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2022/11/10 20:25:16 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Erstürmung einer mittelalterl ichen Stadt |
Datum | 2022/11/17 08:29:55 Hans Schmitt [Regionalforum-Saar] ' |
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2022/11/10 20:25:16 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Erstürmung einer mittelalterl ichen Stadt |
Betreff | 2022/11/22 11:24:32 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Hexen im Heiligen Reich: Die Hexenverfolgung in geistlichen Territorien |
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2022/11/10 20:25:16 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Erstürmung einer mittelalterl ichen Stadt |
Autor | 2022/11/18 10:43:30 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] konsulatsmatrikel-und-passregister |
Date: 2022/11/16 23:37:07
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
[Wem der nachfolgende Text zu lang erscheint, mag recht haben.
Den verweise ich besonders auf die Besprechung des interessanten
Beitrages von Oliver Auge]
Organisatoren Hessisches Landesarchiv,
Abteilung
Staatsarchiv Darmstadt; Historisches Seminar, Goethe-Universität
Frankfurt
Förderer Kulturstiftung des Hauses Hessen
Ort Darmstadt
Vom - Bis 01.09.2022 - 02.09.2022
Von Ulrike Marlow, Anpassungsstrategien der späten
mitteleuropäischen Monarchie
am preußischen Beispiel 1786-1918, Berlin-Brandenburgische
Akademie der
Wissenschaften
Briefe enthalten persönliche Mitteilungen, so ist zumindest
unser heutiges
Alltagsverständnis vom Schriftstück Brief. In der Tagung ging es
um die Fragen,
welche inhaltlichen und äußeren Merkmale Briefwechsel zwischen
Dynastiemitgliedern
kennzeichnen und wie die in den Archiven sowohl in erschlossenem
als auch in
unerschlossenem Zustand liegenden Korrespondenzen für die
Forschung fruchtbar
genutzt werden können.
ROUVEN PONS (Darmstadt) staunte in seinen einführenden Worten
darüber, dass
fürstliche Briefe in den archivkundlichen Betrachtungen, wo
sämtliche in
Archiven befindliche Schriftstücke klassifiziert und definiert
werden, bisher
nur sehr oberflächlich und knapp betrachtet wurden[1]. Das kann sich Pons
einerseits nur
mithilfe der lange nachwirkenden These vom Niedergang des Adels
im 19.
Jahrhundert erklären und andererseits mit der Schwierigkeit der
Aktenkunde,
fürstliche Briefe als amtliches und damit archivwürdiges Gut zu
klassifizieren.
Nach einer Erinnerung an eine kleine Blüte von Editionen
fürstlicher Briefe aus
den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts[2] forderte er dazu auf,
diese
Korrespondenzen heute mit geeigneten Handwerkszeug auszuwerten
und dabei die
Digital Humanities zu Hilfe zu nehmen. Ziel sollte es sein,
Formen von
fürstlicher Korrespondenz, übliche Grundstrukturen sowie häufige
Inhalte
herauszuarbeiten.
ANDREAS FAHRMEIR (Frankfurt am Main) rief den Brief als
traditionelles Medium
bzw. Ort der Selbstinszenierung und Reflexion in Erinnerung,
aber auch als eine
aufschlussreiche Quelle bei der Beantwortung der Frage nach der
Entwicklung von
Monarchien im 19. Jahrhundert zu Medienmonarchien.
Die Vorträge der ersten Sektion vermaßen die historische
Dimension von
fürstlicher Korrespondenz. Die Forschungsinteressen der neuen
Monarchiegeschichte liegen besonders auf Verfassungen,
Öffentlichkeit und
Medien sowie auf der Kommunikation, resümierte FRANK-LORENZ
MÜLLER (St.
Andrews). Er plädierte dafür, dass die Monarchiegeschichte die
aktive Rolle der
Monarchen und ihrer engen Umgebung wieder mehr in Betracht
nehmen solle, wofür
sich die Analyse von Egodokumenten wie Briefen eigne. Müller sah
es kritisch,
dass (konstitutionelle) Monarchen des 19. Jahrhunderts in der
neuen
Monarchiegeschichte zu sehr als „Grüßonkel“ interpretiert würden
und
einflussnehmende Monarchen wie Kaiser Wilhelm II. oder König
Ludwig II. von
Bayern dann vielleicht zu vorschnell als anachronistisch
klassifiziert werden.
