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2023/11/28 23:22:26
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sech zehnten Jahrhundert.
Datum 2023/11/30 08:18:45
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Zeitungen u.a. aus dem 19. Jahrhundert
2023/11/28 23:22:26
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sech zehnten Jahrhundert.
Betreff 2023/11/06 08:53:38
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Todesarten. Sterben in Kultur und Geschichte


Autor 2023/11/19 12:44:56
Friedrich . Denne
Re: [Regionalforum-Saar] Resquiescat in Pace.

Re: [Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sech zehnten Jahrhundert.

Date: 2023/11/29 16:30:07
From: franzundchrista <franzundchrista(a)...

Das ist ja eine herrliche Schilderung. Aber ich glaube, auch Goethe ist zum Teil noch sehr unbequem untergekommen. C. Lippold

 

Von: regionalforum-saar-bounces+franzundchrista=t-online.de(a)... <regionalforum-saar-bounces+franzundchrista=t-online.de(a)... Im Auftrag von Roland Geiger via Regionalforum-Saar
Gesendet: Dienstag, 28. November 2023 23:22
An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)... [Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sechzehnten Jahrhundert.

 

Teutsche Wirthshäuser im sechzehnten Jahrhundert.
(Aus dem Lateinischen des Erasmus v. Rotterdam.)

