Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Von Vulkanen, Schnaps und Buslinien: Kurs zur Geologie im Saarland!

Date: 2024/10/01 13:23:21
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Âuch in diesem Herbst steht wieder ein Kurs zur Geologie und Landschaftskunde an. Ich würde mich freuen, wenn Ihr / Sie diesen Hinweis an Ihren / Euren Verteiler aller Stadt- und Gästeführer, Exkursionsleiter und Natur- und Landschaftsführer weiterleiten könntet. Bei den letzten vier Kursen war die Nachfrage seitens der Kolleginnen und Kollegen immer groß, 2023 etwas zurückgehend, aber die Rückmeldungen immer erfreulich. Der Kurs kann auch als fachliche Weiterbildung von der VHS bestätigt werden.

Rückfragen sehr gerne an mich oder Frau Dr. Schmitt von der VHS Saarbrücken. Anmeldungen gehen aber nur an die VHS, nicht an mich. Vielen Dank 😊

 

Vulkane, Schnaps und Buslinien: Kurs zur Geologie und Landschaftskunde des Saarlandes       

 

Das Saarland verdankt seine naturräumliche, historische und wirtschaftliche Entwicklung wesentlich der sehr vielfältigen geologischen Struktur. Die Erdgeschichte hat das Saarland reichlich mit Naturschätzen bedacht, die auch zur erfolgreichen touristischen Entwicklung beitragen. Ein Kurs der Volkshochschule des Regionalverbandes Saarbrücken (VHS) widmet sich diesem Thema: Der Geograph und Gästeführer Markus Philipp erläutert allgemeine Grundlagen der Geologie und Gesteinskunde und geht auf Besonderheiten im Saarland und der Großregion ein. Er sagt zum Thema: „Die Geologie ist an vielem schuld." Themen sind u.a. die Gaulandschaften mit ihren fruchtbaren Böden, der Bergbau auf Kohle und Erz oder spannende Aspekte des saarländischen Vulkanismus. Sogar um Schnaps und Buslinien soll es gehen. Anhand von Anschauungsmaterial, Bildern, Vergleichen und Experimenten soll so das Thema den Zuhörern nähergebracht werden.

Der Kurs mit der Nummer AQ 1105 besteht aus vier Abendterminen (jeweils 18:00 bis 19:30 Uhr) und beginnt am Dienstag, 05. November 2024. Die Kursgebühr beträgt 20 Euro. Anmeldungen an die VHS unter www.vhs-saarbruecken.de oder Tel. 0681 / 506-4343.

 

Schöne Grüße vom Saarbrücker Rodenhof sendet

 

Dipl.-Geogr. Markus Philipp

Verkehrsplaner, Gästeführer BVGD & StattReisen, Buchautor

ÖPNV- und Regionalarchiv Saarbrücken

 

Ottweilerstr. 109, 66113 Saarbrücken

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[Regionalforum-Saar] Fwd: Einladung zum zweiten "Fo rum WND" mit Peter Müller

Date: 2024/10/02 20:59:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>


-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Einladung zum zweiten "Forum WND" mit Peter Müller
Datum: Wed, 2 Oct 2024 11:25:01 +0200 (CEST)
Von: info(a)wendelinusstiftung.de
An: info(a)wendelinusstiftung.de


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Grundgesetz ist seit 75 Jahren das grundlegende, fundamentale Gesetz unserer Bundesrepublik und ein fester Anker unserer Gesellschaft. Doch Demokratie und Rechtsstaat geraten durch Angriffe von Radikalen und Populisten zunehmend unter Druck. Die Frage lautet also: Hat Deutschland nur eine gute Verfassung oder ist es auch in einer guten Verfassung?

Peter Müller, ehemals Richter des Bundesverfassungsgerichts diskutiert diese und weitere Fragen rund um das Grundgesetz im Gespräch mit dem Journalisten Klaus Brill.

Zu dieser Veranstaltung laden wir Sie herzlich ein.

 

75 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik
– Deutschland in guter Verfassung?

 

Ein Gespräch mit Peter Müller, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D.


 


 

 

 

Wann:       Freitag, 25. Oktober 2024

Uhrzeit:     18.00 Uhr

Wo:            Eventatrium der Kreissparkasse St. Wendel
                   Bahnhofstr. 21-25, 66606 St. Wendel
                 (Einlass über den Haupteingang in der Bahnhofstraße)

Eine Teilnahme an der Veranstaltung ist sowohl vor Ort als auch online möglich, eine persönliche Anmeldung ist erforderlich. 

Anmeldung für die Teilnahme vor Ort: Bitte melden Sie sich über diesen Link Event-Checker (sparkasse.de) persönlich an. (bei Anmeldung mehrerer Personen, bitte den Link mehrmals anklicken und jede Person einzeln anmelden).

Anmeldung für die Online-Teilnahme: Bitte senden Sie eine Mail an info(a)wendelinusstiftung.de mit der Überschrift „Müller“.
Der Webex-Link zum Live-Streaming der Veranstaltung wird Ihnen dann rechtzeitig vorab zugeschickt. 

Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte direkt an die obenstehende Emailadresse der Wendelinus Stiftung.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Mit freundlichen Grüßen

 

Josef Alles
Vorstand
Wendelinus Stiftung

Hinweise auf Foto- und Filmaufnahmen
Im Rahmen unserer Veranstaltung werden wir Bild- und/ oder Tonaufnahmen (z.B. Fotos oder Videos) anfertigen. Dabei ist es möglich, dass Sie auf den Aufnahmen erkannt werden. Wenn Sie nicht aufgenommen werden möchten, weisen Sie uns, bitte darauf hin.
Zwecke und Verwendung der Aufnahmen
Wir fertigen die Aufnahmen an, um unsere Veranstaltung bildlich zu dokumentieren und über unsere Veranstaltung begleitend, sowie nachträglich zu berichten. Dazu werden wir die Aufnahmen insbesondere auf Medienplattformen (zum Beispiel Facebook, Instagram und unserer eigenen Webseite) veröffentlichen. Außerdem behalten wir uns vor, die Aufnahmen zu verwenden, um auch zukünftige Veranstaltungen von uns über die genannten Kanäle anzukündigen und zu bewerben.
Datenschutz
Weitere Informationen zum Datenschutz, insbesondere zu Ihren Betroffenenrechten, und unsere Kontaktinformationen finden Sie in unserer Datenschuttzerklärung

Gemeinsam Gutes tun und Zukunft gestalten!

Wendelinus Stiftung
Bahnhofstraße 21-25
66606 St. Wendel
Telefon: 06851 15-427

--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de

[Regionalforum-Saar] Genealogieseminar auf Burglichtenberg um eine Woche verschoben, jetzt 19.-20. Oktober 2024

Date: 2024/10/04 12:12:42
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

das genealogische Seminar "Vertiefende Familienforschung" auf Burglichtenberg bei Kusel ist um eine Woche nach vorn vorgezogen werden.
Es findet jetzt am 19. und 20. Oktober 2024 auf der Burglichtenberg statt.

Und es sind noch Plätze frei.

Weitere Informationen erhalten Sie direkt von mir.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
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Tel. 06851-3166
email alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de

Re: [Regionalforum-Saar] Genealogieseminar auf Burglichtenberg um eine Woche verschoben, jetzt 19.-20. Oktober 2024

Date: 2024/10/05 10:47:30
From: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de>

Guten Morgen,
Wie geht es Ihnen? Haben Sie schon genügend Rückmeldungen erhalten, die bedeuten, dass das Seminar auch eine Woche früher starten kann? Vor allem die Hauptvorträge müssen ja stehen. Ich hoffe, dass heute und morgen noch viele Zusagen eintreffen! Grüße an Ihre liebe Frau, die Sonntag dazu kommen will. Da freu ich mich!
Herzlich
Christa Lippold 



Von meinem/meiner Galaxy gesendet


-------- Ursprüngliche Nachricht --------
Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Datum: 04.10.24 12:22 (GMT+01:00)
An: Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, saarland-l(a)genealogy.net, Pfalz-L <pfalz-l(a)genealogy.net>, Hunsrueck-L <hunsrueck-l(a)genealogy.net>, Eifel-L(a)genealogy.net
Betreff: [Regionalforum-Saar] Genealogieseminar auf Burglichtenberg um eine Woche verschoben, jetzt 19.-20. Oktober 2024

Guten Morgen,

das genealogische Seminar "Vertiefende Familienforschung" auf Burglichtenberg bei Kusel ist um eine Woche nach vorn vorgezogen werden.
Es findet jetzt am 19. und 20. Oktober 2024 auf der Burglichtenberg statt.

Und es sind noch Plätze frei.

Weitere Informationen erhalten Sie direkt von mir.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
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Tel. 06851-3166
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www.hfrg.de

[Regionalforum-Saar] Vortrag über Pilgerreisen im Mittelalter - in unserer Gegend

Date: 2024/10/07 18:37:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

„Das kannst du dir an den Hut stecken?“, lautet das Thema am Dienstag,
8. Oktober 2024, 19.00 Uhr im Cusanushaus am Fruchtmarkt in St. Wendel.

Referentin: Dr. Jutta Schwan aus Homburg.

Reisen ist für uns in der heutigen Zeit etwas völlig Normales. Im
Mittelalter jedoch war das Pilgern die einzige Form der Fernreise. Noch
heute führt ein Teil des Pilgerweges nach Santiago de Compostela durch
das Bliestal und die Biosphäre. Die Referentin führt die Besucher in
ihrem Vortrag zurück in eine Zeit, als Reisen noch ein
lebensgefährliches Abenteuer war. Die Ausführungen können auch auf
unsere Wendelinus-Wallfahrt bezogen werden.

