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2022/11/20 18:36:52 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Vorgestern in St. Wende l“ - alt und neu |
Datum | 2022/11/27 00:03:03 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zoom-Vortrag "Tiroler Auswanderer ins Saarland" |
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2022/11/16 23:37:07 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Fürstliche Korrespondenzen de s 19. und 20. Jahrhunderts |
Betreff | 2022/11/18 10:43:30 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] konsulatsmatrikel-und-passregister |
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2022/11/20 18:36:52 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Vorgestern in St. Wende l“ - alt und neu |
Autor | 2022/11/27 00:03:03 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zoom-Vortrag "Tiroler Auswanderer ins Saarland" |
Date: 2022/11/22 11:24:32
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Guten Morgen,
im September mußte ich abwägen - eine Woche auf einem Segelschiff
auf der Ostsee
um Rügen herum oder an einem Seminar über Hexenverfolgung
teilnehmen.
Die Segeltour war pure Erholung und hat viel Spaß gemacht, obwohl
- das Seminar
…
Roland Geiger
Hexen im Heiligen Reich:
Die
Hexenverfolgung in geistlichen Territorien
Organisatoren
Wolfgang Behringer, Lehrstuhl für Frühe Neuzeit, Universität des
Saarlandes,
Saarbrücken;
Gerd Schwerhoff, Geschichte der Frühen Neuzeit, Technische
Universität Dresden;
Rita Voltmer, Geschichtliche Landeskunde, Universität Trier;
Johannes Kuber, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
88250 Weingarten
Vom - Bis 14.09.2022 - 17.09.2022
Von Eva Stempelova, Historisches Seminar, Universität Zürich
Die Germania Sacra spielte gemäß dem aktuellen Forschungskonsens
bei den
Hexenverfolgungen im Heiligen Römischen Reich eine bedeutsame
Rolle. Die
bestimmenden Faktoren sind jedoch, wie WOLFGANG BEHRINGER
(Saarbrücken) in der
Tagungseinführung erläuterte, nicht hinlänglich erforscht. Ebenso
wenig der
Umstand, dass für einzelne geistliche Territorien keine intensiven
Prozesswellen nachweisbar sind, was nicht ausschließlich auf
Quellenverluste
zurückzuführen ist. Erklärungsansätze auf diese Leitfragen zu
erarbeiten, war
Zielsetzung der zwölften internationalen Tagung des Arbeitskreises
Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH).
Die erste Sektion „Allgemeine Rahmenbedingungen“ leitete GERD
SCHWERHOFF
(Dresden) mit einer Übersicht zur Typologie geistlicher Staaten
ein, die im
Wesentlichen eine Eigenheit des Heiligen Römischen Reiches waren.
Der
geistliche Fürst hatte ein Doppelamt als princeps et episcopus
inne und verfügte
aufgrund der Reichsunmittelbarkeit seiner Landesherrschaft über
weitgehende
Souveränität, die sich auch auf den Justizbereich erstreckte. Die
geistlichen
Gebiete machten lediglich etwa 15 Prozent des Alten Reiches aus,
doch gerade
auf diese entfallen rund 40 Prozent aller belegten Hexerei- und
Zaubereiprozesse. Hier fanden auch die Früh- und Spätphasen der
Hexenverfolgungen statt. Daraus ergab sich die Frage, welche
Merkmale die
Verfolgungen begünstigen konnten und ob es sich im Vergleich zu
weltlichen
Territorien um Sondermerkmale handelte. In Anlehnung an das
politikwissenschaftliche Konzept der fragilen bzw. scheiternden
und
gescheiterten Staaten (fragile/failed states) verwies WOLFGANG
BEHRINGER
(Saarbrücken) auf Defizite kirchlicher Staatlichkeit als mögliche
relevante
Faktoren. Diese unterteilte er in die verknüpften Ebenen der
Structure und
Agency. Zur ersteren zählt etwa der Wahlcharakter des geistlichen
Fürstenamtes,
da sich beispielsweise Konflikte zwischen dem Kirchenfürsten und
den ihn erwählenden
Landständen (Dom- oder Stiftskapiteln) ergaben. Zur Agency die
weitgehend
konfessionell motivierten Reformbestrebungen des Landesherrn.
