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Datum 2021/11/02 22:30:14
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kirchenbücher als historische Quellen: Perspektiven der Landes-, Sozial- und Kulturgesch ichte
2021/11/02 22:30:14
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kirchenbücher als historische Quellen: Perspektiven der Landes-, Sozial- und Kulturgesch ichte
Betreff 2021/11/22 16:23:16
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Monatstreffen der ASF am Dienstag , 30. November, fällt aus
2021/11/15 12:49:18
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Re: [Regionalforum-Saar] Franz Ortwin Englert ist heute nach gestorben
Autor 2021/11/02 22:30:14
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kirchenbücher als historische Quellen: Perspektiven der Landes-, Sozial- und Kulturgesch ichte

[Regionalforum-Saar] M. Clauss: Militärgeschic hte des Mittelalters

Date: 2021/11/02 22:21:51
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M. Clauss: Militärgeschichte des Mittelalters

Militärgeschichte des Mittelalters.
Autor Martin Clauss
Erschienen München 2020: C.H.Beck
Anzahl Seiten 128 S.
Preis € 9,95
ISBN 978-3-406-75752-5

Inhalt => meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-58854.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Marco Krätschmer, Institut für Mittelalterliche Geschichte, Philipps-Universität Marburg

In der deutschsprachigen Mediävistik führten militärhistorische Fragen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lange Zeit ein stiefmütterliches Dasein. Anders als im anglophonen Raum existierte – abgesehen vom Delbrück’schen Klassiker[1] und wenigen anderen Ausnahmen – keine eigene militärgeschichtliche Forschungstradition in der deutschen Mittelalterforschung. Handbücher und Einführungen sind daher rar. Erst mit jüngeren Diskussionen der Friedens- und Konfliktforschung um die Jahrtausendwende rückte auch der mittelalterliche Krieg wieder stärker ins Interesse der Medävistik, was sich nicht zuletzt in der steigenden Anzahl bereits abgeschlossener und noch in Entstehung befindlicher Qualifikationsarbeiten widerspiegelt. Zugleich hängt dieser Aufschwung auch mit dem kulturanthropologischen und linguistischen Paradigmenwechsel in der Geschichtswissenschaft seit den 1980er und 1990er zusammen: Der jüngeren Kriegsgeschichtsforschung geht es weniger um die traditionellen Kernfragen eines Militärhistorikers, der überwiegend nach Strategien, Taktiken sowie der Bewaffnung, Aufstellung, Aushebung und Stärke der Truppen fragt, um Sieg und Niederlage zu erklären. Sie betrachtet den mittelalterlichen Krieg vor allem unter sozial-, religions- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen und untersucht die zeitgenössische Deutung und Wahrnehmung von Krieg und Gewalt.

Mit seinem Band aus der „C.H. Beck Wissen“-Reihe bietet Martin Clauss nun einen bündigen und gut lesbaren Einblick in diese jüngere Ausrichtung der deutschsprachigen Militärgeschichte des Mittelalters. Dabei verknüpft er die ältere und jüngere Tradition miteinander, weist aber den klassischen Ansatz einer „inherent military probability“ (S. 9) zurück, gehe dieser doch von einer allgemein gültigen Logik militärischen Handelns aus und berücksichtige die regionalen und kulturellen Eigenarten nicht ausreichend. Für methodisch sinnvoller hält es Clauss daher, Lücken und Uneindeutigkeiten der Quellen genau zu benennen. In seiner Einleitung geht er auf zwei weitere, grundlegende Problematiken ein, mit denen militärhistorisch forschende Mediävistinnen und Mediävisten konfrontiert werden: Zum einen bestehen zugleich Diskrepanzen wie Parallelen zwischen der zeitgenössischen Idealisierung und den modernen Klischees über den mittelalterlichen Krieg. Zum anderen sind die Quellen zu den klassischen Fragen der Militärgeschichte meist wenig aussagekräftig, weil es den mittelalterlichen, meist kriegsfernen geistlichen Autoren weniger um logistische Maßnahmen, sondern mehr um Heroisierung und die Darstellung kriegerischer Ideale ging. Es ist nun das Anliegen von Martin Clauss einen Überblick zum Kriegswesen im Mittelalter zu geben, der sich in diesen beiden problematischen Spannungsfeldern bewegt. Geographisch umfasst seine Darstellung das lateinische Europa mit einem Fokus auf das „deutsche“ Reich, chronologisch gegliedert von der Merowingerzeit bis zum Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Dieses sehr umfangreiche Anliegen ist für ein etwas mehr als 120 Seiten umfassendes Bändchen eine enorme Herausforderung, die – das sei vorweggesagt – Clauss sehr gelungen ist.