Der Eintritt ist frei.

[Regionalforum-Saar] FAMILIENFORSCHUNG IN DEN USA - DEUTSCHE AUSWANDERUNG UND SIEDLUNGSGEBIETE IN AMERIKA IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT

Date: 2024/10/08 11:56:25
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Liebe Freundinnen und Freunde der Ahnenforschung,

die Aufzeichnung des Online-Vortrages

FAMILIENFORSCHUNG IN DEN USA - DEUTSCHE AUSWANDERUNG UND
SIEDLUNGSGEBIETE IN AMERIKA IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT

mit der Lehrbeauftragten für Nordamerikanische Geschichte an der
Universität Jena, Dr. Katja Wüstenbecker, beim Ahnenforscher Stammtisch
Unna vom 7. Oktober 2024

findet ihr auf YouTube unter folgendem Link:

https://youtu.be/WJ_OO0YG9tM?si=QI-jBxxTeGj7fF9b

Wir wünschen euch eine interessante und informative Zeit beim Anschauen
der Aufzeichnung und weiterhin viel Erfolg und Freude bei eurer
familiengeschichtlichen Forschung.

Liebe Grüße

Georg (Palmüller)


AHNENFORSCHER STAMMTISCH UNNA
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[Regionalforum-Saar] „Volksgemeinschaft“ hinter Stacheldraht. Die Internierungslager in der britischen und US-amerikanischen Besatzungszone und ihre Bedeutung f ür die deutsche Nachkriegsgesellschaft, 1945–195 8

Date: 2024/10/10 23:01:24
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

„Volksgemeinschaft“ hinter Stacheldraht. Die Internierungslager in der britischen und US-amerikanischen Besatzungszone und ihre Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgesellschaft, 1945–1958


Autor Kerstin Schulte
Reihe Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte
Erschienen Berlin 2024: De Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten XI, 460 S.
Preis € 79,95
ISBN 978-3-11-131582-9

Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79279.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Stefanie Rauch, Wiener Holocaust Library, London

Mehrere hunderttausend Deutsche wurden von den Alliierten nach dem Kriegsende ab 1945 interniert – als mutmaßliche Kriegsverbrecher, als mögliches Sicherheitsrisiko oder weil sie als Angehörige bestimmter Organisationen in die Kategorie des „automatischen Arrests“ fielen. Anders als die Kriegsgefangenschaft oder die Entnazifizierungsverfahren sind die Zivilinternierungen bislang verhältnismäßig wenig beachtet und erforscht worden. Kerstin Schultes als Dissertation an der Universität Bielefeld entstandene Studie zu den britischen und US-amerikanischen Internierungslagern der frühen Nachkriegszeit in Deutschland konzentriert sich vor allem auf die Erfahrungen der Internierten selbst. Zwar wurden die britischen und die US-amerikanischen Internierungslager 1948/49 weitgehend aufgelöst – wobei die letzten Internierten in der US-Zone erst im Sommer 1952 entlassen wurden (S. 383) –, seien aber auch danach noch von Bedeutung gewesen. Schulte wählt 1958 als Endpunkt für die Studie, da mit der Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg „die Phase der großzügigen Amnestierung und Wiedereingliederung von NS-Tätern in der Bundesrepublik“ geendet habe (S. 3).

Als Quellen dienen Dokumente der Alliierten zu den Lagern, Egodokumente der Internierten sowie Akten der deutschen Ministerien auf Länderebene (S. 21). Besonders hervorzuheben ist laut Schulte der umfangreiche, hier erstmals ausgewertete Bestand Staumühle zu internierten Frauen in der britischen Besatzungszone aus der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne (S. 23). Im Internierungslager Staumühle befanden sich etwa 850 Frauen unter den über 9.000 Internierten (S. 173).

Das erste Kapitel beschreibt die Rahmenbedingungen in den Internierungslagern sowie die Unterschiede zwischen den britischen und US-amerikanischen Herangehensweisen. Zu nennen seien hier „die Bereiche der rechtlichen Rahmenbedingungen, der justiziellen Strafverfolgung, der Unterbringung und Versorgung in den Lagern“ sowie die „Entlassungspolitik“ (S. 76). Beispielsweise hätten die Briten alle Wehrmachtsangehörigen als „Militaristen“ und potenziell „gefährlich“ eingestuft, während in der US-amerikanischen Zone nur Generäle und Generalstabsoffiziere interniert worden seien (S. 77f.). Außerdem begannen die Briten wesentlich später damit, Internierte zu prüfen und zu entlassen. Auch die Übergabe von Verantwortung an deutsche Stellen habe später eingesetzt als in der US-Zone (S. 67). Anders als Kriegsgefangene waren zivile Internierte in dieser Phase „nicht durch internationales Recht geschützt“ (S. 49).

Im zweiten Kapitel widmet sich Schulte dem Umgang mit den Internierten hinsichtlich Entnazifizierung, Reeducation / Demokratisierung, Gewalt und Arbeit. Die Internierung sei als Stigmatisierung empfunden worden, was sich mitunter auch auf nicht-internierte Familienmitglieder ausgewirkt habe (S. 101). Schulte zieht außerdem Geschlecht als Analysekategorie heran – sowohl für den Lageralltag als auch für die Deutung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Ihr Fokus liegt dabei auf Frauen und Weiblichkeit, während Männer und Männlichkeit nicht ebenso eingehend analysiert werden. Schulte stellt „geschlechtsspezifische Deutungsmuster“ fest (S. 163). Männer hätten die NS-Vergangenheit in ihren Selbstzeugnissen nicht explizit thematisiert und gedeutet. Frauen hingegen hätten dies ausgiebig getan und dabei den nationalsozialistischen Wertekanon reproduziert (S. 198). Ebenfalls hervorzuheben ist die kulturelle und intellektuelle Seite des Lagerlebens, die weitgehend von den Internierten selbst gestaltet wurde (S. 199–223). Das gilt auch für die Lagerzeitungen, die Schulte ausgewertet hat (S. 133–138). Künftige Studien könnten einen Vergleich zu den Kriegsgefangenlagern sowie deren Lagerzeitungen vornehmen.

Das dritte Kapitel stellt den Kern der Studie dar. Aufbauend auf Martina Stebers und Bernhard Gottos Arbeiten zur „Volksgemeinschaft“1 leitet Schulte fünf Elemente ab, die für „das Narrativ der ‚Volksgemeinschaft‘“ (S. 232) in den Internierungslagern kennzeichnend gewesen seien: Kameradschaft, Leistungsgemeinschaft, Gewalt, Inszenierung von Gemeinschaft sowie die (vermeintliche) Überformung von Klassenschranken. Die Autorin zeigt, wie ehemalige Internierte noch Jahrzehnte später Kontakte sowie nationalsozialistische Werte und Entlastungsstrategien pflegten, darunter die „Sauberkeit“ der Internierten (S. 248), und auch Spenden sammelten, etwa um die Freilassung von Rudolf Hess zu erwirken (S. 250). In den Internierungslagern dominierten ehemalige NS-Funktionsträger:innen und alte Hierarchien bestanden fort (S. 262). Hier wäre eine Auseinandersetzung mit Generation als Analysekategorie wünschenswert gewesen; künftige Studien könnten sich damit im Detail befassen. Die von Schulte angeführten Beispiele (unter anderem auf S. 249, 259, 264) legen nahe, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation von Bedeutung war.

In der deutschen Presse seien die Internierten in den ersten Jahren nach Kriegsende selten als Opfer betrachtet worden, sondern es sei vor ihnen gewarnt worden, oder die vermeintlich gute Behandlung oder milde Spruchkammerurteile seien kritisiert worden. Sympathien seien primär für die Kriegsgefangenen reserviert gewesen (S. 296f.). Auf lokaler Ebene in der Nähe der Lager hingegen sei die Bevölkerung den Internierten in manchen Fällen eher positiv begegnet (S. 311). Auch die evangelische und die katholische Kirche hätten sich der Internierten angenommen und deren Opferdiskurs befördert (S. 314). Der Autorin zufolge war „die gesellschaftliche Wahrnehmung der Internierten insgesamt stark von der jeweiligen Besatzungszone und der Zeit abhängig“ (S. 311).

Darüber hinaus betrachtet Schulte die Internierung im politisch-kulturellen Gedächtnis der jungen Bundesrepublik. Die Reintegration der ehemaligen Internierten habe eine besondere Herausforderung dargestellt, nicht zuletzt, da sie das neue System oft ablehnten (S. 317). Sie profitierten enorm von den Amnestiegesetzen der frühen 1950er-Jahre und dem „131er-Gesetz“ (S. 321–323). Das habe indes nicht die Akzeptanz der neuen Demokratie gefördert. Die früheren Internierten hätten „sich weiterhin als schuld- und ahnungslose Opfer von Nationalsozialismus, Krieg und Besatzung“ inszeniert (S. 327). Schulte konstatiert, dass die Internierungszeit „prägender“ „als alle sozialpolitischen Integrationsversuche der Bundesrepublik“ (S. 328) gewesen sei. Auch bei der literarischen Verarbeitung hätten sich die „Hauptnarrative“ der „Opfer-, Leidens- und Schicksalsgemeinschaft“ durchgesetzt (S. 330). Hilfsorganisationen und Vereine für ehemals Internierte, die sich unter anderem für Entschädigungszahlungen einsetzten, waren dem Verfassungsschutz suspekt; es kam auf Länderebene in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern auch zu Verbotsverfahren (S. 372f.). Laut Schulte zeigten die sinkenden Mitgliederzahlen ab Ende der 1950er-Jahre, „dass die Internierten zwar nicht unbedingt ihre weltanschauliche Überzeugung veränderten oder ablegten, aber sich offensichtlich zumindest ihre Prioritäten verschoben und sie sich in ihrem Leben in der Bundesrepublik eingerichtet hatten“ (S. 378). Ob und wie die ehemals Internierten selbst den breiteren Diskurs in der Bundesrepublik mitbestimmten, müsste durch weitere Studien geprüft werden.