Der fürstliche Brief sei vor allem ein Gebrauchsgegenstand
zwischen Absender:in
und Empfänger:in gewesen und dürfte wesentlich zur Neustiftung
einer
Identifikation als eigene soziale Gruppe gedient haben, die
einem hohen
Anpassungsdruck ausgesetzt war, wie das Silke Marburg gezeigt
hat[3].
Oliver Auge (Kiel) warf einen Blick auf die Praxis des
Briefschreibens im Mittelalter
und den dazugehörigen Forschungsstand. Damit gab er eine
Vergleichsfolie für
die folgenden Vorträge, die allesamt Briefe des 19. Jahrhunderts
untersuchten.
Auge erinnerte daran, dass das alte Postulat der Blütezeit des
Briefeschreibens
im 18. und 19. Jahrhundert die Kommunikationsrevolution des
Mittelalters
vernachlässige. Um 1500 kam es zu einer neuen Briefform: der
Empfänger wurde
als Außenadresse genannt, Textbereiche wurden stärker
gegliedert, die Position
der Unterschrift spiegelte die soziale Hierarchie wieder.
Sprache, Schrift,
Schriftträger (beschriebenes Material) und Bote wirkten sich in
ihrem
Zusammenspiel auf die Bedeutung der Nachricht aus. Eigenhändige
Briefe stellten
noch eine Ausnahme dar, es wurde vielmehr Schreibern oder
Hofdamen diktiert,
und empfangene Briefe wurden laut vorgelesen. Eigenhändige
Briefe galten daher
als besonders wertschätzend gegenüber dem Empfangenden. Das „Du“
breitete sich
im 16. Jahrhundert als Novum zwischen ranggleichen männlichen,
eigenhändigen
Briefschreibern aus. Zuvor wurden nur Rangniedere geduzt, wie
die Ehefrauen.
Zudem sei festgestellt worden, dass bis zum 16. Jahrhundert vor
allem Frauen
Briefe verfasst und genutzt hatten und erst im 16. Jahrhundert
in einem
ähnlichen Maße Briefe von Männern hinzukamen. Der seit den
2000er Jahren
etablierte Begriff der Familien- und Freundschaftsbriefe, der
auf Claudia Nolte
zurückgeht, verwirft den problematischen Begriff des
Privatbriefes für das
Mittelalter. Inhaltliche Merkmale der Familien- und
Freundschaftsbriefe sind
u.a. der Austausch über Verwandte, Freunde aber auch Feinde
sowie Mitteilungen
und Wünsche zur Gesundheit.
In der zweiten Sektion wurden Versand und Transport, formale
Eigenschaften
sowie Selbstinszenierung in fürstlicher Korrespondenz
beleuchtet. KLAUS BEYRER
(Karlsruhe) bot einen rasanten Überblick über die Entwicklung
des Postversands
im 19. Jahrhundert. Das Briefaufkommen hatte sich zwischen 1800
(200
zugestellte Briefe pro Tag in Berlin) und 1900 (800 Briefe pro
Tag) erheblich
gesteigert. Tendenziell kam es im 19. Jahrhundert zu einer
Verstaatlichung des
Postwesens. Verwaltungsstrukturen, Nutzung der Dampfeisenbahn
für schnelleren
Versand und Bemühungen um übersichtlichere Tarife begleiteten
diesen Prozess,
aber auch die Briefzensur in der Ära Metternichs. Für fürstliche
Korrespondenz
galt im 19. Jahrhundert Portofreiheit, die für Landesfürsten,
Hofstaaten,
Minister sowie manche Beamte galt und sich auf Vereine
ausdehnte. Gestiegene
Einnahmeverluste seitens der Post führten 1870 zu einer
Begrenzung der
Portofreiheit im Norddeutschen Bund auf die Monarchen, ihre
Ehefrauen und
Witwen. Die technischen Entwicklungen seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts
(Briefmarke, Briefkästen) trugen zur Zunahme von Postsendungen
bei. Dennoch
bestand bei den Nutzenden ein Misstrauen in die Zuverlässigkeit
der Post. Davon
zeugen fortlaufende Nummerierungen in den Briefen oder die
Angabe, welche
Briefe erhalten und beantwortet wurden, sowie weiterhin der
Rückgriff auf
eigene Boten.
