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2024/10/14 11:10:15 Horst Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Datumsangaben entschlüsseln i n Kirchenbüchern und anderen Dokumenten |
Datum | 2024/10/21 20:04:16 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Vortrag über die Lohgerberei in St. Wendel |
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2024/10/28 09:01:58 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Landesgeschichtliche Perspektiven auf 1000 Jahre Abtei Brauweiler |
Betreff | 2024/10/01 13:23:21 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Von Vulkanen, Schnaps und Buslinien: Kurs zur Geologie im Saarland! |
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2024/10/13 21:38:07 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Datumsangaben entschlüsseln i n Kirchenbüchern und anderen Dokumenten |
Autor | 2024/10/21 20:04:16 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Vortrag über die Lohgerberei in St. Wendel |
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Date: 2024/10/21 19:03:06
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Autor: Andreas Renner
Erschienen Hamburg 2024: mareverlag GmbH & Co. oHG
Anzahl Seiten 272 S.
Preis € 28,00
ISBN 978-3-86648-684-3
Rezensiert für
H-Soz-Kult von Kristina
Küntzel-Witt, Academia Baltica, Sankelmark
Andreas Renner hat endlich eine deutschsprachige Geschichte der
Suche nach der
Nordostpassage vorgelegt. Bislang gab es dazu nur großformatige
Bildbände, die
bestenfalls Aspekte der jahrhundertelangen Suche nach der
legendären Passage
dargelegt haben.1 Allerdings erhebt auch
Renners
Monographie keinen Anspruch darauf, wissenschaftlich
ausgerichtet zu sein.
Vielmehr ist sein Werk, das im Mareverlag erschienen ist, eher
essayistisch und
populärwissenschaftlich angelegt. Dementsprechend werden nur
Zitate mit
Literaturverweisen belegt. Dafür gibt es für jedes Kapitel
ausgewählte
weiterführende Literaturangaben.
In der Einleitung nimmt Renner die Leserschaft mit auf eine
Kreuzfahrt entlang
der skandinavisch-sibirischen Küste bis in den Pazifik, wobei
die Faszination
dieser legendären Schiffspassage immer wieder anklingt. In einer
lockeren
Chronologie folgen dann Kapitel zu den bekanntesten
Entdeckungsfahrten und
Entdeckern des arktischen Seewegs wie Hugh Willoughby und
Richard Chancellor,
die sich im Auftrag der englischen „Muscovy Company“ in der
Mitte des 16.
Jahrhunderts erstmals auf die Suche nach einem Schiffsweg
entlang der
russischen Küste machten. Natürlich dürfen auch Willem Barents
Expeditionen in
den 1590er-Jahren nicht fehlen. Deutlich herausgestellt wird
dabei die
Schwierigkeit in die Karasee hineinzugelangen, die sich den Ruf
als „Eiskeller
der Arktis“ (S. 18) erwarb und lange Zeit eine weitere Erkundung
der Nordostpassage
verhinderte.
Geschickt verknüpft der Autor die weitere Eroberung Sibiriens im
17.
Jahrhundert im Landesinneren mit dem vorübergehenden Stopp der
weiteren
Erkundung des Seewegs. Zar Michail Fedorovič ließ sogar den
vielversprechenden
Hafen von Mangaseja im Mündungsgebiet des Ob schließen, um das
weitere
Vordringen englischer und niederländischer Händler entlang der
Küste zu
unterbinden. Vorgeblich wollte der Zar verhindern, dass die
Ausländer
Steuerabgaben an Moskau umschifften; de facto sollte so die
territoriale
russische Oberherrschaft an der entlegenen Küstenlinie nicht
gefährdet werden.
Erst im 18. Jahrhundert begann eine neue Phase der intensiven
Erforschung der
sibirischen Küstenlinie und einer potentiellen Schiffsroute
unter Zar Peter I.
Zunächst wollte der Zar durch die Erste Kamtschatkaexpedition
klären, ob eine
Passage von der Arktis in den Pazifik überhaupt möglich war oder
eine
asiatisch-amerikanische Landverbindung diese verhindern könnte.