Abschließend widmet sich ein kurzes viertes Kapitel dem Ende der Lager und dem Nachkriegskonsens. Schulte zeigt anschaulich, wie langlebig die Narrative aus der Internierungszeit waren, wie Werte und Überzeugungen aus der NS-Zeit fortlebten und wie eine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit – insbesondere mit der eigenen Schuld und Verantwortung – unter den (ehemals) Internierten überwiegend ausblieb. Ausnahmen scheint es in dem von Schulte verwendeten Quellenbestand nicht zu geben. Ob dieses Muster bei den ehemals Internierten noch verbreiteter als in der Mehrheit der Nachkriegsbevölkerung war, bleibt dabei genauer zu prüfen. Das „Volksgemeinschafts“-Narrativ habe der Internierung Sinn verliehen, musste aber „vor Ort hergestellt und praktisch eingeübt werden“ (S. 378f.). Schultes Befund in der Schlussbetrachtung des vierten Kapitels ist schlüssig, wenn sie ein Spannungsverhältnis zwischen der Realität der Lagererfahrungen und „ihrer diskursiven Verhandlung“ (S. 388) feststellt. Für diese Verarbeitung sei die „Volksgemeinschaft“ von erheblicher Bedeutung gewesen (ebd.). Sie habe es ermöglicht, mit der Enttäuschung und Orientierungslosigkeit nach dem Ende des „Dritten Reiches“ umzugehen (S. 389). Ob die Wiedereingliederung und Wiedereinsetzung der ehemaligen Internierten in den erlernten oder ausgeübten Beruf aufgrund des Fehlens von Arbeitskräften sowie aus Mangel an Alternativen tatsächlich „praktisch unumgänglich“ war (S. 390f.), ist allerdings fraglich.

Kerstin Schulte gelingt es, die Erfahrungen und Selbstwahrnehmungen der Internierten darzustellen, ohne den Blick auf deren Entlastungsstrategien und die ideologischen Kontinuitäten aus der NS-Zeit zu verlieren. Eine Bewertung der „Volksgemeinschaft“ als Analysekategorie, den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Aussagekraft wäre am Ende noch wünschenswert gewesen. Schultes umfassende Betrachtung zentraler Aspekte der Internierungslager schließt eine Lücke in der Forschung und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen. Dazu gehören (wie erwähnt) beispielsweise Analysen von Generation sowie Männlichkeit, aber auch Fallstudien zu bestimmten Personen(gruppen), die man von der NS-Zeit bis weit in die Bundesrepublik hinein weiter verfolgen könnte. Vergleiche mit Österreich, den Speziallagern in der Sowjetischen Besatzungszone oder den Kriegsgefangenlagern wären darüber hinaus von Interesse. Auch weitere Quellengattungen könnten herangezogen werden – zum Beispiel alliierte Vernehmungsprotokolle des Counter Intelligence Corps (CIC) mit den Zivilinternierten oder eine Sekundärauswertung von Oral-History-Interviews mit Deutschen, unter denen sich gegebenenfalls auch ehemals Internierte befinden könnten.

Anmerkung:

1 Siehe unter anderem Martina Steber / Bernhard Gotto (Hrsg.), Visions of Community in Nazi Germany. Social Engineering and Private Lives, Oxford 2014.

Zitation

Stefanie Rauch, Rezension zu: Schulte, Kerstin: „Volksgemeinschaft“ hinter Stacheldraht. Die Internierungslager in der britischen und US-amerikanischen Besatzungszone und ihre Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgesellschaft, 1945–1958. Berlin 2024 , ISBN 978-3-11-131582-9, in: H-Soz-Kult, 11.10.2024, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-138959.




[Regionalforum-Saar] 18. Deutsch-Pennsylvanischen Tag in Altrip (am Rhein)

Date: 2024/10/11 09:11:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Betreff:
18. Deutsch-Pennsylvanischen Tag in Altrip (20.10.)
Von:
"Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz e.V." <info(a)atlantische-akademie.de>
Datum:
11.10.2024, 09:01
An:
<alsfassen(a)web.de>

 

Sehr geehrter Herr Geiger,

am 20. Oktober findet der 18. Deutsch-Pennsylvanische Tag in Altrip statt. Dazu laden wir Sie herzlich ein!


Photo: © Scott Reagan

SOUNDS OF AMERICA:
Scott Reagan beim 18. Deutsch-Pennsylvanischen Tag in Altrip


Sonntag, 20. Oktober 2024, ab 14:30 Uhr

Ort:
Bürgerhaus "Alta Ripa"
Ludwigstr. 42
67122 Altrip

Eintritt frei! Es ist keine Anmeldung erforderlich


Am 20. Oktober wird in Altrip mit einem Festakt der 18. Deutsch-Pennsylvanische Tag gefeiert und damit auch die seit 2021 bestehende Städtepartnerschaft zwischen Kutztown, PA und Altrip, RLP gepflegt und zelebriert.

Seit über 300 Jahren leben die Nachfahren kurpfälzischer Auswanderer in Pennsylvania. Bis heute haben sie ihre Mundart und ihre Traditionen bewahrt. Zu ihnen gehört Scott Reagan, der „Blohbariyer“. Im Rahmen der seit 2008 alljährlich durchgeführten „Hiwwe wie Driwwe Tour“ sowie als Teil der Reihe SOUNDS OF AMERICA der Atlantischen Akademie kommt der pennsylvanisch-deutsche Singer-Songwriter für einen musikalischen Beitrag nach Altrip, Rheinland-Pfalz.

Außerdem erwarten Sie an diesem Tag weitere musikalische und künstlerische Beiträge, Grußworte und eine Videoschalte nach Kutztown, Pennsylvania.


Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website der Atlantischen Akademie.


In Kooperation mit:
Heimat- und Geschichtsverein Altrip
Ortsgemeinde Altrip
Deutsch-Pennsylvanischer Arbeitskreis

Partner:
Diese Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts statt.




 
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[Regionalforum-Saar] Datumsangaben entschlüsseln i n Kirchenbüchern und anderen Dokumenten

Date: 2024/10/13 21:38:07
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Liebe Freundinnen und Freunde der Ahnenforschung,

die Aufzeichnung des Online-Vortrages

„Datumsangaben entschlüsseln in Kirchenbüchern und anderen Dokumenten“

mit dem Referenten Andreas Stephan (GENDI) beim Ahnenforscher Stammtisch Unna vom 10. Oktober 2024 findet ihr auf YouTube unter folgendem Link:

https://youtu.be/uEbvB8zGr_o?si=zDLDtd4oswTzlw_P

Wir wünschen euch eine interessante und informative Zeit beim Anschauen der Aufzeichnung und weiterhin viel Erfolg und Freude bei eurer familiengeschichtlichen Forschung.

Liebe Grüße

Georg (Palmüller)



AHNENFORSCHER STAMMTISCH UNNA

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Re: [Regionalforum-Saar] Datumsangaben entschlüsseln i n Kirchenbüchern und anderen Dokumenten

Date: 2024/10/14 11:10:15
From: Horst Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Hallo Roland
bitte denk mal an die Adresse wegen Anfrage Stabler
lG
Papa

Am 13.10.2024 um 21:38 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar:
Liebe Freundinnen und Freunde der Ahnenforschung,

die Aufzeichnung des Online-Vortrages

„Datumsangaben entschlüsseln in Kirchenbüchern und anderen Dokumenten“

mit dem Referenten Andreas Stephan (GENDI) beim Ahnenforscher Stammtisch Unna vom 10. Oktober 2024 findet ihr auf YouTube unter folgendem Link:

https://youtu.be/uEbvB8zGr_o?si=zDLDtd4oswTzlw_P

Wir wünschen euch eine interessante und informative Zeit beim Anschauen der Aufzeichnung und weiterhin viel Erfolg und Freude bei eurer familiengeschichtlichen Forschung.

Liebe Grüße

Georg (Palmüller)



AHNENFORSCHER STAMMTISCH UNNA

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[Regionalforum-Saar] Nordostpassage. Geschichte eines Seewegs

Date: 2024/10/21 19:03:06
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Autor: Andreas Renner

Erschienen Hamburg 2024: mareverlag GmbH & Co. oHG

Anzahl Seiten 272 S.

Preis € 28,00

ISBN 978-3-86648-684-3

 

Rezensiert für H-Soz-Kult von Kristina Küntzel-Witt, Academia Baltica, Sankelmark

Andreas Renner hat endlich eine deutschsprachige Geschichte der Suche nach der Nordostpassage vorgelegt. Bislang gab es dazu nur großformatige Bildbände, die bestenfalls Aspekte der jahrhundertelangen Suche nach der legendären Passage dargelegt haben.1 Allerdings erhebt auch Renners Monographie keinen Anspruch darauf, wissenschaftlich ausgerichtet zu sein. Vielmehr ist sein Werk, das im Mareverlag erschienen ist, eher essayistisch und populärwissenschaftlich angelegt. Dementsprechend werden nur Zitate mit Literaturverweisen belegt. Dafür gibt es für jedes Kapitel ausgewählte weiterführende Literaturangaben.