KARSTEN UHDE (Marburg) brachte die Sicht eines Archivars auf die
Form von
fürstlichen Briefen ein. Grundsätzlich sei die Definition und
Merkmalszuweisung
zu fürstlichen Briefen schwierig, weil es keine Terminologie für
privates
Schriftgut gebe und die polare Gliederung von Archiven in
privates und
dienstliches Schriftgut bei fürstlicher Korrespondenz ein
Dilemma aufwerfe.
Anhand von aktenkundlichen Klassifizierungen können fürstliche
Briefe entweder
der Kategorie der amtlichen Fürstenschreiben oder der Kategorie
der
Privatkorrespondenz zugewiesen werden. Unter amtlichen
Fürstenschreiben werden
Schreiben zwischen Ranggleichen verstanden, die keine
privat-dienstlichen
Inhalte aufweisen. Zu ihnen zählen Kanzleischreiben,
Handschreiben und
Notifikationsschreiben als Kanzlei-, Hand- oder
Privatbriefschreiben aus Anlass
von dynastischen Ereignissen (Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod).
Reine Privatbriefe
zeichnen sich durch die vertrauliche Anrede mit „Du“ aus und
sind im 19.
Jahrhundert eigenhändig – eine genauere Unterscheidung sei
gegenwärtig
terminologisch und formal nicht möglich.
Briefe dienen zur Konstruktion einer sozialen Rolle, und der
Adressat bzw. die
Adressatin fungiert oft als Co-Autor:in des Briefs. Diese Form
von
Selbstinszenierung zeigte ROUVEN PONS (Darmstadt) anhand der
Korrespondenz und
Lebensgeschichte von Erzherzog Stephan (1817–1867). Stephan, aus
der
ungarischen Seitenlinie der Habsburger, war 1843 Landeschef von
Böhmen und seit
1847 Palatin von Ungarn. Er musste im Zuge der 1848er Revolution
das Amt als
Palatin niederlegen und lebte in Schaumburg im Exil, wo er von
den Habsburgern
gemieden wurde und an Renommee verlor. Erst 1858 wurde er von
Wien wieder
sukzessive in die Habsburgerdynastie eingebunden. Diese
Zurücksetzung, so Pons,
schmerzte Erzherzog Stephan, und er versuchte sich selbst zu
rehabilitieren.
Äußerungen in seinen Briefen, sie würden von Beamten der
Habsburgermonarchie
mitgelesen, verweisen auf Stephans Aufbegehren gegen seinen
Status. Stephan
hatte nicht nur den Adressaten, sondern auch mögliche Mitleser
bei seinen
Mitteilungen im Blick, und er war gewiss, dass seine Briefe ins
Hausarchiv
kommen würden. Daher seien seine Briefe nicht als vertrauliche
Mitteilungen zu
verstehen, sondern vielmehr als öffentliche Mitteilungen. Die
sehr auffällige
regelmäßige Handschrift von Erzherzog Stephan versinnbildlicht
seine glatte
Oberfläche und spreche für den Aufbau einer äußeren Fassade, mit
der er sich
selbst über die hinterlassenen Briefe ein Denkmal als unschuldig
Verbannter
setzen wollte.
