Die SZ-Kolumne zum Wochenende :
Die unheimliche Stille im Homeoffice
Neulich im Homeoffice. Inbrünstig schmettert Junior in
Dauerschleife das Lied
der Elefantenparade aus Disneys Dschungelbuch. Dabei stampft er
Runde um Runde
über die Holzdielen in Küche, Ess- und Wohnzimmer.
Von Thorsten
Grim, Redakteur Lokalredaktion St. Wendel
Dann herrscht Stille. „Minuten schon Stille! Merkwürdige Stille!
Unheimliche
Stille!“, schreit mich mein Unterbewusstsein an. Ich löse mich und
meine
Gedanken vom Bildschirm. Dort habe ich gerade den Artikel über die
beliebtesten
Vornamen im St. Wendeler Land redigiert. Dabei ging mir die Frage
durch den
Kopf, wie die Zukunft der jetzt noch so kleinen Knirpse wohl
einmal aussehen
wird. Das kommt zu einem guten Teil darauf an, welche Welt wir
ihnen
hinterlassen werden. Aber auch sie selbst werden ein Stück weit
Schmiede ihres
eigenen Glücks sein. Welcher Vater hat sich nicht schon die Frage
gestellt, was
aus dem Kind mal werden soll? Eher sorgenvoll in der Pubertät,
sicher. Doch in
früher Kindheit noch im besten Glauben, dass aus dem Nachwuchs mal
„etwas
wird“. Und da neigt man vielleicht durchaus zum Groß-Ansetzen. Das
Kind hat
Entertainerqualitäten? Der kommende Fernsehstar. Er oder sie kann
gut singen?
Die große Bühnen-Karriere ist greifbar. Oder er oder sie könnte in
die Politik
gehen. Und dann natürlich ganz an die Spitze des Landes. Geht noch
mehr?
Sicher! Und damit zurück zur Grimschen Stille im Wohnzimmer und
dem Hauch einer
Sekunde, in der ich die Idee hatte, dass meinem Junior das
Papsttum
vorherbestimmt ist. Geschuldet war das seiner Antwort auf meine
Frage: „Was
machst du?“ „Ich habe Gott gefunden“, kommt es prompt zurück. Mit
gerade einmal
drei Jahren ist ihm gelungen, was anderen ihr Leben lang nicht
glücken will.
„Wo denn?“, frage ich. „Na unter dem Schrank im Wohnzimmer.“ Nun
ist der
Allmächtige bekanntlich auch allgegenwärtig – wieso also nicht
unter unserem
Schrank. „Willst du Gott mal sehen?“, fragt der Sohnemann. Gott
schauen im
Homeoffice? Darf man das überhaupt? Ich riskiere es, sage ja. Ganz
gewichtig,
als würde er eine Monstranz vor sich her tragen, schreitet er in
die Küche, der
kommende Papst. Feierlich in Händen hält er – eine Krippenfigur.
Die ist
beim Wegräumen der Weihnachtssachen wohl unter das Schränkchen
gekullert. Ein
Hirte mit Stab, grauem Bart und wollenem Haar. So wie man sich in
jungen Jahren
den lieben Gott halt vorstellen mag. Wir haben Gott dann auf die
Fensterbank
gestellt. Von dort aus ist er des Nachts wieder in den Himmel
gefahren. Also
auf den Speicher zu den anderen Weihnachtssachen. Dass Junior
Papst wird,
glaube ich inzwischen nicht mehr. Aber vielleicht Sachensucher wie
Pippi
Langstrumpf. Und das ist ja immerhin auch was.
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