In der Einleitung nimmt Renner die Leserschaft mit auf eine Kreuzfahrt entlang der skandinavisch-sibirischen Küste bis in den Pazifik, wobei die Faszination dieser legendären Schiffspassage immer wieder anklingt. In einer lockeren Chronologie folgen dann Kapitel zu den bekanntesten Entdeckungsfahrten und Entdeckern des arktischen Seewegs wie Hugh Willoughby und Richard Chancellor, die sich im Auftrag der englischen „Muscovy Company“ in der Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals auf die Suche nach einem Schiffsweg entlang der russischen Küste machten. Natürlich dürfen auch Willem Barents Expeditionen in den 1590er-Jahren nicht fehlen. Deutlich herausgestellt wird dabei die Schwierigkeit in die Karasee hineinzugelangen, die sich den Ruf als „Eiskeller der Arktis“ (S. 18) erwarb und lange Zeit eine weitere Erkundung der Nordostpassage verhinderte.

Geschickt verknüpft der Autor die weitere Eroberung Sibiriens im 17. Jahrhundert im Landesinneren mit dem vorübergehenden Stopp der weiteren Erkundung des Seewegs. Zar Michail Fedorovič ließ sogar den vielversprechenden Hafen von Mangaseja im Mündungsgebiet des Ob schließen, um das weitere Vordringen englischer und niederländischer Händler entlang der Küste zu unterbinden. Vorgeblich wollte der Zar verhindern, dass die Ausländer Steuerabgaben an Moskau umschifften; de facto sollte so die territoriale russische Oberherrschaft an der entlegenen Küstenlinie nicht gefährdet werden.

Erst im 18. Jahrhundert begann eine neue Phase der intensiven Erforschung der sibirischen Küstenlinie und einer potentiellen Schiffsroute unter Zar Peter I. Zunächst wollte der Zar durch die Erste Kamtschatkaexpedition klären, ob eine Passage von der Arktis in den Pazifik überhaupt möglich war oder eine asiatisch-amerikanische Landverbindung diese verhindern könnte. Anschließend geht Renner auf diese zweite große Kamtschatkaexpedition und deren Erforschung der sibirischen Küsten ein. Er beschreibt eindringlich die jahrelangen Strapazen der einzelnen Expeditionsgruppen, welche die großen Flüsse hinabgeschickt wurden, um von deren Mündungen aus die Küste in beide Richtungen zu kartographieren. In diesem Kapitel ist ausführlich die Rede von Vitus Bering, dem aus Dänemark stammenden Leiter der beiden Expeditionen. Sehr wenig erfährt man dagegen über Berings Stellvertreter Aleksej Čirikov. Der deutsche Naturforscher Georg Wilhelm Steller, der Bering auf seiner Überfahrt nach Alaska begleitete, wird überhaupt nicht erwähnt. Hier wird Renners Konzept sehr deutlich, sich stark auf die Suche nach der Passage entlang der sibirischen Küste zu konzentrieren, die Entdeckung Alaskas und die Erkundung des Nordpazifiks, die für die Frage nach einem nördlichen Schiffsweg ebenfalls relevant sind, werden dagegen zurückgestellt. So wird auch die Billings-Saryčev Expedition am Ende des 18. Jahrhunderts, die Katharina II. initiiert hatte, nur kurz erwähnt.2

Dafür werden die ersten russischen Expeditionen, die 1765/66 unter Kapitän Vasilij Čičagov direkt in arktische Gewässer führten, intensiver dargestellt. Der russische Universalgelehrte Michail Lomonosov hatte Katharina II. von dem politischen und ökonomischen Potential eines nördlichen Seewegs überzeugen können, wobei er von einer eisfreien Passage in Höhe des 80. Breitengrades träumte. Čičagovs Entdeckungsfahrten zeigten allerdings, wie gefährlich der arktische Ozean war. Er musste unverrichteter Dinge nach Archangelsk zurückkehren, ohne nennenswerte Entdeckungen gemacht zu haben. Danach unterblieben für lange Zeit russische Expeditionen in die Arktis.

Im 19. Jahrhundert erfolgten dann stärker ökonomisch motivierte Vorstöße, um die Schiffsroute für den Abtransport von Rohstoffen aus Sibirien nutzbar zu machen. Allen voran träumte der aus Hamburg stammende Wilhelm Brandt davon, den Schifffahrtsweg für eine Besiedlung der sibirischen Küste zu nutzen. Er finanzierte 1832 eine Expedition unter der Leitung von Petr Pachtusov, der zum ersten Mal die Matotschkin-Straße, welche die Doppelinsel Nowaja Semlja trennt, durchfuhr. Doch nach Brandts Tod im gleichen Jahr verebbte das Interesse an seinen weitläufigen Plänen.

Neue Bewegung kam in die Suche nach der Passage durch die neue Technologie der Dampfschifffahrt, die sich der finnisch-schwedische Entdecker Adolf Erik Nordenskiöld auf seiner legendären ersten Durchfahrt der Nordostpassage mit seiner „Vega“ 1878 zunutze machte. Kurz vor der Einfahrt in den Nordpazifik fror sein Schiff ein, aber Nordenskiöld war so gut ausgerüstet, dass die Überwinterung für ihn und seine Mannschaft kein Problem darstellte. Anschaulich schildert Renner, wie die indigenen Tschuktschen immer häufiger zum Schiff kamen und Nordenskiöld erstaunt feststellen musste, dass sie besser Englisch als Russisch sprachen, weil sie häufiger Kontakt zu amerikanischen Walfängern als zu Russen hatten.

Doch auch nachdem die Passage nun erstmals geglückt war, sei die russische Regierung zu dem Schluss gekommen, dass die Route aus ökonomischer Sicht nicht profitabel genug und zu unsicher war. So dauerte es bis in die Sowjetzeit hinein, bis durch den Bau von Eisbrechern die Erforschung der Arktis plötzlich wieder in den Fokus der Regierung und vor allem Stalins rückte. In dem Kapitel über die sowjetischen Expeditionen unter der Leitung des zum „Helden der Arktis“ aufgestiegenen Wissenschaftlers Otto Schmidt in den 1930er-Jahren zeigt Renner meisterhaft, wie das Interesse an der Arktisforschung am Ende der 1930er-Jahre erlosch und in Stalins Terror unterging. Am Ende musste Schmidt um sein Leben fürchten: Er trat als Leiter des berühmten Arktisinstituts in Leningrad zurück und überlebte Stalins Terrorjahre als eine der wenigen populären Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Zuvor hatte der Diktator die technologischen Fortschritte und die erste Durchfahrt der Passage ohne Überwinterung durch den Eisbrecher Sibirjakov 1932 noch als Zeichen für die Überlegenheit des Sozialismus feiern lassen. Noch mehr öffentliches Interesse hatte die dramatische Rettung von Schmidt und seiner Mannschaft per Flugzeugen 1934 erregt, nachdem sie bei einer missglückten Fahrt auf dem Frachter Čeljuskin im Eis eingefroren waren und monatelang auf einer Eisscholle ausgeharrt hatten.

Der nächste Meilenstein in der weiteren Nutzung der Schiffsroute erfolgte dann durch den Bau der ersten atomar betriebenen Eisbrecher in den 1950er-Jahren. Das neue Statussymbol der Sowjetunion, die „Lenin“, befuhr die Route bis 1989, hatte aber oft mit technischen Problemen zu kämpfen. Ihre verbrauchten Brennstäbe wurden vor Nowaja Semlja im Meer versenkt. Hier zeigt sich symbolträchtig die enge Verknüpfung der ökonomischen Entwicklung und den ansteigenden ökologischen Problemen. Wilhelm Brandts Traum wird wahr, zunehmend werden Frachtschiffe und Tanker eingesetzt, um Rohstoffe aus Sibirien abzutransportieren. Dank des Klimawandels wird der sogenannte „Nördliche Seeweg“ zudem immer einfacher zu befahren sein. Diese Zusammenhänge zeigt Renner am Ende seines Buches deutlich auf und auch die juristischen Auseinandersetzungen über die Nutzung der arktischen Rohstoffe werden ausführlich erwähnt. Er schließt sein Werk mit Hinweisen zur aktuellen Politik Putins, der mehrfach die Ausbeutung der Rohstoffe am Boden des Nordpols für Russland beansprucht hat. Gleichzeitig wird auch auf Chinas Investitionen in der Region – etwa durch den Bau des LNG (Liquefied Natural Gas) -Terminals in Sabetta in der Ob-Mündung – hingewiesen.

Insgesamt gesehen legt Andreas Renner eine anregende, aber sehr stark komprimierte Übersicht über die Suche und die Entwicklung der Nordostpassage vor, die deutlich zeigt, wie schwankend das Interesse an dieser Schiffsroute war und wie stark dabei ökonomische sowie imperiale Interessen zusammenspielten, während die ökologischen Probleme von der russischen Regierung weitestgehend ausgeblendet werden. Illustriert wird das Buch mit zahlreichen Karten, die allerdings nicht extra aufgeführt werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. beispielsweise Helfried Weyer, Nordwest- und Nordost-Passage. Der Traum vom nördlichen Seeweg, Hamburg 2006.
2 Vgl. hierzu Diana Ordubadi, Die Billings-Saryčev-Expedition 1785–1795. Eine Forschungsreise im Kontext der wissenschaftlichen Erschließung Sibiriens und des Fernen Ostens, Köln 2016.

