Anfangs der 1780er
verabschiedete
der Trierer Kurfürst das sog. Toleranzedikt, nach dem ab sofort
neben den
Katholiken und manchen immer wieder mal temporär geduldeten Juden
auch
Protestanten sich im Kurtrierischen niederlassen durften - unter
gewissen
Bedingungen: ihr Gewerbe mußte einen Profit abwerfen, d.h. sie
mußten Steuern
bezahlen, und ihre Pfarrer durften nur in Zivil erscheinen.
Einen der ersten Protestanten, der sich in St. Wendel niederließ,
war der
Schönfärber Johann Psotta, der aus Neusohl in Oberungarn und in
den 1770ern
nach Ottweiler gekommen war. Dort hatte er am 5. Oktober 1780 die
dort
ansässige Anna Maria Waltzinger geheiratet und war mit ihr und den
beiden
Söhnen Johann Andreas und Christian Friedrich 1786 nach St. Wendel
übergesiedelt.
Johann Andreas übernahm später das Geschäft seines Vaters in St.
Wendel,
während der jüngste Sohn mit seiner Familie Ende der 1830er in die
USA
auswanderte (+ 1870 in Philadelphia, Pennsylvania)
Am 24. September 1786 wandte sich der St. Wendeler Amtmann
Gatterman an seinen
Vorgesetzten, den Trierer Kurfürsten Clemens Wenceslaus, und bat
um Rat, was er
mit dem neuzugezogenen Psotta in Hinsicht auf dessen Religion
anstellen sollte:
„St. Wendel d 24t 9ber 1786
Hochwürdigster Erzbischof, Durchlauchtigster Kurfürst, Gnädigster
Kurfürst und
Herr
Johann Psotta, Schön Färber seines Handwerks wurde Vermög
gnädigsten Dekrets
vom 23ten Merz laufd. Jahrs dahier beigehend von Eurer
Kurfürstlichen
Durchlaucht in die Zahl der Unterthanen gnädigst aufgenommen,
derselbe hat sich
seit einiger Zeit in hiesiger Stadt häuslich niedergelassen, und
wünscht zu
wissen, in wie weit ihm die Ausübung der protestantischen
Religion, welcher Er
zugethan ist, gestattet seye, welches mich Veranlasset
höchstdieselbe und die
gnädigste Erklärung, und Weissung in Unterthänigkeit zu bitten,
mit schuldigster Verehrung ersterbend
Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht unterthänigst treugehorsamster
Gatterman“
Die Antwort erfolgt nicht wirklich postwendend:
„Von wegen Sr Kurfürstlichen Durchlaucht zu Trier dem Amt St.
Wendel auf seinen
erstatteten Bericht in Betref des Schönfärbers Johan Psotta pto
Religionsausübung hierdurch anzufügen: Er habe den Psotta nach
denen hier
beiliegenden höchsten Vorschriften in Betref des Handelsmanns
Böcking von
dahier zu Vorbescheiden, und zu behandeln.
Koblenz in C(astro) E(hrenbreitstein) den 12ten Decemb. 1786
Ex Mandato
J.L. Schaeffer“
Gefolgt von dem, was drei Jahre zuvor in Sachen Richard Böcking
entschieden worden
ist, als das Toleranzedikt noch relativ neu war:
„Jn Betref der Protestantischen Religions=Ausübung im Hohen
Erzstift Trier
Extractus Protocolli Regiminis, de dato Coblenz den 4. Nov 1783
Jn Trarbach Richard Böcking pto der Handlungsfreiheit in Coblenz
p.
Legebatur dessen unthgste bittschrift cum Clemo Decreto de 31. mit
dem Befehl, dem
Supplicanten also bald anzufügen: daß S. Kurf. Durchlaucht
demselben gnädigst
gestatten, sich in der Stadt Coblenz oder dem Thal Ehrenbreitstein
mit seiner
Handlung niederzulassen, und obwohlen Hochdieselbe noch zur Zeit
bedenken
hatten, demselben das Bürgerrecht angedeihen zu lasen, so solle er
dennoch eine
denen Bürgern ähnliche Freyheit zu geniesen haben.
Seine Kurfürstliche Durchlaucht wollen demselben auch gnädigst
gestatten, seine
Kinder durch einen Geistlichen seiner Religion taufen und
unterrichten zu lasen,
auch in Sterbfällen sich und die seinigen an einen seiner Religion
zugethanen
Ort beerdigen zu lasen.
Jedoch solte der protestantische Geistliche in keiner geistlichen
Kleidung offentlich
erscheinen, und den katholischen Pastor die gewöhnliche Jura stola
entrichtet
werden; Uebrigens aber hätte derselbe von seinem Handel, und
Gewerb, wie die Inländische
Handelsleuthe eine billige, und proportionirte Abgabe zu
entrichten. Wo dann
schließlich wegen der Aufnahm des Supplicanten bei seiner
Niederlasung dem Stadtmagistrat
das nötige von der Regierung anzufügen ist.
Fiat hiernach Decretum ad Supplicum dem Handelsmann Böcking.
Churfürstlich Trierische Regierungs Canzley“
Das würde ich gerne wissen: was der protestantische Pfarrer damals
gedacht
haben muß, als er erfuhr, daß zum einen er in Zivil erscheinen,
zum anderen
sein katholischer Kollege die Stolgebühren einkassieren konnte.
Quelle: Pfarrarchiv St. Wendel, B28, S. 179 - 183.
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