Die dritte Sektion bot zwei Berichte, wie Korrespondenzen von
Frauen – einmal
von einer Adligen und einmal von einer Monarchengattin –
archivalisch
erschlossen oder auch digitalisiert verfügbar und somit für die
historische
Forschung nutzbar gemacht werden können. GUDRUN GERSMANN (Köln)
hat mit ihrem
Projektteam 11.000 Briefe von Constance de Salm (1767–1845)
digitalisiert, mit
Metadaten erschlossen und online verfügbar gemacht[4]. Die Eheschließung mit
Joseph zu
Salm-Reifferscheid-Dyck 1802 führte für Constance de Salm dazu,
dass sie fortan
die eine Jahreshälfte in Paris lebte und die andere im Schloss
Dyck am
Niederrhein. Es entwickelte sich also ein Briefwechsel zwischen
den Pariser
Intellektuellenkreisen, denen Constance angehörte, und dem
niederrheinischen
Adelssitz. Gersmann skizzierte künftige Forschungsperspektiven,
die sich aus
diesem umfangreichen Material ergeben: Die Funktionsweise von
Netzwerken und
Patronage sei in diesem Konvolut nachvollziehbar, ebenso wie die
Bemühungen von
Constance de Salm, ihr Selbstbild für die Nachwelt zu prägen und
um die
Anerkennung von weiblicher Autorenschaft zu kämpfen.
KATJA DEINHARDT (Weimar) berichtete wie sie den mit 60 laufenden
Metern
umfangreichsten Nachlass von Maria Pawlowna (1786–1859) im
Großherzoglichen
Hausarchiv, das zum Hauptstaatsarchiv Weimar gehört, erschließt
und welche
Herausforderungen das birgt. Im Teilbestand „Korrespondenzen“
befinden sich,
wie es die Betitelung vermuten lassen würde, keineswegs nur
Briefwechsel. Darin
werden zahlreiche Bittschriften an Maria Pawlowna als
Großherzogin von
Sachsen-Weimar-Eisenach verzeichnet, aber auch Begleitschreiben
(Widmungen,
Gedichte), 225 Konvolute von Berichten und schließlich
Briefwechsel. Deinhardt
betonte die Unsortiertheit des Nachlasses und fragte sich, warum
die darin
befindlichen Akten im 19. Jahrhundert als Korrespondenz abgelegt
wurden. Denn
nur ein kleiner Teil entspreche der Briefdefinition von Irmtraut
Schmid, wonach
Briefe von persönlichem Austausch zwischen zwei Personen zeugen[5]. Die eigentlichen
Korrespondenzen zeigen,
wie sich Maria Pawlowna über persönliche Briefnetzwerke
ausgiebig über das
Geschehen und die Gesundheit an anderen Höfen informierte – so
wie das später
ihre Tochter Kaiserin Augusta auch tat.
Wilhelmine von Baden, Großherzogin von Hessen und bei Rhein
(1788–1836)
korrespondierte nicht nur mit ihren Geschwistern, Nichten und
Neffen, sondern
auch mit vertrauten Hofchargen aus ihrem Hofstaat. Die dabei
nachvollziehbaren
Patronagebeziehungen zeichnete LUPOLD VON LEHSTEN (Bensheim)
nach. So war die
Hofdame Karoline von Freystedt für Wilhelmine die wichtigste
Informantin zum
Leben am Karlsruher Hof geworden, nachdem ihre Mutter Amalie von
Baden
(1754–1832) verstorben war. Lehsten konnte aus den Briefen von
Wilhelmine mit
ihrem Umfeld und den Karrierestationen mancher ihrer Hofchargen
Patronagebeziehungen verdeutlichen, etwa wenn Hofchargen mit
Nachkommen aus den
morganatischen Linien der Häuser Baden und Wittelsbach
verheiratet wurden.
In der vierten Sektion standen die Briefwechsel von Monarchen
und
Monarchengattinnen aus Mexiko und Preußen sowie die
intellektuelle
Korrespondenz einer Adligen mit einem Dichter im Fokus. Zugleich
zeigten Thomas
Just und Christine Klössel den Umgang ihrer Archive mit
überlieferten
fürstlichen Korrespondenzen auf. THOMAS JUST (Wien) berichtete
aus dem Wiener
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, wo das Archiv von Kaiser
Maximilian von Mexiko
(1832–1867) verwahrt und gerade neu erschlossen wird. Maximilian
war der
jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph und hatte aus innerem
Geltungsdrang 1864
die mexikanische Kaiserwürde angenommen. Das Mexiko-Projekt
stand von Anfang an
unter ungünstigen Vorzeichen und endete für Maximilian am 19.