Zitation
Kristina Küntzel-Witt, Rezension zu: Renner, Andreas: Nordostpassage. Geschichte eines Seewegs. Hamburg 2024 , ISBN 978-3-86648-684-3, in: H-Soz-Kult, 22.10.2024, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-144354.

[Regionalforum-Saar] Vortrag über die Lohgerberei in St. Wendel

Date: 2024/10/21 20:04:16
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,


am Dienstag, 29. Oktober 2024, wird Dr. Franz-Josef Kockler ab 17.30 Uhr einen Vortrag über die Lohgerberei in St. Wendel halten. Dieser wird anschließend an das monatliche Mitgliedertreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF) im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken in 66133 Saarbrücken-Scheidt, Dudweilerstraße 1, stattfinden.

Im Alten Woog in St. Wendel findet sich heute kaum noch Hinweis darauf, dass in diesem Gebiet zwischen 1720 und 1962, also über 200 Jahre lang, ein Gewerbe betrieben wurde, der im Wirtschaftsleben der Stadt St. Wendel eine nicht unbeträchtliche Rolle spielte.

Der aus der Gerberfamilie Kockler stammende Referent wird anhand von Bildern hiesiger Künstler sowie zahlreicher Fotographien, welche die früheren Gerbhäuser zeigen, über den Betrieb seiner Vorfahren berichten. Außerdem wird er das angewendete Gerbverfahren, die „Eichenlohe-Grubengerbung“ erläutern. Auch die geschichtlichen und wirtschaftlichen Gründe für das Ende dieses Handwerkszweiges in St. Wendel wird er beleuchten.




Nikolaus Kockler
Sohn von Franz Kockler und Anna Barbara Tholey
* 02.11.1808 in St. Wendel
+ 27.03.1875 in St. Wendel
Beruf: Gerbereibesitzer, Rotgerber

oo am 05.02.1833 in St. Wendel
Elisabeth Demuth
Tochter von Adam Demuth und Elisabeth Frantzen
* 13.05.1810 in St. Wendel
+ 12.07.1889 in St. Wendel.

Kinder von Nikolaus Kockler und Elisabeth Demuth sind:
i. Elisabeth * 09.11.1833 in St. Wendel + 29.12.1833 in St. Wendel.

ii. Barbara * 31.03.1836 in St. Wendel + 23.12.1913 in St. Wendel.

iii. Nikolaus * 29.08.1838 in St. Wendel + 11.10.1907 in St. Wendel
oo am 16.06.1863 in St. Wendel
Maria Weber * 24.07.1842 in St. Wendel.

iv. Franz * 12.02.1840 in St. Wendel + 08.04.1872 in St. Wendel
oo am 16.06.1863 in St. Wendel
Katharina Alwina Collisi * 20.11.1841 in St. Wendel + 02.09.1899 in St. Wendel.

v. Karl Michael * 02.01.1842 in St. Wendel + 04.02.1917 in St. Wendel
Beruf: 1887, Gerber
oo 19.10.1875 Diez
Anna Margarethe Hild * 09.09.1854 in Dietz + 01.02.1942 St. Wendel

vi. Helene * 11.09.1843 in St. Wendel + 13.12.1911 in St. Wendel
oo am 13.06.1865 in St. Wendel
Josef Falkenstein * 27.02.1838 in St. Wendel + 12.03.1875 in St. Wendel.
Beruf: Kaufmann

vii. Anna Maria * 25.03.1845 in St. Wendel + 23.04.1919 in St. Wendel
oo am 01.12.1876 in St. Wendel
Wendel Kockler * 02.02.1842 in St. Wendel + 03.07.1901 in St. Wendel.
Gerbereibesitzer, Mitglied des Stadtverordneten-Collegiums der Stadt St. Wendel

viii. Emma Maria * 24.08.1846 in St. Wendel + 26.07.1919 in St. Wendel
oo am 03.02.1877 in St. Wendel
Gerhard Lambert Willms * 28.08.1839 in Linnich + 08.05.1914 in Neunkirchen.
Beruf: 1887 Rechtsconsulent

ix. Anna Maria Elisabeth * 07.09.1847 in St. Wendel + 22.09.1847 in St. Wendel.

x. Josef Konrad * 01.03.1849 in St. Wendel + 22.03.1889 in St. Wendel
Beruf: Gerber
oo am 31.01.1876 in St. Wendel
Helene Colling * 03.06.1853 in St. Wendel + 16.05.1936 in St. Wendel.

xi. Adolf * 23.04.1850 in St. Wendel + 19.02.1921 in St. Wendel
oo am 23.06.1893 in Bacharach
Maria Sophia Jeiter * 09.03.1857 in Bacharach + 04.12.1928 in St. Wendel.

xii. Josef Theodor * 20.04.1851 in St. Wendel + 18.11.1870 in St. Wendel.

xiii. Johann Franz * 09.02.1853 in St. Wendel + 25.09.1925 in Chicago, Illinois, USA
Gerber und Metzger in Chicago, Illinois
oo am 22.11.1880 in Chicago, Illinois
Augusta Vogel * 26.10.1862 in Chicago, Illinois+ 14.08.1938 in Chicago, Illinois

xiv. Jakob Philipp * 30.07.1854 in St. Wendel + 10.08.1854 in St. Wendel.

xv. Xaver Franz * 02.12.1857 in St. Wendel + 05.11.1905 in St. Wendel, ledig
Beruf: Kaufmann

Der Eintritt ist wie immer kostenlos, auch Nichtmitglieder der ASF sind herzlich willkommen.

Bene Vale

 

Roland Geiger
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF)



[Regionalforum-Saar] Buch zum Seminar "Vertiefende Familienforschung" 2023

Date: 2024/10/24 00:04:38
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,

letztes Wochenende fand das diesjährige Seminar „Vertiefende Familienforschung“ statt. Dabei wurde das Seminarbuch des Jahres 2023 vorgestellt, das Texte des 2023er Seminars in Schriftform beinhaltet.

In dem 144-seitigen Taschenbuch im Format A5 sind folgende Artikel enthalten:

Helmut Priewer:
Von Helminthen, Milben und Menschen- parasitäre Krankheiten aus medizinhistorischer Sicht

Beate Busch-Schirm:
Die Vereinigte Ostindischen Kompanie (VOC)

Markus Detemple:
Steuern im Alten Reich

Roland Geiger:
Frondienste in der Kellerei St. Wendel 1606

Irene Mattern:
Taufe und Taufpaten in Kirchenbüchern des 16. bis 18. Jahrhunderts im pfälzischen Raum

Hans-Joachim Kühn:
Eine kleine Archivkunde

Karl-Heinz Bernardy:
Französische Zivilstandsurkunden. Tipps zum besseren Verständnis

Dominikus Heckmann:
Verwandtschaftsbäume im Mittelalter

Ein paar Exemplare sind noch übrig; die können bei Bedarf direkt bei mir bestellt werden.
Die Abbildungen sind in der Regel in Farbe.

Der Preis beträgt 16 Euro (für Seminarteilnehmer 10 Euro), das Porto 1,60 Euro.

Bene Vale

Roland Geiger, alsfassen(a)web.de

[Regionalforum-Saar] Landesgeschichtliche Perspektiven auf 1000 Jahre Abtei Brauweiler

Date: 2024/10/28 09:01:58
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Ort rheinischer Geschichte. Landesgeschichtliche Perspektiven auf 1000 Jahre Abtei Brauweiler
Organisatoren LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte; LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum Brauweiler; Freundeskreis der Abtei Brauweiler e.V.
50259 Pulheim-Brauweiler
Fand statt In Präsenz
Vom - Bis 20.06.2024 - 21.06.2024

Von Lea Raith, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn; Richard Irmler, LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler, Pulheim-Brauweiler

Im Jahr 1024 gründete Mathilde, eine Tochter Kaiser Ottos II., mit ihrem Ehemann Ezzo, dem Pfalzgrafen von Lothringen, die Abtei St. Nikolaus in Brauweiler bei Köln. Diese bestand bis 1802 und wurde im Anschluss auf verschiedene Weisen genutzt, unter anderem als Bettleranstalt und Konzentrationslager. Seit 1987 dient sie als Kulturdienststelle des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte lud daher in Kooperation mit dem LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum und dem Freundeskreis Abtei Brauweiler e.V. dazu ein, am historischen Ort anhand vielfältiger methodischer und disziplinübergreifender Ansätze regionale Perspektiven im Kontext der tausendjährigen Geschichte Brauweilers zu beleuchten.

Nach einer Begrüßung durch LVR-Kulturdezernentin CORINNA FRANZ (Köln), den Vorsitzenden des Freundeskreises Abtei Brauweiler und Ministerpräsidenten a.D. JÜRGEN RÜTTGERS sowie MARK STEINERT (Brauweiler) und HELMUT RÖNZ (Bonn) eröffnete MARKUS JANSEN (Brauweiler) die Tagung mit einer historischen Einführung. Er betonte, dass Brauweiler nicht nur aufgrund seines tausendjährigen Jubiläums für die Forschung und interessierte Öffentlichkeit von Belang sei. Darüber hinaus könne man durch die Betrachtung der Ortsgeschichte auch die Erforschung übergreifender Entwicklungen von reichsweiter Bedeutung vorantreiben. Glücklicherweise, so Jansen, sei Brauweiler nicht zuletzt für den LVR als Eigentümer der Abtei von einem Ort der Forschungsinfrastruktur zum Forschungsgegenstand geworden.

