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2018/05/03 09:48:36
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Führung Jüdischer Friedh of Ottweiler
Datum 2018/05/08 09:52:46
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Ein Besuch bei meiner Cousine zu Trier am 5ten Mai AD 2018.
2018/05/08 09:52:46
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Ein Besuch bei meiner Cousine zu Trier am 5ten Mai AD 2018.
Betreff 2018/05/03 09:48:36
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Führung Jüdischer Friedh of Ottweiler
2018/05/13 12:55:17
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Dr. Ing. Otto Eberbach
Autor 2018/05/08 09:52:46
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Ein Besuch bei meiner Cousine zu Trier am 5ten Mai AD 2018.

[Regionalforum-Saar] Ein Schnellschuß gelehrter La bertaschen?

Date: 2018/05/07 08:22:35
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

Tambora. Ein Vulkan verändert Südwestdeutschland


Hrsg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg
ErschienenUbstadt-Weiher 2017: Verlag Regionalkultur
Umfang 128 S.
Preis € 9,90
Rezensiert für H-Soz-Kult vonWolfgang Behringer, Historisches Institut, Universität des Saarlandes

Dieses kleine Bändchen (128 bebilderte Seiten in einem sonst nur von Werbebroschüren bekannten Schmalformat) ging aus einer Serie von vier Vorträgen hervor, die im Jahr 2015 auf Anregung der Umweltakademie Baden-Württemberg gehalten und vom württembergischen Sparkassenverband gesponsert worden sind. Akteure waren der Präsident des Sparkassenverbandes, der ehemalige Landtagsabgeordnete Peter Schneider, der Leiter des Sparkassenhistorischen Dokumentationszentrums Thorsten Wehber, der Leiter des Hauses der Württembergischen Geschichte Thomas Schnabel, der Leiter des Archives der Universität Hohenheim Dr. Ulrich Fellmeth sowie der Rektor dieser Universität, Dr. Stephan Dabbert, Professor für Produktionstheorie und Ressourcenökonomie im Agrarbereich. Das ist eine interessante Kombination von Autoren, geht doch sowohl die Gründung der Universität Hohenheim als auch die der Sparkasse auf die sozialen und ökonomischen Turbulenzen infolge des Vulkanausbruchs in Indonesien im Jahr 1815 zurück.


In seiner Einleitung behauptet Thomas Schnabel (S. 7–8), bisher habe man sich eher mit den globalen Auswirkungen des Tambora-Ausbruchs beschäftigt. Das ist allerdings falsch, denn seit über 100 Jahren gibt es viele dutzende, wenn nicht hunderte von regionalen und lokalen Untersuchungen, die man allerdings zusammensuchen muss. Die besondere Fragestellung dieses Bändchens liegt darin, wie „ein kleiner Staat auf ein katastrophales Ereignis“ von globalem Ausmaß reagieren konnte. Die Antworten auf diese Frage fallen jedoch ganz unterschiedlich aus. Der Sparkassenpräsident Peter Schneider behauptet auf knappen 2 ½ Seiten (S. 11–13), das Königreich Württemberg habe „Glück im Unglück“ gehabt, weil seine „volksnahe Königin Katharina“ nicht nur einen Wohltätigkeitsverein gegründet, sondern auch noch die Gründung der „Württembergischen Sparkasse“ veranlasst habe, „zweifellos inspiriert von den Schweizer Ersparniskassen, von denen sie offensichtlich Kenntnis hatte, aber auch von den britischen ‚Parish Banks‘, die sie auf ihrer Englandreise kennenlernte“. Beleg dafür? Fehlanzeige. Möglicherweise sind die „Savings Funds“ gemeint, die in den USA und in England 1816 als Wundermittel gegen die Krisenanfälligkeit der Besitzlosen propagiert wurden. Aber kann man wirklich nachweisen, dass dieser Transfer auf dem Mist einer russischen Prinzessin gewachsen ist, oder waren hier nicht besser informierte Reformpolitiker wie Johann Friedrich Cotta am Werk?


