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2022/12/09 13:44:10 Stefan Reuter via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Warntag |
Datum | 2022/12/17 10:28:33 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Aus für die Krippenausstellun g des St. Wendeler Künstlers Karl Heindl : Weil sich k eine Herberge für alle fand |
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2022/12/30 22:31:57 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Die verwahrloste Synagoge |
Betreff | 2022/12/30 13:36:05 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Link funzt so nicht: 1780-1796 N eubürgeraufnahme und Altbürgerentlassung in St. Wen del. muß ich ändern. |
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2022/12/09 09:58:18 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Warntag |
Autor | 2022/12/17 10:28:33 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Aus für die Krippenausstellun g des St. Wendeler Künstlers Karl Heindl : Weil sich k eine Herberge für alle fand |
Date: 2022/12/17 10:20:34
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Eine Welt der Kohle. Historische Perspektiven
auf den
Bergbau im Saarrevier im überregionalen Vergleich
Organisatoren Arbeitskammer des Saarlandes, Universität des
Saarlandes
Saarbrücken
Vom - Bis 15.09.2022 - 17.09.2022
Von Charlotte Ullmert / Nina Schmit, Historische
Anthropologie/Europäische
Ethnologie, Universität des Saarlandes
Zehn Jahre nach dem Ende des Bergbaus im Saarland sollte die
Tagung historische
Perspektiven auf den Bergbau werfen und neue Forschungsprojekte
vorstellen. In
vier Sektionen mit den Schwerpunkten „Deindustrialisierung“,
„Gender“, „Alltag
und Biografien“ sowie „Konfliktfelder und Krisen“ wurden
Schlaglichter auf
Entwicklungen und künftige Perspektiven auf den Steinkohlenbergbau
insbesondere
im Ruhrgebiet und an der Saar geworfen und dabei
Forschungsdesiderate
vorgestellt. Ziel der Veranstaltung war es, etablierte und
innovative Zugänge
zum Thema Bergbau zu bündeln und dabei aktuelle Themen wie
Strukturwandel,
Industriekultur, Erinnerungsarbeit und Transformationsprozesse in
die
Diskussionen miteinzubeziehen sowie neue Quellen vorzustellen.
Hierfür wurden
Forschende mit aktuellen Projekten zum Thema Bergbau aus ganz
Deutschland
geladen, die sowohl breit angelegte universitäre
Forschungsprojekte als auch
Erfahrungen aus der ministeriellen Arbeit sowie bisher
unberücksichtigtes
Quellenmaterial aus Archiven präsentierten. Das Tagungsprogramm
vereinte dabei
unterschiedliche Sichtweisen und Zugänge, die insbesondere
Potentiale der
Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte in Industrieregionen
verdeutlichte
und auslotete.
Den Auftakt zur Veranstaltung gab STEFAN BERGER (Bochum). In
Anlehnung an die
Theorie des agonistischen Erinnerns, das sich von binären Formen
des Erinnerns
abgrenzt, indem Diskurse von Heroisierungen der Industrialisierung
und
Deindustrialisierung aufgebrochen werden, wurde am Beispiel der
„Urbane Künste
Ruhr“ die Kunst als erfolgreiches Medium agonistischer
Intervention gedeutet.
Agonistisches Erinnern ist eine innovative Form des Erinnerns,
wobei
insbesondere eine kritische, reflektierende Erinnerungspraxis
gefördert wird.
Die bisherige kosmopolitischen und antagonistischen
Erinnerungsmuster könnten
durch diese neue, dritte Form gelockert werden und heroische
Narrative der
Industriegeschichte, wie sie bisher in der Ruhrregion erhalten
wurde, kritisch
hinterfragt werden. Die bisherige Praxis, den Strukturwandel als
reine Erfolgsgeschichte
zu vermitteln, könne durch Künstler:innen und soziale Bewegungen,
sogenannten
„Erinnerungsaktivisten“ verändert werden und eine kritische,
zukunftsweisende
Perspektive eingenommen werden. Durch partizipative Formate, die
eine stärkere
Selbstreflexion erfordern, könnten so wichtige Fragen wie „Wie
wollen wir in
Zukunft leben?“ bürgernah vermittelt werden und Impulse zu einer
neuen
Betrachtungsweise von bisher historisierten Klassendiskursen
führen. In der
Diskussion wurde insbesondere die Relevanz von Bürgernähe in der
Kunstvermittlung hervorgestellt. Zudem verdeutlichte der Vortrag
die Relevanz
von Kunst und Kultur als wichtige Spiegel und Träger
gesellschaftlicher
Selbstreflektion.
