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2023/11/08 09:06:25
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Fwd: Reiseblog Saarland Neues Keramik Kunst Museum in Neunkirchen
Datum 2023/11/08 12:23:54
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Online Vortrag Auswanderer- und R ückwanderergeschichte der Familie Livingston
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Autor 2023/11/08 12:23:54
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[Regionalforum-Saar] Das Land der Verheißung

Date: 2023/11/08 09:28:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Guten Morgen,

immer wieder hören wir - bevorzugt von Politikern und ganz speziell von lokalen - den Spruch, daß man die Vergangenheit kennen muß, um die Gegenwart verstehen und-oder meistern zu können. Dem folgt dann der Spruch, daß wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen sollen.
Ich habe eher den Eindruck, daß das wirklich nur Sprüche sind und daß es unser Schicksal ist, immer die gleichen Fehler nochmal zu begehen - immer mit hehrem Ziel und dem „Wissen“, daß wir es diesmal besser machen.

Roland Geiger

PS: Vielleicht merken Sie nach der Lektüre, was ich meine. Andererseits dient der Text als Vergleich, und jeder egal wie gute Vergleich hinkt. Eins ist sicher: es ist ein toller Stoff.


Das Land der Verheißung
von Philipp Otterness, 2004 (Auszug)

Seit den Zeiten der alten Hebräer und bis in unsere Gegenwart hinein haben Millionen von Menschen ihre Heimat mit einer Vision vor Augen verlassen, der Vision eines fernen, verheißenen Landes. Oft war diese Vision so stark, dass die Auswanderer bereit waren, für die Erfüllung ihres Traums schreckliche Strapazen und große Hindernisse zu überwinden. So hatten auch die sog. "Palatines" (= "die Pfälzer"), die im Jahre 1709 ihre Heimat verließen, um nach Amerika auszuwandern, ihre ganz spezielle Vorstellung vom verheißenen Land. Für viele endete die Reise in Enttäuschungen, und ihre Vision des verheißenen Landes wurde nie erfüllt. Aber viele Auswanderer fanden nach Jahren des Kampfes im Grenzland von New York so etwas ähnliches wie ein verheißenes Land.

Es war die erste große Welle deutschsprachiger Auswanderer nach Amerika, und deshalb gelten gerade sie als Wegbereiter für viele der Tausenden, die ihnen folgten. Allerdings wurde die Vision der 1709er vom verheißenen Land weder von den nachfolgenden deutschsprachigen Auswanderern noch von den englischsprechenden Kolonisten, die sich schon in Amerika aufhielten, jemals völlig akzeptiert. Das verheißene Land der Auswanderer aus der Pfalz, beruhend auf den engen Beziehungen zu ihren indianischen Nachbarn, war sicher nicht das verheißene Land, wie es sich die meisten Amerikaner vorstellten, und deshalb verschwand die kleine Welt, die die 1709er im Grenzland von New York aufbauten, bald schon wieder aus dem amerikanischen Bewußtsein.

Die Auswanderung von 1709 hatte ihren Ursprung in der Kurpfalz, zog jedoch auch Menschen aus vielen anderen Fürstentümern im Südwesten Deutschlands an. Es ist schwierig, das genaue Ausmaß der Wanderung zu bestimmen, aber es betraf ganz sicher sehr viele Menschen. Gut 15.000 und vielleicht mehr als 20.000 Menschen verließen ihre Häuser im deutschen Südwesten und zwar alle innerhalb weniger Monate im Frühjahr und Sommer 1709. Einige kamen nur bis Rotterdam, bevor sie zur Umkehr und Rückreise nach Hause gezwungen waren, aber gut 14.000 schafften es nach London, wo sie auf die Überfahrt nach Amerika warteten. Von diesen 14.000 gelangten dann nur etwa 3.000 letztlich auch nach Amerika, aber sie bildeten nach wie vor die größte Auswanderergruppe nach Amerika während der Kolonialzeit. Heutzutage sieht einer von sieben Amerikanern deutsche Auswanderer als seine unmittelbaren Vorfahren an, deshalb gilt diese Gruppe quasi als Vorhut der ingesamt fünf Millionen Deutschsprachigen, die überhaupt nach Amerika auswanderten.

Zwei Punkte – zum einem diese Riesenzahl von fast 20.000 Menschen, zum anderen ihr unvermitteltes Auftreten - führen zu der wichtigen Frage: was hat die Menschen dazu veranlaßt?