Anschließend
geht Renner auf diese zweite große Kamtschatkaexpedition und
deren Erforschung
der sibirischen Küsten ein. Er beschreibt eindringlich die
jahrelangen
Strapazen der einzelnen Expeditionsgruppen, welche die großen
Flüsse
hinabgeschickt wurden, um von deren Mündungen aus die Küste in
beide Richtungen
zu kartographieren. In diesem Kapitel ist ausführlich die Rede
von Vitus
Bering, dem aus Dänemark stammenden Leiter der beiden
Expeditionen. Sehr wenig
erfährt man dagegen über Berings Stellvertreter Aleksej Čirikov.
Der deutsche
Naturforscher Georg Wilhelm Steller, der Bering auf seiner
Überfahrt nach
Alaska begleitete, wird überhaupt nicht erwähnt. Hier wird
Renners Konzept sehr
deutlich, sich stark auf die Suche nach der Passage entlang der
sibirischen
Küste zu konzentrieren, die Entdeckung Alaskas und die Erkundung
des
Nordpazifiks, die für die Frage nach einem nördlichen Schiffsweg
ebenfalls
relevant sind, werden dagegen zurückgestellt. So wird auch die
Billings-Saryčev
Expedition am Ende des 18. Jahrhunderts, die Katharina II.
initiiert hatte, nur
kurz erwähnt.2
Dafür werden die ersten russischen Expeditionen, die 1765/66
unter Kapitän
Vasilij Čičagov direkt in arktische Gewässer führten, intensiver
dargestellt.
Der russische Universalgelehrte Michail Lomonosov hatte
Katharina II. von dem
politischen und ökonomischen Potential eines nördlichen Seewegs
überzeugen
können, wobei er von einer eisfreien Passage in Höhe des 80.
Breitengrades
träumte. Čičagovs Entdeckungsfahrten zeigten allerdings, wie
gefährlich der
arktische Ozean war. Er musste unverrichteter Dinge nach
Archangelsk
zurückkehren, ohne nennenswerte Entdeckungen gemacht zu haben.
Danach
unterblieben für lange Zeit russische Expeditionen in die
Arktis.
Im 19. Jahrhundert erfolgten dann stärker ökonomisch motivierte
Vorstöße, um
die Schiffsroute für den Abtransport von Rohstoffen aus Sibirien
nutzbar zu
machen. Allen voran träumte der aus Hamburg stammende Wilhelm
Brandt davon, den
Schifffahrtsweg für eine Besiedlung der sibirischen Küste zu
nutzen. Er
finanzierte 1832 eine Expedition unter der Leitung von Petr
Pachtusov, der zum
ersten Mal die Matotschkin-Straße, welche die Doppelinsel Nowaja
Semlja trennt,
durchfuhr. Doch nach Brandts Tod im gleichen Jahr verebbte das
Interesse an
seinen weitläufigen Plänen.
Neue Bewegung kam in die Suche nach der Passage durch die neue
Technologie der
Dampfschifffahrt, die sich der finnisch-schwedische Entdecker
Adolf Erik
Nordenskiöld auf seiner legendären ersten Durchfahrt der
Nordostpassage mit
seiner „Vega“ 1878 zunutze machte. Kurz vor der Einfahrt in den
Nordpazifik fror
sein Schiff ein, aber Nordenskiöld war so gut ausgerüstet, dass
die
Überwinterung für ihn und seine Mannschaft kein Problem
darstellte. Anschaulich
schildert Renner, wie die indigenen Tschuktschen immer häufiger
zum Schiff
kamen und Nordenskiöld erstaunt feststellen musste, dass sie
besser Englisch
als Russisch sprachen, weil sie häufiger Kontakt zu
amerikanischen Walfängern
als zu Russen hatten.
Doch auch nachdem die Passage nun erstmals geglückt war, sei die
russische
Regierung zu dem Schluss gekommen, dass die Route aus
ökonomischer Sicht nicht
profitabel genug und zu unsicher war. So dauerte es bis in die
Sowjetzeit
hinein, bis durch den Bau von Eisbrechern die Erforschung der
Arktis plötzlich
wieder in den Fokus der Regierung und vor allem Stalins rückte.