JULIANE CZIERPKA (Bochum) richtete ihren Fokus auf jene Sektoren,
die im
Schatten der Montanindustrie standen, wie die Textil- und die
IT-Branche im
Ruhrgebiet. Durch die Dominanz der Kohle- und Stahlindustrie
rückten andere
Arbeitermilieus in den Hintergrund und würden in der Forschung
marginalisiert,
wobei erst eine Betrachtung unterschiedlicher Arbeitergruppen die
Diversität
der Region abbilden könne. Mittels lebensgeschichtlicher
Interviews könnten
subjektiv wahrgenommene Handlungsspielräume der Einwohnerinnen und
Einwohner im
Strukturwandel erfasst und nachvollzogen werden. Insbesondere im
Hinblick auf
sozial-ökonomische Fragen wie die Berufstätigkeit von Frauen im
Ruhrgebiet
könne die Betrachtung von weiteren Industriezweigen Aufschluss
geben. Mit der
vorweg gestellten Frage „Was bleibt von der Kohle“ stellte DELF
SLOTTA
(Saarbrücken) anhand verschiedener Beispiele die Entwicklung der
Industrielandschaft an der Saar vor. Neben den Altlasten und
Ewigkeitsaufgaben,
wie unter anderem die Problematik des Grubenwassers, lag ein
besonderer
Schwerpunkt auf dem Umgang mit noch erhaltenen Relikten, wie bspw.
das
Pumpenhaus am Itzenplitzer Weiher, Bergfestplätze und
Knappschaftskrankenhäusern. In der Diskussion wurde deutlich, dass
das Saarland
mit seiner Industriegeschichte hinter dem Ruhrgebiet förmlich
verschwinde, da hier
die Bemühungen um den Erhalt der Industriekultur überwiegend von
ehrenamtlichem
Engagement ausgingen. Das Saarland als Bundesland sei zudem stark
von
politischen Stimmungen geprägt, was sich auch im Umgang mit dem
industriellen
Erbe niederschlage. Als weitere Problemlagen benannte Slotta die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Frankreich, divergierende
politische
und kulturelle Interessen sowie Sprachbarrieren, die eine
fokussierte,
kooperative Zielsetzung bzgl. des Erhalts und der Inwertsetzung
erschwere.
FABIAN LEMMES (Bochum) stellte ein neues, breit angelegtes
Forschungsprojekt
vor, das das Ziel verfolgt, eine vergleichende, transnationale
deutsch-französische Mikrosozialgeschichte der
Deindustrialisierung als
Erfahrungs- und Emotionsgeschichte zu schreiben und deren
Auswirkungen auf
soziale Bindungen, Verhältnisse von Arbeiterinnen und Arbeitern
zur Politik
sowie Netzwerke der Soziabilität zu untersuchen, die zuvor die
Arbeitswelt
strukturierten. Fruchtbar erschien der Ansatz insbesondere
dadurch, dass statt
makroökonomischer Analysen die Emotionsgeschichte einen neuen
Zugang bieten
kann, der bisher wenig berücksichtigt wurde. Gefühle wie Wut,
Angst und Trauer
resultieren schließlich in Praktiken und bestimmen menschliches
Handeln,
weshalb sie als Diskursweiser verstärkt berücksichtigt werden
sollten.
JULIA WAMBACH (Berlin) knüpfte mit ihrem Vortrag an diese Frage
an. Sie forscht
im Rahmen desselben Forschungsprojektes zur Entwicklung von
Solidarität seit
den 1960er-Jahren in Deutschland und Frankreich. Als Fallbeispiele
stellte sie
Lens im nordfranzösischen Kohlenbecken und Gelsenkirchen im
nördlichen
Ruhrgebiet gegenüber, beide Kommunen sind Bewahrer der
Bergbautradition und
zugleich Verlierer der Krise, wofür hohe Arbeitslosenzahlen und
Armut bezeichnend
sind. Was hält die Bewohner der Gebiete zusammen, nachdem die
Arbeit in der
Industrie verschwand? Dass sich neue Formen der Solidarität
bildeten, wenn auch
nicht mehr über die gemeinsame Arbeit, veranschaulichte Wambach am
Beispiel der
Fußballclubs FC Schalke und RC Lens, die sich zumindest ab den
1980er-Jahren
verstärkt mit Themen wie Arbeitslosigkeit auseinandersetzten und
dadurch auch
neue Orte der Solidarität und Zusammengehörigkeit bilden konnten,
so Wambach.