Darauf gibt es verschiedene Antworten, allerdings bleiben sie samt und sonders Vermutungen. Sicherlich hatte der Spanische Erbfolgekrieg für großes Elend in der Region gesorgt, und politische Kontrolle durch ausländische Mächte, vor allem durch die Franzosen, schuf enorme Zwietracht zwischen den Völkern. Dazu kommt die begründete Angst viele Menschen vor der Verfolgung aus religiösen Gründen hatten, und es ist sicher, dass der äußerst strenge Winter 1708 auf 1709 seinen Teil zum Elend der Menschen beitrug.

Aber Kriege, Missernten, religiöse Verfolgung und das Fehlen politischer Autonomie waren Bedingungen, mit denen viele Bauern in ganz Europa konfrontiert wurden, und dennoch standen nicht plötzlich Tausende von ihnen auf, um innerhalb weniger Monate Haus und Hof und ihre Heimat zu verlassen.
Da muß noch etwas anderes gewesen sein, etwas sehr mächtiges. Dieses "etwas" war die verlockende Vorstellung eines verheißenen Landes.

Diese Vorstellung beruhte auf einem kleinen Buch mit dem Versprechen auf ein Leben in der Neuen Welt. Dieses Versprechen war so „glänzend“, dass die
Auswanderer einfach nur vom "Goldenen Buch" sprachen.

Es war ein kleines Buch mit einem langen Titel: "
Ausführlicher und Umständlicher Bericht von der berühmten Landschafft Carolina, in dem Engelländischen America gelegen."

Diese Propagandaschrift, verfaßt von Joshua Kocherthal, war offenbar von den Eigentümern der Kolonie Carolina in Auftrag gegeben worden - in dem Bemühen, deutschsprachige Siedler in ihr Territorium zu locken.

Das Buch beschrieb ein Land, in dem der Boden sich fast von allein bestellte und das Klima zwei Ernten pro Jahr ermöglichte. Die Kolonie besaß fruchtbaren Boden, und das milde Klima war ideal für den großzügigen Anbau von Tabak und Weintrauben, vielen Arten von Getreide, Äpfeln und Birnen geeignet und versprach reiche Ernten; das waren alles Früchte, die die Bauern im Südwesten Deutschlands gut kannten. Die Steuern waren niedrig, und die Siedler würden keine feudalen Pflichten haben. Eine Karte im Buch zeigte eine weite, offene Landschaft, von zahlreichen Flüssen durchzogen. Ein paar harmlose Tiere waren zu sehen, darunter ein Truthahn, ein Fischreiher und ein Reh, aber die Karte zeigte auch die bekannten Nutztiere der Deutschen: ein Schwein, eine Kuh, eine Ziege, ein Pferd. Die einzigen menschlichen Figuren auf der Karte waren ein paar Indianer, die friedlich in einem Dorf am äußersten westlichen Rand des Territoriums wohnten. Das Buch erwähnt religiöse Toleranz, aber sein Horizont war nicht deutlich religiös. Der Schwerpunkt lag nicht auf Toleranz und Freiheit, sondern auf faulen Tagen, warmem Wetter und reichlichen Ernten.

Heute lernen die Kinder in den Vereinigten Staaten in der Regel, dass die ersten europäischen Siedler in Amerika edle Pioniere waren, die die Alte Welt verlassen hatten, um religiöser Verfolgung oder politischer Unterdrückung zu entkommen. Aber die Motive der Pfälzer
Auswanderer von 1709 waren keine hochgeistigen Vorstellungen von Religionsfreiheit oder Menschenrechten. Sie waren vielmehr opportunistische Landeier, versessen auf ein leichtes Leben. Aber wenn auch ihre Träume viel prosaischer, egoistischer und profaner waren, als wir es gerne annehmen, so war ihr Traum vom verheißenen Landes dennoch nicht weniger real oder inspirierend.

Es gab jedoch noch etwas anderes, daß
diese Vision absolut unwiderstehlich machte – das war das Gerücht, dass man alles zum Nulltarif haben könnte. Kocherthal hatte am Ende seines Buches einen Brief aufgenommen, in dem über eine kleinere Auswanderergruppe im Jahre 1708 berichtet wurde, genau ein Jahr zuvor. Der Brief erzählt von dem herzlichen Empfang, den die Auswanderer durch die englische Königin Anne erfahren hatten, als sie durch London reisten, und von dem Land, das sie ihnen in New York versprochen hatte. Obwohl das Schreiben nicht ausdrücklich sagt, daß Königin Anne das gleiche Versprechen auch für spätere Ankömmlinge geben würde, ging man sicher davon aus, daß sie es doch tun würde. Diese Aussage kam einem richtigem Versprechen nicht sehr nahe, aber für Tausende verarmter Bauern war es nahe genug.