Letztlich seien
die beiden Ebenen hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung
gegeneinander
abzuwägen. In ihrem öffentlichen Abendvortrag erörterte RITA
VOLTMER (Trier)
die Genese des „Hexenbischof“-Stereotyps in unterschiedlichen
konfessionellen
Diskursen und dessen Popularisierung in heutigen Medien. Die
Behauptung,
katholische Fürstbischöfe initiierten Massenverfolgungen
vermeintlicher Hexen,
findet sich in kontroverstheologischen Schriften ab dem 16.
Jahrhundert.
Hauptsächlich lutherische Theologen (z. B. Georg Nigrinus), doch
auch einzelne
katholische Kritiker (Adam Tanner) waren an der Verbreitung des
Narrativs beteiligt.
Es wurde vermittels frühneuzeitlicher Medien, insbesondere
protestantischer
Flugblätter, reichsweit rezipiert. Später trug aufklärerische
Literatur zur
Perpetuierung des Stereotyps bei (Christian Thomasius). Die
plakative
Bezeichnung „Hexenbischof“, zunächst im frühen 19. Jahrhundert
belegt, wird in
der heutigen Mediensprache synonym zu „Hexenbrenner“ verwendet und
ostentativ
für eine unterstellte Hauptverantwortung der katholischen Kirche
an
Massenhinrichtungen Unschuldiger.
Am zweiten Konferenztag begann die Sektion „Inquisition und
Seelsorge“ GEORG
MODESTIN (Freiburg im Üechtland) mit dem Vortrag zu einem
Epizentrum früher
Hexenverfolgungen, das im Wesentlichen der heutigen Westschweiz
entspricht,
wobei die Fürstbistümer Lausanne, Sitten und Genf im Fokus waren.
Hier urteilte
über das Hexereidelikt seit dem frühen 15. Jahrhundert zunächst
ein geistliches
Gericht, dem ein dominikanischer Inquisitor und je ein Vertreter
des
Ortsbischofs sowie des Herzogs von Savoyen (Vogt) beiwohnten. Im
Falle eines Schuldspruchs
folgte ein weiterer Prozess vor einem weltlichen Gericht,
präsidiert durch den
savoyisch-herzoglichen Vogt, das für die Strafzumessung zuständig
war. Vor dem
Hintergrund interferierender Gerichtsbarkeits-Ansprüche kam es
wiederholt zu
Konflikten zwischen den geistlichen und weltlichen Autoritäten.
Nach Auflösung
der Dominikanerinquisition im frühen 16. Jahrhundert übernahm die
weltliche
Justiz die Prozessabwicklung. Aus vergleichender Perspektive
beleuchtete IRIS
GAREIS (Frankfurt am Main) die Jurisdiktion in den spanischen
Königreichen
(Aragon und Kastilien) sowie Überseegebieten. In der Rechtspraxis
wurde
zwischen brujería "Hexerei" unterschieden, deren Hauptbestandteil
das
Maleficium war, und hechicería "Zauberei", besonders Glücks- und
Liebeszauber,
Krankenheilung oder Schatzsuche. Delikte der letzteren Kategorie
wurden
grundsätzlich milder geahndet. Die Inquisition (die Spanische
Inquisition sowie
die apostolische Inquisition Aragons) und die geistlichen Gerichte
führten
überwiegend Prozesse wegen Zauberei und nahmen zur Hexerei eine
kritische
Stellung. Die geistliche Obrigkeit versuchte gar, den populären
Hexenglauben
einzudämmen: So wandten sich einzelne Bischöfe an die Priester mit
einer Bitte,
die Bevölkerung in Predigten über die natürlichen Ursachen für
Unwetter
aufzuklären. Dennoch brach immer wieder Hexenpanik aus und die
Verdächtigten
wurden in erster Linie vor weltlichen Gerichten, teils zu
Hunderten,
exekutiert. Aus Jahresberichten (Litterae annuae) erschloss FRANK
SOBIECH
(Würzburg) die Tätigkeit des Jesuitenordens als Kerkerseelsorger
und Prediger
in den Hochstiften Würzburg und Paderborn im 16. bzw. 17.
