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2022/10/04 19:45:17 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Buchbesprechung: Olgas Tagebuch (1941–1944). Unerwartete Zeugnisse einer jungen U krainerin inmitten des Vernichtungskriegs |
Datum | 2022/10/10 09:17:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 1885 |
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2022/10/11 19:09:48 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Burgeninventare, Burgenverzeichnisse, Burgenkarten |
Betreff | 2022/10/30 21:36:07 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Eine preußische Familie |
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2022/10/04 19:45:17 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Buchbesprechung: Olgas Tagebuch (1941–1944). Unerwartete Zeugnisse einer jungen U krainerin inmitten des Vernichtungskriegs |
Autor | 2022/10/10 09:17:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 1885 |
Date: 2022/10/07 16:38:54
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Displaced
Persons-Forschung
in Deutschland und Österreich. Eine Bestandsaufnahme zu Beginn
des 21.
Jahrhunderts
Herausgeber Hagen, Nikolaus; Nesselrodt, Markus; Strobl,
Philipp;
Velke-Schmidt, Marcus
Reihe DigiOst (14)
Erschienen Berlin 2022: Frank
& Timme
Anzahl Seiten 366 S.
Preis € 59,80
ISBN 978-3-7329-0667-3
URL https://doi.org/10.23665/DigiOst/HI-14
Inhalt => meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-76290.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Anna Holian, School of Historical,
Philosophical
& Religious Studies, Arizona State University
[Die
ursprüngliche Rezension
war in Englisch, Übersetzung von Dr. Google]
Der Begriff „Displaced Person“ (DP) wurde von den Alliierten
während des
Zweiten Weltkriegs geprägt, um Menschen zu beschreiben, die
„durch den Krieg
aus ihren Heimatländern vertrieben“ wurden.[1] Theoretisch
umfasste der Begriff
alle Gruppen vertriebener Europäer, darunter auch Deutsche, die
nach Kriegsende
aus ihrer Heimat in Ostmitteleuropa geflohen oder vertrieben
wurden. In der
Praxis galt es jedoch nur für die vertriebenen
Bevölkerungsgruppen, die sich
für die Hilfe der Alliierten und der Vereinten Nationen
qualifizierten, die
Angehörigen „feindlicher“ Länder (z. B. Deutschland, Österreich)
und
„ex-feindlicher“ Länder (z. B. Rumänien, Bulgarien) größtenteils
ausgeschlossen
(eine Ausnahme wurde für Juden und andere ehemalige Verfolgte
gemacht). Insbesondere
wurde der Begriff zum Synonym für jene vertriebenen
Ostmitteleuropäer, die aus
irgendwelchen Gründen nicht wie von den Alliierten erwartet in
ihre Heimat
zurückkehrten und so zu einer vor allem im Westen konzentrierten
längerfristigen Flüchtlingsbevölkerung wurden Besatzungszonen
Deutschlands.
Obwohl es in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein reges
wissenschaftliches
Interesse an Vertriebenen gab, wurden DPs erst in den 1980er und
90er Jahren zu
einem kritischen Thema der historischen Forschung, wobei
Wolfgang Jacobmeyers
Buch über die DP-Politik der Alliierten von 1985 die erste große
Studie war.
[2] Seitdem ist das Interesse an dem Thema stark gewachsen,
wobei die Forschung
zu jüdischen DPs besonders stark ist.[3] Dennoch wird das Thema
oft weiterhin
als Randerscheinung gesehen, insbesondere zur Nationalgeschichte
der
Nachkriegszeit. Im deutschen Kontext werden die ausländischen
Flüchtlinge, die
die DP-Bevölkerung ausmachten und Anfang der 1950er-Jahre
größtenteils
abwanderten, weitgehend überschattet von den zeitgleich
ankommenden und
größtenteils zurückgebliebenen ethnischen deutschen Flüchtlingen
und
Vertriebenen.