HEINZ ERICH STIENE (Köln) stellte die „Fundatio monasterii Brunwilarensis“, also die Gründungsgeschichte der Abtei vor. Diese wurde im 11. Jahrhundert von einem Brauweiler Mönch mit der Initiale „G.“ verfasst. Hierfür zeichnete Stiene zunächst die Überlieferungsgeschichte bis ins 18. Jahrhundert nach. Inhaltlich lasse sich die „Fundatio“ in drei Teile gliedern: 1. die Familiengeschichte der Ezzonen, 2. ein Streit mit dem Kölner Erzbischof um das Moselgut Klotten und 3. verschiedene Erzählungen und Wundergeschichten über Brauweiler. Stiene stellte abschließend die These auf, dass Mathilde und nicht Ezzo die treibende Kraft hinter der Klostergründung in Brauweiler gewesen sei. Er machte dies unter anderem daran fest, dass Mathilde sich mit der Ortswahl gegen die von Ezzo bevorzugten Orte Kaiserswerth oder Duisburg durchsetzte.

LIOBA GEIS (Köln) schloss sich Stienes These an, dass es sich bei Brauweiler ursprünglich um eine dynastische Stiftung der aus dem ottonischen Haus stammenden Mathilde gehandelt habe und die Initiative nicht in erster Linie von Ezzo ausgegangen sei. Im Vortrag, aber auch in der anschließenden Diskussion wurde daran erinnert, dass mit Aachen und Köln zwei wichtige Orte ottonischer Memoria in direkter Nachbarschaft lagen. Da die Nachfahren des Gründerpaars jedoch bald in direkter Linie ausstarben, ging die Abtei an das Erzbistum Köln. Geis beleuchtete schlaglichtartig die Amtszeiten der Kölner Erzbischöfe Anno II. (1056-1075), Arnold I. (1138-1151) und Konrad von Hochstaden (1238-1261). Die Analyse der Interaktionen zwischen diesen Erzbischöfen und den Äbten von Brauweiler offenbarte nicht nur eine dynamische Beziehung auf persönlicher und materieller Ebene, sondern auch die strategische Bedeutung des Klosters in der regionalen Kirchenpolitik.

TOBIAS WELLER (Bonn) betonte die zentrale Rolle des heiligen Nikolaus als identitätsstiftendes Symbol der Abtei. Die Instrumentalisierung des Hausheiligen habe nicht zuletzt der Abwehr von Ansprüchen des übermächtigen Erzbistums Köln gedient. Anhand einer detaillierten Analyse der Siegelformen von der Gründung der Abtei bis ins 16. Jahrhundert zeigte Weller, wie sich traditionelle und innovative Elemente in der Darstellung verbanden. Besonders hervorzuheben sei zudem die für ein nicht-königliches Kloster ungewöhnlich frühe Einführung eines Abteisiegels bereits 1126. Weller betonte die Bedeutung der Siegel für die klösterliche Selbstverwaltung und verwies zuletzt auf Desiderata der Erforschung von klösterlichen Siegeln allgemein.

FRANK M. BISCHOFF (Duisburg) stellte die archivalische Überlieferungssituation der Abtei Brauweiler vor. Er korrigierte die bisher verbreitete Ansicht, dass die Überlieferung stark fragmentiert sei. Mit rund 270 Urkunden und zahlreichen weiteren Akten und Büchern aus verschiedenen Archiven biete die Abtei eine umfangreiche Dokumentation ihrer Geschichte. Bischoff hob zunächst die Bedeutung der Digitalisierung hervor, die die Zugänglichkeit und Recherchierbarkeit der Quellen erheblich verbessert habe. Anschließend gab er einen umfassenden Überblick über die Bestände verschiedener Archive der Region, die für die Brauweiler Geschichte ausgewertet werden können.

WOLFGANG ROSEN (Bonn) stellte die Frage nach einer Klosterlandschaft Brauweiler. Er betonte, dass mit Landschaft im Sinne des „spatial turn“ nicht nur die physisch-materielle Ebene gemeint sei. Freilich sei die Konzentration von Besitz und Herrschaftsrechten um Brauweiler und um Klotten an der Mosel eine wichtige Grundlage gewesen. Weiterhin habe das Kloster aber auch über Patronatsrechte, sein „Seelsorgenetz“, Schulen, seine deutschlandweiten ordensreformatorischen Aktivitäten sowie über die Nikolaus-Wallfahrt in die Breite gewirkt. Zudem erinnerte Rosen an die Rekrutierung der Mönche vornehmlich aus dem Kölner Raum und regionale Gebetsverbrüderungen. Er hielt fest, dass die Abtei im Schatten der Metropole Köln durchaus ein eigenes Profil entwickelt und es mithin auch Brauweiler Klosterlandschaften gegeben habe.

MICHAEL KAISER (Bonn) zeigte anhand der Brauweiler „Acta Abbatum“, wie die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs auf lokaler Ebene wahrgenommen wurde. Die Jahre 1617 bis 1649 wurden in Brauweiler von dem Konventualen und Zeitzeugen Andreas Winckens festgehalten. Dieser beschreibe die Auseinandersetzungen als nicht vornehmlich durch Glaubensfragen motiviert. Stattdessen sei es vor allem um Geld und die Verfügungsgewalt über kirchliche Güter gegangen. Die Mönche selbst seien von den Kriegshandlungen vor allem dann betroffen gewesen, wenn es galt, Soldaten – etwa den berühmten Jan von Werth – gesund zu pflegen oder zu begraben. Kaiser zeigte abschließend, dass Winckens in zeittypischer Manier die Kriegsschilderungen oft aus anderen Werken kopiert, gekürzt und kompiliert hatte. Insgesamt sei er vor allem bemüht gewesen, die Geschicke Brauweilers in den Gesamtkontext seiner Gegenwart zu stellen.

MARCEL ALBERT (Gerleve) stellte das 1657 entstandene sogenannte Stifterbild der Abtei ins Zentrum. Dieses zeigt den Rombesuch Ezzos und Mathildes im Jahr 1023, bei dem sie den päpstlichen Segen für ihre Gründung eingeholt hatten. Ebenfalls dargestellt sind weitere geistliche und weltliche Förderer sowie die zehn Kinder des Stifterpaars. Albert ordnete die Bildgestaltung in die Diskurse der nachreformatorischen Zeit ein. Gerade die Ordenskleriker hätten unter einem besonderen Legitimationsdruck gestanden. Das Stifterbild zeige, dass man einerseits die ruhmvolle Geschichte und den Nachweis eines möglichst hohen Alters für die eigene Legitimation instrumentalisierte. Andererseits habe man sich aber auch explizit unter den Schutz der Gründer und Heiligen gestellt.

HARALD MÜLLER (Aachen) skizzierte das Aufkommen des Renaissance-Humanismus im Rheinland, für das Köln mit seiner Universität ein Kristallisationsort gewesen sei. Für die spezifische Ausformung des Humanismus im Rheinland wählte Müller den Begriff des „rheinischen Klosterhumanismus“. Gerade benediktinische Mönche und Nonnen seien aber nur in Ausnahmefällen Teil dieser Bewegung gewesen. Aus Brauweiler selbst hätten sich keine aussagekräftigen Zeugnisse erhalten. Müller bestätigte aber die Einschätzung Alberts, dass die durch den nachreformatorischen Legitimationsdruck motivierte Hinwendung zur eigenen Geschichte auch die Brauweiler Mönche erfasst habe. Spuren humanistischer Bildung machte Müller in den Epitaphien und der Kleindichtung aus Brauweiler aus. Er hielt aber abschließend fest, dass sich, wenn überhaupt, nur Einzelpersonen fassen ließen, die den Geist des Reformhumanismus in Benediktinerklöstern verbreiteten. Insgesamt habe die Bursfelder Reform kein strukturell förderndes Umfeld für humanistische Neigungen geboten.

HELMUT RÖNZ (Bonn) widmete sich der Situation der Mönche nach der Auflösung des vergleichsweise wohlhabenden Klosters im Jahr 1802. Es könne, so Rönz, als typisches Beispiel für die umfassenden Veränderungen gelten, die die französische Besatzung und die Säkularisation in der durch geistlichen Besitz so stark geprägten Rheinschiene bedeuteten. Rönz stellte dar, dass Brauweiler und seine Propsteien 1802 noch 27 Ordensgeistliche mit Priesterweihe zählten. Nur 13 von ihnen hätten aber nach der Auflösung sukzessive eine eigene Pfarrei erhalten, in der Regel in der näheren Umgebung. Oft sei diese untereinander weitergegeben worden. Andere seien in ihre meist nah gelegenen Heimatorte zurückgekehrt. Viele könne man dort noch als Subsidiare nachweisen, bei anderen verlaufe sich die Spur. Von den modernen Theologien seien alle Brauweiler Mönche weitgehend unberührt geblieben. Eine zivile Karriere sei keiner von ihnen eingegangen. Rönz betonte zudem, dass hinsichtlich der Entwicklung und Netzwerke insbesondere ein Vergleich mit anderen Klöstern fruchtbar sei.

Die Abtei Brauweiler wurde im 19. Jahrhundert zu einer der größten Bettler- und Arbeitsanstalten des Deutschen Reichs umfunktioniert. THOMAS ROTH (Köln) legte dar, dass die von der NS-Justiz nach 1933 neugeschaffenen Konzentrationslager für herkömmliche Arbeitsanstalten wie Brauweiler ein Einbrechen der Insassenzahlen, vor allem derer im arbeitsfähigen Alter, bedeuteten. Um dem entgegenzuwirken, habe es eine Initiative von lokalen Behörden gegeben, in der Arbeitsanstalt Brauweiler schon im März/April 1933 auch ein Konzentrationslager einzurichten. Dieses habe vornehmlich politische Gefangene aufgenommen. Bereits früh habe auch die Gestapo die Brauweiler Zellen genutzt. Roth betonte, dass Brauweiler also nicht nur ein Knotenpunkt im regionalen Verfolgungsnetzwerk war, sondern auch ein zentraler Ort nationalsozialistischer Gesellschaftspolitik und Gewalt.

