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2025/05/27 10:57:27
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Review: E. Kurlander u.a.: Modern Germany
Datum 2025/05/29 15:47:50
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: [genealogy.net] Adressbuch Saargebiet 1927 - DES Erfassung abgeschlossen
2025/05/29 15:47:50
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: [genealogy.net] Adressbuch Saargebiet 1927 - DES Erfassung abgeschlossen
Betreff 2025/05/06 09:32:43
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Genealogisches Seminar auf Burglichtenberg am 18.-19. Oktober 2025
2025/05/27 10:57:27
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Review: E. Kurlander u.a.: Modern Germany
Autor 2025/05/29 15:47:50
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: [genealogy.net] Adressbuch Saargebiet 1927 - DES Erfassung abgeschlossen

[Regionalforum-Saar] Die Gründungsgeschichte der A btei Brauweiler. Fundatio monasterii Brunwilarensis

Date: 2025/05/27 23:37:42
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Die Gründungsgeschichte der Abtei Brauweiler. Fundatio monasterii Brunwilarensis

Herausgeber  Stiene, Heinz Erich
Reihe Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde
Erschienen Köln 2024: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten 247 S.
Preis € 39,00
ISBN 978-3-412-52996-3

Rezensiert für H-Soz-Kult von  Vera Dinslage, Bergische Universität Wuppertal

Die zwischen 1077 und 1090 (vgl. S. 32) von einem wenig konturhaften Schreiber abgefasste Brauweiler Fundatio hat ein neues, es ließe sich sagen, endlich ein würdiges Gewand erhalten! Zur Feier des 1000-jährigen Bestehens der Abtei Brauweiler erhielt jener zentrale Bericht über die Entstehung der Abtei sowie die daran angefügten Miracula sancti Nicolai neue Aufmerksamkeit. Der rheinländischen Mittelalterforschung ist die Quelle bestens bekannt, da sie besonders ausgiebig die sonst eher spärlich gesäten Nachrichten über den bedeutenden, 1034 verstorbenen Pfalzgrafen Erenfried (Ezzo) und seine Familie bietet (vgl. S. 26f.). Aufgrund des Verhältnisses dieses Fürsten zum Königtum Ottos III. und Heinrichs II. ist die Fundatio auch über den landesgeschichtlichen Rahmen hinaus für reichsgeschichtliche Fragen von regem Forschungsinteresse.

Der Band hat das zentrale Programm, die Brauweiler Fundatio vollständig im lateinischen Text abzudrucken, erstmals zu übersetzen, grundlegend zu kommentieren und einzuordnen. Diesen Anspruch umzusetzen ist rundweg gelungen. Nicht nur erleichtert der Band den Zugang für Forscher:innen. Ohne Weiteres ist auch die Einbettung im Schulunterricht ermöglicht, da die Lehrkraft alle nötigen fachwissenschaftlichen Informationen finden kann.1 Überdies ist der gesamte Inhalt als e-Book zugänglich und kann entsprechend digital durchsucht werden.

Neben Frank Bischoffs Vorwort und Grußwort von Corinna Franz ist die historische Einführung durch Karl Ubl gestellt, die den feinen Sinn dafür aufweist, grundlegende Strukturen der Geschichte sowie Ereignisse zu nennen und zugleich präzise die für die Quelle spezifischen Informationen darzubieten. Dabei hätten lediglich die anschließenden Teile des vorliegenden Bandes noch stärker auf diese Einordnung bezogen sein können.2 Darauf folgt die „Einführung in die Edition“ (S. 19), die alle Fragen zur handschriftlichen Überlieferung der vier Fassungen jener Quelle beantwortet. Selbst die bisher unbeachtet gebliebene Überlieferung im Liber sancti Nicolai ähnelt im Wortlaut dem Text der bereits existenten Edition von Hermann Pabst (1874), die folglich die Grundlage des hier zu lesenden Textes bildet. Abweichungen sind gesondert einsehbar (vgl. S. 41–44). Zudem kommen für die Erzählungen bezüglich der Geschehnisse in Ungarn die Editionen von Rudolf Köpke (MGH, 1854) und Georg Waitz (MGH, 1883) zum Zuge (vgl. S. 235). Leider wird zur Einführung in die Überlieferung auch das mehrbändige Werk des Kölner Gelehrten Aegidius Gelenius, „De admiranda sacra et civili magnitudine Coloniae“, zwar benutzt und zitiert, jenes Zitat sowie das Werk allerdings nicht belegt (vgl. S. 37 u. 235–240). Auch das auf Seite 37 verwendete wörtliche Zitat von Woldemar Harless ermangelt eines Belegs, dessen Übersetzung aber ist im Quellenverzeichnis nachgewiesen (vgl. S. 235).