Juni 1867 mit
seiner Erschießung in Querétaro. Sein Archiv gelangte 1868 von
Schloss Miramar
bei Triest, das er sich als Oberbefehlshaber der
österreichischen Kriegsmarine
hatte erbauen lassen, nach Wien ins Haus-, Hof- und
Staatsarchiv. Dieses Archiv
gliedert sich in zwei Teile: das mexikanische Archiv mit 58
Kartons und den
Teil Miramar. Insgesamt befinde sich dieses Konglomerat in
keinem guten
Ordnungszustand und sei derzeit nur über alte Findmittel
zugänglich, welche die
Kriegsverluste des Zweiten Weltkriegs nur unzureichend
wiedergeben. Die größte
Herausforderung stellt dabei die erstrebenswerte tiefere
inhaltliche
Erschließung des Materials unter Beachtung der unterschiedlichen
Ansprüche der
Nutzer dar, erläuterte Just. Die Korrespondenz von Maximilian
mit seiner
Ehefrau Charlotte von Belgien verwahrt das Harry Ransom Center
in Texas[6].
CHRISTINE KLÖSSEL (Eichenzell) beschrieb die Aufbewahrung der
Korrespondenz des
preußischen Kronprinzenpaares Friedrich (III.) Wilhelm
(1831–1888) und Victoria
von Großbritannien (1840–1901) im Archiv des Hauses Hessen. Das
Ehepaar stand
sich sehr nahe und schrieb sich bei räumlicher Trennung täglich,
sodass ungefähr
3.500 Briefe überliefert sind. Diese Briefe wurden bereits seit
1858, also noch
im Jahr der Eheschließung, in Alben aus rotem Maroquinleder
eingebunden, die
mit einem Schloss geschützt waren. Als Kaiserinwitwe sammelte
Victoria auf
ihrem Witwensitz Schloss Friedrichshof ihre Schriftstücke,
darunter auch jene
Korrespondenz, die sie an ihre Tochter Margarethe Landgräfin von
Hessen
(1872–1954) vererbte. Victoria beabsichtigte mit diesem Erbgang
eine
Entschädigung des kurfürstlich hessischen Hauses, das 1866 von
Preußen
entmachtet worden war.
Die 22.086 Briefe umfassende Korrespondenz von Kaiserin Augusta
(1811–1890),
die sie mit insgesamt 489 Briefpartnerinnen und Briefpartnern
führte,
untersucht SUSANNE BAUER (Trier). In Augustas Korrespondenz mit
Fürstinnen und
Fürsten falle die Verwandtschaft auf sowie eine Ebenbürtigkeit,
die mit Silke
Marburgs Begriff „Verwandtschaftlichkeit“ gut zu beschreiben
sei.
Verwandtschaftlichkeit sowie tatsächliche Verwandtschaft nutzte
Augusta bei der
beständigen Kontaktpflege. Inhaltlich interessant sind bei den
Briefen
familiäre Nachrichten, bei denen kaum zwischen privatem und
politischem Bezug
zu trennen sei. Augustas Korrespondenzen waren in ein größeres
Briefnetzwerk
eingebunden und stellten keine rein bilaterale Kommunikation
dar. Ihre Briefe
boten Augusta und ihren Briefpartnerinnen und -partnern die
Möglichkeit, sich
inoffiziell und vertraut gezielt zu informieren und abzustimmen.
Damit gelang
es Augusta einerseits, eine eigene politische Agenda zu
verfolgen, andererseits
bot sich ihr in diesem Kommunikationsnetzwerk überhaupt die
Möglichkeit, Macht
auszuüben, die sie aufgrund ihres weiblichen Geschlechts rein
formal in der
preußischen Monarchie nicht besaß.
Die 461 Briefe zwischen Marie von Thurn und Taxis (1855–1934)
und Rainer Maria
Rilke (1875–1926) verdeutlichen nicht nur die menschliche
Beziehung zwischen
den Korrespondierenden, sondern können zum Entstehungsprozess
literarischer
Werke beitragen, wie CHIARA CONTERNO (Bologna) zeigte. In ihren
Briefen
unterhielten sich Rilke und seine Gönnerin nicht nur über den
Entstehungsprozess seiner Werke oder über ihre jeweiligen
Lektüren, sondern
Marie von Thurn und Taxis diskutierte mit Rilke auch ihre
Übersetzungen seiner
Gedichte ins Italienische. In dem Briefwechsel der beiden liegen
verschriftliche Denkprozesse vor, die mit literarischem Schaffen
einhergehen.