Zu kurz gesprungen sind leider auch die anderen Autoren. Im zentralen Beitrag dieses Bandes (S. 15–56) hält sich Thomas Schnabel erst einmal sieben Seiten mit den napoleonischen Kriegen und der Konstituierung des Königreichs Württemberg auf, bevor er auf Seite 23 auf den Ausbruch des Tambora zu sprechen kommt. Dieser habe „nach heutigem Kenntnisstand mehr als 100.000 Todesopfer“ gefordert. Das ist sicher nicht gelogen, aber auch nicht ganz richtig, man könnte auch sagen: stark untertrieben. Rechnet man die Seuchenopfer der Cholera hinzu, die den Autoren des Bandes unbekannt geblieben sind, dann wäre man mit weltweit 100 Millionen Opfern näher an der historischen Wirklichkeit.[1] „Außerhalb Südostasiens wurde dieser Ausbruch freilich nicht wahrgenommen“ (alles S. 23). Goethe las allerdings davon, laut seinem Tagebuch, in Cottas „Morgenblatt für die gebildeten Stände“, ebenso wurde darüber in August Pictets „Bibliothèque Universelle“ berichtet[2], und natürlich im Londoner „Asiatic Journal“ der British East India Company.[3] Schnabel versucht in einem wirren Absatz, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über den Vulkanausbruch zusammenzufassen und wendet sich dann den Erlebnissen des Lord Byron am Genfer See zu, Byron, der seine Bedeutung der Förderung Goethes verdankt haben soll (S. 29)! Für die „damalige Stimmung auch im Südwesten“ zitiert Schnabel dann den aus Hamburg stammenden bayrischen Justizrat Franz Ludwig von Hornthal. Seine stärkste Seite hat dieser Aufsatz, wenn er (auf S. 35) endlich einmal an die württembergischen Quellen geht und aus den Protokollen des Württembergischen Landtags zitiert, der sich ab dem 13. Juli 1816 mit der Materie befasste. Der vorübergehend gute Eindruck löst sich jedoch sofort in Luft auf, wenn Schnabel (S. 38) auf die sogenannte Hungerchronik Christian August Schnerrings rekurriert, die schon vor dreißig Jahren als dreiste antisemitische Fälschung aus dem Jahr 1916 entlarvt worden ist.[4] Wenn der Autor wenig später behauptet, aufgrund der guten Ernte von 1818 „waren die Nöte schnell verschwunden“(S. 49), dann beweist er damit nur, wie wenig Ahnung er von seinem Gegenstand hat. Hans Medick hat in seiner Habilitationsschrift gezeigt, wie nachhaltig die Verarmung des württembergischen Handwerks in dieser Krise gewesen ist.[5] Der Rest des Aufsatzes verläuft nach dem Schema: der König tat dies und der König tat das. Mit Brecht ist man versucht zu fragen: Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?


Von mehr Substanz zeugt der Beitrag von Stephan Dabbert und Ullrich Fellmeth über „die württembergische Landwirtschaft und die Wirksamkeit des Instituts in Hohenheim“(S. 57–82). Dies beginnt schon bei grundlegenden Informationen zur Grundbesitzverteilung sowie zur Größe und Struktur der Landwirtschaft, die durch die Tamborakrise noch einmal in eine ernste Krise geriet. Freilich finden sich auch zweifelhafte Graphiken zur Bevölkerungsentwicklung, zu den „größten Vulkanexplosionen“ und zur Sommertemperatur in Karlsruhe, die nicht auf eigenen Recherchen beruhen, sondern offenbar ohne eigene Nachprüfung der Sekundärliteratur oder sogar von privaten Internetseiten übernommen wurden. Sehr schön ist übrigens die Idee, die Zahl der Württemberger mit der Zahl der „Pferde, Rinder und Schweine“ zu vergleichen, die zu einer Art Gesamttier aufaddiert werden. Auch in diesem Beitrag finden sich freilich bezeichnende Mängel, etwa wenn behauptet wird, „erst im Jahr 1920“ sei die Bedeutung des Vulkans Tambora „ausgemacht worden“(S. 65). Man weiß es seit den Veröffentlichungen von Raffles 1817.[6] Der naturwissenschaftlichen Nachweis globaler Auswirkungen wurde 1913 von William Jackson Humphreys geführt.[7] Wenn angemerkt wird, in Frankreich habe es „lokale gewaltsame Proteste“ gegeben, dann zeugt dies von blanker Ahnungslosigkeit: Frankreich befand sich so nahe am Abgrund wie 1788.[8] Auch in diesem Aufsatz tat der König sehr viel, und seine russische Frau steigerte sich gar in „fast übermenschliche Anstrengung“(S. 69) hinein. Immerhin erfährt man auf S. 77, dass es doch auch ein paar Beamte, Bankiers und Politiker gab und das Königspaar sich nicht ganz alleine verausgaben musste.