Auf Seite 44 schlägt der Leser das Kernstück des Bandes auf, die parallel gedruckten Texte von Edition und Übersetzung mit durchnummerierten Zeilen. Dieser Mühe hat sich Heinz Erich Stiene angenommen, ein bewanderter Historiker und Philologe, der bereits etliche Gedanken und Überlegungen zu mittelalterlichen Quellen sowie Literatur allgemein und besonders Brauweiler publiziert hat. Die lateinische Satzstruktur ist für deutschsprachige Leser meist angenehm durch Satzzeichen strukturiert (vgl. etwa S. 46, Z. 15–17) und gelegentlich bei der Übersetzung in der Reihenfolge zum Verständnis geändert (vgl. etwa S. 60, Z. 1–7/S. 61, Z. 1–8). Wo der Schreiber, nach Eigenzeugnis mit Anfangsbuchstabe G, sich kurzfasst und die Dynamik einer Erzählung so vor Augen hat, dass er wichtige Informationen voraussetzt, hat Stiene diese Einzelheiten in der Übersetzung zum leichteren Verständnis ergänzt (S. 73, Z. 3f. u. 10). Die Präzision im Ausdruck ist mit Stienes sicherer Handhabung des Lateinischen gepaart, so ist die Topik haud timidi treffend als „furchtlos“ übertragen (S. 72, Z. 12/S. 73, Z. 12).

An einigen Stellen hätten die Sprachbilder des G. häufiger nachgebildet werden können, da Stiene selbst dessen Gelehrsamkeit hervorhebt (S. 27f.). Im Prolog ist der Klang von vox, vocabularis und revocare nicht aufgenommen. In der Übersetzung fiel die Entscheidung auf „Buchstaben“ (für vox, S. 47, Z. 10), „Elemente“ (für vocabularius, S. 47, Z.11) und „erweckt“ (für revocare, S. 47, Z. 15). Auch wäre die Bedienung mittelalterlicher Sinnbilder wünschenswert gewesen, et luce clarius sit (S. 50, Z. 8), kann zwar sinnerhaltend als „dabei ist es doch […] sonnenklar“ (S. 51, Z. 8) übertragen werden, der deutsche Ausdruck profanisiert jedoch die religiöse Vorstellung. Das göttliches Wirken nachweisende Licht erhellt meist ausschließlich, was Gottes Wohlwollen findet, Übriges bleibt absconditum.3 Dieses Sprachbild zu erhalten, hätte den rühmenden Aussagen über Ezzo eine weitere hinzufügt. Ähnlicher Topik ist der Ausdruck, Brauweilers fulgor solle weithin strahlen (S. 50, Z. 24). Deutlich bezieht G. sich darauf erneut bei der Beschreibung Ezzos (vgl. S. 58, Z. 23f.). Das Attribut clarissimus bei Ezzos Ehegattin Mathilde als „herrlich“ (S. 56, Z. 13/S. 55, Z. 13), bei König Heinrichs I. Nachkommenschaft als „erlaucht“, für Otto III. zu „edel“ zu deuten, nimmt dagegen eine inhaltliche Gestaltung vor, die G. scheinbar nicht bedient (vgl. S. 62, Z. 22/S. 63, Z. 22 u. S. 68, Z. 19/S. 69, Z. 20). Alles indes verweist inhaltlich durch das Erleuchtetsein auf die Gottgefälligkeit der Personen. Die Übersetzung, Otto der Große sei „vom Willen besessen“ gewesen, das Reich zu vergrößern, statt „den höchsten Eifer/den eifrigstem Mut verwenden/opfern“ (maximum suae magnanimitatis studium impendebat), ist unter inhaltlichen Aspekten fraglich (S. 60, Z. 18f./S. 61, Z. 18). G. selbst erwähnt die Wirkkraft der daemones, sodass diese gedankliche Struktur der Besessenheit beachtet hätte werden können (vgl. S. 52, Z. 18). Unbesprochen bleibt auch etwa die Forschungsfrage, was für ein Gehalt im Beinamen von Ezzos Vater, Hermann pusillus, eigentlich stecken soll (S. 60, Z. 2/S. 61, Z. 4): Pusillus wie die mutlosen Kinder der Kolosserbriefe, pusillus wie die mit den Jüngern gleichgesetzten Kinder, die Jesus gemäß den synoptischen Evangelien besonders liebte, oder rein deskriptiv pusillus wie „körperlich klein geraten“?4

