Suche | Sortierung nach | Monatsdigest | ||
![]() |
2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
Datum | 2025/05/27 23:37:42 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Die Gründungsgeschichte der A btei Brauweiler. Fundatio monasterii Brunwilarensis |
![]() |
![]() |
2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
Betreff | 2025/05/05 20:00:50 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Veranstaltungen des Instituts f ür pfälzische Geschichte und Volkskunde |
![]() |
![]() |
2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
Autor | 2025/05/27 23:37:42 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Die Gründungsgeschichte der A btei Brauweiler. Fundatio monasterii Brunwilarensis |
![]() |
Date: 2025/05/27 10:57:27
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Review: E. Kurlander u.a.: Modern Germany
Modern Germany. A Global History
Autor(en) Kurlander, Eric; McGetchin, Douglas T.; Grewe,
Bernd-Stefan
Erschienen New York 2023: Oxford
University Press
Anzahl Seiten 907 S.
Preis € 64,80
ISBN 978-0-19-064152-8
Rezensiert für H-Soz-Kult von Anka Steffen,
Universität Wien
„Modern Germany. A Global History“ ist ein bemerkenswertes
Kompendium, das
Studierenden aus dem angloamerikanischen Raum – insbesondere
jedoch in den USA
– die Geschichte deutscher Länder seit 1500 bis heute innerhalb
transformativer
Wirkungszusammenhänge vermitteln soll. Die sechzehn Kapitel sind
didaktisch
hervorragend aufbereitet und durchgehend verständlich geschrieben,
ohne dabei
in vereinfachende Darstellungen abzugleiten. Obwohl die
Kapitelaufteilung von
mittelalterlich-frühneuzeitlicher Kleinstaaterei bis zur
gegenwärtigen
Bundesrepublik bekannten chronologischen Mustern folgt, vermeiden
Kurlander,
McGetchin und Grewe den Eindruck eines teleologischen
Geschichtsverlaufs.
Hervorzuheben ist die sprachliche Kunstfertigkeit, die
diplomatisch-politischen, wirtschaftlichen sowie
gesellschaftlich-kulturgeschichtlichen Aspekte als
Korrelationsgefüge
aufscheinen zu lassen, obwohl sie in der Regel in separaten
Unterkapiteln
thematisiert werden. Die Einbettung des deutschsprachigen
Zentraleuropa – auch
Österreichs, nicht der Schweiz – in globale Bezüge wird
unterschiedlich stark,
aber doch konsequent durchgehalten und verdient Lob.
Der Buchumfang macht eine kapitelweise Besprechung wenig sinnvoll.
An dieser
Stelle sei deshalb nur angemerkt, dass jedes der sechzehn Kapitel
gleichbleibend gegliedert ist: Auf eine kurze Einleitung folgen
drei
Schwerpunktthemen, die entweder chronologisch abgehandelt oder aus
Perspektiven
von Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft erläutert werden.
Die
abgeleiteten Erkenntnisse fasst eine knappe Schlussfolgerung
zusammen.
Zeitleisten und Listen mit Schlüsselbegriffen am Ende jedes
Kapitels bieten
einen schnellen Überblick über dessen Inhalt; Landkarten tragen
zur
Orientierung bei.
Die Autoren von „Modern Germany. A Global History“ stellen die
„Realpolitik“
deutschsprachiger Territorien – vom Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation
bis zur Bundesrepublik der Gegenwart – gekonnt als Verflechtung
von
angestrebter Außen- und gewünschter Innenpolitik dar, wodurch
sowohl
internationale Spannungs- als auch vorteilhafte Umfelder deutscher
Geschichte
entfaltet werden. Die Autoren dekonstruieren dadurch wie nebenbei
lange Zeit
wirkmächtige Thesen eines deutschen Exzeptionalismus
beziehungsweise deutschen
Sonderwegs und entlarven diese Vorstellungen sowohl implizit durch
die
Aufmachung des Buches als auch explizit in ihren Ausführungen als
haltlos (S.
XI, 297f., 478). Der strukturelle Aufbau des Buches verhindert,
dass
vermeintliche Einzelaspekte – wie zum Beispiel die „kolonialen
Frage“ (S. 268,
311), „Frauenfrage“ oder „sozialen Frage“ (unter anderem S.
256–268, 312–322) –
als Parallelkontexte erscheinen, sondern als Kontextkonglomerat
greifbar
werden, welches die variablen Möglichkeitshorizonte schließlich
eingetretener
historischer Prozesse verdeutlicht.
Es fällt außerdem auf, dass die Autoren der zunehmenden
Mythologisierung der
US-amerikanischen Vergangenheit entgegenwirken möchten, indem sie
der
studentischen Zielgruppe von „Modern Germany. A Global History“
immer wieder
die Geschichte des eigenen Heimatlandes als Kontrastfolie
vorhalten. Hierzu
zählt unter anderem der Vergleich der „Nürnberger Gesetze“ mit den
„Jim-Crow-Gesetzen“ (S. 601, 604) oder das Aufgreifen des wenig
bekannten Teils
der Biographie des Schwarzen Olympiasiegers von 1936, Jesse Owens,
der nach
seiner Rückkehr in die von Rassismus geprägten USA erst in der
„Ford Motor
Company“ unter dem antisemitisch eingestellten Firmengründer
Anstellung fand
(S. 499f.). Dies relativiert keineswegs die Gräueltaten des
Naziregimes (unter
anderem S. 495–503), sondern zeigt, dass die systematische
Degradierung von
Menschen kein ausschließlich deutsches Phänomen war.