Die Untersuchung hat das Ziel, das bisherige, medial vermittelte
schlechte
Image der Städte zu hinterfragen. In der Diskussion kam die Frage
auf,
inwiefern tatsächlich von einem ehemals durch die Arbeit
evozierten
Zusammengehörigkeitsgefühl gesprochen werden kann oder ob auch
dieses zunächst
nachgewiesen werden müsse.
In der Sektion „Gender“ wurde die Frage nach Geschlechterkonzepten
und
-konstruktionen im Bergbau erörtert und diskutiert, wobei die
Vortragenden zu
ähnlichen Ergebnissen und Schlussfolgerungen gelangten. SEBASTIAN
KNOLL-JUNG (Heidelberg)
zeigte mit seiner Untersuchung zu Arbeitsunfällen und
Unfallverhütung im
Kaiserreich, dass die Risiken des Berufes das Leitbild des starken
und harten
Mannes festigten, was Maßnahmen der Risiko- und
Gesundheitsprävention hemmte.
Verklärungen von Bedrohungen, Abgestumpftheit und das
Herunterspielen von
Schmerz blockierten teils präventive Maßnahmen. Während
Unfallverhütungsmaßnahmen wie beispielsweise Schutzausrüstungen
von den
Arbeitern teils als Schwäche gedeutet wurden, wurde die Familie
als positiver
Einflussfaktor betrachtet, indem an die Rolle des Mannes als
Ernährer und somit
an sein Verantwortungsbewusstsein appelliert wurde. Zu ähnlichen
Ergebnissen
gelangte CHARLOTTE ULLMERT (Saarbrücken), die die Lehrlingszeitung
„Der junge
Bergmann der Saargruben“ nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die
1960er-Jahre auf
Männlichkeitsaspekte hin untersuchte. Auch hier zeigte sich, dass
sich das Bild
des „starken Mannes“ nicht grundsätzlich gewandelt hatte,
propagierte das
Unternehmen dieses doch förmlich. Die Abwertung von Schwäche als
„unmännliche“
Eigenschaft, die Pathetisierung des Berufes, die Abgrenzung von
anderen
Berufsgruppen und die Verklärung des Bergarbeiters zum Helden ließ
sie
Vergleiche zum Soldaten und Militär schließen. Dort seien ähnliche
Images
vertreten, die jedoch im Falle von Unfall und Tod sinnstiftend
wirken können.
Die Rolle der Frau und Konstrukte von Weiblichkeit in
Bergbauregionen stellt
hingegen ein Forschungsdesiderat dar, wie BIRGIT METZGER
(Saarbrücken) zeigte.
Obwohl Frauen in Kriegszeiten sowohl im Bergbau eingesetzt wurden
und auch bei
Streiks und Umweltkonflikten ihr Engagement zeigten, wurden ihre
Lebensbedingungen und ihre Aktivitäten bisher kaum untersucht,
auch tauchen sie
in der industriekulturellen Erinnerung nur am Rande auf. Dabei
profitierten
Frauen weniger von den wirtschaftlichen Vorteilen der
Montanindustrie und
litten gleichzeitig unter den negativen Auswirkungen wie Wasser-
und
Bodenverschmutzung. Hier liegt ein besonderes Potential in der
künftigen
Forschung, eine geschlechtergerechte Geschichte zu schreiben, in
der
Rollenbilder mit Blick auf Ursprünge, Symbiosen und Entwicklungen
analysiert
werden.
Die dritte Sektion eröffnete JOANA BAUMGÄRTEL (Saarbrücken), die
das
Prämienhaussystem der saarländischen Bergarbeiter seit der Mitte
des 19.
