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2014/05/20 23:43:59
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Der historische Roman zwischen Kunst, Ideologie und Wissenschaft.
Datum 2014/05/25 22:42:19
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tagber: Erdbeben in der Ant ike. Deutungen, Folgen, Repräsentationen
2014/05/20 23:43:59
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[Regionalforum-Saar] Der historische Roman zwischen Kunst, Ideologie und Wissenschaft.
Betreff 2014/05/20 08:40:22
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[Regionalforum-Saar] Drei Familien im Mittelpunkt der St. Wendeler Stadtgeschichte
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[Regionalforum-Saar] Der historische Roman zwischen Kunst, Ideologie und Wissenschaft.
Autor 2014/05/25 22:42:19
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tagber: Erdbeben in der Ant ike. Deutungen, Folgen, Repräsentationen

[Regionalforum-Saar] Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15

Date: 2014/05/20 23:45:30
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...


Duchhardt, Heinz: Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15
(= Beck'sche Reihe 2778). München: C.H. Beck Verlag 2013. ISBN
978-3-406-65381-0; 128 S.; EUR 8,95.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Oliver Mohr, Nussloch
E-Mail: <o.a.mohr(a)... Wiener Kongress, dessen Beginn sich im Jahre 2014 zweihundertmal
jährt, stellt eine der großen Weichenstellungen der neueren europäischen
Geschichte dar. Nach einem Vierteljahrhundert Instabilität und Krieg
leitete er eine europäische Friedensperiode ein, die immerhin 40 Jahre
andauerte.

Momente des Theatralischen hat Heinz Duchhardt als Leitmotive seiner
knappen Darstellung des Wiener Kongresses gewählt, die in der
"Beck'schen Reihe" erschienen ist. Das erste Kapitel behandelt das
"Vorspiel und das Nachspiel" des Kongresses. Im Mittelpunkt des zweiten
Kapitels stehen die "Akteure und Aktricen", die "Gesellschaftsspiele"
sind Gegenstand von Kapitel drei, mit den "Spielregeln" beschäftigt sich
das folgende Kapitel. Die Konflikte, die vor allem um die Zukunft
Sachsens und Polens entbrannten, fasst der Autor unter dem Titel "Spiele
mit dem Feuer" zusammen. Das sechste, abschließende Kapitel - "Finale
furioso" - steht im Zeichen der Rückkehr Napoleons.

In seinen einleitenden Bemerkungen bietet Duchhardt einen kurzen
Überblick über die sprudelnden Quellen zu dem politisch-diplomatischen
Großereignis von 1814/15, auf dessen europäische Dimension er zu Recht
nicht müde wird, hinzuweisen. Er erinnert zudem, aus Platzgründen
skizzenhaft, an die Parallelen zu den Pariser Friedenskonferenzen von
1919 und erwähnt - er nimmt diesen Faden am Ende des Buches wieder auf -
die (relative) Stabilität der Wiener und die Brüchigkeit der späteren
Pariser Friedensordnung.

Die in historischen Darstellungen wie selbstverständlich erscheinende
Verbindung der Stadt Wien mit dem Kongress als Wegmarke des 19.
Jahrhunderts trägt den Zug des Kontingenten. Voraus gingen die Pariser
Friedensverhandlungen, bei denen es wohl geblieben wäre, hätte sich
nicht die - von Talleyrand zuerst aufgebrachte - Idee eines europäischen
Staatenkongresses durchgesetzt. Es gibt nach Duchhardt keinen besonderen
Grund, warum die Wahl auf Wien als Kongressstadt fiel - Sankt Petersburg
sei zu entlegen und klimatisch zu kühl gewesen, die Öffentlichkeit in
London zu unberechenbar und Berlin nicht mondän genug.

Der Wiener Kongress stellte eine Zäsur in der europäischen
Staatengeschichte dar: die Etablierung eines europäischen
Sicherheitssystems, das von den Großmächten garantiert wurde. Nicht
unwesentlich zum Zustandekommen dieser neuen Ordnung trug bei, dass
Paris und London ihre Rivalitäten begruben und sich zu einer "begrenzten
Partnerschaft" bereitfanden. So zukunftsweisend dieser Ansatz war, so
anachronistisch mutet andererseits die Diktion des Vertragstextes der
Heiligen Allianz an, "eins der merkwürdigsten Dokumente des gesamten 19.
Jahrhunderts" (S. 31).