Die Autoren des aktuellen Bandes haben sich ein ehrgeiziges Ziel
gesetzt, um
die Forschung zu Vertriebenen voranzubringen. Die meisten sind
Mitglieder eines
losen Netzwerks von DP-Wissenschaftlern, das virtuell vom
Institut für
Osteuropäische Geschichte der Universität Bonn beherbergt
wird.[4] Eines ihrer
vorrangigen Ziele ist es, die Arbeit an DPs in den Mainstream
der historischen
Forschung zu Deutschland und Österreich der Nachkriegszeit zu
integrieren.
Dabei beabsichtigen sie auch, dass Historiker über den Rahmen
des „DP-Problems“
hinausgehen, der die Diskussion über DPs in diesem größeren
Kontext weitgehend
dominiert. Stattdessen streben sie einen Rahmen an, der
Vertriebene vollständig
in die nationalen Narrative der Nachkriegszeit integriert und
gleichzeitig den
transnationalen Charakter der DP-Geschichte und ihre Beziehung
zu globalen
Migrationsprozessen und der Bildung eines internationalen
Flüchtlingsregimes
anerkennt.
Zwei der zentralen Themen des Bandes sind, dieser Agenda
folgend,
Transnationalismus und internationale Flüchtlingshilfe. Weniger
offensichtlich
mit dieser Agenda verbunden und eher im Einklang mit früherer
Forschung stehen
die beiden anderen Hauptthemen des Bandes, das Lagerleben und
die frühen
Bemühungen, sich mit der Kriegsvergangenheit
auseinanderzusetzen. Tatsächlich
gibt es manchmal eine Diskrepanz zwischen den programmatischen
Aspekten des
Bandes und den einzelnen Fallstudien. Folglich unterscheiden
sich die
wichtigsten Beiträge des Bandes zur Literatur, und davon gibt es
mehrere, etwas
von dem, was ausdrücklich beabsichtigt war.
Der erste Beitrag des Bandes besteht darin, dass er Vertriebene
in einen
deutlich erweiterten geografischen Kontext stellt. Während sich
bisher die
meisten Forschungen auf Deutschland konzentrierten, befassen
sich die Autoren
nicht nur mit dem österreichischen und italienischen Kontext,
sondern auch mit
zahlreichen außereuropäischen Orten, an denen sich DPs
vorübergehend aufgehalten
oder dauerhaft niedergelassen haben. Besonders interessant sind
Jochen
Lingelbachs Essay über polnische Vertriebene im britischen
Kolonialafrika
(1942–1950) und Aivar Jürgensons Untersuchung der
aufeinanderfolgenden Wellen
estnischer Migration nach Argentinien. Das Bekenntnis des Bandes
zu einer
transnationalen Perspektive kommt hier am deutlichsten zum
Ausdruck,
insbesondere in Jürgensons Erörterung der unterschiedlichen
Beziehungen
estnischer Migranten der Vor- und Nachkriegszeit zu ihren
Heimat- und
Aufnahmegesellschaften.
Zweitens befassen sich zahlreiche Autoren eingehender mit den
Prozessen, durch
die Vertriebene ein Gefühl für gemeinschaftliche Identität und
Zweck
organisierten und entwickelten. Während ein Fokus auf interne
Gruppendynamiken
in der Erforschung von DPs bereits gut etabliert ist, bieten
diese Essays neue
Einblicke in die Kontexte und Schauplätze, in denen
selbstbewusste
DP-Gemeinschaften entstanden. Dieses Thema kommt am stärksten in
den Kapiteln
von Stephanie Ligan und Evita Wiecki über jüdische DPs zum
Ausdruck, vielleicht
weil die bereits umfangreiche Literatur zu dieser Gruppe eine
starke Grundlage
für mikrohistorische Analysen bietet. Interne Gruppendynamiken
stehen auch im
Mittelpunkt von Kateryna Kobchenkos Essay über die Entwicklung
einer
transnationalen ukrainischen DP-Community.