Jahrhundert. Bei der
Seelsorge, welche die Constitutio Criminalis Carolina (1532)
maßgeblich
regelte, war es den Jesuiten nicht gestattet, in das
Prozessgeschehen
einzugreifen. Somit war auch Fürsprache für Hexerei-Angeklagte
untersagt,
dennoch kam es zu Ausnahmefällen. Andererseits predigten die
Mitglieder der
Societas über das dämonologische Hexereidelikt. Welche
Auswirkungen dies haben
konnte, wurde im Plenum ausgiebig diskutiert.
In der Sektion über „Geistliche Kurfürstentümer“, die zu Gebieten
mit den
Höchstzahlen der Prozessopfer gehören, analysierte PETER ARNOLD
HEUSER (Bonn)
die Justizpraxis in Kurköln. Hier fiel die Hexenverfolgung
größtenteils mit der
Regierung der bayerischen Wittelsbacher-Linie zusammen (reg.
1583-1763), die
sich ihre Herrschaft durch eine Quasi-Sekundogenitur sicherte (ein
jüngerer
Bruder des bayerischen Herzogs wurde Kurfürst von Köln). Die
Verfolgung intensivierte
sich unter Erzbischof Ferdinand von Bayern (reg. 1612-1650), der
1607 Die
kurkölnische Hexenprozessordnung erließ. Die Urteilsfällung
erfolgte indessen
dezentral, durch die obrigkeitlich legitimierten Lokalgerichte.
Heuser betonte
abschließend die Bedeutung Kölns als eines Zentrums des
europäischen
Buchdrucks, welcher zur Verbreitung der Hexenlehre wesentlich
beitrug. An sein
Promotionsthema anknüpfend, erörterte JOHANNES DILLINGER (Oxford)
die
politische Bedeutung der Hexenverfolgungen im Kurfürstentum Trier.
Die
Kurtrierer Herrschaftspraxis war kommunalistisch geprägt: Die
Zentralregierung
berief Landtagsversammlungen, wo Abgeordnete der Stadt- und
Dorfgemeinden
Mitsprache an der Regierung hatten. Die weitreichende
Selbstverwaltung äußerte
sich auch darin, dass von den dörflichen Kommunen gewählte und
finanzierte
Hexenausschüsse die Prozesse organisierten. Diese waren jedoch
nicht nur
kostenaufwendig, durch die eigenständige Anstellung von Beamten
(Rechtsanwälten, Schreibern) schien eine alternative
Institutionen- und
Staatsbildung voranzugehen. Hinzu kam, dass Mitglieder der
stadttrierischen
Elite, Gefolgsmänner des Kurfürsten, als Hexenmeister verurteilt
wurden (z. B.
Dietrich Flade). 1652 veranlasste Kurfürst Karl Kaspar von der
Leyen die Beendung
der Verfolgung, da sie inzwischen die Form eines radikalisierten
Kommunalismus
angenommen hatte und somit einer Aberration der Kooperation
zwischen Staat und
Gemeinde.
Zum Thema „Klosterterritorien“ leistete BIRGIT KATA (Kempten)
einen Beitrag
über die benediktinische Fürstabtei Kempten. In diesem
ostschwäbischen Südteil
des Reiches scheint es verhältnismäßig wenige Hexereiverfahren
gegeben zu
haben. Insgesamt sind zehn Prozesse mit Todesurteil zwischen 1618
und 1755
dokumentiert. Hingegen kam es in benachbarten Landesbezirken,
besonders in dem
südöstlich angrenzenden Fürstbistum Augsburg, seit dem 16.
Jahrhundert zu
intensiven Verfolgungen, teils angeregt durch den Oberallgäuer
„Hexenfinder“ Chonrad
Stoeckhlin, worüber Wolfgang Behringer eine mikrohistorische
Studie verfasst
hat. Diese Diskrepanz ist gemäß Kata auf eine ablehnende
Stellungnahme der
Fürstäbte zurückzuführen, auf die der Quellenbefund hindeutet. Die
Medien
zeichnen indes ein anderes Bild: Der Prozess gegen Anna Maria
Schwegelin (1775)
wird weiterhin als die letzte Hexenhinrichtung auf dem Gebiet des
heutigen
Deutschlands inszeniert, obschon Wolfgang Petz nachgewiesen hat,
dass das von
Fürstabt Honorius Roth von Schreckenstein handsignierte
Todesurteil nicht
vollstreckt wurde.