Die Einteilung der Kapitel zeugt von einer sinnvollen Gewichtung bei der Behandlung der einzelnen Epochen, wobei – dies liegt auch in der Natur der Überlieferung begründet – das 14. und 15. Jahrhundert fünf der elf Kapitel füllen. Im Frühmittelalter liegt der Schwerpunkt auf dem Frankenreich der Merowinger und Karolinger, gefolgt von einem Blick auf das Heerwesen der Ottonen. Im Hochmittelalter werden die klassische Entstehungsgeschichte des Rittertums sowie die damit in Verbindung stehenden Kreuzzüge behandelt, womit folgerichtig Ausblicke in die Levante verbunden sind. Bei seiner eingehenden Betrachtung der Schlachten von Bouvines und Dürnkrut stellt Clauss der Ereignisgeschichte die Darstellungsweise der Quellen gegenüber. Anhand der zeitgenössischen Erzählstrategien über Sieg und Niederlage sowie der Bedeutung von Heldendarstellungen verdeutlicht er den Leserinnen und Lesern die methodischen Herausforderungen der mittelalterlichen Militärgeschichte. Es folgen die Kapitel über das Spätmittelalter: Dort werden klassische Themen wie die steigende Bedeutung der Fußkämpfer und die Einführung von Pulverwaffen ebenso überzeugend behandelt wie der Hundertjährige Krieg und die Türken- und Hussitenkriege. Der Übergang zum stehenden Heer der Neuzeit füllt schließlich das letzte Kapitel, das mit Maximilian I. endet. Ein kurzes Verzeichnis sorgfältig ausgewählter Quellen und Forschungsliteratur sowie ein Orts- und Personenregister runden den Band ab. Zwei Karten im Umschlag bilden einschlägige Orte der europäischen Militärgeschichte des Mittelalters und die Kreuzfahrerstaaten ab. Diese ergänzen das Buch ebenso wie die sinnvoll im Text platzierten Illustrationen.

Die einzelnen Kapitel sind in sich sehr stimmig und gerade deswegen gelungen, weil Clauss die militärische Ereignisgeschichte und die Darstellung epochenspezifischer Rekrutierung, Ausrüstung und Taktik gekonnt miteinander verknüpft. Darüber hinaus vermittelt er lebendig die Andersartigkeit des mittelalterlichen Kriegswesens anhand anschaulicher Quellenbeispiele. So erfahren Leserinnen und Leser z.B. am Ende seines Buches, warum ein von den Karolingern großangelegtes Militärmanöver am im Fluss vorbeischwimmenden Pferdekot scheitern konnte. Und mehr noch: In seine Kapitel bindet Clauss meist die aktuellen Forschungskontroversen zu verschiedenen Aspekten des mittelalterlichen Kriegswesens ein. Dabei diskutiert er diese Kontroversen stets sehr ausgewogen. So greift er etwa die Frage nach dem Einsatz und der Bedeutung von Pferden im frühen und hohen Mittelalter auf, erwähnt die Diskussion über die „battle seeking“ bzw. „battle avoiding strategy“ (S. 84) während des Hundertjährigen Krieges sowie das mittlerweile vieldiskutierte und revidierte Konzept der „military revolution“ für die Entwicklungen in der Neuzeit (S. 109–115). An sich anbietenden Stellen seines kleinen Bandes greift Clauss also viele wichtige Fachdebatten auf, denen man meines Erachtens noch die jüngere Diskussion über Lehen und Vasallität hinzufügen könnte. Das Ergebnis dieser Diskussion hat doch gezeigt, dass das „Lehnswesen“ als wissenschaftliches Erklärungsmodell entschieden an Bedeutung verloren hat. In diesem Zusammenhang ergeben sich sodann auch für die Militärgeschichte des Mittelalters einige Fragen, wie z.B. zur Rekrutierung und Rangordnung.

Eine große Stärke seiner gut gegliederten und sorgfältig durchdachten Einführung macht die Ausgewogenheit aus, mit der Clauss umstrittene Sachverhalte und methodische Schwierigkeiten nachvollziehbar behandelt. Mit dieser Ausgewogenheit führt er seinen Leserinnen und Lesern immer wieder offen die Unsicherheiten unseres militärhistorischen Wissens sowie deren Gründe vor Augen und weiß somit die Grenzen und Möglichkeiten der mittelalterlichen Quellen für die traditionelle wie jüngere Militärgeschichte darzustellen. Damit erfüllt er nicht nur grundlegend das, was man sich von einer kurzen Einführung erwartet, nämlich einen sachlich nüchternen Blick auf die Materie, sondern macht darüber hinaus das Spannende an der Militärgeschichtsforschung zum Mittelalter deutlich: Wie vertraut oder fremd uns der mittelalterliche Krieg erscheint, sei, so Clauss, auch immer eng mit heutigen Stereotypen und Assoziationen verbunden, vor allem dann, wenn es um die Frage geht, wie 'ritterlich' die damaligen Akteure handelten. Wie wir also die Lücken unseres Wissens füllen, hänge nicht zuletzt von der Perspektive ab, die wir einnehmen, je nachdem, ob wir die damalige Alterität des mittelalterlichen Krieges betonen oder Parallelen zu unserer eigenen Gegenwart ziehen wollen (S. 118f.). Kurzum: Das anschauliche und konzis informierende Buch von Clauss ist eine zuverlässige Wahl für alle, die sich einen Überblick zum mittelalterlichen Kriegswesen verschaffen möchten.

Anmerkung:
[1] Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 4 Bände, Berlin 1920–1923.

Zitation

Marco Krätschmer: Rezension zu: , In: H-Soz-Kult, 03.11.2021, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-49925>.