Suche | Sortierung nach | Monatsdigest | ||
2023/11/28 10:45:12 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Hermann Scheid. Ein Nachruf. |
Datum | 2023/11/29 16:30:07 franzundchrista Re: [Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sech zehnten Jahrhundert. |
||
2023/11/03 09:32:39 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Seekriegsgräber |
Betreff | 2023/11/29 16:30:07 franzundchrista Re: [Regionalforum-Saar] Teutsche Wirthshäuser im sech zehnten Jahrhundert. |
||
2023/11/28 10:45:12 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Hermann Scheid. Ein Nachruf. |
Autor | 2023/11/30 08:18:45 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zeitungen u.a. aus dem 19. Jahrhundert |
Date: 2023/11/28 23:22:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Teutsche Wirthshäuser im sechzehnten
Jahrhundert.
(Aus dem Lateinischen des Erasmus v. Rotterdam.)
Wenn man vor einem Gasthofe lange gerufen hat, so schiebt sich ein
Kopf aus dem
Fensterchen der warmen Stube, der wie die Schildkröte aus dem
Schilde hervorguckt.
Diesen muß man fragen, ob Quartier zu haben sei, wenn er nicht
schüttelt, so
weiß man, daß Platz vorhanden ist. Hat man sein Pferd selbst in
den Stall
gebracht, so wandert man, wie man geht und steht, mit Stiefeln,
Mantelsack und
Korb in die Stube, und zwar dient eine einzige zum Gebrauch für
Alle. Hier
zieht man die Stiefeln aus, Pantoffeln an, wechselt die Wäsche,
trocknet die
nassen Kleider u.s.w. Auch steht Waschwasser bereit, es ist aber
meistens so
schmutzig, daß man wieder anderes braucht, um das erstere
abzuspülen. Wer sich
über etwas beschwert, muß sogleich hören:„Wem's nicht ansteht, der
mag sich
eine andere Herberge suchen.“
Das Essen wird nicht eher zubereitet, als bis man keine Gäste mehr
erwartet,
damit Alle auf einmal bedient werden. Es kommen oft 80 bis 90
Fußgänger,
Reiter, Kaufleute, Schiffer, Fuhrleute, Weiber und Kinder, Gesunde
und Kranke
zusammen. Einer kommt, der Andere waicht sich, der Dritte trocknet
den Schweiß
ab, der Vierte schabt die Stiefeln rein, der Fünfte kleidet sich
aus, der
Sechste legt sich zum Schiafen nieder, der Siebente erzählt von
seiner Reise;
kurz es ist eine Sprachen= und Menschenvermischung, wie beim
Thurmbau zu Babel.
Merken sie einen Ausländer darunter, der etwas vornehm aussieht,
so sind aller
Augen scharf auf ihn gerichtet, als ob er ein Wunderthier aus der
neuen Welt
wäre, und selbst bei Tische wenden sie kein Auge von ihm und
denken kaum ans
Essen.
Istes dann richt spät, so kommt ein alter Kahlkopf von Hausknecht
mit grauem
Barte, greulicher Miene und im schmutzigen Anzuge zum Vorschein.
Ganz stumm
überzählt er die Gäste mit den Augen. Je mehr er findet, desto
stärker wird
eingeheizt, wenn auch draußen die Sonne noch so warm scheint; denn
es ist bei
ihnen ein Hauptstück einer guten Bewirthung, wenn Alle vor Schweiß
zerfließen.
Kann Jemand den Dunst nicht ertragen, und lüftet ein Fenster, so
heißt es
gleich:„Mache zu!“ Antwortet er:„Ich kann's nicht aushalten,“ so
hört er:„Suche
Dir eine andere Herberge!“
Es währt nicht lange, so kommt der bärtige Ganymed wieder und
deckt Tischtücher
auf; aber, du lieber Himmel! weder holländische noch schlesische.
