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2024/09/02 20:42:50 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Ein deutscher Revolutionär im Amt. Carl Schurz und der Niedergang der Minderheitenrechte i n den USA der 1870er-Jahre |
Datum | 2024/09/02 21:03:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Über den Wolken |
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2024/09/02 21:03:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Über den Wolken |
Betreff | ![]() |
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2024/09/02 20:42:50 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Ein deutscher Revolutionär im Amt. Carl Schurz und der Niedergang der Minderheitenrechte i n den USA der 1870er-Jahre |
Autor | 2024/09/02 21:03:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Über den Wolken |
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Date: 2024/09/02 20:54:13
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
heute in der Saarbrücker Zeitung, Saarland-Teil:
„Chatbots
sind kein Nürnberger Trichter“
Gerade ist Armin Weinberger – seit 2011 Saarbrücker Professor
für
Bildungstechnologie – zum Präsidenten der größten europäischen
Bildungsorganisation EARLI gekürt worden. Er erforscht, wie
man KI für
computerunterstütztes Lernen nutzen kann – ob an Unis oder
Schulen. Weinberger entwickelt
auch KI-gestützte Mikrokurse, in denen Alleinerziehende oder
Fischer in
Südostasien Mikrozertifikate erwerben, um Kompetenzen zu
belegen. Ein von ihm
geleitetes EU-Förderprojekt unterstützt etwa „Locals“, die auf
Öko-Tourismus
setzen. ChatGPT verbreitete eine Goldgräberstimmung, so
Weinberger. Zu Recht?
Von Christoph Schreiner
SAARBRÜCKEN | Der (englischsprachige) Masterstudiengang
„EduTech“, den Armin
Weinbergers Saarbrücker Lehrstuhl für Biildungstechnologie
seit gut zehn Jahren
anbietet, ist hoffnungslos überbucht. Auf jeden Studienplatz
kommen zehn,
manchmal auch 20 Bewerber, weil in jedem Wintersemester
weniger als 30 zur
Verfügung stehen. Die Studierenden kommen aus der ganzen Welt.
Entweder haben
sie einen Bachelor in Pädagogik oder Psychologie oder in
Informatik. Der
„EduTech“-Master zielt darauf, sozialwissenschaftliche
Forschungsmethoden und
Informatik-Knowhow zu kombinieren. Ein eigener
Bachelor-Unterbau fehlt in
Saarbrücken noch, ist aber geplant.
„Die Idee unseres Masters ist“, holt Weinberger aus, „dass
beide Seiten –
Informatiker und Pädagogen/Psychologen – sich besser
verstehen“. Dass das
dauert, weiß er aus eigenen Forschungsvorhaben. In vielen
kommen Chatbots zum
Tragen, die für ihren Einsatz als „technische Assistenten“
vorher am
Saarbrücker Lehrstuhl gezielt trainiert werden. Ein
Schwerpunkt von Weinbergers
Forschung ist die Analyse der Interaktionen zwischen Lehrenden
und Lernenden.
Dass sie im Team Diskursverläufe „sehr feinkörnig“
analysieren, kommt ihnen
beim Coachen der Chatbots zugute. Wie auch die Rasanz, mit der
sich die
Dialogsysteme verbessern: „Was vorher zwei Jahre dauerte, geht
heute in zwei
Monaten.“
Weinberger kennt die Frage zu Genüge, ob die KI in zehn Jahren
womöglich Lehrer
ersetzen könne. Er weicht nicht aus, sondern antwortet
diplomatisch. Es nütze
nichts, sich der Zeit zu verschließen: „Gute Lehrer
orchestrieren immer
unterschiedliche Sozialformen des Lernens. Mit KI-Services
wird dieser
Baukasten massiv erweitert, aber nicht ersetzt.“ Vereinfacht
gesprochen, gebe
es heute zwei technische Nutzermentalitäten, schickt er nach:
Die einen
schalten ihr Gehirn quasi aus und lassen ChatGPT die Arbeit
machen, die anderen
nutzen KI nur punktuell und sehr gezielt zur „Verfeinerung der
eigenen
Gedanken“. Weinberger warnt vor den gesellschaftlichen
Folgeeffekten: Die
Bildungsschere werde durch den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz weiter
auseinanderklaffen. „Wir laufen darauf zu, dass sich das noch
weiter
verschärft, weil wir dank KI nicht nur ein Denktool haben,
sondern auch eine
Art Denkfaulheitstool.“ Umso wichtiger sei es, den kritischen
Umgang damit zu
lehren.
„Chatbots sind keine Nürnberger Trichter.“ Man müsse die Leute
vielmehr fit
machen, sinnvoll damit umzugehen. Sinnvoll meint in dem Fall:
selbstbestimmt.
Mit ChatGPT & Co sei es nicht anders wie mit anderen
Technologien: So wie
unser räumliches Vorstellungsvermögen durch die ständige
Nutzung des „Navis“
schrumpft, verkümmere auch unser Verstand, wenn wir generative
Sprachmodelle
für uns alles ausspucken ließen. Um ein tieferes Verständnis
von ChatGPT zu
gewinnen, zwinge er sich mittlerweile dazu, mit dem Sprachbot
zu kommunizieren,
weil es angesichts der KI-Goldgräberstimmung allenthalben
nicht mehr lange
dauere, „bis wir fast alle unseren persönlichen KI-Assistenten
haben“.