Diskutiert wurde, wie gleichberechtigt dieser
„Arbeitsbriefwechsel“ war, da
sich die beiden in Geschlecht, Alter und Sozialstatus
unterschieden: Rilke
wollte als jüngerer Mann mit seinen kritischen und scharfen
Leseerfahrungen die
ältere Frau Marie von Thurn und Taxis als Mentor bei ihrer
Lektüre leiten.
Schlaglichter auf Themen und Formen fürstlicher Korrespondenz
nach dem Ende der
deutschen Monarchien 1918 warfen die letzten beiden Vorträge der
fünften
Sektion. Der letzte bayerische Kronprinz Rupprecht (1869–1955)
hatte im Ersten
Weltkrieg die 6. Armee an der Westfront befehligt und war ab
1916 überzeugt,
dass dieser Krieg für Deutschland nicht zu gewinnen war, was ihn
in Konflikt
mit Falkenhayn und Hindenburg brachte. GERHARD IMMLER (München)
rekonstruierte
anhand des Briefwechsels zwischen Rupprecht und seinem
ehemaligen
Generalstabschef, wie er nach 1918 die deutsche Kriegsniederlage
bewertete.
Paul von Hindenburg erhob in seinen 1920 erschienen Memoiren
Vorwürfe gegen
Rupprecht und das von ihm befehligte Armeekommando,[7] die in den
Militärfachzeitschriften in
den 1920er Jahren diskutiert wurden. Öffentlich hielt sich
Rupprecht mit seiner
Sicht der Dinge auf die Kriegsniederlage zurück, thematisierte
dies und seine
Selbstverortung jedoch in seinen Briefen der 1920er und 1930er
Jahre. Es gab
auch Überlegungen, diesen Briefwechsel Rupprechts bzw. seine
Ansichten zur
Vorkriegspolitik und zum Ersten Weltkrieg zu veröffentlichen.
RAINER MAASS (Darmstadt) stellte eine interessante briefliche
Kommunikationsform der Großherzogin Eleonore von Hessen
(1871–1937) vor. Mit
ihren Schwestern unterhielt sie nach 1918 sogenannte
Sammelbriefe, die –
ähnlich einer heutigen Rundmail, aber eben nicht zeitgleich –
nacheinander von
der einen zur nächsten gingen. Ein derartiger Brief brauchte
anderthalb bis
zwei Monate, ehe er alle Teilnehmerinnen des Briefzirkels
erreicht hatte und
bei der ursprünglichen Absenderin zurück war. Eleonore heftete
ihre eigenen
Briefe in Mappen ab. Maaß stellte diese Briefe als eine reiche
Quelle für die Handlungsfelder
des hessischen Großherzogspaares nach ihrer Absetzung 1918 dar,
wobei er
insbesondere die Versuche herausstellte, stärkeren kulturellen
und politischen
Einfluss im Volksstaat Hessen zu gewinnen.
Viele Vorträge der Tagung versuchten, zu einer genaueren
archivkundlichen
Klassifizierung fürstlicher Briefen im 19. und 20. Jahrhundert
zu kommen, indem
empirisch beobachtete formale und inhaltliche Merkmale sowie
Nutzungszwecke
dieser Korrespondenzen zusammengetragen wurden. Es erstaunte,
von archivarisch
unerschlossenen und damit unerforschten fürstlichen
Korrespondenzen zu hören,
die nicht nur von Prinzen und Prinzessinnen aus der zweiten
Reihe stammen.
Zugleich wurden Ansätze und Ideen zur Auswertung dieser
reichhaltigen Quelle
angesprochen, die erwartungsfroh in die künftige
Monarchieforschung zum 19.
Jahrhundert blicken lassen.
