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2022/07/03 08:19:44 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Archäologisches Grabungsfest an der römischen Ausgrabungsstätte Wareswald |
Datum | 2022/07/03 08:34:27 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Die seltsamsten Menschen der Welt“ |
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2022/07/03 08:19:44 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Archäologisches Grabungsfest an der römischen Ausgrabungsstätte Wareswald |
Betreff | 2022/07/13 10:31:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Erdbeben in der Geschichtsschreibu ng des Früh- und Hochmittelalters. Ursprung, Verst ändnis und Anwendung einer spezifisch mittelalterlichen Tr aditionsbildung |
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2022/07/03 08:19:44 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Archäologisches Grabungsfest an der römischen Ausgrabungsstätte Wareswald |
Autor | 2022/07/03 08:34:27 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Die seltsamsten Menschen der Welt“ |
Date: 2022/07/03 08:24:09
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Das römische Puzzle in Bliesbruck-Reinheim
Bliesbruck-Reinheim „DigiGlue“ nennt sich das Projekt im
Europäischen
Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. Hier wird ein römisches
Wandgemälde
zusammengesetzt – digital. Was heißt das eigentlich? Und wie
funktioniert es?
Von Tobias
Kessler, Redakteur Kultur
Zugegeben – dieses Wunderwerk der Technik sieht eher unauffällig
aus: wie eine
Mischung aus Backofen und Aktenschränkchen. Aber der Apparat hat
es in sich. Er
setzt, so ist das langfristige Ziel, aus kleinen Mörtelstückchen
ganze
Wandmalereien wieder zusammen; Fragmente werden zur prachtvollen
Kunst der
römischen Vergangenheit. „DigiGlue“ nennt sich das Projekt
ziemlich unrömisch
und hat seine Heimat im Europäischen Kulturpark
Bliesbruck-Reinheim.
Dort hat am Freitagmorgen Grabungsleiter Michael Ecker „DigiGlue“
vorgestellt.
Die Begeisterung ist ihm anzumerken. Grob gesagt funktioniert das
Ganze so: Ein
Fragment einer Wandmalerei – von denen besitzt der Kulturpark seit
der
Ausgrabung einer gallo-römischen Villa über 12 000 – wird auf die
Platte
eines speziellen Scanners gelegt, mit der bemalten Seite nach
unten. Dann
entsteht, wie Ecker erklärt, „von unten ein 2D-Scan, von oben 3D.
Dann hat man
sozusagen einen Zweieinhalb-D-Scan“. Die Abtastung auch der
Rückseite sei
wichtig, sagt Ecker, denn manche Wandmalereien ließen sich auch,
je nach
Zustand der farbigen Vorderseite, auch anhand der Rückseite
zusammensetzen.
Nach dem Scannen hat man einen digitalen Zwilling des Fragments im
Rechner, ein
„Digitalisat“.
Der nächste Schritt: „Zusammen mit der Firma MusterFabrik haben
wir ein
Puzzleprogramm entwickelt“, sagt der Grabungsleiter, „mit dem wir
die Stücke
ordnen und sortieren“. Nun können die Archäologinnen und
Archäologen die Stücke
zusammensetzen, das Wandgemälde rekonstruieren, unterstützt von
einem
Computerprogramm, das die Wahrscheinlichkeit des Zusammenpassens
errechnet.
Dass sich beim Füttern des PCs mit genug „Digitalisaten“ eine
Wandmalerei wie
von selbst rekonstruiert, liegt aber noch in weiter Ferne. Das sei
technisch
extrem komplex. „Wir haben das mal bei einer Tagung angesprochen.
Da ist den
Ingenieuren, die das ja umsetzen müssen, der Angstschweiß
ausgebrochen.“ Das
Projekt „DigiGlue“, dessen Titel auf digitalen Klebstoff verweist,
sei eben
noch in einer Entwicklungsphase. „Wir sind nicht die erste
Institution, die das
versucht“, sagt Ecker, „aber manche sind schon gescheitert, wird
sind bisher
die erfolgreichste“. Der Kulturpark tauscht sich ständig mit der
Firma
KulturFabrik aus, am Programm wird nachjustiert, je nach Bedarf
und neuen
Erfahrungen im täglichen Umgang.