Ein wissenschaftliches Steckenpferd Weinbergers ist das
Einüben von
Argumentationstechniken. Dinge abzuwägen und Meinungen zu
verteidigen – um das
zu erreichen, versucht Weinberger, in „kooperativen
Lernszenarien“
dialogbasierte Interaktionsmuster zu schulen. Zielführend
waren dabei lenkende
Satzphrasen à la „Ich habe noch nicht genau verstanden, was du
meinst“, die
Dialoge strukturieren und das Diskussionsniveau heben. Derlei
„Kooperationsskripts“ erwiesen sich als sehr wirkungsvoll. Als
Bildungstechnologe, der er ist, erprobt Weinberger zugleich
aber auch, wie Chatbots
ausgestaltet sein müssen, um Gesprächsverläufe konstruktiv
mitzuformen.
Bisherige Erkenntnis seiner Forschung: „Wir sehen, dass ein
Bot, der eher
moderierend und sokratisch fragend agiert, viel hilfreicher
ist als
Sprachmodelle, die vollständige Erklärungen geben und dadurch
eher
demotivieren.“
Um die von ihm entwickelten Lernumgebungen möglichst
praxistauglich zu halten,
hat Weinberger immer schon auch mit Lehrkräften kooperiert.
Meist hätten die
Lehrer, nachdem sie als Forscher wieder „abgezogen“ seien, das
Setting dann
„geplündert, einzelne Bausteine herausgenommen und ihren
eigenen Stiefel
gemacht“, erzählt der 1973 in Landshut Geborene mit
unverwechselbar bayerischem
Idiom. Deshalb bauten er und sein Team mittlerweile die
Praxiserfahrungen der
Lehrkräfte noch dezidierter in Unterrichtspläne und
Lernsettings ein. Co-Design
nennt er das Verfahren. Erstaunlich eigentlich, dass das
saarländische
Bildungsministerium, das Digitalisierung groß schreibt, sich
für Weinbergers
Forschungen bislang nicht interessiert.
Auch wenn er gerade erst zum Präsidenten der größten
europäischen
Bildungsorganisation EARLI (European Association for Research
on Learning and
Instruction) gewählt worden ist, in der mehrere tausend
Bildungswissenschaftler
vereint sind, meint der 51-Jährige, dass er „nicht der beste
Lobbyist“ sei, was
die Vermarktung seiner Arbeit angeht. Klar, sein Lehrstuhl ist
keine Firma.
Auch hat er weder Zeit noch Interesse daran, seine Anwendungen
zu verkaufen.
Gefragt, ob sie nutzbar zu machen wären, ist die Antwort
dennoch deutlich:
„Doch. Im Prinzip könnte man unsere Tools in der Praxis
einsetzen.“
Ein Beispiel dafür ist der „Patientenfallsimulator“ für
Homburger
Medizinstudierende, den Weinbergers Team gemeinsam mit dem
Homburger
Universitätsklinikum entwickelt hat. Ziel ist es,
diagnostische und
therapeutische Verfahren anhand virtueller Patienten und einem
Online-Zugriff
auf die Krankenakte möglichst realistisch zu üben. Die
Medizinstudenten
schlüpfen in die Rolle von Hausärzten. Drei Jahre lang gab es
eine schmale
Förderung, nun läuft das Projekt aus, ohne dass eine
Anschlussfinanzierung in
Sicht ist. Und das, obwohl sich die Homburger
Simulator-Erfahrungen prinzipiell
auch für andere angehende Mediziner nutzbar machen ließen.
Daneben ist Weinberger mit seinem Lehrstuhl auch in mehrere
EU-geförderte
ErasmusPlus-Projekte eingebunden. Eines davon nennt sich
„L2BGreen“ und zielt
darauf, grünes Unternehmertum durch KI-gestützte
Online-Lernkurse
voranzutreiben. Konkret geht es darum, wie man vom Wissen über
die notwendige
Transformation zu Verhaltensänderungen kommt. „Dazu kreieren
wir Szenarien, um
Einstellungen zu ändern“, skizziert Armin Weinberger den Part,
den er dabei
übernimmt. „Microcasa“ heißt ein anderes EU-Förderprojekt, bei
dem er selbst
den Hut aufhat. Ziel ist es, der einfachen Bevölkerung in
Südostasien zum
Aufbau einer bescheidenen Existenz zu verhelfen.
Alleinerziehende oder
benachteiligte Berufsgruppen sollen mittels Online-Tutorials
Kompetenzen
erwerben und sich zertifizieren lassen können. Weinberger
erzählt etwa von
Fischern in Indonesien, die angesichts leergefischter Küsten
nun auf
ökologischen Tourismus setzen wollen. Das leidige Schicksal
solcher
multiprofessionellen Projekte unter Beteiligung mehrerer
europäischer
Universitäten ist, dass sie immer nur über drei Jahre
gefördert werden. Und
damit, sofern sie bis dahin nicht ausreichend etabliert sind,
leicht verpufft,
was gerade aufgebaut worden ist.
Als er 2010 nach Saarbrücken berufen und dort die Professur
für
Bildungstechnologie begründete, war Armin Weinberger in
Deutschland auf seinem
Feld ein Pionier. Anders als in den USA, Skandinavien oder
Holland, war sein
Forschungsfeld hier noch weitgehend unbeackert. Ein gutes
Jahrzehnt später ist
die nationale Konkurrenz an Bildungstechnologen größer
geworden. Umso mehr
freut es ihn, dass sein Masterstudiengang weiterhin viel
Magnetkraft hat.