In dem Kapitel
über die sowjetischen Expeditionen unter der Leitung des zum
„Helden der
Arktis“ aufgestiegenen Wissenschaftlers Otto Schmidt in den
1930er-Jahren zeigt
Renner meisterhaft, wie das Interesse an der Arktisforschung am
Ende der
1930er-Jahre erlosch und in Stalins Terror unterging. Am Ende
musste Schmidt um
sein Leben fürchten: Er trat als Leiter des berühmten
Arktisinstituts in
Leningrad zurück und überlebte Stalins Terrorjahre als eine der
wenigen
populären Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Zuvor hatte der
Diktator die
technologischen Fortschritte und die erste Durchfahrt der
Passage ohne
Überwinterung durch den Eisbrecher Sibirjakov 1932 noch als
Zeichen für die
Überlegenheit des Sozialismus feiern lassen. Noch mehr
öffentliches Interesse
hatte die dramatische Rettung von Schmidt und seiner Mannschaft
per Flugzeugen
1934 erregt, nachdem sie bei einer missglückten Fahrt auf dem
Frachter
Čeljuskin im Eis eingefroren waren und monatelang auf einer
Eisscholle
ausgeharrt hatten.
Der nächste Meilenstein in der weiteren Nutzung der Schiffsroute
erfolgte dann
durch den Bau der ersten atomar betriebenen Eisbrecher in den
1950er-Jahren.
Das neue Statussymbol der Sowjetunion, die „Lenin“, befuhr die
Route bis 1989,
hatte aber oft mit technischen Problemen zu kämpfen. Ihre
verbrauchten
Brennstäbe wurden vor Nowaja Semlja im Meer versenkt. Hier zeigt
sich
symbolträchtig die enge Verknüpfung der ökonomischen Entwicklung
und den
ansteigenden ökologischen Problemen. Wilhelm Brandts Traum wird
wahr, zunehmend
werden Frachtschiffe und Tanker eingesetzt, um Rohstoffe aus
Sibirien
abzutransportieren. Dank des Klimawandels wird der sogenannte
„Nördliche
Seeweg“ zudem immer einfacher zu befahren sein. Diese
Zusammenhänge zeigt
Renner am Ende seines Buches deutlich auf und auch die
juristischen
Auseinandersetzungen über die Nutzung der arktischen Rohstoffe
werden
ausführlich erwähnt. Er schließt sein Werk mit Hinweisen zur
aktuellen Politik
Putins, der mehrfach die Ausbeutung der Rohstoffe am Boden des
Nordpols für
Russland beansprucht hat. Gleichzeitig wird auch auf Chinas
Investitionen in
der Region – etwa durch den Bau des LNG (Liquefied Natural Gas)
-Terminals in
Sabetta in der Ob-Mündung – hingewiesen.
Insgesamt gesehen legt Andreas Renner eine anregende, aber sehr
stark
komprimierte Übersicht über die Suche und die Entwicklung der
Nordostpassage
vor, die deutlich zeigt, wie schwankend das Interesse an dieser
Schiffsroute
war und wie stark dabei ökonomische sowie imperiale Interessen
zusammenspielten, während die ökologischen Probleme von der
russischen
Regierung weitestgehend ausgeblendet werden. Illustriert wird
das Buch mit
zahlreichen Karten, die allerdings nicht extra aufgeführt
werden.
Anmerkungen:
1 Vgl. beispielsweise
Helfried Weyer,
Nordwest- und Nordost-Passage. Der Traum vom nördlichen Seeweg,
Hamburg 2006.
2 Vgl. hierzu Diana Ordubadi,
Die
Billings-Saryčev-Expedition 1785–1795. Eine Forschungsreise im
Kontext der
wissenschaftlichen Erschließung Sibiriens und des Fernen Ostens,
Köln 2016.
Zitation
Kristina Küntzel-Witt, Rezension zu: Renner, Andreas:
Nordostpassage.
Geschichte eines Seewegs. Hamburg 2024 , ISBN 978-3-86648-684-3,
in:
H-Soz-Kult, 22.10.2024, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-144354.