Jahrhunderts, die von der Régie des Mines de la Sarre eingeführte
Baudarlehensabteilung sowie das Prinzip der
Bauinteressensgemeinschaft
vorstellte. Alle Maßnahmen verfolgten das Ziel, Arbeitnehmer an
den Arbeitgeber
zu binden und wurden gegebenenfalls auch als Druckmittel
eingesetzt. Mit dem
Rückgang der deutschen Montanindustrie und der Verringerung der
Zahl der
Arbeiter lief auch das Modell der Bauinteressensgemeinschaften
aus, was die
prozesshafte Ablösung von der Montanindustrie in der Saarregion
zeige. THOMAS
FLÄSCHNER (Saarbrücken) widmete sich in seiner Untersuchung zu
Arbeitswegen
einem bisher kaum berücksichtigten Untersuchungsgegenstand. Die
aufschlussreiche Beschreibung der Bestreitung des Arbeits- und
Anfahrtsweges der
saarländischen Bergarbeiter zeigte einen elementaren Bestandteil
des
Arbeitsalltags, war der Weg oftmals schwer zu bestreiten.
Bezeichnungen der
Arbeiter als „Hartfüßler“ und „Ranzenmänner“ fanden so Einzug in
die
Alltagssprache. Konflikte zwischen Arbeitern und dem
Eisenbahnpersonal sind in
archivalischen Quellen gut dokumentiert und füllen so die
Leerstelle im Alltag,
den wortwörtlichen Übergang zwischen Heim- und Arbeitsstätte. Die
Entwicklung
einer saarländischen Industriestadt im 19. und 20. Jahrhundert am
Beispiel St.
Ingbert zeigte HEIDEMARIE ERTLE (Saarbrücken), wobei sie auf die
Besonderheiten
zwischen den preußischen und bayrischen Saarstädten aufmerksam
machte. Gehörte
St. Ingbert zum Bayrischen Königreich, führte die politischen und
geografischen
Faktoren dazu, dass neben der Entwicklung zur Industriestadt auch
ein urbanes
Zentrum entstand, das dazu beitrug, ökonomische Krisen im späteren
20.
Jahrhundert gut zu bewältigen. Zu den Besonderheiten zählte auch
der Einsatz
von 22 Frauen als Grubenbetreiberinnen, was nochmal auf die
Relevanz der
Aufarbeitung von Geschlechterrollen im Bergbau verwies. Der Frage,
wie sich
bergmännische Arbeit und Alltag im langen Strukturwandel ab Ende
der
1950er-Jahre gestaltete, ging STEFAN MOITRA (Bochum) nach. Dabei
rückten drei
Faktoren in den Fokus: der Umgang mit technischem Wandel, mentale
Veränderungen
insbesondere im Hinblick auf hierarchische Strukturen sowie die
Zechenschließungen in Verbindung mit Verlegungen der Belegschaft
in aktive
Bergwerke. Aus umfangreichem Interviewmaterial konnten
Veränderungen
nachgezeichnet werden, so zum Beispiel das Einführen neuer
Betriebsführungsmodelle oder auch die anfänglichen Schwierigkeiten
der
Bergarbeiter mit dem Umgang technischer Neuerungen und Maschinen.
Zudem kristallisierte
sich in den Interviews das Leiden unter dem Verlust von Heimat bei
Verlegungen
in andere aktive Nachbarzechen heraus, genauso wie der schwere
Umgang der
Bergmänner mit Entlassungen in den vorzeitigen Ruhestand.
Die vierte Sektion über Konflikte und Krisen eröffnete FRANK
HIRSCH
(Saarbrücken). Er erörterte die Völkerbundzeit an der Saar und die
Konflikte
zwischen den saarländischen Bergarbeitern und der
Regierungskommission.
Dadurch, dass die Arbeiter sich durch die französische Besatzung
unterdrückt sahen,
wuchsen eine Reihe von Streitereien, Streiks und
Auseinandersetzungen, die
durch den Ruhrkampf noch befeuert wurden. Wobei hier deutlich
wurde, dass die
Bergarbeiter sich für ihre eigenen Interessen stark einsetzten und
sich teils
auch darin behaupten konnten. Dennoch zeigte das harte Vorgehen
der
französischen Grubenverwaltung und Massenentlassungen in der
wirtschaftlichen
Krise Ende der 1920er-Jahre seine Konsequenz in der Saarabstimmung
1935, bei
der über 90 Prozent für eine Rückkehr ins Deutsche Reich stimmten
und damit
Hitler den ersten außenpolitischen Erfolg einbrachte. An dieser
Stelle
interessierte der Vergleich mit der erneuten französischen
Besatzungszeit nach
dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere ob und welche
Konfliktpotentiale sich auftaten.