Ein bisher kaum untersuchtes Kapitel der Brauweiler Geschichte stellte JULIANE WETZEL (Berlin) vor, die sich der unmittelbaren Nachkriegszeit widmete. Etwa 6,5–7 Millionen Zwangsarbeiter:innen, KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und zivile „Ostarbeiter“ hatten die NS-Zeit und den Krieg überlebt und waren von den westlichen Alliierten in Deutschland befreit worden. Sie erhielten den Status „Displaced Person“ (DP) und wurden zunächst in DP-Lagern untergebracht. Das in Brauweiler eingerichtete Lager, später als Lager „Warta“ bekannt, bestand bis Herbst 1949. Es habe zeitweise mehr als 2.000 zunächst vor allem italienische und danach mehrheitlich polnische DPs beherbergt. Berichte ehemaliger Insassen ließen menschenunwürdige Zustände und völlige Überbelegung erkennen. Wetzel äußerte Zuversicht, dass im Rahmen des Jubiläumsjahrs auch das Schicksal der DPs vermehrt in den Blick genommen werde.

GRZEGORZ PAC (Warschau) thematisierte die vielschichtige Beziehung zwischen der Abtei Brauweiler und Richeza, einer Tochter des Stifterpaares, die 1025 zur polnischen Königin geworden war. Nach ihrer Rückkehr ins Reich habe sie sich zunehmend für die Förderung der Abtei eingesetzt. So habe sie versucht, durch die Übertragung Brauweilers an die Kölner Kirche das Andenken an ihre Familie zu erneuern. Abweichend von ihrem ursprünglichen Plan, wurde sie statt in Brauweiler aber letztlich in der Stiftung ihres erzbischöflichen Bruders Hermann, der Kölner Kirche Mariengraden, beigesetzt. Die Brauweiler Mönche beschwerten sich daraufhin, der Kölner Erzbischof Anno II., Hermanns Nachfolger, habe ihnen ihre Königin regelrecht geklaut. Diese Vorstellung sei bis heute nicht überwunden. Pac betonte aber, dass Richeza diese Entscheidung selbst getroffen habe. Hierfür seien persönliche und politische Überlegungen ausschlaggebend gewesen.

RITA VOLTMER (Trier) legte dar, dass reformierte Benediktinerklöster wie Brauweiler, zusammen mit anderen Ordensgemeinschaften, eine zentrale Rolle in der Verfolgung von Hexen gespielt hätten. Dies finde in der bisherigen Forschung noch zu wenig Beachtung. In Brauweiler habe zudem die geteilte Gerichtsbarkeit zwischen der Abtei und dem Kölner Erzbischof zu einer Art Wettstreit geführt, die jeweilige Obrigkeit und Gerichtshoheit durchzusetzen. So habe bei den ersten nachweisbaren Brauweiler Hexenprozessen im Jahr 1519 der Brauweiler Abt vor allem seinen Anspruch auf die Hochgerichtsbarkeit demonstrieren wollen. Während der Hochphase der Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert habe es in Brauweiler eine breite Akzeptanz und Unterstützung dafür gegeben. Dies verdeutliche vor allem das diesbezügliche Engagement des Abts Johann Münch.

JÜRGEN RÜTTGERS (Brauweiler) skizzierte zunächst den Werdegang Konrad Adenauers während der NS-Zeit. Der aus dem Amt gedrängte Kölner Oberbürgermeister war mehrfach verhaftet worden und im September 1944 schließlich aus der Haft im Messelager Köln-Deutz geflüchtet, um im Westerwald unterzutauchen. Auguste Adenauer wurde daraufhin in der in Brauweiler eingerichteten Gestapo-Stelle inhaftiert und verhört, bis sie schließlich aus Angst um ihre Tochter den Aufenthaltsort ihres Mannes preisgab. Sie wurde zwar nach dessen Gefangennahme und seinerseits Inhaftierung in Brauweiler freigelassen, habe sich aber nie wieder erholt. Die Entlassung Konrad Adenauers folgte Ende November 1944.

Die Tagung bot einen umfassenden Überblick über die ebenso lange wie wechselvolle Geschichte der Abtei Brauweiler und ihre Bedeutung für die engere Region, das Rheinland und in Facetten auch für die nationale und internationale Geschichte. Den Beiträgen gelang es dabei stets, zu verdeutlichen, wie die Geschichte des Ortes in größere historische, politische und soziale Zusammenhänge eingebettet war. Die Abtei Brauweiler erwies sich somit als ein zentraler Ort der rheinischen Geschichte, der auch in Zukunft noch viele Fragen aufwerfen und Forschung inspirieren wird.

Konferenzübersicht:

Corinna Franz (Köln) / Jürgen Rüttgers (Brauweiler) / Helmut Rönz (Bonn) / Mark Steinert (Brauweiler): Begrüßung

Markus Jansen (Brauweiler): Einführung in das Thema

1. Sektion: Gründung und frühe Spuren der Abtei Brauweiler

Moderation: Lea Raith (Bonn)

Heinz Erich Stiene (Köln): Die Gründungsgeschichte der Abtei Brauweiler (11. Jh.) und ihr Ort in der klostereigenen Geschichtsschreibung bis ins 18. Jahrhundert

Lioba Geis (Köln): Die Abtei Brauweiler und die Kölner Erzbischöfe

Tobias Weller (Bonn): Sankt Nikolaus in Pixi-Größe: Die Siegel der Abtei Brauweiler

Frank M. Bischoff (Duisburg): Archivalische Überlieferungssituation zur Geschichte der Abtei Brauweiler

2. Sektion: Die Abtei Brauweiler in Spätmittelalter und Früher Neuzeit

Moderation: Carla Lessing (Brauweiler)

Wolfgang Rosen (Bonn): Klosterlandschaft Brauweiler? – Zur Raumwirksamkeit einer rheinischen Abtei im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Michael Kaiser (Bonn): Eine Abtei im Eisernen Zeitalter - Brauweiler und der Dreißigjährige Krieg

Marcel Albert (Gerleve): Brauweilers Stifterbild von 1657 im Kontext

Harald Müller (Aachen): Brauweiler in der Epoche des aufblühenden Renaissance-Humanismus

3. Sektion: Aspekte aus der Geschichte der Abtei Brauweiler 1802-1945

Moderation: Keywan Klaus Münster (Bonn)

Helmut Rönz (Bonn): Nach der Säkularisation: Ehemalige Mönche der Abtei Brauweiler in der Weltseelsorge ab 1802

Thomas Roth (Köln): Der Brauweiler Anstaltskomplex als Ort nationalsozialistischer Ausgrenzung, Verfolgung und Gewalt

Juliane Wetzel (Berlin): Ein ehemaliges Konzentrationslager wird zum Lager für Displaced Persons in der britischen Zone

4. Sektion: Biographien und Personengruppen rund um die Abteil Brauweiler

Moderation: Markus Jansen, Brauweiler

Grzegorz Pac (Warschau): Königin Richeza und die Abtei Brauweiler

Rita Voltmer (Trier): Benediktiner und Hexen. Die Brauweiler Hexenprozesse im Kontext

Jürgen Rüttgers (Brauweiler): Konrad Adenauer als Häftling in Brauweiler

Zitation
Lea Raith / Richard Irmler, Tagungsbericht: Ort rheinischer Geschichte. Landesgeschichtliche Perspektiven auf 1000 Jahre Abtei Brauweiler, in: H-Soz-Kult, 28.10.2024, http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-150867.


[Regionalforum-Saar] Das Gräfinthaler Mirakelbuch und die "Wunderwercke" der Pfeilenmadonna

Date: 2024/10/28 09:09:25
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Vergangene Woche erschien im St. Wendeler Teil der Saarbrücker Zeitung dieser Artikel:

Das Gräfinthaler Mirakelbuch und die "Wunderwercke" der Pfeilenmadonna

Das „Mirakelbuch“ von 1671 schildert 86 Wunder, die durch das Gnadenbild der „Pfeilenmadonna“ im Kloster Gräfinthal bewirkt worden sein sollen. Verfasst von Mönch Friedrich Schaal sollte es nach dem Dreißigjährigen Krieg die Wallfahrten fördern und das Kloster wiederbeleben.

 Mit seinem „Mirakelbuch“ von 1671 rührte Wilhelmiten-Bruder Friedrich Schaal die Werbetrommel für Pilgertouren nach Gräfinthal. Die dadurch sprudelnden Einnahmen wurden zur Modernisierung und Erweiterung des Klosters verwendet – hier eine Aufnahme um 1900.
Die dadurch sprudelnden Einnahmen wurden zur Modernisierung und Erweiterung des Klosters verwendet – hier eine Aufnahme um 1900.