Drittens bereichert der Band unser Wissen über die
institutionelle Matrix, in
der DPs lebten. Obwohl die Autoren Wolfgang Jacobmeyers
Prämisse, Vertriebene
seien „verwaltete Menschen“, zurückweisen, führt kein Weg daran
vorbei, dass
der Alltag der Vertriebenen – und mögliche Zukünfte – zutiefst
von
Institutionen, allen voran den alliierten Besatzungsbehörden,
geprägt war und
den Flüchtlingshilfswerken der Vereinten Nationen.[5]
Einige Autoren behandeln dieses Thema, indem sie wenig bekannte
Facetten
bekannter Organisationen untersuchen. Dies ist der Fall bei
Stella Maria Frei
und Wolfgang Piereth, die sich beide mit Projekten der United
Nations Relief
and Rehabilitation Administration (UNRRA), dem ersten
UN-Flüchtlingshilfswerk
im Europa der Nachkriegszeit, befassen. Andere Autoren setzen
sich mit der
Arbeit weniger bekannter Institutionen auseinander. Jim G.
Tobias konzentriert
sich auf den Canadian Jewish Congress und sein War Orphans
Project, während
Philipp Lehar sich mit den britischen Quäkern befasst. Diese
spezifischen
Essays passen gut zu anderen neueren Arbeiten über die Rolle von
Nichtregierungsorganisationen im Flüchtlingsregime der
Nachkriegszeit, obwohl
eine explizitere Beachtung dieser Verbindung hilfreich gewesen
wäre.[6]
Schließlich erweitert der Band unsere Vorstellung von der
Kategorie der
Vertriebenen. Obwohl die Herausgeber dies nicht explizit
artikulieren, ist ihr
Analysegegenstand wesentlich breiter als die
Anti-Rückführungs-Ostmitteleuropäer,
die im Mittelpunkt der meisten Arbeiten zu DPs stehen. Der Band
enthält
Aufsätze über tschechische Vertriebene, die nach dem Krieg in
ihre Heimat
zurückkehrten (Jana Kasíková) und über die Bildung neuer Gruppen
tschechischer
Flüchtlinge in Österreich nach der Errichtung der
kommunistischen Herrschaft in
der Tschechoslowakei 1948 (Martin Nekola). Es wird auch kurz auf
Südtiroler
eingegangen, die nach 1939 nach Österreich (genauer: ins
Großdeutsche Reich)
ausgewandert sind und dort nach dem Krieg geblieben sind
(Philipp Strobl und
Nikolaus Hagen). Diese erweiterte Konzeption von DPs – die im
Wesentlichen eine
Rückkehr zu den Ursprüngen des Begriffs darstellt – ist sehr zu
begrüßen und
unterstützt das Interesse der Herausgeber, Vertriebene in der
globalen
Migrationsgeschichte des 20. Jahrhunderts zu verorten.
Einige der Ziele dieser ehrgeizigen Sammlung bleiben jedoch nur
teilweise
verwirklicht. Insbesondere wenige der Aufsätze setzen sich
sinnvoll mit der
Wissenschaft zum Transnationalismus und seiner Betonung der
Zwischenstellung
von Migranten zwischen Heimat- und Aufnahmegesellschaften
auseinander.
Stattdessen fungiert Transnationalismus vor allem als Synonym
für die
multinationale Herkunft bestimmter ethnonationaler DP-Gruppen
oder für
internationale Migration tout court. Ebenso befassen sich nur
wenige der Essays
mit der Integration von Vertriebenen in ihre
Aufnahmegesellschaften. Die
meisten konzentrieren sich auf die Zeit, in der DPs als
alliierte Verantwortung
angesehen wurden und nur begrenzte Interaktionen mit der
Mehrheitsgesellschaft
hatten. Während temporäre Bevölkerungen an den Orten, die sie
durchqueren,
deutliche Spuren hinterlassen können, erfordert ein
umfassenderes Verständnis
davon, wie Vertriebene die deutsche und österreichische
Gesellschaft geprägt
haben – und wie die deutsche und österreichische Gesellschaft
sie geprägt hat –
einen breiteren zeitlichen Rahmen.[7]
Es bleibt also noch viel zu tun. Auch wenn der aktuelle Band
nicht alles hält,
was er verspricht, setzt er dennoch eine hervorragende Agenda
und bietet
verlockende Einblicke in die Zukunft der Forschung zu
Vertriebenen.
