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2025/08/07 09:43:16
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Der Geistkirch-Verlag will Au ßergewöhnliches aus der Region aufs Tableau bringen . Mitinhaber Florian Brunner erklärt, warum.
Datum 2025/08/08 08:22:57
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: Einladung zur Fachtagung "Pfälzer Wandermusikanten" am 12. und 13. Septembe r 2025 auf Burg Lichtenberg/Thallichtenberg
2025/08/08 08:22:58
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] 31. PFÄLZISCHES BURGENSYMPO SION am 5. und 6. September 2025
Betreff 2025/08/07 09:43:16
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Der Geistkirch-Verlag will Au ßergewöhnliches aus der Region aufs Tableau bringen . Mitinhaber Florian Brunner erklärt, warum.
2025/08/07 09:43:16
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Der Geistkirch-Verlag will Au ßergewöhnliches aus der Region aufs Tableau bringen . Mitinhaber Florian Brunner erklärt, warum.
Autor 2025/08/08 08:22:57
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: Einladung zur Fachtagung "Pfälzer Wandermusikanten" am 12. und 13. Septembe r 2025 auf Burg Lichtenberg/Thallichtenberg

[Regionalforum-Saar] Das Leben hinter dem Namen

Date: 2025/08/07 09:44:04
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heute in der Saarbrücker Zeitung =>Kultur

Das Leben hinter dem Namen

Hervé Le Tellier beginnt das Leben des Unbekannten, eines Résistancekämpfers, zu rekonstruieren. Am Ende wird daraus ein eindringliches Porträt.
Von Christoph Schreiner

Man kann an der heutigen Literaturkritik mitunter verzweifeln: In einer im Deutschlandfunk erschienenen Rezension des neuen Buches des mit seinem letzten Roman „Die Anomalie“ auch hierzulande gefeierten französischen Romanciers Hervé Le Tellier wird ernsthaft behauptet, bei „Der Name an der Wand“ handele es sich um einen Geschichts- und Liebes- und Kriminalroman.

Nichts davon trifft zu. Wir haben es mit keinerlei Form von literarischer Fiktion zu tun. Vielmehr ist dieses Buch eine authentische Spurensuche und biografische Annäherung an einen Résistancekämpfer namens André Chaix (Mai 1924 bis August 1944), auf dessen Namen und Lebensdaten Le Tellier zufällig stößt, als er in der Drôme ein Haus kaufen will. Chaix in den Rohputz der Hauswand geritzter Name kommt zum Vorschein, nachdem LeTellier eine der darauf angebrachten Keramiktafeln der Vorbesitzerin entfernt.

Nach und nach bringt Le Tellier immer mehr über den jung gestorbenen Widerstandskämpfer in Erfahrung und entschließt sich, ein Buch daraus zu machen, das „den Idealen eine Stimme gibt, für die er gestorben ist“. In einer postkartengroßen, nur einen Zentimeter hohen Pappschachtel, die ihm anlässlich einer kleinen Ausstellung über den Widerstand in der Drôme in die Hände fällt, findet er neben Chaix‘ Personalausweis Briefe des Verstorbenen an seine Eltern, ein Dutzend Fotos mit gezacktem Rand und eine Zigarettenspitze. „Ich fühlte mich wie ein Grabschänder“, beschreibt Le Tellier seine Empfindungen dabei.

Plötzlich bekommt dieser André Chaix für ihn ein Gesicht: „Seltsam, ich hatte es bis dahin nie gewagt, ihn mir vorzustellen, seine Züge, seine Gestalt.“ Genau das macht die Qualität dieser biografischen Recherche aus: Le Tellier nähert sich Chaix, der Soldat der Forces Françaises de l’Intérieur war, nicht wie ein Historiker, er tut es im Ton und in Gestus und mit der Empathie und Fantasie eines Schriftstellers. Wenn er etwa erwähnt, dass Chaix 20 Jahre, zwei Monate und 30 Tage alt wurde, überschlägt Le Tellier zunächst, wann er dann selbst gestorben wäre (am 22.
Juli 1977), um dann anzuschließen: „Ein Haiku besagt, dass man jedes Jahr, ohne es zu wissen, den Jahrestag seines künftigen Todes begeht.“

Mit großer Einfühlsamkeit nähert sich Le Tellier der großen Liebe Andrés, seiner Verlobten Simone Reynier, die die gemeinsamen Fotos des Paares (und deren herzergreifende Beschriftungen durch André) Jahre nach seinem Tod der Familie zurückgibt. „Falls ich recht habe, dann trennt sie sich von all diesen Bildern, weil sie diese Sätze, die von dem glücklichen Leben sprechen, das sich ankündigte, nicht mehr lesen wollte.“ Er malt sich aus, welche Filme und Musik André und Simone in der ihnen vergönnten Zeit gesehen oder gehört haben könnten.

Eingestreut in das Buch sind immer wieder historische Fotos und Dokumente, die Le Tellier im Lauf seiner Recherche gefunden hat. Er sucht die dereinst Chaix‘ Eltern gehörende Bäckerei auf, in der André vor seinem Eintritt in die Résistance Lehrling war. Beschäftigt sich mit der Organisationsstruktur der französischen Widerstandsgruppen. Fahndet auf dem Friedhof von Montmeyran nach Andrés Grab. Unweit von Dieulefit, das zu Zeiten des Vichy-Regimes etwa 1500 Flüchtlingen vor den Nazis – darunter die Autoren Louis Aragon, René Char und Henri-Pierre Roché und der deutsche Maler Wols – eine sichere Zuflucht bot und damals zeitweise geradezu als französische Hauptstadt der Intellektuellen tituliert wurde.

Nicht zuletzt aber setzt sich Le Tellier, der Vorsitzender der legendären literarischen Vereinigung Oulipo ist, zu deren Mitgliedern dereinst etwa Georges Perec, Raymond Queneau und Italo Calvino gehörten, auch mit der Kollaborationshistorie ­Frankreichs auseinander – der vor 1945 wie auch der danach. Erwähnung findet nicht nur, dass das 1953 erlassene Amnestiegesetz der IV.
Republik es untersagte, die dunkle Vichy-Vergangenheit der Grande Nation aufzuarbeiten. Le Tellier geht auch der humanistischen Grundfrage nach, wer von uns sicher sein kann, im Fall des Falles integer zu sein oder zu bleiben.

Am Ende seiner kostbaren Puzzlearbeit aus Dokumenten, Imaginationen und historischen Exkursen resümiert Hervé Le Tellier, dass er ohne den in die Hauswand gravierten Namen André Chaix „niemals diese Epoche hätte erkunden können, in der Großherzigkeit und Mut mit Egoismus und Niedertracht eng beieinanderlagen wie nur selten“. Ein Glück, dass er die Keramiktafel mit dem darunter verborgenen Schriftzug André Chaix an dem von ihm erworbenen Haus eines Tages entfernt hat. Andernfalls hätte es dieses Buch nie gegeben.

Hervé Le Tellier: Der Name an der Wand. Aus dem Frz. von Romy Ritte und Jürgen Ritte. Rowohlt, 160 Seiten, 24 Euro.