Thorsten Wehbers Beitrag über die württembergische Sparkassengründung (S. 85–105) kann man entnehmen, dass die Königin aus der Zeit ihrer ersten Ehe in Oldenburg Sparkassen und von einer Englandreise „Savings Banks“ (also doch!) kannte. Der Autor macht mit Quellenzitaten glaubhaft, dass sich die Königin tatsächlich für die Sparkassengründung interessierte, vergisst allerdings zu erwähnen, warum die Neugründung auf keinen Fall „Bank“ genannt werden sollte: weil die Menschen „Bank“ nämlich mit Betrug und „bankrott“ assoziierten. Nur Gemeinnützigkeit und ein ganz neues Modell der Einlagensicherung konnte sie zum Sparen animieren, in Württemberg wie anderswo in Europa und in den USA. Dankenswerterweise gibt Wehber auch Einblicke in die Geschäftsentwicklung der ersten Jahre, sowie Ausblicke auf die gleichzeitigen Sparkassengründungen in den Nachbarländern Baden und Bayern, wo man exakt dieselbe Politik verfolgte – was natürlich die Bedeutung der guten württembergischen Königin ein klein wenig mindert: Offenbar ging es anderswo auch ohne sie. Solche Unschärfen in der Argumentation werden in diesem Band weder bemerkt noch diskutiert.


Alle Teile dieser Publikation leiden darunter, dass die Autoren wohl nicht so richtig Zeit gefunden haben, sich mit ihrem Thema zu beschäftigen. Die Ausführungen beruhen selten auf den Quellen, und die neuere, aber auch die ältere Literatur zur Tamborakrise ist den Autoren weitgehend unbekannt geblieben. Die Vorträge enthielten sicher einige interessante Gedanken, die aber leider nicht zu Ende gedacht und für die Publikation nicht genügend ausgearbeitet wurden. Der Band dokumentiert die Aktivität der Referenten anlässlich des Jubiläums, die Vorträge hätten aber in dieser Form besser nicht veröffentlicht werden sollen, weil die methodischen und argumentativen Defizite zu offensichtlich sind. Das „Haus der Geschichte Baden-Württemberg(s)“ hat sich mit dieser Herausgeberschaft selbst einen Bärendienst erwiesen.


Anmerkungen:
[1] Wolfgang Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte, München 2015 (4. Auflage 2016).
[2] Marc-Auguste Pictet, Détails sur une eruption volcanique qui a eu lieu dans l’isle de Sumbava, in: Bibliothèque Universelle 5 (1817) S. 221–227.
[3] The Asiatic Journal and Monthly Register for British India and Dependencies I (1816), S. 92–93, S. 116–117, S. 125, S. 177–178, S. 296–297, S. 322–324, S. 372.- II (1816), S. 164–166, S. 421–422.
[4] Günter Randecker, Die „Laichinger Hungerchronik“ – ein Lügengewebe, in: Karl Corino (Hrsg.), Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik, Nördlingen 1988, S. 74–90.
[5] Hans Medick, Weben und Überleben in Laichingen, 1650–1900, Göttingen 1996.
[6] Thomas Stamford Raffles, The History of Java, London 1817 (online).
[7] William Jackson Humphreys, Volcanic Dust and other Factors in the Production of Climatic Changes, and their possible Relation to Ice Ages, in: Bulletin of the Mount Weather Observatory 6 (1913), S. 1–34.
[8] Vgl. die Thèse: Robert Marjolin, Troubles provoqués en France par la disette de 1816–1817, in: Revue d’Histoire Moderne 8 (1933), S. 423–460.