Zu Beginn des dritten Konferenztages wurden „Fränkische
Hochstifte“, eine
weitere verfolgungsintensive Gegend, in Augenschein genommen.
ROBERT MEIER
(Marburg) referierte über die Hexenprozesse im Fürstbistum
Würzburg, deren
Beginn mit dem Episkopat Julius Echters von Mespelbrunn (reg.
1573-1617)
zusammenfällt. Unter der Prämisse, in den fränkischen
Reichsstiften wurden die
Verfahren nach dem top-down Schema initiiert, wies die frühere
Forschung dem
Fürstbischof die Einleitung der Prozesse zu. Meier machte auf
seinen bedeutenden
Quellenfund aufmerksam, der auf ein bottom-up Muster hindeutet:
Suppliken
bezüglich Hexereiverdächtigungen aus den Remlinger Gemeinden, die
Echter
urschriftlich an das zuständige Zentgericht in Remlingen
weiterleitete. Für die
Zent (Gerichtsbezirk) Gerolzhofen mit den höchsten
Verurteilungsquoten des
Hochstiftes bis 1618 betonte Meier die Initiative des Zentgrafen
Valentin
Hausherr und plädierte für eine Entlabelung Echters als
Hexenverfolger. Im
ähnlichen Sinne verwies JONATHAN DURRANT (Pontypridd) auf die
Relativität eines
Zusammenwirkens von konfessionell geprägter Verfolgungsinitiative
und
Justizgewalt. Als Beispiel nannte er die Massenverfolgungen in dem
fränkischen
Hochstift Eichstätt, die zur Amtszeit Fürstbischofs Johann
Christoph von Westerstetten
(reg. 1612-1637), eines strebsamen Gegenreformators, kulminierten.
Zum
Vergleich zog Durrant die größte bekannte Ermittlung gegen
vermeintliche Hexen
auf englischem Boden heran, die sich im elisabethanischen England
(1582) in der
Küstenstadt St Osyth zutrug, im Osten der Grafschaft Essex. Zwei
der vierzehn
Verdächtigten, Ursley Kempe und Elizabeth Bennet, legten vor dem
städtischen
Magistratsangestellten Brian Darcey ein Geständnis ab, nachdem er
ihnen
Nachsicht zusicherte. Aufgrund dieser Selbstbezichtigungen wurden
beide durch
das zuständige Gericht in Chelmsford zur Todesstrafe verurteilt,
die anderen
freigesprochen. Durrant merkte an, es hätte womöglich mehr
Verurteilungen (oder
eine weiterreichende Hexenermittlung) gegeben, hätte Darcey ein
höheres
Justizamt ausgeübt.
Wie USCHI BENDER-WITTMANN (Minden) nahelegte, zählte unter
„Rheinisch-westfälische Hochstifte“ mit hohen Prozessraten wohl
auch Minden,
das mit dem Westfälischen Frieden 1648 ein Fürstentum wurde. Von
den rund 240
dokumentierten Verfahren datieren lediglich acht vor die
Säkularisierung und in
die Amtszeit eines Mindener Administrators, Herzog Christians des
Älteren von
Braunschweig-Lüneburg (reg. 1599-1630). Allerdings ist die
Quellenlage für das
Hochstift prekär. Dass in der östlich angrenzenden Grafschaft
Schaumburg und im
Mindener Fürstbistum zeitgleich Prozesse nachweisbar sind
(1604-1607), wertet
Bender-Wittmann als ein Indiz auf überterritoriale
Verfolgungswellen und
darauf, dass die Prozesszahlen weiter nach oben zu korrigieren
sind. SARAH
MASIAK (Detmold) präsentierte die Ergebnisse ihres unlängst
publizierten
Dissertationsprojekts zur Hexenverfolgung und sozialer
Stigmatisierung in der
Gemeinde Fürstenberg im Hochstift Paderborn. Mit
kriminalsoziologischem und
sozialpsychologischem Forschungsansatz erschloss sie die
Lebensumstände der
sogenannten „Teufelskinder“ (deüffelskinder), Angehöriger von
Familien, deren
einzelne Mitglieder im Laufe des 17. Jahrhunderts
generationsübergreifend der
Hexerei verdächtigt und verurteilt wurden. Aus Gerichtsakten
arbeitete Masiak
die Ausgrenzungspraktiken der Ortsgemeinschaft heraus sowie die
Verteidigungsstrategien der Betroffenen. Grundsätzlich sollte kein
sozialer
Kontakt mit den „Hexenfamilien“ gepflegt werden, die sich wiederum
durch Heiratsbündnisse
zusammenschlossen.
