher Bilddarstellungen der artes
liberales und mechanicae. Zusätzliche Anschaulichkeit gewinnt dieser
Teil aus einer exemplarischen Diskussion der Biographie des Hrabanus
Maurus (gestorben 856) und des Grundlagenwerkes der Etymologiae Isidors
von Sevilla. In ähnlicher Weise treten in der knappen, exemplarischen
Behandlung verschiedener Universitätstypen die wichtigsten
institutionellen Unterschiede und Besonderheiten mittelalterlicher
Universitäten hervor: Paris als Magisteruniversität wird gegen Bologna
als Scholarenuniversität gestellt. Unterschiedliche
organisatorisch-politische Kontexte werden an verschiedenen Gründungs-
oder Organisationsformen verdeutlicht, etwa an der Universität Neapel
als 'staatlicher' Gründung, Salerno als nur locker organisierter
'medizinischer Hochschule' und schließlich an Prag, Wien und Leipzig als
frühen Gründungen im komplizierten politischen Geflecht des Reichs
nördlich der Alpen. Auch in den Kapiteln zu Stadtschulen und Humanismus
werden immer wieder Vignetten aus dem schulischen Alltag eingebaut und
Persönlichkeiten wie Conrad Celtis und Erasmus vorgestellt. Mit Hilfe
reichlicher Zitate aus übersetzten Quellen (die dann allerdings oft nur
sehr verkürzt nachgewiesen werden) entsteht so ein lebendiger Eindruck
der komplexen mittelalterlichen Bildungswelt. Der Band stellt die
verschiedenen Schultypen des Mittelalters vor und macht mit
verschiedenen Gelehrten und wichtigen zeitgenössischen Konzeptionen von
Schulwissen bekannt.

Er tut, so könnte man abschließend andererseits auch kritisieren,
freilich nicht mehr als das. Der Platz, der den vielfältigen Vignetten
aus dem Schulalltag eingeräumt wird, steht nicht mehr zur Verfügung, um
zu zeigen, wie eng die Praktiken gelehrter Wissensorganisation mit der
sie umgebenden Welt verflochten waren und wie weit sie über bloße
Schulen und Pädagogik hinausgriffen. Tatsächlich merkt man dem Band
seine strikte Orientierung an der älteren, stark
institutionengeschichtlich orientierten Bildungs- und Schulgeschichte an
(obwohl hier und da auch von 'Wissenschaft' gesprochen wird - Begriffe
werden mit Ausnahme des Begriffs "Renaissance" [S. 150-151] nicht weiter
geklärt).

Obwohl zudem schulgeschichtliche Forschungsliteratur wahrgenommen und
öfters geschickt kurz eingeflochten wird, gilt dies leider zunehmend
weniger für die internationale und jüngere Forschung. Neuere
schulgeschichtliche Forschungen wie die wichtigen Arbeiten Mayke De
Jongs oder Stephen Jaegers zu früh- und hochmittelalterlichen Kloster-
und Domschulen aus den 1990er-Jahren bleiben so unbeachtet.[2] Nur in
knappsten Randbemerkungen erfahren wir zudem von der Rolle des Judentums
und des Islams für christliche Wissenskulturen. Die Fokussierung auf
'Schulfächer' bewirkt auch sonst, dass zentrale Wissensbereiche wie die
Theologie, das Recht oder beispielsweise die überaus wichtige
mittelalterliche ars dictaminis und Predigtlehre zugunsten des
Bildungsideals der artes liberales und des humanistischen Bildungskanons
stark ins Hintertreffen geraten. Es ist zuzugeben, dass diese
Problematiken zum Teil der notwendigen Kürze des Buchs geschuldet sind.
Als Einführungsliteratur für Studierende dürfte das Werk sich aber
aufgrund dieser Problematiken nur unter Zuhilfenahme zahlreicher
weiterer Einzelarbeiten eignen.

Doch zeigt Nonn mit seiner gelungenen Mischung aus
Überblicksdarstellung, thematischer Diskussion und exemplarischer
biographischer Veranschaulichung, die zudem äußerst flüssig geschrieben
ist, dass eine ansprechende, auch für Anfänger verständliche Darstellung
mittelalterlicher Wissenswelten möglich ist. Es wäre stark zu wünschen,
dass sich weitere Arbeiten in dieser Hinsicht von ihm inspirieren
lassen. Denn die interessierte Öffentlichkeit oder Studienanfänger
könnten noch weit über den mittelalterlichen Schulalltag hinaus davon
überzeugt werden, dass der Blick auf das Wissen des europäischen
Mittelalters auch heute noch Relevantes zutage fördern kann.


Anmerkungen:
[1] Aus einer reichen Forschungsliteratur vgl. beispielhaft Mia
Münster-Swendsen, The Model of Scholastic Mastery in Northern Europe c.
970-1200, in: Sally N. Vaughn / Jay Rubenstein (Hrsg.), Teaching and
Learning in Northern Europe, 1000-1200, Turnhout 2006, S. 307-342;
Andreas Speer / Lydia Wegener (Hrsg.), Wissen über Grenzen. Arabisches
Wissen und lateinisches Mittelalter, Berlin 2006; Johannes Fried, In den
Netzen der Wissensgesellschaft. Das Beispiel des mittelalterlichen
Königs- und Fürstenhofes, in: Johannes Fried / Thomas Kailer (Hrsg.),
Wissenskulturen. Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept,
Berlin 2003, S. 141-193.
[2] Mayke De Jong, In Samuel's image. Child oblation in the Early
Medieval West, Leiden 1996; Mayke De Jong, From Scolastici to Scioli.
Alcuin and the Formation of an Intellectual Elite, in: Luuk A.J.R.
Houwen / Alasdair A. MacDonald (Hrsg.), Alcuin of York. Scholar at the
Carolingian Court - Proceedings of the Third Germania Latina Conference
held at the University of Groningen May 1995, Groningen 1998, S. 46-57;
C. Stephen Jaeger, The Envy of Angels. Cathedral Schools and Social
Ideals in Medieval Europe, 950-1200, Philadelphia 1994.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Wolfgang Eric Wagner <wolfgang-eric.wagner(a)...