Dieses Bild eines verheißenen Landes war so stark, dass die Auswanderer nicht schnell genug ihre Häuser verlassen konnten. Als ein deutscher Fürst einige seiner Untertanen über ihre übereilte Entscheidung befragte, erzählten sie ihm von Königin Annes Versprechen, auf das sie voll vertrauten. Sie bekannten, daß sie schon binnen einer Woche nach Vernahme der Worte des goldenen Buches ihr Land verkauft und alle Vorbereitungen zur Abreise getroffen hatten. Ein Mann, voll bepackt und zur Abreise bereit, gab sogar zu, erst am Tag zuvor vom Versprechen der Königin gehört zu haben. Obwohl einige Pastoren ihre Gemeindemitglieder vor übereilten Entscheidungen warnten, waren die Verlockungen von freiem Land in Amerika und müheloser Landarbeit so stark, dass die Auswanderungswelle nicht mehr gestoppt werden konnte.

Ab März 1709 begannen die kleinen Boote der Auswanderer, den Rhein bis nach Rotterdam hinabzufluten, wo die zwar überraschten, aber zuvorkommenden britischen Beamten versprachen, ihnen zu helfen. Die britische Regierung hatte vor kurzem ein Einbürgerungsgesetz verabschiedet, weil sie hoffte, auf diese Weise geschickte und erfahrene Handwerker nach England zu locken, ähnlich den Hugenotten, die zwanzig Jahre zuvor gekommen waren.

Die britischen Beamten wussten nichts von Kocherthals Buch und von der Propaganda, die die deutsche Migration angespornt hatte. Ohne die Pläne der Auswanderer zu hinterfragen und daher in völliger Unkenntnis der zugrunde liegenden Vision vom verheißenen Land, verließen sich die britischen Beamten ganz auf ihre eigenen stereotypen Vorstellungen vom Leben auf dem Kontinent und nahmen einfach an, die Deutschen seien Flüchtlingen, die vor der Aggression der Franzosen und der Verfolgung durch die katholische Kirche fliehen würden. Sie wußten auch nicht, wie viele Auswanderer auf dem Weg waren; deshalb entschieden sie, den Deutschen die Einreise nach England zu erlauben. Im Mai begannen sie mit dem Übersetzen der Deutschen über den Kanal und ihrer Unterbringung in riesigen Flüchtlingslagern am Stadtrand von London. In den nächsten drei Monaten kamen rund 14.000 Auswanderer in London an.

Zu diesem Zeitpunkt entschied die britische Regierung, daß so viele Auswanderer vielleicht doch ein bißchen zu viel des Guten waren, und begann eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Marine, um die Flut der Menschen, die noch immer ihren Weg den Rhein hinuntersuchten, einzudämmen.

Die Menschen in Großbritannien nannten die Auswanderer Palatines, also Pfälzer. Die Kurpfalz war den Briten schon lange als ein Ort bekannt, wo Protestanten oft unter den vielen Einfällen der Franzosen zu leiden hatten. Für sie ergab die Annahme Sinn, daß die Zuwanderer vor den französischen Greueltaten und der katholischen Verfolgung geflohen waren,

Der gleichen Meinung war sicherlich auch der britische Schriftsteller Daniel Defoe, der bei uns durch den Roman "Robinson Crusoe" bekannt ist, als er ein kleines Buch mit dem Titel "Eine kleine Geschichte der armen pfälzischen Flüchtlinge" schrieb. Darin forderte Defoe seine aufgeklärten englischen Leser auf, die so schwer geprüften Einwanderer in England zu begrüßen. Es war zum Teil ein Akt der Barmherzigkeit, aber Defoe war auch sicher, dass Großbritannien von den Fertigkeiten profitieren würde, die die Auswanderer mit sich brachten. Obwohl das britische Volk zunächst Defoes Beschreibung der Auswanderer als arme Flüchtlinge akzeptierte, begann es sich binnen weniger Monate zu fragen, ob die Auswanderer wirklich das waren, wovon Defoe gesprochen hatte.