Im Themenfeld „Außerdeutsche geistliche Territorien“ untersuchte
HANSJÖRG
RABANSER (Innsbruck) das Hochstift Brixen an der Ostgrenze der
Grafschaft
Tirol. Anhand des bislang gesichteten Quellenmaterials ist für
keines der beiden
Bezirke auf obrigkeitlich angeordnete Hexenermittlungen zu
schließen.
Bekanntlich hat Georg II. Golser Heinrich Kramers Bemühungen, 1485
in Innsbruck
eine Hexeninquisition zu veranstalten, ein schnelles Ende
bereitet. Indessen
wurden mehrere der Hexerei Denunzierte nach Brixen überstellt,
verfügte doch
das Stadtgericht über Hochgerichtsbarkeit (so etwa 1573 zwölf
Personen aus dem
südlich liegenden Val di Fassa). Die Letztentscheidung oblag
jedoch stets dem
Bischof bzw. seinem Hofrat. PETR KREUZ (Prag) stellte einen
außergewöhnlichen
Fall vor: Als das schlesische Fürstentum Neisse unter Karl
Ferdinand Wasa,
Erzbischof von Breslau, intensive Prozesswellen erschütterten,
wurden 1651 in
der Stadt Zuckmantel (heute Zlaté Hory in Tschechien) zwei Frauen
festgenommen:
Maria Anna Tittel und ihre Mutter. Erstere bezichtigte im
peinlichen Verhör
ihre in Prag wohnhafte Schwester Ursula Kupferschmiedin der
dämonischen
Hexerei. Diese wurde im Folgejahr auf Befehl Kaiser Ferdinands
III. durch das
Prager Appellationsgericht zwei Mal verhört, ehe sie in Haft
verstarb.
Der letzte Konferenztag wurde mit der Sektion „Komparative
Ansätze“
beschlossen. ROLF SCHULTE (Ahrensburg) zeigte am Beispiel
protestantischer
Hochstifte, welche Dynamiken Hexenverfolgungen antreiben oder
eindämmen
konnten. Für Bremen erließ Fürsterzbischof Johann Friedrich von
Schleswig-Holstein-Gottorf 1603 das Edikt in Zauberei-Sachen,
welches die
Beweisführung abmilderte. Während des Dreißigjährigen Krieges,
nachdem sich
Johann Friedrich nach Lübeck zurückziehen musste, begannen die
lokalen Gerichte
auf der Ostseeinsel Fehmarn, einem Periphergebiet seiner
Herrschaft, autonom zu
verurteilen. Für das Hochstift Verden sind die meisten Verfahren
in der
gleichnamigen Stadt zu verzeichnen, die der bischöflichen
Gerichtsbarkeit
gegenüber Autonomität beanspruchte, da sie jener des Domkapitels
und des
städtischen Rates unterstand. Ab 1642 trug Heinrich Rimphoff als
Superintendent
zum Anstieg der Prozesszahlen in der Stadt bei. WALTRAUD
MAIERHOFER (Iowa City)
analysierte die Darstellung eines Kinderhexenprozesses im zweiten
Teil des
historischen Romans Die Vogelmacherin von Eveline Hasler. Die
Geschichte,
welche die Autorin im freiweltlichen Damenstift Buchau am Federsee
verortet,
basiert auf Gerichtsakten, den zufolge 1662 an der 15-jährigen
Maria Lehnerin
und ihrem 13-jährigen Bruder Isau Lehner wegen vermeintlicher
Hexerei das
Todesurteil vollstreckt wurde. Maierhofer stellte abschließend die
Frage nach
der Sinnhaftigkeit historischen Erzählens, woraus sich eine
kontroverse
Diskussion ergab. Einerseits kann dies eine Art der
Geschichtsvermittlung an
ein größeres Lesepublikum sein. Andererseits verschwimmen oft die
Grenzen
zwischen Faktizität und Fiktion, was zu einer verzerrten
Geschichtswahrnehmung
führen kann.