Ohne grundsätzlich die Agency historischer Individuen infrage zu
stellen,
relativieren die Autoren dennoch „Einzelleistungen“ sogenannter
historischer
„Größen“, indem sie sich verselbstständigende Impulse für
historische
Ereignisse zur Geltung bringen. Als Beispiele hierfür finden sich
die
unvorhergesehene Ermordung Ernst von Raths durch Herschel
Grynszpan für die von
Hitler oder Goebbels keineswegs im Voraus geplanten
Novemberprogrome 1938 (im
Text etwas befremdlich weiterhin auf Deutsch als
„Reichskristallnacht“
bezeichnet, S. 601f.) oder der Lapsus Günter Schabowskis und die
damit
unabsichtlich ins Rollen gebrachten Vorgänge für den Fall der
Berliner Mauer,
statt der berühmt gewordenen Aufforderung „Tear down this wall!“
Ronald Reagans
(S. 719–724, 740–745, insbesondere 722, 742).
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Leserschaft in „Modern
Germany. A
Global History“ auf historiographische Unterschiede in der Deutung
historischer
Ereignisse aufmerksam gemacht wird. So wird die Reformation nicht
nur als ein
rein theologisches Ereignis vorgestellt, sondern auch in ihre
sozioökonomischen
und politischen Kontexte eingebettet (S. 26–29), ebenso der
Dreißigjährige
Krieg, der nicht als ein rein religiös motivierter, sondern auch
als ein
dynastischer und säkular-wirtschaftlicher Konfliktherd
angesprochen wird (S.
29–33, insbesondere 33). Ein weiterer lobenswerter Aspekt ist die
gezielte
Erwähnung historischer Personen, um Persönlichkeiten aus Politik,
Wirtschaft
und Kultur exemplarisch vorzustellen – maßgeblich jedes Mal auch
Frauen,
wodurch sich deutsche Geschichte nicht ausschließlich
männergemacht liest.
Diesen positiven Eindrücken stehen einige kritische Beobachtungen
gegenüber,
welche besonders der Zielgruppe junger Studierender möglicherweise
nicht sofort
ins Auge fallen, und deshalb hier hervorgehoben werden. Die
Autoren von „Modern
Germany. A Global History“ rechtfertigen nicht, warum das 20.
Jahrhundert
(Kapitel 8–16, 1890–2022) genauso viel Platz im Buch einnimmt wie
die drei
Jahrhunderte davor (Kapitel 1–7, 1500–1890). Etablierte Konzepte
wie
„Kapitalismus“ oder „Aufklärung“ und die „Französische Revolution“
– mit der
„typischerweise“ das Semester zu deutsch-europäischer Geschichte
eingeleitet
wird (S. VX) – werden nicht infrage gestellt (S. 73). Völlig
unerklärlich ist
die Diskrepanz zwischen den weitreisenden Deutschen in der Frühen
Neuzeit
(unter anderem S. 20, 50f., 86f.) und den „landlocked Germans“ (S.
92), die in
Abwesenheit eines Ökonomen vom Kaliber Adam Smiths dem
kontinentalen Binnenhandel
den Vorzug gegeben, den Überseekolonialismus jedoch gemieden
hätten (S. 97).
Das davon abgeleitete Klischee, Deutsche seien nur „Subalterne“
oder
„Juniorpartner“ im westeuropäischen „Verflechtungsprojekt globalen
Maßstabs“
gewesen (vgl. S. 87), ist bedauerlich, zumal die Autoren selbst
einräumen, dass
die Deutschen eng mit dem transatlantischen Handel verbunden waren
und dass man
keine Kolonie besitzen musste, um vom Plantagenkomplex zu
profitieren (vgl. S.
51, 132). Hier wurde eindeutig die Chance vertan, von rezipierten
– man fragt
sich, ob wirklich gelesenen – neueren Forschungsarbeiten von
Margrit Schulte
Beerbühl, Klaus Weber und Susanne Zantop eine grundlegende
Revision bestehender
Erzählungen anzustellen (was in Kapitel 7 und 8 zum deutschen
Kolonialismus
zwischen 1890 und 1914 hingegen glückt).