Wenn man vor einem Gasthofe lange gerufen hat, so schiebt sich ein Kopf aus dem Fensterchen der warmen Stube, der wie die Schildkröte aus dem Schilde hervorguckt. Diesen muß man fragen, ob Quartier zu haben sei, wenn er nicht schüttelt, so weiß man, daß Platz vorhanden ist. Hat man sein Pferd selbst in den Stall gebracht, so wandert man, wie man geht und steht, mit Stiefeln, Mantelsack und Korb in die Stube, und zwar dient eine einzige zum Gebrauch für Alle. Hier zieht man die Stiefeln aus, Pantoffeln an, wechselt die Wäsche, trocknet die nassen Kleider u.s.w. Auch steht Waschwasser bereit, es ist aber meistens so schmutzig, daß man wieder anderes braucht, um das erstere abzuspülen. Wer sich über etwas beschwert, muß sogleich hören:„Wem's nicht ansteht, der mag sich eine andere Herberge suchen.“
Das Essen wird nicht eher zubereitet, als bis man keine Gäste mehr erwartet, damit Alle auf einmal bedient werden. Es kommen oft 80 bis 90 Fußgänger, Reiter, Kaufleute, Schiffer, Fuhrleute, Weiber und Kinder, Gesunde und Kranke zusammen. Einer kommt, der Andere waicht sich, der Dritte trocknet den Schweiß ab, der Vierte schabt die Stiefeln rein, der Fünfte kleidet sich aus, der Sechste legt sich zum Schiafen nieder, der Siebente erzählt von seiner Reise; kurz es ist eine Sprachen= und Menschenvermischung, wie beim Thurmbau zu Babel. Merken sie einen Ausländer darunter, der etwas vornehm aussieht, so sind aller Augen scharf auf ihn gerichtet, als ob er ein Wunderthier aus der neuen Welt wäre, und selbst bei Tische wenden sie kein Auge von ihm und denken kaum ans Essen.
Istes dann richt spät, so kommt ein alter Kahlkopf von Hausknecht mit grauem Barte, greulicher Miene und im schmutzigen Anzuge zum Vorschein. Ganz stumm überzählt er die Gäste mit den Augen. Je mehr er findet, desto stärker wird eingeheizt, wenn auch draußen die Sonne noch so warm scheint; denn es ist bei ihnen ein Hauptstück einer guten Bewirthung, wenn Alle vor Schweiß zerfließen. Kann Jemand den Dunst nicht ertragen, und lüftet ein Fenster, so heißt es gleich:„Mache zu!“ Antwortet er:„Ich kann's nicht aushalten,“ so hört er:„Suche Dir eine andere Herberge!“
Es währt nicht lange, so kommt der bärtige Ganymed wieder und deckt Tischtücher auf; aber, du lieber Himmel! weder holländische noch schlesische. Man glaubt, sie wären eben erst von der Segelstange abgenommen. Dann setzt sich Alles, reich und arm, Herr und Knecht, ohne Unterschied, meistens ihrer achte an jeden Tisch.
Nun erscheint der grämliche Ganymed wieder und bringt Jedem einen hölzernen Teller und ähnlichen Löffel, nebst einem Glaskruge, alsdann Brod, womit man sich die Zeit vertreibt, bis der Brei gekocht ist. Es wird zuweilen ein Stündchen so gesessen. Endlich kommt Wein, aber, guter Gott! was für ein Wein? Scharf und sauer. Wollte auch ein Gast heimlich Geld bieten, um bessern zu erhalten, so thut man gar nicht, als ob man es hört, und besteht er darauf, so antwortet der Hausknecht mit einer Miene, als ob er ihn fressen wolle:„Hier sind so viele Grafen und Markgrafen eingekehrt, und Niemand hat über den Wein geklagt. Wem's hier nicht anstebt, der suche sich ein anderes Quartier.“
Endlich kommen mit vielen Umständen die Schüsseln, und zwar in der ersten gewöhnlich Brodschnitte in Fleischbrühe getunkt, dan ein Ragout oder aufgewärmtes, gepökeltes Fleisch, dann ein Brei, und wenn man beinahe satt ist, ein ganz guter Braten oder Fisch, der eben nicht weit reicht, und bald abgetragen wird. Der ganze Schmaus wechselt, wie auf dem griechischen Theater die Scenen mit dem Chore, mit Stücken Fleisch und Brei, und der letzte Akt ist der beste.
Nun muß man eine Bußzeit absitzen, die sie, glaub ich, nach der Uhr abmessen. Umsonst schreit man:„Aufgeräumt, wir essen nicht mehr!“ Endlich kommt jener Graubart, oder der Wirth selbst, der sich auch nicht viel besser ausnimmt, und fragt, ob noch ein Appetitchen vorhanden? Nun wird besserer Wein gebracht. Man sieht die gern, die stark trinken, obgleich die mäßigen Trinker eben so viel bezahlen müssen. Wenn der Wein die Köpfe erhitzt hat, geht ein Teufelslärm los. Alles wird taub davon. Nun kommen oft Schalksnarren zum Vorschein, oder Hanswürste; denn es ist unglaublich, was sich die Teutschen für einen herrlichen Spaß aus diesen erbärmlichen Kerlen machen. Diese treiben einen Singsang, sie jauchzen, springen, pochen und machen einen Spektakel, daß die Stube einfallen möchte, und man muß im Guten oder Bösen bis in die tiefe Nacht mit aus
Sobald der Käse abgetragen ist, der foul und voll Maden sein muß, wenn er schmecken soll, so kommt mein Graubart mit einer Schiefertafel, worauf mit Kreide erliche Kreise und Halbkreise gezeichnet sind. Diese legt er stillschweigend und verdrießlich auf den Tisch; er selbst steht wie ein Charon dabei. Jeder der sich auf diese Malerei versteht, legt nach der Reihe seine Zeche darauf, er zählt das Geld nach, und wenn Nichts fehlt, nickt er sachte mit dem Kopfe. Sollte Jemand seine Rechnung unbillig finden, so muß er gleich hören:„Weß Menschen kind bist Du? Du zahlst nicht mehr, als die Uebrigen.“
Will sich Einer vor Müdigkeit gleich nach dem Essen niederlegen, so heißt man ihn warten, bis die Andern schlafen gehen. Dann zeigt man Jedem sein Restchen oder kahles Lager; denn da giebt's außer dem Bette, wovon die Laken höchstens vor einem halben Jahre gewaschen sind, gar kein Geräth zur Bequemlichkeit.

aus: Wochenblatt für St. Wendel und Ottweiler, 1844


 

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