Von Martin Baus

Zunechst bey Blies-Castell ligt ein Dorff mit Namen Lautzkirchen / da fließt ein Bach / die Klembach genandt / kombt von Würtzbach / und Lautzkirchen Mülleweyer zusammen / hart oben am Dorff / und fließt unden dran in die Bließ / in disem Dorff wohneten ein paar Gottsförchtige Eheleuth mit Nahmen Simon unnd Catharina sein Haußfraw / die hätten ein zweyjähriges Kind / welches mit andern an dem grünen Uffer deß rauschenden Bächleins nach gewonheit spielte / ungefähr mit den Füssen entschlieffert und in das Wasser gefallen auff den Donnerstag in der Pfingstwochen / und über ein Stund in dem Wasser gelegen / ehe daß die Eltern in Erfahrnuß kommen: So bald sie das todte Kind herauß gebracht / gedachten die betrübten Eltern an die Wunder-Gnaden / die bey der Mutter Gottes zu Gräffenthal außgetheilt werden; / fallen auff ihre Knye / verlobten dasselbige Kind der Mutter Jesu in das Gottshauß / die da ist das Heyl der Krancken / auff daß das Kind möchte wiederumb zum Leben gelangen …“: So beginnt das erste „Mirakel“, mit dem die Aufzählung der wundersamen Heilungen und Rettungen durch das Gnadenbild der „Pfeilenmadonna“ in Kloster Gräfinthal beginnt.

Zusammengefasst sind die Ereignisse in einem Buch, das aus dem Jahr 1671 stammt. Viel Später, erst im 20. Jahrhundert, erhielt diese Fibel den Titel „Bruchstückweise Nachrichten über das Gotteshaus Gräfinthal, die Erbauung desselben, die Wunderwercke, so von Anfang an zu Ehren der Mutter Maria erzeugt worden“. Wie das Kompendium ursprünglich hieß, ist nicht überliefert und lässt sich aus dem nur noch fragmentarisch erhaltenen Einband nicht erschließen. Das Kind, das in Lautzkirchen in den Bach gefallen war, über eine Stunde im Wasser gelegen und in dieser Zeit kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben hatte, fing dem Bericht zufolge wieder an zu atmen, nachdem die Eltern das Gräfinthaler Gnadenbild um Hilfe angefleht hatten. Deswegen fand das Ereignis Aufnahme in das Verzeichnis, in dem die mysteriösen Errettungen aufgeführt werden. Autor dieses Mirakelbuchs war ein Mönch, der zur Ordensgemeinschaft der Wilhelmiten in dem Kloster gehörte, das zu diesem Zeitpunkt bereits über 400 Jahre alt war. Von ihm ist nicht mehr als sein Name bekannt: Als „Unterthänigst-geneigter und ergebener Deiner“ gibt sich am Ende der Einleitung “F[rater] Fridericus Schaal Orden. S. Wilh.“ zu erkennen, der den Text nach eigenen Angaben am „12. Aprilis 1671“ fertiggestellt hat.

Auf sein Vorwort folgt ein Kapitel, das die Überschrift „An den Christlichen Leser“ trägt. Darin werden die Zielsetzung des Buches sowie die Methodik der Quellenverarbeitung – mündliche Überlieferung und eine nicht mehr greifbare, ältere Wunderchronik - erwähnt. Dem Katalog der Gräfinthaler Mirakel wird ergänzend die nicht minder wundersame Gründungslegende des Klosters vorangestellt: Die Gräfin Elisabeth von Blieskastel soll demnach durch die Pfeilenmadonna von einem Augenleiden geheilt worden sein und deswegen das Kloster gestiftet haben. Die Landesherrin wurde im Kloster auch bestattet, ihre Grablege wurde durch eine steinerne Liegefigur gekennzeichnet, die sich seit Jahren zur Restaurierung in einer Fachwerkstatt befindet.

Nach grundsätzlichen Überlegungen zum Phänomen der durch tiefe Religiosität und Frömmigkeit bewirkten Wunder generell sowie zu seiner eigenen Rolle als Chronist lässt Schaal die Liste der Wiederbelebungen und Heilungen folgen, die sich auf insgesamt 86 addieren. Der Verfasser widmet sein Werk dem seit 1652 amtierenden Trierer Erzbischof Damian Hartard von der Leyen (1624-1678), zu dessen Bistum Gräfinthal ebenso gehörte wie viele der Orte, an denen sich die Wunder abspielten. Zu dieser Zeit ließ der hohe Geistliche, zusammen mit seinem Bruder Karl Kaspar (1618-1676), in Blieskastel ein Schloss errichten, das aber nicht die Funktion einer Residenz hatte. Erhalten ist davon vor allem die „Orangerie“ unterhalb der Schlosskirche. Vom „Mirakelbuch“ ist nur ein einziges Exemplar bekannt, es befindet sich in der pfälzischen Landesbibliothek in Speyer. Über die Anzahl der seinerzeit gedruckten Exemplare, also über die Auflage, ist ebenso nichts bekannt wie die Verbreitung oder Resonanz, die das Druckwerk gefunden hat.

Friedrich Schaal selbst kommt auch kurz auf die Intentionen zu sprechen, die er mit der Chronik verbindet: Der Klosterbruder begründet die Notwendigkeit des Buches mit seinem „grosse[n] Eyffer für dieses Land[es] Heyl“, das doch „durch vielfältige schädliche Empörungen und leidige Kriegswesen“ die Verehrung Gottes und Mariens vernachlässigt habe“. Erzbischof von der Leyen, der stets seine „Hertz-brennende Andacht“ gegenüber der Mutter Gottes behalten habe, wird von dieser Kritik explizit ausgenommen. Dahinter verbirgt sich natürlich nichts anderes als die Absicht, als das Kloster Gräfinthal nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und dem damit einhergehenden Verfall der Gebäude wie der religiösen Gebräuche wieder zu einem Zentrum der Religiosität werden zu lassen und seine Funktion als vielbesuchter Wallfahrtsort zu reaktivieren. Insofern rührt Friedrich Schaal mit dem „Mirakelbuch“ quasi kräftig die Werbetrommel, um dem Kloster wieder mehr Besucher zu verschaffen, die natürlich auch Gelder in die Klosterkasse sprudeln lassen. Tatsächlich waren bald auch erste Erfolge in dieser Hinsicht spürbar.

Gräfinthaler Mirakelbuch: Als 58. Exempel wird im Kapitel der „Wunderwercke“ jenes beschrieben, das aus „Bebekam“, also Peppenkum, aktenkundig wurde.

Gräfinthaler Mirakelbuch: Als 58. Exempel wird im Kapitel der „Wunderwercke“ jenes beschrieben, das aus „Bebekam“, also Peppenkum, aktenkundig wurde.

In dem Mirakelbuch wird der Ablauf der Wallfahrten plastisch erläutert: „Dieweil in einem allgemeinen Kirchgang die Jugend ihres junge alters halbe / wie die schöne auffgehende Morgenröth mit etwan eine anmütigen Exempel herfür scheinet / soll ihrer auch billich insonderheit bedacht werden“: Vor allem jüngere Leute waren also die Zielgruppe, die zum Pilgern nach Gräfinthal animiert werden sollte, und zwar vornehmlich aus den Bereichen der Städte Blieskastel und Saargemünd. Auch die Lokalisierung der Mirakel spricht eindeutig dafür, dass über das Medium der „wundertätigen Muttergottes mit den Pfeilen“ die Wallfahrten zum Kloster vor allem im Bereich einer Tagesreise angekurbelt werden sollten. Solche Pilgerfahrten waren für das Kloster einträglich, die Einnahmen dienten nicht zuletzt dem weiteren Wiederaufbau und künftigen Erweiterungen. Mit Freuden, so Schaal weiter, sei es anzuschauen, wie die Jugend zu gewissen Zeiten mit großen Kerzen, die jungen Frauen mit Kränzen „auf ihren Häuptern“ lange Wegstrecken betend oder im Chor singend und barfuß zurücklegen, ohne dabei etwas zu essen oder zu trinken.

Alschbach, Blickweiler, „Brevert“ (Breitfurt), Habkirchen, Bliesbruck, Obergailbach, Wittersheim, Mandelbach, Medelsheim, „Bebekam“ (Peppenkum) und „Säuweiler“ (Seyweiler) sind Ortschaften, in denen sich dank des tief verwurzelten Glaubens und der intensiven Anbetung der Gräfinthaler Madonna Wunder zugetragen haben (sollen). Dabei beschränkten sich diese Vorfälle nicht auf das Erzbistum Trier oder katholische Orte. Selbst in protestantischen Gegenden stand Maria hilfreich Gewehr bei Fuß – wie beispielsweise in Webenheim, „ein groß Dorf nechst bey Bließ-Kastell / jenseyts der Bließ / Zweybrücker Herrschafft / nachmahls Anno 1525 dem Lutherthumb zugethan“. Zwischenzeitlich sogar dem „Calvinischen Irrtumb verfallen“, wurden dort zwei Kinder des „catholischen Baursmanns Hanß Deyscher“ wieder zum Leben erweckt: Sie waren in einen Brunnen gefallen und darin ertrunken.

Überhaupt machen Kinder, die in Brunnen oder Bäche gefallen und ertrunken waren, das Gros der Gräfinthaler Wunder aus. Aber auch Heilungen von allerhand Krankheiten wie etwa auch der Pest, die Rettung von unter eingestürzten Häusern verschüttete Menschen, die Erfüllung des Kinderwunsches oder die Erweckung totgeborener Kinder werden anschaulich geschildert. Die Berichte von Friedrich Schaal sind auf diese Weise auch ein Dokument aus den schwierigen Jahren unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg, aus denen nur wenige Nachrichten vorliegen. Lässt man die religiöse Aufladung der geschilderten Vorfälle außer Acht, so liefern die „Mirakel“ spannende Informationen zu sozialen, wirtschaftlichen und auch medizinischen Verhältnissen jener Phase.