Der historisch einordnende und stilistische Besonderheiten heraushebende Kommentar Stienes (S. 183–225) geht auf diese Wendungen leider nicht ein. Die besondere Kenntnis G.s von Sallusts Schriften, die Stiene darin ein ums andere Mal hervorhebt, dagegen belegt die waltende Gelehrsamkeit in Brauweiler. Bibelzitate sind teils im Kommentar, teils direkt in der Übersetzung angemerkt. Manchmal steht dort ein „vgl.“ (vgl. S. 53, Z. 11), gelegentlich jedoch nicht, obschon auch diese Stellen weder im Deutschen noch im Lateinischen die jeweilige Bibelübersetzung wortgetreu zitieren (vgl. z. B. S. 46, Z. 4f./S. 47, Z. 4f.). Es wäre an diesen Stellen für den neugierigen Leser wünschenswert gewesen, wenigstens den Vulgata-Wortlaut im Kommentar anzumerken.

Gelegentlich sind Quellenausdrücke mit lang geprägten Forschungskonstrukten übertragen. So steht etwa für genealogia „Sippe“, was doch wohl nur Abstammung heißen soll (vgl. S. 50, Z. 3/S. 51, Z. 3)5, oder ex suis libertos facere ist als „aus der Leibeigenschaft freilassen“ übersetzt (vgl. S. 58, Z. 14f./S. 59, Z. 15). In diese Reihe ist auch die Übertragung von beneficiis als „Lehen“ zu stellen (S. 60, Z. 6/S. 61, Z. 3).6 An diesen Stellen ist gelegentlich die Chance vergeben, auf die Entwicklungen neuerer Forschungen aufzusteigen.

Jene Klagen auf hohem Niveau sind nur möglich, da Stienes Übersetzung solche Tiefe besitzt und die Konzeption des Bandes nichts zu wünschen übriglässt. Auf den Kommentar zur Fundatio und den Miracula folgen Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Register, das Personen und Orte nachschlagen lässt und die Thematik so auch leicht für Unerfahrene der Brauweiler Geschichte bedienbar macht. Das würdige Gewand der Fundatio regt zur erneuten, intensiven Auseinandersetzung an, wie an dieser Rezension ersichtlich. Es bleibt zu hoffen, dass viele Editionen und Übersetzungen diesem Beispiel nachfolgen werden!

Anmerkungen:
1 Zu diesem Anliegen vgl. Stiene, Gründungsgeschichte, S. 7.
2 Nach G. wurde Kuno, Ezzos Enkel und Herzog von Bayern, in Mariengraden zur letzten Ruhe gebettet (vgl. S. 82, Z. 16–18), Stiene geht darauf auch im Kommentar ein (vgl. S. 195), dieser Hinweis fehlt aber bei der historischen Einordnung Ubls und auch bei den der Edition vorangestellten Kontextualisierungen Stienes. Dass Erzbischof Anno nicht nur Richeza, sondern auch Kuno 1063 in Mariengraden bestattete, statt die Beerdigung in Brauweiler zu ermöglichen, ist aber ein nicht unwichtiger Hinweis auf Tatkraft und Absicht desselben, die Ubl und Stiene entsprechend herausstellen. Richenza sei „im thüringischen Saalfeld“ (S. 29) verstorben, wie ihr Vater also, was der Leser noch durch Ubls Ausführungen erinnert, hier allerdings den Querverweis vermisst (S. 15). Dasselbe gilt für die Darstellung des Klottener Streits (S. 31 u. 17).
3 Vgl. dazu beispielsweise Mt 6,4 oder 13,35.
4 Vgl. Mt 18,6 u. Mk 1,19. Dieselben werden auch als „Geringe“ in Offb 11,18 übertragen. Vgl. Heinz Finger, Memoria im frühmittelalterlichen (Erz-)Bistum Köln, in: Uwe Ludwig / Thomas Schilp (Hrsg.), Nomen et Fraternitas. Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag, Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 62, Berlin 2008, S. 297–316, bes. S. 303.
5 Vgl. dazu grundlegend Gerhard Lubich, Verwandtsein. Lesarten einer politisch-sozialen Beziehung im Frühmittelalter (6.-11. Jahrhundert), Köln 2007.
6 Vgl. dazu Jürgen Dendorfer / Steffen Patzold (Hrsg.), Tenere et Habere. Leihen als soziale Praxis im frühen und hohen Mittelalter, Besitz und Beziehungen 1, Ostfildern 2023.
Zitation
Vera Dinslage, Rezension zu: Stiene, Heinz Erich (Hrsg.): Die Gründungsgeschichte der Abtei Brauweiler. Fundatio monasterii Brunwilarensis. Köln 2024 , ISBN 978-3-412-52996-3, in: H-Soz-Kult, 28.05.2025, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-151039.