Anmerkungen:
[1] „Rahmenplan für Flüchtlinge und Vertriebene“, 3. Juni 1944,
Archiv des
Leibniz-Instituts für Zeitgeschichte, München, Fi 01.84.
[2] Wolfgang Jacobmeyer, Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen
Ausländer. Die
Displaced Persons in Westdeutschland 1945–1951, Göttingen 1985.
Weitere
wichtige Arbeiten aus dieser Zeit sind Mark Wyman, DPs. Europe’s
Displaced
Persons, 1945–1951, Philadelphia 1989, Taschenbuch Ithaca 1998,
und Michael
Brenner, Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945–1950,
München 1995, Nach
dem Holocaust. Wiederaufbau jüdischen Lebens im
Nachkriegsdeutschland.
Princeton 1997.
[3] Die Literatur ist mittlerweile recht umfangreich. Zu den
bemerkenswerten
Werken, die seit dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden, gehören
Atina Grossmann,
Juden, Deutsche und Verbündete. Close Encounters in Occupied
Germany, Princeton
2007, Deutsche Übersetzung: Juden, Deutsche, Alliierte.
Begegnungen im
besetzten Deutschland. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff,
Göttingen 2012;
Tamar Lewinsky, Displaced Poets. Jiddische Schriftsteller im
Nachkriegsdeutschland 1945–1951, Göttingen 2008; Gerard Daniel
Cohen, Im
Gefolge des Krieges. Europe’s Displaced Persons in the Postwar
Order, Oxford
2011; Ruth Balint, Ziel woanders. Displaced Persons and Their
Quest to Leave
Postwar Europe, Ithaca 2021. Es gab auch einige Titel, die sich
an ein
breiteres Publikum richten: Ben Shephard, The Long Road Home.
The Aftermath of
the Second World War, London 2010, und David Nasaw, The Last
Million. Europe’s
Displaced Persons from World War to Cold War, New York 2020.
[4] Siehe https://www.netzwerkdpforschung.uni-bonn.de
(02.10.2022).
[5] Jacobmeyer, Vom Zwangsarbeiter, S. 18.
[6] Für Beispiele neuerer Arbeiten zur Arbeit der Mennoniten mit
Vertriebenen
siehe die Essays von John Thiesen, Erika Weidemann, Aileen
Friesen und Steven
Schroeder in: Intersections. MCC Theory and Practice Quarterly
9:4 (Herbst
2021),
https://mcc.org/sites/mcc.org/files/media/common/documents/intersectionsfall2021.pdf(02.10.2022).
[7] Ein wichtiges aktuelles Buch, das dies im italienischen
Kontext tut und
Vertriebene als Teil der breiteren Flüchtlingsbevölkerung
betrachtet, ist
Pamela Ballinger, The World Refugees Made. Entkolonialisierung
und die Gründung
des Nachkriegsitaliens, Ithaka 2020.
Zitation
Anna Holian: Rezension zu: Hagen, Nikolaus; Nesselrodt,
Markus; Strobl,
Philipp; Velke-Schmidt, Marcus (Hrsg.): Displaced
Persons-Forschung in
Deutschland und Österreich. Eine Bestandsaufnahme zu Beginn
des 21.
Jahrhunderts. Berlin 2022: ISBN 978-3-7329-0667-3, , In: H-Soz-Kult,
07.10.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-118132>.