Zahlreiche Auseinandersetzungen konnte auch AMERIGO CARUSO (Bonn)
für die
Bergarbeiterstreiks im Kaiserreich aufzeigen. Diese verliefen eben
nicht
friedlich und kontrolliert wie bisher angenommen, sondern äußerten
sich trotz
der Disziplin der Arbeiterbewegung in einer Art „kleinen Gewalt“,
wie Caruso
diese bezeichnete. Darunter zählen Belästigungen von
„Arbeitswilligen“ und
Streikbrechern, Drohbriefe und das Tragen von
„Rechtschutzrevolvern“, die ein
neues Bild der Streikbewegung zeichneten, wurde diese auch als
akute Bedrohung
für die Sicherheit im Kaiserreich wahrgenommen. HANS-CHRISTOPH
SEIDEL (Bochum)
arbeitete charakteristische Ausprägungen der Zwangsarbeiter- und
Ausländerbeschäftigung im Steinkohlenbergbau während des Zweiten
Weltkriegs
heraus. Zentral hierbei schien der hohe Anteil der sowjetischen
Kriegsgefangenen ab 1941/42, die mit Abstand die größte nationale
Gruppe in
allen Steinkohlenrevieren darstellte. Gewalterfahrungen und
Mangelernährung,
insbesondere die sogenannte „Leistungsernährung“, bei der
besonders
leistungsstarke Zwangsarbeiter als Belohnung die Nahrungsration
der schwachen
Zwangsarbeiter erhielten, demonstrierten das grausame
Zwangsarbeiterregime der
Reichsvereinigung Kohle. Obwohl der Steinkohlenbergbau nicht
Initiator der Brutalitäten
war, so war er doch maßgeblich an Ausbeutung und Folter beteiligt.
NINA SCHMIT (Saarbrücken) fragte in ihrem Vortrag nach der
In-Wert-Setzung
ehemaliger Bergbaustandorte am Beispiel des ehemaligen
saarländischen Bergwerks
Reden und verdeutlichte die gegensätzlichen Interessen bei der
zukünftigen
Entwicklung der industriellen Relikte. Der als „Erlebnisort Reden“
beworbene
Ort würde zwar durch sein vielfältiges Angebot an Natur,
Naherholung und
Eventtourismus als Erfolg betrachtet, doch zeigen die Probleme bei
der
Durchsetzung von Ideen und Plänen auch die Konfliktpotentiale auf:
Fragen der
Sicherheit, Artenschutz und der Erhalt als Kulturdenkmal stehen
einer
touristischen Nutzung gegenüber und eröffneten ein Spannungsfeld
zwischen
Wirtschaftlichkeit und Industriekultur, wie es für sämtliche
Bergbaustandorte
gelten könne.
MICHAEL FARRENKOPF (Bochum) resümierte im abschließenden
Kommentar, dass der
Bergbau als Bestimmer globaler Prozesse gelte, allein dadurch
bedingt, dass
Fragen nach dem Umgang mit fossilen Rohstoffen seit jeher ein
entscheidender
Faktor für Gesellschaft, Technologie und Umwelt darstellen. Damit
eröffne sich
ein Spannungsfeld zwischen Lokalität, Distribution, Konsum und den
ökologischen
Folgen des Bergbaus, das auch in der künftigen Forschung als zu
berücksichtigen
sei. Erinnerungsnarrative seien ebenfalls von entscheidender
Bedeutung,
verhelfen sie der Geschichtsschreibung des Bergbaus zu
Authentizität und
wirkten auf historisierende Perspektiven korrigierend. Allgemein
stelle sich
die Frage in der künftigen Forschung nach der Konstruktion von
Raum und
Materialität, Umwelt und Wissen, Gesellschaft und Kultur sowie
Verflechtung und
Rückkopplung, wobei Bergbaugeschichte globaler werden müsse –
insbesondere
unter Berücksichtigung der vielen beteiligten Akteure und Gruppen,
die
miteinander verknüpft sind und auch in wechselseitigen
Austauschbeziehungen
zueinanderstehen.
