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2020/12/02 21:33:29
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Forum: Zeiterfahrung: S. Pat zold: Covid-19 und die Folgen für die Mittelalterforschu ng (ziemlich langer Artikel!)
Datum 2020/12/06 10:22:05
Robert Morsch
Re: [Regionalforum-Saar] Thomas P. und ich im Landesarchi v Saarbrücken.
2020/12/02 21:28:23
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Thingstätten. Von der Bedeu tung der Vergangenheit für die Gegenwart
Betreff 2020/12/06 10:22:05
Robert Morsch
Re: [Regionalforum-Saar] Thomas P. und ich im Landesarchi v Saarbrücken.
2020/12/02 21:33:29
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Forum: Zeiterfahrung: S. Pat zold: Covid-19 und die Folgen für die Mittelalterforschu ng (ziemlich langer Artikel!)
Autor 2020/12/06 23:09:14
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Entnazifizierungsgeschichten. Di e Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der fr ühen Nachkriegszeit

[Regionalforum-Saar] Thomas P. und ich im Landesarchi v Saarbrücken.

Date: 2020/12/04 21:41:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Thomas P. und ich im Landesarchiv Saarbrücken.

Heute morgen war ich im Landesarchiv Saarbrücken, um mich mit ein paar alten Notariatsverträgen von der Realität abzulenken. Ich stellte mein Auto ab, ging zum verschlossenen Portal, klingelte und fragte die sich meldende Stimme am Interkom: „Bitte um Erlaubnis, an Bord zu kommen!“ Was mir gewährt wurde. Ein Mitarbeiter kam runter, öffnete die Tür und ließ mich ein.

Oben im Lesesaal erhielt ich die Akten, die vom letzten Besuch vergangenen Freitag noch übrig waren (Notar Eschrich, 1815, tolle Sachen darunter, hab einen positiven Offenkundigungsakt gefunden und eine remplacement, wo einer für einen anderen zum französischen Militär ging und nicht mehr zurückkam, und ein Inventar, wo der Dung in der Grube 10x so viel wert war wie die Kleidung der Verstorbenen. Kuhl. PS: nicht ärgern über das „wo“, ich bin Saarlänna). Erst hab ich eine Entschädigungsakte gescannt - ekliger Fall: Paul Groben aus Ottweiler hatte sich despektierlich über Hitler geäußert, was zu einer Odysee durch mehrere Konzentrationslager und zu seinem Tod im April 1945 führte; angestellt vom Großvater eines 1930 geborenen unehelichen Sohnes, der nachher von den saarländischen Amtsbürohengsten juristisch und finanziell übern Tisch gezogen wurde (eklig zweimal, am Anfang und am Schluß).

Als ich dann munter am Abpinseln der Notariatsakten bin, kommt ein anderer Mitarbeiter des Archivs, der mich aufklärt, daß letzten Montag vom Ministerium die schriftliche Anweisung kam, daß Besucher des Lesesaals ab sofort nicht nur beim Aufstehen und Umherwandern im Lesesaal, im Gang (und damit auch aufm Klo, auch wenn das wohl dort nicht drinstand), sondern auch beim Sitzen am Tisch, also beim Arbeiten, eine Maske zu tragen hätten (ob auch beim Sitzen aufm Klo, hab ich mich nicht getraut zu fragen). Ich halte das zwar für Schwachsinn, denn außer mir ist im Lesesaal nur noch ein weiterer Besucher, der sitzt am anderen Ende an den Fenstern, und die Aufsichtsperson arbeitet an der Theke hinter Glas, aber als klassischer deutscher Untertan mache ich jede noch so unsinnige Anweisung gutgelaunt mit, weil ich ja weiß, daß die ganz oben viel mehr davon verstehen, was mir guttut, als ich das je wissen können werde, und binde mir das Ding um, was Exkrement ist, weil mir jetzt die Lesebrille voll beschlägt und ich nichts mehr sehen kann. Also kommt die Lesebrille runter, die Augen zusammengepetzt, dann geht das irgendwie. Um die Kopfschmerzen heute mittag kümmere ich mich dann. Aber richtig sehen tue ich nicht, also kommt die Brille wieder drauf, dafür lugt der Riechkolben oben über die Maske, dann beschlägt auch nichts. Den Kopf stecke ich tief in die Akten, das kriegt dann keiner mit.

Eine halbe Stunde vergeht, dann ist Lüftenszeit. Die Aufsehkraft entschuldigt sich im Vorfeld und reißt dann alle Fenster auf - nur für drei Minuten, sagt sie. Gut, daß wir Spätsommer haben. Nee, ham wir nicht. Meteorologisch issesr schon Winter, und der sagt, wo’s lang geht. Die Temperatur im Raum sinkt gefühlt von irgendwo um die 20 auf die 4 Grad plus, die mein Auto heute morgen zuhause aufm Hof gemessen hat. Ich eile in die Garderobe und schlüpfe in die dicke Jacke. Den Schal um den Hals, den Hut aufn Kopf, so schlendere ich zurück auf meinen Platz und arbeite weiter. Der andere Besucher hat sich nicht gerappelt. Er sitzt direkt am offenen Fenster und macht, als ob er nichts merke. Vielleicht merkt er wirklich nichts, vielleicht ist er aber auch nur einfach nicht so ein Weichei wie ich. Aber ohne Jacke hol ich mir bei den Temparaturen die Pieps, und das führt zu Atemwegssymptomatiken (so oder so ähnlich heißt das Wort auf der langen Liste mit den „muß“en und „nicht dürfen“n, die ich im Fahrstuhl beim Rauffahren jedesmal lese), und wenn ich die habe, darf ich hier nicht mehr rein.

Nach einer weiteren halben Stunde merke ich, daß es im Raum nicht wirklich wieder wärmer geht, aber die nächste staatlich verordnete Lüftungsaktion mit jagenden Minuten näherkommt. Und dann fällt mir auf, wie saublöd das aussehen muß, wie ich da voll bekleidet rumsitze und tippe. Also beschließe ich schweren Herzens aufzuhören. Ich packe zusammen, lasse meine Kiste wegstellen und verabschiede mich mit einem „Schönes Wochenende“, obwohl es vermutlich eher ein „Schönes Restjahr“ sein wird, wenn ich konsequent bleibe und dort erst wieder hingehe, wenn die Situation wieder normal ist. Ja, ich weiß, so zu denken ist naiv, aber ich sage mir immer: Hab Sonne im Herzen, und alles wird gut.

Andererseits kann „Konsequenz“ sehr unangenehm werden, weil man sich einem höheren Ziel verpflichtet. Dafür bedarfs richtiger Helden und keiner Sommersoldaten oder Sonnenscheinpatrioten. Nicht wahr, Thomas?

Alsfassen am Abend des 4ten Xbers MMXX.

Roland Geiger


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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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