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2016/09/21 08:29:31
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Von prägenden Persönlich keiten
Datum 2016/09/23 14:11:30
Roland Geiger
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Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Von prägenden Persönlich keiten
Autor 2016/09/23 14:11:30
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Leise Baustellen im Dienste der Erinnerung

[Regionalforum-Saar] Gedanken zu prägenden Pers önlichkeiten

Date: 2016/09/21 09:06:39
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

 

Guten Morgen,

 

ich habe den Artikel heute morgen in der Zeitung gelesen und frage mich, inwiefern diese Personen unsere Region geprägt haben.

 

Bei der Familie Bruch sehe ich es ein, da gibt es keine Frage.

 

Aber die anderen:

Nikolaus von Cues - wenn wir nicht sein Wappen in der Wendalinusbasilika hätten, wüßten wir so gut wie nichts über ihn. Unbekannt bleibt, ob er jemals hier war (vermutlich schon, er hat schließlich gut 25 Jahre lang seinen Lebensunterhalt mit den Geldern der Pfarrei bestritten). Aber was hat er uns hinterlassen? Welchen Einfluß hatte er auf das Schicksal unserer Region?

Unserer Region schon gar nicht, sondern höchstens auf die Pfarrei St. Wendel. Nicht mal mit dem Amt. Es gibt nicht einen Hinweis irgendwo in seinen Schriften über Aktivitäten in der Pfarrei; im Gegenteil, es sieht fast so aus, als ob alle Spuren irgendwann später getilgt wurden. Auch die Deckenmalerei würde übermalt und erst vor 35 Jahren wiedergefunden.

Cusanus hatte ein beeindruckendes Leben, aber keine seiner Aktivitäten hatte einen meßbaren Einfluß auf unsere Region.

 

Den Komponisten Philipp Jakob Riotte würde hier niemand mehr kennen, wenn nicht Gernot Jochum seine Arbeit über ihn geschrieben hätte. Er ist in St. Wendel geboren und ausgewandert und in der Fremde gestorben. In seinem Testament hat er die Armen der Stadt bedacht - ich weiß nicht, haben wir Belege, ob da Geld gekommen ist und wer es bekommen hat? Wie hat er die Region geprägt?

 

Weiter geht es mit Fritz Berl, dem ein grausiges Schicksal hier in St. Wendel beschieden war. Vom Gymnasium verjagt und gerade so aus Deutschland entkommen, der Vater vermutlich in den Selbstmord getrieben, die Mutter im KZ ermordet. Das ist schlimm. Aber welchen Einfluß er auf die Region hatte, das ist hier das Thema. Die Familie Berl nimmt zur Zeit eine Stellvertreterrolle für das Schicksal der Juden hier in St. Wendel ein, was sich u.a. an der Betonstele an der evangelischen Kirche ausdrückt.

Aber es gab hier noch mehr Juden in der Stadt mit ähnlichen oder schlimmeren Schicksalen wie etwa die Familie von Abraham Reinheimer, von dessen elf Kindern nur einer das Schlachten der Nazis nicht erlebte - weil er im Ersten Weltkrieg fiel. Meines Erachtens hat die Familie Daniel eine viel größere Rolle hier gespielt, u.a. weil sie die erste jüdische Familie war, die nach dem Bau der Eisenbahn sich in der Stadt ansiedelte.

 

Was uns fehlt, ist eine Aufarbeitung der Geschichte der Juden hier im Kreis - und zwar nicht allein auf ihren Untergang durch die Nazis, sondern schon vorher. Aber das scheint niemanden wirklich zu interessieren. Als ich vor Jahren in Tholey, als man die Stele am Friedhof aufstellte, fragte, warum die jüdische Gemeinde in Tholey schon um 1920 am Rande ihrer Existenz stand - sie bekamen schon nicht mehr die notwendigen 10 Männer für einen Gottesdienst zusammen - wurde ich vom Leiter des Adolf-Bender-Zentrums heruntergebügelt mit dem Argument „Das gehört wirklich nicht hier hin.“ Ich habe den Eindruck, hier geht es nur um das Ende, aber nicht den Anfang.

 

Zu Nikolaus Warken erinnere ich mich an einen Ansatz, den Anneliese Schumacher einmal verfolgte, als sie auf Akten stieß, die Warken in einem anderen Licht erscheinen ließen als den hehren Streiker, als der er immer verkörpert wird. Da ging es um viel Geld, wenn ich mich recht erinnere. Leider hat sie die Sache damals nicht weiter verfolgt. Da scheint mir, daß wir uns oft zu schnell mit dem zufriedengeben, was wir haben.

 

Fehlt noch die Herzogin Luise, die in St. Wendel eine so große Rolle spielt, weil sie Glamour hier ins triste St. Wendeler Leben brachte. So stellen wir uns das jedenfalls vor. Ihr Mann hatte sie damals hierhier geschickt mit der ausdrücklichen Order, keinen Einfluß auf die örtlichen Geschicke zu nehmen, was sie wohl auch nicht tat - sieht man von Geld ab, das sie Armen zu kommen ließ - eine recht verschwommene Angelegenheit, die mehr behauptet wird als sie bewiesen werden kann. Aber wie hat sie die Region geprägt?

 

Lassen wir uns vom Leben dieser Menschen beindrucken und versuchen zum Teil krampfhaft, eine Beziehung zu unserer Region herzustellen, damit sie (die Region) ein bißchen wichtiger, bedeutender wird, als sie nicht ist?

 

Ich recherchiere die Leben einiger interessanter Menschen - ob Johanna Riefer oder Carl Nikolaus Riotte - die auf ihre Art Großes vollbracht haben. Mich interessieren dabei diese teilweise faszinierenden Aspekte ihres Lebens und die Art, wie sie dasselbe trotz widriger Umstände gemeistert haben oder wie sie daran scheiterten. Und frage mich natürlich manchmal, wie ich an ihrer Stelle reagiert hätte. Auch wenn ihr Leben kaum einen oder gar keinen Einfluß auf die Region hatte. Das ist halt dann so.

 

Es gibt Personen, die Einfluß hatten: Franz Ernst von Hame zum Beispiel oder die Familie Cetto, etliche Personen, die sich im 17ten Jahrhundert für die Geschicke der Stadt St. Wendel einsetzten. Und natürlich die Familie Bruch - auch wenn deren Männer sich - im Gegensatz zu Cetto - mehr oder minder auf ihr Unternehmen konzentrierten und die Politik außer Acht ließen. Diese wichtigen Personen gibt es auch in der restlichen Region. Aber die haben das Problem, daß sie kein Mensch kennt. Sie müssen erst gefunden und recherchiert werden.

Und dafür hat niemand Zeit. Viel einfacher ist es, einen Namen zu nehmen, den schon jeder kennt, da ist der „Aha“-Effekt größer. Leider hören wir dann in den Vorträgen immer und immer wieder fast nur dasselbe. Und egal - wie faszinierend oder schrecklich eine Geschichte ist - beim fünften oder zehnten Aufguß wird sie fade.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Roland Geiger