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Datum 2020/10/17 16:13:31
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Klaucks "Lexikon der saarlä ndischen Orte, Gehöfte, Mühlen, Industrieanlage n und Wohnplätze"
2020/10/10 10:38:41
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] 80. Jahrestag der „Wagne r-Bürckel-Aktion" steht an.
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Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Die Thronfolger. Macht und Zukunft der Monarchie im 19. Jahrhundert
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[Regionalforum-Saar] 80. Jahrestag der „Wagne r-Bürckel-Aktion" steht an.
Autor 2020/10/17 16:13:31
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[Regionalforum-Saar] Das Heilige Köln - Tochter Ro ms. Beiträge zu den Grundthemen der Kölner Geschich te

Date: 2020/10/14 08:06:13
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

Das Heilige Köln - Tochter Roms. Beiträge zu den Grundthemen der Kölner Geschichte

Autor Heinz Finger
Reihe Libelli Rhenani 74
Erschienen Köln 2020: Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln mit Bibliothek St. Albertus Magnus

Anzahl Seiten 234 S.
Preis € 20,00
ISBN 978-3-939160-84-7

Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-59078.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Harald Horst, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln

„Heiliges Köln, von Gottes Gnade der römischen Kirche getreue Tochter“, verkündete stolz das Stadtsiegel von Köln, das vom 12. (in gotischer Form seit dem 13.) bis zum 18. Jahrhundert in Gebrauch war. Als „Medium verbindlichster Selbstaussage der Stadt“ bezeichnet Heinz Finger diese Siegelumschrift (Einführung, S. 11) und nimmt sie zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur „Heiligkeit“ und Romverbundenheit Kölns, sieht im langen Gebrauch des Siegels zudem die Legitimation, im Untertitel seines Buches von „Grundthemen der Kölner Geschichte“ zu sprechen. Dem Autor geht es um Fragen wie diese: Woher kam der Stolz Kölns auf das Epitheton „heilig“, woher die Betonung seiner Verbundenheit mit Rom, die im verklärenden Rückblick des 19. Jahrhunderts schließlich Köln als das „zweite Rom“ erscheinen ließ? Welchen Wandlungen war diese Haltung im Lauf der Jahrhunderte unterworfen? Und gab es sie nicht auch in anderen Städten?

Heinz Finger, bis 2015 Direktor der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln und seit 1996 Honorarprofessor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Düsseldorf, legt mit diesem Band allerdings keine geschlossene Monographie zu seinem Oberthema vor. Die insgesamt 17, nach ihren Inhalten chronologisch angeordneten Untersuchungen zielen zwar alle auf diesen „speziellen Forschungskomplex“, sind jedoch thematisch „in sich vollkommen abgeschlossen“ (Vorwort, S. 10). Sämtliche Beiträge waren bislang unveröffentlicht; die Nachweise in den Fußnoten lassen freilich erkennen, dass Finger teilweise auch aus dem umfangreichen Fundus seiner früheren Publikationen schöpft. Man möchte fast annehmen, dass er im Ruhestand endlich einem Thema nachgehen konnte, das sich ihm im Verlauf seiner Amtszeit und der daraus hervorgehenden Veröffentlichungen immer wieder aufdrängte.

Der Blick auf die besagten Attribute erfordert einen Vergleich mit anderen Städten, die durch Rom gegründet wurden und/oder sich selbst als heilig bezeichneten. Nach einem Blick auf den Ursprung der Bezeichnung „Santa Colonia“ (I, S. 15–35) folgt daher eine kurze Darstellung weiterer Städte mit Rombezug, allen voran Konstantinopel und Moskau (II, S. 37–41). Weitere Vergleichsmöglichkeiten bieten Trier (VII, S. 89–110), Mainz (VIII, S. 111–124), Xanten als „Heiliges Troja“ (XIV, S. 167–177) sowie die Kaiserstadt Aachen (XV, S. 185–194). Für das Früh- und Hochmittelalter, arbeitet Finger klar heraus, kann Köln kein Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen: So nannte sich das „Goldene Mainz“ nicht „treue“, sondern „besondere Tochter“ (filia specialis) der römischen Kirche – allzu groß wird man diesen Unterschied nicht bewerten (S. 111–113). Dagegen setzte die Bezeichnung „Heiliger Stuhl von Mainz“ den Erzbischofssitz verbal dem päpstlichen Stuhl gleich und untermauerte den Anspruch auf eine Vorrangstellung über die Diözesen nördlich der Alpen, die in Mainz bereits unter Erzbischof Willigis († 1011) erreicht wurde (S. 119–122). Auch Trier beanspruchte, nicht zuletzt mit Hilfe der Trebeta-Legende sowie der angeblichen Bistumsgründung durch den Petrus-Schüler Eucharius, viel weitergehende Privilegien als Köln und behauptete sogar eine patriarchalische Stellung (S. 98–105).