Eine Studie über die demographischen Merkmale der Auswanderung von 1709 zeigt eine Zusammensetzung der Auswanderer, die sich deutlich von dem Bild der Pfälzer Auswanderer unterschied, das die Leute in London hatten. Zum einen kam über die Hälfte der sogenannten Pfälzer nicht aus der Kurpfalz, sondern aus Dutzenden anderer Fürstentümer an Rhein, Mosel und Neckar. Einige kamen sogar aus dem fernen Thüringen im Osten. Außerdem waren fast ein Drittel dieser angeblichen Flüchtlinge vor katholischer Verfolgung selbst Katholiken. Und schließlich sind viele der Auswanderer aus Regionen gekommen, die nur wenig von den damals laufenden Kriegen in Mitleidenschaft gezogen und schon gar nicht erst kürzlich von den Franzosen besetzt worden waren. Wenn Defoe sie "die armen Pfälzer" nannte, hatte er eigentlich nur in einem einzigen Punkte recht: Sie waren auf jeden Fall arm. Und ihre Armut war auch der Grund, warum die Auswanderer diesen Eindruck bei den Engländern aufrechterhielten. Jedwede Hoffnung, das erträumte verheißene Land in Amerika zu erreichen, hing zumindest kurzfristig von der Barmherzigkeit der Briten ab. Deshalb nannten sie sich selber "Palatines", obwohl die Mehrzahl von ihnen gar nicht aus der Pfalz stammte. Obwohl ein Drittel von ihnen Katholiken waren, unterzeichneten sie einen Bittbrief mit "the poor distressed Protestants" (= die armen notleidenden Protestanten). Und obwohl keiner von ihnen irgendwelche Grausamkeiten der Franzosen erwähnt hatte, als sie ihre Heimat verließen, gaben sie als Grund für ihre Auswanderung "die gnadenlose Grausamkeit eines abscheulichen Feindes, der Franzosen" an.

Das britische Volk mit seinen Vorurteilen gegen die Franzosen und gegen die Katholiken liebte, was es hörte, und ein paar Monate lang funktionierte die List. Aber als der Sommer 1709 ins Land ging und immer mehr deutsche Einwanderer in London ankamen, nahm die britische Wohltätigkeit stark ab. Man fing an zu beklagen, daß die Einwanderer Arbeitsplätze wegnähmen und durch ihre Arbeit die Löhne drückten; daß sie Krankheiten ins Land schleppten und den guten Willen der Engländer ausnutzten. Als die britische Öffentlichkeit schließlich erkannte, dass ein Drittel der sogenannten Flüchtlinge sogar Katholiken waren, da war es mit ihrem guten Willen fast ganz vorbei. Die gemäßigteren unter den Flugblattverfassern schrieben: "Unsere Wohltätigkeit sollte zu hause beginnen – und zwar sowohl im Krieg als auch im Frieden, bevor wir sie auf unsere Nachbarn ausdehnen."

Deshalb begann die britische Regierung im September damit, sich der Auswanderer zu entledigen, die sie weniger als ein halbes Jahr zuvor willkommen geheißen hatte. Die Katholiken wurden auf Schiffe verfrachtet und über den Kanal zurückgeschickt. Nur sehr wenige deutsche Katholiken tauchten jemals in Großbritanniens amerikanischen Kolonien auf. Das verheißene Land blieb zumindest im 18. Jahrhundert ein weitgehend protestantisches Land. Regierungsbeamte versuchten anschließend, Tausende von deutschen Protestanten dort anzusiedeln, wo man sie am meisten zu brauchen meinte – in Irland. Aber nur wenige blieben tatsächlich dort, sondern kehrten - so schnell sie konnten - nach London zurück.

Einige Auswanderer schafften es tatsächlich bis in die Carolinas, das verheißene Land, das ursprünglich Ziel der Auswanderung gewesen war. Sie schlossen sich einer Gruppe Schweizer an, die in New Bern, North Carolina, eine neue Kolonie gründen wollte. Das Unternehmen schlug fehl, und von den 600 Auswanderern, die sich im Januar 1710 per Segelschiff nach North Carolina aufgemacht hatten, lebten zwei Jahre später nur noch weniger als ein Viertel.

Der größte Teil der Auswanderer, die in London geblieben waren, wurde der Sorge von Robert Hunter, dem neu ernannten Gouverneur von New York, anvertraut. Hunter sollte nach Amerika fahren und die Auswanderer nach New York mitnehmen, wo man sie bei der Herstellung von Schiffsbedarfsmaterial einsetzen würde, vor allem Teer und Pech, zwei für die britische Marine lebensnotwendige Produkte. Erst wenn sie genug verdient hätten, um ihre Reise nach und die Aufenthaltskosten in Amerika bezahlen zu können, würden sie das erhalten, wovon sie dachten, daß man es ihnen versprochen hatte – Grund und Boden in Amerika. (…)



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