Für den Grabungsleiter ist „DigiGlue“ kein Gimmick, keine moderne
Spielerei,
sondern archäologisch eine Notwendigkeit: „Wenn man mit Keramik
arbeitet und
Bruchstücke wieder zusammensetzt, hat man am Ende eine Vase. Bei
einer
Wandmalerei hat man am Ende eine Wand.“ Die aber braucht Platz und
erfordert
eine enorme Logistik; im Fall von Bliesbruck-Reinheim geht es um
über hundert
gut gefüllte Kisten, die man beim archäologischen Puzzle immer
wieder auspacken
müsste. Ein großes Problem dabei ist auch das Material. Der
bemalte Kalkmörtel
der alten Wandmalerei ist fragil, „er bröselt, und jedes Mal, wenn
man ein
Bruchstück anfasst, ist es hinterher in Stückchen kleiner“. Da sei
das digitale
Puzzeln schneller, materialschonend – und wenn Stücke erstmal
digital
zusammenpassten, könne man sie dann auch real zusammensetzen.
Geburtsdatum von „DigiGlue“ ist der Dezember 2019. Da hatten das
Landesdenkmalamt des Saarlandes, die Berliner Firma MusterFabrik
und das
Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und
Konstruktionstechnik (IPK) das
Forschungsobjekt vereinbart. Der Etat liegt bei 294 000 Euro; vor
allem
finanziert von Saarland SportToto mit 250 000 Euro, den Rest
steuert das
Landesdenkmalamt Saarland unter dem Dach des Kulturministeriums
bei.
Die entstandene Scanner-Anlage steht seit Oktober 2021 in Reinheim
– ganz bewusst
nicht in einem stillen Kämmerlein, sondern sie ist in den
Ausstellungsraum in
der Römischen Taverne integriert: ein kleiner Raum mit Scanner,
drei
Bildschirmen und einer großen Lupe. Dort kann man den
Forscherinnen und
Forschern über die Schulter schauen. Für Grabungsleiter Ecker ist
das ein
zentraler Aspekt. Besucherinnen und Besucher interessierten sich
nicht nur für
die Ergebnisse von Archäologie, schätzt er, sondern auch für die
Forschung
selbst. „Die kann man hier live miterleben, davon lebt die
Archäologie.“
Wandtafeln neben dem „DigiGlue“-Raum erklären das Projekt und
generell auch die
Geschichte und Kunst der Wandmalerei – unter anderem etwa, dass
Farbe im Haus
ein römisches Statussymbol war. Je reicher, desto bunter.
Der Kulturpark bietet jetzt auch Praktikumsplätze bei „DigiGlue“
an, auch weil
beim Archäologiestudium das Digitale zu wenig integriert sei, wie
Ecker findet.
Mit dem Projekt wolle man jetzt auch weiter nach außen gehen, sich
an Museen
und Institutionen wenden, die viele Wandmalerei-Fragmente in ihren
Depots
hätten, mit denen aber wegen der besagten Platz- und
Logistikprobleme wenig
anfangen könnten. „Denen können wir sagen, dass wir ein Werkzeug
haben, mit dem
sie arbeiten können.“
„Wir lernen hier für andere“
Diese Außenwirkung strahle natürlich auch zurück auf das Projekt
und auf
den Kulturpark selbst, hoffen alle Beteiligten, die am Freitag
bei der
Präsentation dabei sind. Theophil Gallo (SPD), Landrat des
Saarpfalz-Kreises,
nennt den Kulturpark ein „Forschungszentrum, das Geschichte
lebendig“ mache,
mit „DigiGlue“ als Pionier-Projekt: „Wir lernen hier für andere.“
Die
saarländische Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD)
hofft neben
den klassischen Besuchern auf „viel Fachpublikum“. Michael Clivot
(SPD),
Bürgermeister der Gemeinde Gersheim, zeigt sich „absolut
fasziniert“ vom
Projekt, das 2019 der damalige saarländische Kulturminister Ulrich
Commerçon
(SPD) angestoßen hatte, begleitet von viel Skepsis: „Fast alle
haben mich für
verrückt erklärt.“ Einer der das nicht tat, zumindest nach
eingehender Prüfung
des Projekts, ist Georg Breitner, Leiter des Denkmalamtes
Saarland. Ein Projekt
wie „DigiGlue“ könne die Archäologie verändern und auch die
wissenschaftliche
Außensicht auf das Saarland. „Es ist ein ganz wichtiger Baustein
für Reinheim,
für die Archäologie im Saarland und für die überregionale
Wahrnehmung der
Landesarchäologie.“ Und das könne in Zukunft auch so manche
Finanzierung aus
dem Bund erleichtern.
Der Europäische Kulturpark ist täglich ab 10 Uhr geöffnet.
Informationen:
www.europaeischer-kulturpark.de
Virtuell kann man sich das Gelände auch anschauen: www.parcarcheologiquebliesbruck360.com