Der Bezug auf Rom in Köln wie in anderen Städten, selbst wenn sie sich auf römische Gründung beriefen, war Fingers Untersuchungen zufolge überwiegend kirchlich geprägt. Schnell vermischen sich also Profan- und Kirchengeschichte bei diesem Thema, die sich im Mittelalter ohnehin nur theoretisch trennen lassen, „ganz gewiss nicht in Köln“ (Vorwort, S. 10). So bleibt die römische Kirche in dieser Publikation lediglich in der Antike (III, S. 43–52) und bei der behaupteten stadtrömischen Herkunft der führenden Kölner Geschlechter (XIII, S. 161–166) außen vor – wobei selbst der Abstammungssage eine starke religiöse Komponente innewohnt (S. 165 mit Hinweis auf Klaus Militzer). Ganz klar: Romverbundenheit Kölns ist als Verbundenheit der kölnischen mit der römischen Kirche – und im Hochmittelalter zunehmend mit der Person des Papstes zu verstehen. Finger führt dies aus in den Kapiteln zur Kölner Kirche in der Spätantike (IV, S. 53–65 mit Bischof Maternus als angeblichem Petrus-Schüler; V, S. 67–73 zu den größten Überlieferungslücken), in fränkischer Zeit (VI, S. 75–87 von Bonifatius bis Gunthar)[1] und im Hohen Mittelalter (IX bis XI, S. 125–149 über besondere, päpstlichen Aufgaben analoge Funktionen der Kölner Erzbischöfe).

Der Begriff der Heiligkeit müsste somit abgeleitet sein aus dem Einfluss der Kölner Kirche auf die Stadt und deren absolute Romtreue, wie es das Stadtsiegel eigentlich nahelegt. Doch ist bereits diese Selbstbezeichnung eine idealisierte Konstruktion, wie Finger aufzeigt. Der Beginn der Bezeichnung Kölns als heilige Stadt fällt in die Amtszeit des Erzbischofs Hildebald (amtierend 787–818) und steht wohl in Zusammenhang mit „Strategien der Sakralisierung“ des Politischen, des Kirchenbaus, des kaiserlichen Hofes und seiner Protagonisten, die unter Karl dem Großen vorangetrieben wurden – Karl Ubl hat dies im Tagungsband zum 8. Kölner Handschriftensymposion ausgeführt.[2] Beide Autoren betonen, dass die Heiligkeit eines Gebäudes oder politischen Gebildes nur zu verstehen ist als Ableitung von der Heiligkeit der Reliquien, die es besitzt.

Wie also Karl der Große seinen Palast aufgrund der in der Pfalzkapelle aufbewahrten Reliquien einen sacrum palatium zu nennen begann[3], „begründete Köln seine Heiligkeit mit seinem kostbaren Reliquienbesitz und nicht zuletzt mit der enormen Quantität dieser Reliquien“ (I, S. 18). Mit der Übernahme der Stadtherrschaft im 14. Jahrhundert übernahm der Rat auch die Kontrolle über die Reliquienschätze und ihre Verehrung, etwa durch die Organisation von Prozessionen. Ihre Treue zur römischen Kirche nutzte die Stadt sodann als Instrument ihrer Opposition zum erzbischöflichen Stadtherren (XII, S. 151–160), nicht zuletzt während der beiden jeweils vom Erzbischof ausgehenden Reformationsversuche im 16. Jahrhundert (XVI, S. 195–212). Zu Recht weist Finger jedoch darauf hin, dass eigentlich das Domkapitel in Zusammenwirken mit der Universität die Reformversuche erfolgreich verhinderte – während die Rolle der „bürgerlichen Eliten in der Stadt Köln“ im Nachhinein geschönt dargestellt wurde (S. 200–205, Zitat S. 205). Seit der Konfessionalisierung hatte sich das Verständnis der „Heiligkeit“ Kölns ohnehin auf die exklusiv katholische Prägung der Stadt verlagert (S. 195), bis sie schon im 17. Jahrhundert bei Aegidius Gelenius (S. 209f.) und erst recht nach der Säkularisation nur noch als nostalgische Erinnerung an mittelalterliche Traditionen beschworen wurde (XVII, S. 213–225).