Man glaubt,
sie wären eben erst von der Segelstange abgenommen. Dann setzt
sich Alles,
reich und arm, Herr und Knecht, ohne Unterschied, meistens ihrer
achte an jeden
Tisch.
Nun erscheint der grämliche Ganymed wieder und bringt Jedem einen
hölzernen
Teller und ähnlichen Löffel, nebst einem Glaskruge, alsdann Brod,
womit man
sich die Zeit vertreibt, bis der Brei gekocht ist. Es wird
zuweilen ein
Stündchen so gesessen. Endlich kommt Wein, aber, guter Gott! was
für ein Wein?
Scharf und sauer. Wollte auch ein Gast heimlich Geld bieten, um
bessern zu
erhalten, so thut man gar nicht, als ob man es hört, und besteht
er darauf, so
antwortet der Hausknecht mit einer Miene, als ob er ihn fressen
wolle:„Hier
sind so viele Grafen und Markgrafen eingekehrt, und Niemand hat
über den Wein
geklagt. Wem's hier nicht anstebt, der suche sich ein anderes
Quartier.“
Endlich kommen mit vielen Umständen die Schüsseln, und zwar in der
ersten
gewöhnlich Brodschnitte in Fleischbrühe getunkt, dan ein Ragout
oder
aufgewärmtes, gepökeltes Fleisch, dann ein Brei, und wenn man
beinahe satt ist,
ein ganz guter Braten oder Fisch, der eben nicht weit reicht, und
bald
abgetragen wird. Der ganze Schmaus wechselt, wie auf dem
griechischen Theater
die Scenen mit dem Chore, mit Stücken Fleisch und Brei, und der
letzte Akt ist
der beste.
Nun muß man eine Bußzeit absitzen, die sie, glaub ich, nach der
Uhr abmessen.
Umsonst schreit man:„Aufgeräumt, wir essen nicht mehr!“ Endlich
kommt jener
Graubart, oder der Wirth selbst, der sich auch nicht viel besser
ausnimmt, und
fragt, ob noch ein Appetitchen vorhanden? Nun wird besserer Wein
gebracht. Man
sieht die gern, die stark trinken, obgleich die mäßigen Trinker
eben so viel
bezahlen müssen. Wenn der Wein die Köpfe erhitzt hat, geht ein
Teufelslärm los.
Alles wird taub davon. Nun kommen oft Schalksnarren zum Vorschein,
oder
Hanswürste; denn es ist unglaublich, was sich die Teutschen für
einen
herrlichen Spaß aus diesen erbärmlichen Kerlen machen. Diese
treiben einen
Singsang, sie jauchzen, springen, pochen und machen einen
Spektakel, daß die
Stube einfallen möchte, und man muß im Guten oder Bösen bis in die
tiefe Nacht
mit aus
Sobald der Käse abgetragen ist, der foul und voll Maden sein muß,
wenn er
schmecken soll, so kommt mein Graubart mit einer Schiefertafel,
worauf mit
Kreide erliche Kreise und Halbkreise gezeichnet sind. Diese legt
er
stillschweigend und verdrießlich auf den Tisch; er selbst steht
wie ein Charon
dabei. Jeder der sich auf diese Malerei versteht, legt nach der
Reihe seine
Zeche darauf, er zählt das Geld nach, und wenn Nichts fehlt, nickt
er sachte
mit dem Kopfe. Sollte Jemand seine Rechnung unbillig finden, so
muß er gleich
hören:„Weß Menschen kind bist Du? Du zahlst nicht mehr, als die
Uebrigen.“
Will sich Einer vor Müdigkeit gleich nach dem Essen niederlegen,
so heißt man
ihn warten, bis die Andern schlafen gehen. Dann zeigt man Jedem
sein Restchen
oder kahles Lager; denn da giebt's außer dem Bette, wovon die
Laken höchstens
vor einem halben Jahre gewaschen sind, gar kein Geräth zur
Bequemlichkeit.
aus: Wochenblatt für St. Wendel und Ottweiler, 1844