Insgesamt verdeutlichte die Tagung die Fülle an Themen und
Perspektiven, die
teils trotz der enormen Bedeutung des Steinkohlenbergbaus für
Deutschland noch
etliche Forschungslücken aufweisen. Unberücksichtigte
Quellenbestände und
Zeitzeugeninterviews gilt es nun aufzugreifen und auszuwerten und
somit die
Bergbaugeschichte voranzutreiben. Neuere Perspektiven,
insbesondere was neue
Formen der Erinnerungskultur, Gender- und Emotionsgeschichte sowie
die
Berücksichtigung weiterer Industriezweige als Teil einer
gesamthistorischen
Industriegeschichte betrifft, können sich auch für das Saarland
als fruchtbar
erweisen.
Konferenzübersicht:
Öffentlicher Abendvortrag
Stefan Berger (Bochum): Urbane Künste Ruhr im Strukturwandel:
Erinnerung an
Industrialisierung und Deindustrialisierung
Sektion 1: Deindustrialisierung
Moderation: Stefan Berger (Bochum)
Juliane Czierpka (Bochum): Strukturwandel im Schatten von Kohle
und Stahl. Das
Ruhrgebiet
Delf Slotta (Saarbrücken): Zum kulturellen Erbe des Saarbergbaus –
Gebäude,
technische Anlagen, Landschaftsbauten und Bergbaulandschaften
Fabian Lemmes (Bochum): Für eine Erfahrungs- und
Emotionsgeschichte der
Deindustrialisierung
Julia Wambach (Berlin): Das Ende der Solidarität?
Deindustrialisierung in
Deutschland und Frankreich seit den 1960er-Jahren
Sektion 2: Gender
Moderation: Jonas Nesselhauf (Saarbrücken)
Sebastian Knoll-Jung (Heidelberg): Der Bergmann an der Saar
zwischen Peer
Group, Familie und sozialem Umfeld – Aspekte von Männlichkeit im
Kontext von
Arbeitsunfällen und deren Folgenbewältigung
Charlotte Ullmert (Saarbrücken): “Ein Bergmann will ich werden...”
Konzepte von
Männlichkeit im saarländischen Steinkohlenbergbau
Birgit Metzger (Saarbrücken): Konstruktionen von Weiblichkeit –
Fallbeispiele
aus der Saarregion
Sektion 3: Alltag und Biografien
Moderation: Barbara Krug-Richter (Saarbrücken)
Joana Baumgärtel (Saarbrücken): Bauen in Gemeinschaft – Zur
Eigenheimkultur im
saarländischen Bergbau nach dem Zweiten Weltkrieg
Thomas Fläschner (Saarbrücken): “Seitdem die Bahn fährt, ist ja
das
Schaffengehn auf die Grub een Plaisir” – Die Nutzung der Eisenbahn
durch die
Bergarbeiter des Saarreviers
Heidemarie Ertle (Saarbrücken): Gebaut auf schwarzem Gold – Die
Stadt St.
Ingbert und der Bergbau
Stefan Moitra (Bochum): “Ich habe Untertage nicht mehr
wiedererkannt.” –
Bergmännische Arbeit und Alltag im langen Strukturwandel
Sektion 4: Konfliktfelder und Krisen
Moderation: Gabriele Clemens (Saarbrücken)
Frank Hirsch (Saarbrücken): Bergbau im Saargebiet – Zwangslagen
und Dauerkrise
Amerigo Caruso (Bonn): Bedrohung an Ruhr und Saar –
Bergarbeiterstreiks und die
Sicherheitsarchitektur des Deutschen Kaiserreichs
Hans-Christoph Seidel (Bochum): Ausländerbeschäftigung und
Zwangsarbeit im
deutschen Steinkohlenbergbau während des Zweiten Weltkriegs
Nina Schmit (Saarbrücken): Konfliktpotenzial im Umgang mit dem
Erbe des
saarländischen Steinkohlenbergbaus
Fazit und Abschlusskommentar
Michael Farrenkopf (Bochum)
Zitation
Tagungsbericht: Eine Welt der Kohle. Historische Perspektiven auf
den Bergbau
im Saarrevier im überregionalen Vergleich, In: H-Soz-Kult,
17.12.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-131965>.