Für die größte Schwachstelle von „Modern Germany. A Global
History“ kann jedoch
die Tatsache gelten, dass trotz der lobenswerten Berücksichtigung
globaler
Zusammenhänge und deren Auswirkungen auf deutsche Territorien,
nicht gelingt,
auch die Verflechtung mit dem benachbarten östlichen Europa
angemessen zu
integrieren. In dem Band werden die östlichen Territorien
hauptsächlich in
Verbindung mit jüdischer Geschichte, Antisemitismus oder dem
Holocaust erwähnt
(unter anderem S. 282, 620–627) oder als ein zu erobernder Raum
(S. 319, 390f.,
396, 488). Positiv konnotierte Aspekte sind hingegen rar und
beschränken sich
auf den kulturellen Bereich, wie etwa die Erwähnung Bertha von
Suttners oder
Rainer Maria Rilkes, die beide ihre Wurzeln in Böhmen haben (S.
335, 433).
Ostpreußen oder der Balkan werden erst im Kontext des Ersten
Weltkriegs
thematisiert; Polen wird erst 1989 zentral. Diese einseitige
Auslassung vergibt
die Möglichkeit, die vielfältigen – oft friedlichen – Beziehungen
zwischen dem
deutschsprachigen Zentral- und dem (süd)östlichen Europa
auszuführen.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Behandlung polnischer
Eigennamen,
die oft ohne korrekte Sonderzeichen wiedergegeben werden – unter
anderem „Oswiecim“
statt „Oświęcim“ (S. 621), „Wojtyla“ statt „Wojtyła“ (S. 714) und
„worker‘s
Solidarity movement“ beziehungsweise „trade union movement known
as Solidarity“
statt „Solidarność“ (S. 723, 739) –, obwohl korrekt wiedergegebene
Schreibweisen – wie der „Chłodna-Straße“ im Warschauer Ghetto (S.
624) oder dem
Parteinamen „Prawo i Sprawiedliwość“ (S. 801) – beweisen, dass es
keinen Mangel
an geeigneten Buchstaben seitens des Verlags gegeben hat. Diese
Inkonsistenz
wirft die Frage auf, warum die Autoren den Sprachen des östlichen
Europas nicht
die gleiche Sorgfalt widmen wie der deutschen Sprache, schließlich
werden
Begriffe und Namen wie „Bildungsbürgertum“ (S. 68, 169),
„Rheinisch-Westfälischer Diakonissenverein“ (S. 171) oder „Arnold
Böcklin“ (S.
332) stets vollständig wiedergegeben. Die Vernachlässigung des
östlichen
Europas spiegelt sich auch in der Bibliographie. Diese besteht aus
einer
Mischung älterer und jüngerer deutsch- und englischsprachiger
Publikationen,
ignoriert jedoch die Forschungsliteratur osteuropäischer Länder
vollständig.1
Alles in allem ist „Modern Germany. A Global History“ trotz der
angesprochenen
Schwächen ein wertvolles Lehrmittel. Als didaktisch durchdachtes
und reich
illustriertes Kompendium führt es Studierende – nicht nur im
angloamerikanischen Sprachraum – an ein Themengebiet heran, das
Gegenstand von
ebenfalls lesenswerten Büchern ist, die jedoch keinen dezidiert
pädagogischen
Anspruch erheben.2 „Modern Germany. A Global
History“ bietet
eine gute Grundlage, Studierende mit komplexen Zusammenhängen zu
konfrontieren,
in denen sich das deutschsprachige Zentraleuropa konstituiert hat,
gleichzeitig
ihr kritisches Geschichtsverständnis zu fördern und ihnen das
Hinterfragen etablierter
Narrative zu vermitteln. Ob aber Deutschland „modern“ war oder
ist, bleibt
allerdings eine Frage, auf die Studierende wohl selbst die Antwort
finden
sollen.
Anmerkungen:
1 In Kapitel 12 (S. 568, 586)
wird lediglich
herangezogen: Oleg Witaljewitsch Chlewnjuk, Stalin. New Biography
of a
Dictator, New Haven 2015. Bezeichnend auch die Passage zu den
polnischen
Legionen, die auf der Seite Napoleons kämpften (S. 144). Hier sind
maßgeblich
Jan Pachoński, Legiony Polskie 1794–1807. Prawda i legenda, 4
Tomy, Warszawa
1969–1979 [Poland‘s Caribbean Tragedy. A Study of Polish Legions
in the Haitian
War of Independence, 1802–1803, New York 1986]; Robert Bielecki /
Andrzej T.
Tyszka, Dał nam przykład Bonaparte. Wspomnienia i relacje
żołnierzy polskich
1796–1815, Kraków 1984. Zitiert wird stattdessen Jeremy Popkin,
Facing Racial
Revolution. Eyewitness Accounts of the Haitian Insurrection,
Chicago 2007, wo
polnische Perspektiven ausgespart sind.
2 Vgl. Helmut Walser Smith,
Germany. A Nation
in Its Time. Before, During, and After Nationalism, 1500–2000, New
York 2020;
David Blackbourn, Germany in the World. A Global History
1500–2000, New York
2023.
Zitation
Anka Steffen, Rezension zu: Kurlander, Eric; McGetchin, Douglas
T.; Grewe,
Bernd-Stefan: Modern Germany. A Global History. New York 2023 ,
ISBN 978-0-19-064152-8,
in: H-Soz-Kult, 27.05.2025, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-139383.