Suche | Sortierung nach | Monatsdigest | ||
2023/06/27 09:43:49 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] transmortale XII – Neue Fo rschungen zu Sterben, Tod und Trauer |
Datum | 2023/06/28 09:20:09 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Unermüdlich für die Pfal z im Einsatz – Zum Tod von Roland Paul |
||
2023/06/01 11:08:26 Hans-Joachim Hoffmann via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Führung Jüdischer Friedh of am 04.06.2023 |
Betreff | 2023/06/25 18:33:49 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Roland Paul ist gestern gestorben |
||
2023/06/27 09:43:49 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] transmortale XII – Neue Fo rschungen zu Sterben, Tod und Trauer |
Autor | 2023/06/28 09:20:09 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Unermüdlich für die Pfal z im Einsatz – Zum Tod von Roland Paul |
Date: 2023/06/27 10:41:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Steffen Kopetzky: „Propaganda“
Rowohlt Berlin, Berlin 2019
496 Seiten, 25 Euro
"John Glueck ist im Krieg. Tief in Deutschland,
im dunklen Hürtgenwald in der Eifel, 1944. Vor kurzem noch war er
Student in New York, voller Liebe zur deutschen Kultur seiner
Vorfahren; dann, als Offizier bei Sykewar, der
Propaganda-Abteilung der US-Army, traf Glueck in Frankreich sein
Idol Ernest Hemingway. Für ihn zieht Glueck in den scheinbar
unbedeutenden, doch von der Wehrmacht eisern verteidigten
Hürtgenwald bei Aachen. Er entdeckt das Geheimnis des Waldes, als
eine der größten Katastrophen des Zweiten Weltkriegs beginnt: die
«Allerseelenschlacht» mit über 15 000 Toten. Was kann John Glueck
noch retten? Sein Kamerad Van, der waldkundige Seneca-Indianer?
Seine halsbrecherischen Deutschkenntnisse? Ein Wunder?
Niemand trat unverändert wieder aus dem «Blutwald» heraus, den die
Ignoranz der Generäle zu einem Menetekel auch folgender Kriege
machte. Zwanzig Jahre später, in Vietnam, erfährt John Glueck: Die
Politik ist zynisch und verlogen wie eh und je. Er wird handeln,
und sein Weg führt von der vergessenen Waldschlacht direkt zu den
Pentagon-Papers.
Steffen Kopetzkys großer Roman spannt einen gewaltigen Bogen vom
Zweiten Weltkrieg bis hin zu Vietnam. Ungeheuer spannend erzählt
er von Krieg und Lüge, und von einem Mann, der alle falsche
Wahrheit hinter sich lässt."
Rezension von Rainer Moritz
[https://www.deutschlandfunkkultur.de/steffen-kopetzky-propaganda-gegen-die-pervertierung-100.html]
Steffen Kopetzky erzählt in „Propaganda“ eine Geschichte aus der
Zeit der
Nachkriegseuphorie in Europa und Amerika. Hemingway, Nixon und
Vietnam – alles
dabei. Der Erzähler zeigt sich in Bestform.
„Mein Name ist John Glueck, geboren am 13. Juni 1921 in der Bronx,
New York“ –
so stellt sich Steffen Kopetzkys Romanheld vor, als er im August
1971 in
Hannibal, Missouri, vor Gericht steht. Angeklagt ist er, wie es
offiziell
heißt, wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und Widerstands gegen
die
Staatsgewalt, in Wahrheit jedoch geht es um eine Verschwörung
gegen die
amerikanische Regierung, um ihren Präsidenten Nixon, die grausamen
„Pazifizierungsprogramme“ in Südvietnam und die Veröffentlichung
der geheimen
Pentagon-Papiere.
An einen großen Stoff hat sich Kopetzky damit herangewagt, doch
spätestens seit
seinem 2015 erschienenen Roman „Risiko“ weiß man, dass er alle
erzählerischen
Fähigkeiten besitzt, um solche gewagten literarischen
Unternehmungen zu stemmen.
Ging es in „Risiko“ um eine deutsche Expedition, die Ende 1914 ins
asiatische
„Herzland“, nach Afghanistan, entsendet wird, verknüpft
„Propaganda“ auf höchst
kühne Weise Ereignisse aus dem zu Ende gehenden Zweiten Weltkrieg
mit dem
amerikanischen Versagen in Vietnam. Mittler dieser ein gutes
Vierteljahrhundert
auseinanderliegenden Erzählstränge ist jener Officer Glueck, ein
Mann mit
deutschen Wurzeln, der 1942 in die US-Army eintritt und
leidenschaftlich für
deren Propaganda-Abteilung Sykewar zu arbeiten beginnt.
Voller Idealismus gegen das Hitler-Regime
Voller Idealismus macht er sich daran, gegen das Hitler-Regime zu
agieren, und
soll für ein US-Aufklärungsblatt den in Deutschland populärsten
amerikanischen
Schriftsteller, Ernest Hemingway, porträtieren. Dieser befindet
sich an der
Westfront in Europa und nimmt im Herbst 1944 an der für die
Amerikaner ungemein
verlustreichen Hürtgenwald-Schlacht in der Eifel teil.
Wie schon im „Risiko“-Roman (auf den sich „Propaganda“ an einer
Stelle bezieht)
breitet Kopetzky ein opulentes, offenkundig aufwendig
recherchiertes Panorama
aus, das historisch verbürgte Figuren neben fiktive Figuren stellt
und das
Schlachtgemetzel dramaturgisch geschickt schildert – fast so, als
habe es
bislang kaum Prosa über das Blutvergießen im Zweiten Weltkrieg
gegeben.
Von Hemingway über Salinger zu Bukowski
Vorgetragen ist das mit sinnlicher Kraft und einer gelegentlich
aufblitzenden,
an der Postmoderne geschulten Ironie, die es jedoch keineswegs
verhindert,
„Propaganda“ als spannungsreichen, elegant erzählten Pageturner zu
lesen. An
Anspielungen auf Filme und literarische Werke mangelt es diesem
Roman dabei
nicht. Neben dem boxfreudigen und trinkfesten Hemingway (der 1950
die
Hürtgenwald-Schlacht in seinem Roman „Über den Fluss und die
Wälder“
verarbeiten wird) assistieren dem ebenfalls an seinen Erinnerungen
schreibenden
John Glueck die Kollegen Jerome Salinger aus New York und Charles
Bukowski aus
Andernach am Rhein, der damals noch Heinrich/Henry mit Vornamen
hieß.
Wie Kopetzky im Finale seines Romans einen desillusionierten, von
in Saigon
eingesetzten Entlaubungsmitteln entstellten Offizier zeigt, der
erkennt, dass
Propaganda einer guten ebenso wie einer furchtbaren Sache dienen
kann, und der
deshalb gegen die Pervertierung der amerikanischen Werte ankämpft,
das ist von
bestechender Aktualität, und das zeigt den genuinen Erzähler
Kopetzky at his
best.