Die erkenntnisreiche Tagung gewährte gehaltvolle Einblicke auch in
wenig
erforschte Territorien der Germania Sacra und zeigte viele
begünstigende
Faktoren der Hexenverfolgungen auf. Der Einfluss der bischöflichen
Zentralregierung, den die frühere Forschung nachdrücklich betonte,
wurde zwar
relativiert, aber nicht negiert. Hervorgehoben wurde die oft
konfliktbeladene
Dynamik zwischen geistlichen und weltlichen Obrigkeiten,
Kirchenfürsten und
Landständen, Zentralstaat und Gemeinde oder Stadt- und
Dorfkommune. Inwieweit
es Sonderfaktoren gab, kann erst ein Vergleich zwischen
geistlichen und
weltlichen Verfolgungsregionen offenlegen. Weiterführende
Forschungen sollten
zudem eingehender die Infrastruktur geistlicher, auch
kleinräumiger Gebiete wie
Klosterherrschaften untersuchen.
Konferenzübersicht:
Johannes Kuber (Stuttgart): Begrüßung
Wolfgang Behringer (Saarbrücken): Einführung
Sektion 1: Allgemeine Rahmenbedingungen
Gerd Schwerhoff (Dresden): Geistliche Territorien im Alten Reich:
Ein
struktureller Überblick
Wolfgang Behringer (Saarbrücken): Failed States? Frühmoderne
Staatlichkeit in
der Germania Sacra
Rita Voltmer (Trier): Die Tyrannei der Hexenbischöfe: Zum Ursprung
eines
populären Narrativs
Sektion 2: Inquisition und Seelsorge
Georg Modestin (Freiburg im Üechtland): Hexenverfolgung in den
geistlichen
Herrschaften der nachmaligen Westschweiz
Iris Gareis (Frankfurt am Main): Hexenverfolgung im spanischen
Weltreich: Zur
Rolle der Inquisition im Vergleich mit der geistlichen und
weltlichen Justiz
Frank Sobiech (Würzburg): Jesuiten im Einsatz: Kerkerseelsorge in
geistlichen
Territorien
Sektion 3: Geistliche Kurfürstentümer
Peter Arnold Heuser (Bonn): Hexenjustiz im Kurfürstentum Köln:
Konjunkturen,
Strukturen und Akteure
Johannes Dillinger (Oxford): Hexenverfolgungen im Kurfürstentum
Trier
Sektion 4: Klosterterritorien
Birgit Kata (Kempten): Die Hexenprozesse in der Fürstabtei Kempten
Sektion 5: Fränkische Hochstifte
Robert Meier (Marburg): Hexenverfolgung im Hochstift Würzburg
Jonathan Durrant (Pontypridd): The Eichstätt Witch Persecutions in
Comparative
Perspective
Sektion 6: Rheinisch-westfälische Hochstifte
Uschi Bender-Wittmann (Minden): Whodunit? Hexenverfolgungen im
Fürstbistum (und
Fürstentum) Minden: Ein Problemaufriss
Sarah Masiak (Detmold): Teufelskinder: Hexenverfolgung und
gesellschaftliche
Stigmatisierung im Hochstift Paderborn (1601-1703)
Sektion 7: Außerdeutsche geistliche Territorien
Hansjörg Rabanser (Innsbruck): Hexenverfolgungspraxis im Hochstift
Brixen
Petr Kreuz (Prag): Der Widerhall der Hexenprozesse im Fürstentum
Neisse
1651-1652 in Prag und Ostböhmen
Sektion 8: Komparative Ansätze
Rolf Schulte (Ahrensburg): Protestantische Fürstbischöfe und die
Hexen:
Hexenverfolgungen in geistlichen Territorien im Norden des Reichs
Waltraud Maierhofer (Iowa City): Eveline Haslers Gestaltung eines
Hexenprozesses im weltlichen Damenstift Buchau im Roman „Die
Vogelmacherin“
Schlussdiskussion
Zitation
Tagungsbericht: Hexen im Heiligen Reich: Die Hexenverfolgung in
geistlichen
Territorien, In: H-Soz-Kult, 22.11.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-131413>.