Konferenzübersicht:
Grußworte
Rouven Pons (Darmstadt), Andreas Fahrmeir (Frankfurt am Main),
Donatus Landgraf
von Hessen
Sektion 1: Die historische Dimension fürstlicher Korrespondenz
Frank Lorenz Müller (St. Andrews): Fürstliche Korrespondenz:
Blick durch das
Schlüsselloch oder seriöse Historiographie?
Oliver Auge (Kiel): Wenn Fürsten Briefe schreiben. Zur
fürstlichen
Korrespondenz im Mittelalter und ihrer Erforschung
Sektion 2: Was ist und wie funktioniert fürstliche
Korrespondenz?
Klaus Beyrer (Karlsruhe): Briefe und ihre Übermittlungstechnik
im langen 19.
Jahrhundert
Karsten Uhde (Marburg): Formen fürstlicher Korrespondenz im 19.
Jahrhundert
Rouven Pons (Darmstadt): Briefe wie Opium? Verschleierung und
Selbstoffenbarung
in den Briefen des Erzherzogs Stephan
Sektion 3: Fürstliche Korrespondenz im Vormärz
Gudrun Gersmann (Köln): Zwischen Paris und Rheinland. Die
Korrespondenz der
Constance de Salm
Katja Deinhardt (Weimar): Russische Großfürstin und Weimarer
Großherzogin: Der
Briefwechsel Maria Pawlownas von Sachsen-Weimar-Eisenach
Lupold von Lehsten (Bensheim): Politik der Korrespondenz? Das
Beispiel der
Großherzogin Wilhelmine von Hessen
Sektion 4: Fürstliche Korrespondenz im Zeitalter der
Nationalstaaten
Thomas Just (Wien): Die Korrespondenz des Kaisers Maximilian von
Mexiko
Susanne Bauer (Trier): Eine große Familie? Der europäische
Briefwechsel der
Kaiserin Augusta
Christine Klössel (Eichenzell): Die Korrespondenz Kaiser
Friedrichs III. mit
seiner Frau Victoria
Chiara Conterno (Bologna): Briefe als Laboratorien des Denkens.
Die
Korrespondenz der Prinzessin Marie von Thurn und Taxis mit
Rainer Maria Rilke
Sektion 5: Fürstliche Korrespondenz nach 1918
Gerhard Immler (München): Die Korrespondenz des Kronprinzen
Rupprecht von
Bayern zur Aufarbeitung des Ersten Weltkriegs
Rainer Maaß (Darmstadt): Handlungsspielräume nach der
Revolution. Die
Sammelbriefe der Großherzogin Eleonore von Hessen 1919–1937
Anmerkungen:
[1] Vgl. Heinrich Otto Meisner,
Archivalienkunde
vom 16. Jahrhundert bis 1918, Göttingen 1969; Michael
Hochedlinger, Aktenkunde.
Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, Wien 2009, S. 45–46;
Irmtraut Schmid, Was
ist ein Brief? Zur Begriffsbestimmung des Terminus „Brief“ als
Bezeichnung
einer quellenkundlichen Gattung, in: Editio. Internationales
Jahrbuch für
Editionswissenschaft, Bd. 2 (1988), S. 1–7.
[2] Vgl. Johann Georg Herzog zu
Sachsen (Hrsg),
Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen und den Königen
Friedrich
Wilhelm IV. und Wilhelm I. von Preußen, Leipzig 1911; Franz
Schnürer (Hrsg.),
Briefe Kaiser Franz Josephs I. an seine Mutter 1838–1872,
München 1930.
[3] Silke Marburg, Europäischer
Hochadel. König
Johann von Sachsen (1801–1873) und die Binnenkommunikation einer
Sozialformation,
Berlin 2008.
[4]https://constance-de-salm.de/
(Aufruf am 11.10.2022).
[5] Vgl. Schmid, Was ist ein
Brief, S. 5.
[6]https://hrc.contentdm.oclc.org/digital/collection/p15878coll71
(Aufruf am 11.10.2022).
[7] Paul von Hindenburg, Aus
meinem Leben,
Leipzig 1920.
Zitation
Tagungsbericht: Fürstliche Korrespondenzen des 19. und 20.
Jahrhunderts, In:
H-Soz-Kult, 17.11.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-131269>.