Den Band zeichnet das stupende Spezialwissen besonders in Bezug auf kirchliche Besonderheiten aus, das Heinz Finger schon in früheren Publikationen bewies. So dürfte nur Wenigen bekannt sein, dass es am Dom eine Dreikönigskustodie (sowie später eine Dreikönigsvikarie) gab (S. 32), oder was es mit dem – römischem Vorbild nacheifernden – Kölner Kardinalskollegium (X, S. 135–139) auf sich hatte. Dies gilt auch für den Hinweis auf den zeitweiligen Besitz einer den Kölner Erzbischöfen anvertrauten Kirche in der Stadt Rom (IX, S. 130–134). Die außergewöhnliche Mitgliedschaft des Papstes im Kölner Domkapitel macht Finger – entgegen der bisherigen Forschung – als im Grunde „erschlichen“ wahrscheinlich (XII, S. 151–154, bes. 153).

Inhaltlich gibt es an der Publikation wenig zu kritisieren, vielleicht dies: Ob Erzbischof Hildebald von Köln die Dispens von der Residenzpflicht in seinem Sprengel von Papst Hadrian I. selbst erhielt (S. 84), mag Ansichtssache sein. Tatsächlich stimmten die auf der Frankfurter Synode 794 versammelten Reichsbischöfe dieser Bitte Karls des Großen zu, nachdem dieser behauptet hatte, er habe vom Papst das gleiche Privileg wie bei Hildebalds Vorgänger Angilram von Metz erhalten.[4] Dass Hildebald zweimal korrekt „Erzkaplan“ Karls des Großen genannt wird (S. 83), unmittelbar danach aber „Erzkanzler“ (S. 84), geht als Flüchtigkeitsfehler durch. Weitere Nachlässigkeiten der Publikation sind dem Bereich Orthografie und Interpunktion zuzurechnen. Ein Orts- und Namenregister wäre hilfreich gewesen.

„Ein gemeinsames Fazit“ (S. 227–234) steht am Ende dieses Sammelbandes und macht in der Zusammenfassung der einzelnen Aufsätze deutlich, dass sich bei aller „Heiligkeit“ und Romnähe der Stadt nicht die gesamte Geschichte Kölns damit erklären lässt – die bedeutende Rolle Kölns in der Hanse etwa steht damit überhaupt nicht in Beziehung. Warum „Heiligkeit“ und Romnähe ausgerechnet in Köln im kollektiven Gedächtnis verankert sind, obwohl sich auch andere Städte als „heilig“ und „römisch“ bezeichneten, kann auch Heinz Finger nicht aufklären. Dem ohnehin nicht geringen Kölner Selbstbewusstsein war und ist es allemal zuträglich – auch wenn die Bezeichnung „Heiliges Köln“, wie Finger anmerkt (S. 15), heute zunehmend ironisch gebraucht wird.

Anmerkungen:
[1] Zu diesem Abschnitt wäre noch zu berücksichtigen: Carl Dietmar / Marcus Trier, Colonia, Stadt der Franken. Köln vom 5. bis 10. Jahrhundert, Köln 2011.
[2] Karl Ubl, Hildebald von Köln und die Heiligkeit. Strategien der Sakralisierung in der Zeit Karls des Großen, in: Harald Horst (Hrsg.), Mittelalterliche Handschriften der Kölner Dombibliothek. Achtes Symposion (Libelli Rhenani 73), Köln 2019, S. 17–35, Zitat S. 33. – Der Band erschien erst kurz vor dem besprochenen Werk von Heinz Finger und konnte von ihm nicht mehr berücksichtigt werden.
[3] Ubl, Hildebald von Köln, S. 19–24.
[4] Albert Werminghoff (Hrsg.), Concilia Aevi Karolini. T. I, p. 1 (MGH Concilia 2,1), Hannover 1906, S. 171: „quia et de eodem, sicut et de Angilramnum, apostolicam licentiam habebat.“