Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)... 15. November 2021
An: regionalforum-saar(a)...
Betreff: [Regionalforum-Saar] Franz Ortwin Englert ist heute nach gestorben
Hallo,
eben habe ich zu meinem Bedauern erfahren, dass heute Nacht mein
ehemaliger
Nachtwächterkollege Franz Ortwin Englert im Alter von 78 Jahren
gestorben ist.
Er hat bis in die Corona-Zwischenzeit im vergangenen Sommer als
Nachtwächter und
Stadtführer Gäste durch unsere schöne Stadt geführt, aber während
des letzten Jahres
hat sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert, sodass er
vor ein paar
Monaten diese Tätigkeit mehr oder minder freiwillig aufgab.
Ich habe Ortwin vor über 30 Jahren kennengelernt. Er wohnte damals
noch in
Sankt Wendel in der Beethovenstraße und betrieb mit seinem
Halbbruder Claus am
Ortsrand von Alsfassen die Felsenmühle, die beide in ein
gutgehendes und
weithin bekanntes Landgasthaus verwandelt hatten. Die
Samstagmorgenstammtische dort
waren legendär. So legendär wie sein Ruf als Wirt, der seinen
Betrieb mit
strenger Hand führte. Ich bin immer gerne dorthin gegangen, zum
einen der
Gesellschaft wegen, zum anderen, weil man sich mit Ortwin so gut
wie über alles
mögliche unterhalten konnte. Er hatte von unwahrscheinlich vielem
Ahnung oder
sogar breites Wissen. Ich werde nie vergessen, wie ich einmal
meinen Vater
mitnahm, der seit seiner Kindheit Fußball spielte und lange Jahre
als
Schiedsrichter unterwegs war. Und große Augen bekam, als der an
sich völlig
unsportliche Gastwirt ihm an der Theke der Felsenmühle einen
Vortrag über die
Ursprünge des deutschen Fußballs hielt.
Ortwin stammte nicht aus St. Wendel, sondern aus einem Ort nahe
Koblenz. Seine
Mutter kam mit ihm und seinem Bruder Roland in den 1900fünfzigern
ins Saarland
und heiratete den Frauenarzt Johann Dreger, damals geboren in und
Eigentümer
der Felsenmühle. Ihr gemeinsamer Sohn Claus kam 1957 zur Welt.
Obwohl seine Familie an sich nichts mit der Felsenmühle zu tun
hatte,
beschäftigte sich Ortwin, der in den 1960ern in Saarbrücken
Geographie und
Geschichte studiert Wendel politisch stark engagiert hatte (und
nie im
Mainstream mitschwamm), sehr stark mit ihrer Historie. Ich
verdanke es ihm,
dass er mir in den 1990ern die bei seinem Halbbruder Claus
befindlichen alten
Unterlagen der Mühle, die bis ins achtzehnte Jahrhundert
zurückreichen,
vermittelte (sie befinden sich heute im Stadtarchiv Sankt Wendel).
Ortwin hinterlässt seine Ehefrau Birgit, seine Tochter Laura und
seine Enkelkinder.
Mein Freund, wir hatten in den letzten Jahren unsere Differenzen,
und es gab
einige Zeiten, in denen wir keinen Kontakt oder kein gutes Wort
füreinander hatten,
aber ich werde nie den Enthusiasmus vergessen, den Du zum Beispiel
bei der
Grabung 2005 in unserem Vorgarten an den Tag gelegt hast, obwohl
Du in jener
Zeit gerade in Bezug auf Deine Zukunft wahrlich anderes im Kopf
hattest. Ich
freue mich, dass wir in letzter Zeit wieder miteinander reden
konnten. Du wirst
mir fehlen.
St. Wendel am 15. November 2021.
Roland Geiger