Das mit Abstand ausführlichste Kapitel ist den Personen gewidmet, die
während des Kongresses eine Rolle spielten - die Souveräne, in erster
Linie Kaiser Franz I., Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm III.,
die Minister und Delegierten wie Metternich, Castlereagh und Wellington,
Talleyrand, Hardenberg und Humboldt, Nesselrode sowie Gentz, der
Publizist und die "rechte Hand Metternichs". Porträtiert werden auch
einige Frauen, deren tatsächlicher Einfluss auf die Ergebnisse des
Kongresses aber unbestimmt bleibt. Erwähnung finden die Fürstin
Bagration, die Herzogin von Sagan und ihre Schwestern, die Gräfinnen
Julie und Sophie Zichy, Auersperg, Saurai-Hunyday und
Széchenyi-Guilford.

Duchhardt weist darauf hin, dass die den Kongress begleitenden
Festivitäten ("Le Congrès danse et ne marche pas", S. 62) eine
politische Funktion besaßen. So boten sie den Rahmen für informelle
Gespräche und Agreements, die am Verhandlungstisch weit schwieriger
hätten erzielt werden können. Darüber hinaus war der Kongress ein
kulturgeschichtliches Ereignis, weil er politische, militärische,
künstlerische und intellektuelle Eliten aus ganz Europa auf einzigartige
Weise zusammenführte. Der Autor erwähnt die zahllosen und mannigfaltigen
Theater- und Opernaufführungen, die Feuerwerke und sonstigen
Festivitäten. Das Panorama, das er zeichnet, ist beeindruckend, hätte
aber zugunsten einer Analyse der sozio-kulturellen
Funktionszusammenhänge knapper ausfallen können.

Das Wort "Kongress" kann insofern in die Irre führen, wie außer zur
Unterzeichnung der Schlussakte im Juni 1815 niemals ein Plenum der
Kongressteilnehmer zusammentrat. Die Arbeit wurde in den zahlreichen
Komitees und Kommissionen geleistet, an deren Spitze ein "Leitkomitee"
stand, dem die vier Alliierten und Frankreich angehörten. Von geringerem
Gewicht war das Achterkomitee, in dem auch Schweden, Portugal und
Spanien vertreten waren. Zahlreiche Repräsentanten, etwa der kleineren
deutschen Staaten, der Reichsritterschaft und von Kommunen, von Standes-
und Interessengruppen waren nach Wien gereist und versuchten, auf die
Gremien Einfluss zu nehmen (S. 74).

Konflikte taten sich auf dem Wiener Kongress vor allem wegen der
"Sachsen-Polen-Frage" auf. Weder Russland noch Preußen konnten ihre
ambitionierten Pläne für Polen respektive Sachsen durchsetzen und
mussten sich auf Druck der anderen Großmächte mit Kompromissen zufrieden
geben. Duchhardt erwähnt auch den britisch-amerikanischen Konflikt am
Rande des Kongresses, der von London wohlweislich aus den Wiener
Verhandlungen herausgehalten wurde.

Einzelfragen wurden in verschiedenen Komitees verhandelt wie die Zukunft
der Eidgenossenschaft, deren Neutralität und Unabhängigkeit schließlich
bestätigt wurde, das Verbot des Sklavenhandels, die Freiheit der
Rheinschifffahrt und Regeln des diplomatischen Verkehrs. Inwieweit die
Bevölkerung das Objekt von Machtspielen war, zeigt die Arbeit der
"Statistischen Kommission", die an Hand von Bevölkerungsstatistiken den
Wert von Territorien bezifferte und damit einen Maßstab für den
politischen Handel von Gebieten und ihren Bewohnern schuf.

Von herausragender Bedeutung war die im "Deutschen Komitee" behandelte
Frage, wie nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
die Mitte Europas politisch verfasst werden würde. Hinter den
Erwartungen der jungen deutschen Nationalbewegung blieb die
Konföderation souveräner Staaten unter dem Dach eines "Deutschen Bundes"
natürlich weit zurück, doch wurde für Mitteleuropa immerhin eine
politische Ordnungsstruktur gefunden, die für ein halbes Jahrhundert
stabil blieb.

Duchhardt weist darauf hin, dass der Wiener Kongress viele Fragen - von
denen die "deutsche Frage" nur eine war - offen ließ. So konsequent
Duchhardt plakative Zuschreibungen wie etwa das Schlagwort von der
"Restauration" vermeidet, kommt er nicht umhin, den konservativen
Charakter der Wiener Ordnung zu betonen. Zugleich waren die Beteiligten
bemüht, diese als "alternativlos" (S. 120) erscheinen zu lassen. Damit
ist ein Bogen skizziert zu den Rettungsbemühungen des europäischen
Währungsraumes, gut 200 Jahre nach dem Wiener Ereignis.

Vielleicht hätten die Schilderungen der zahlreichen Festivitäten etwas
knapper ausfallen und dafür die politischen Verflechtungen der
beteiligten Mächte ausführlicher zu Wort kommen können. Dem Autor ist es
dennoch gelungen, durch eine insgesamt nachvollziehbare
Schwerpunktsetzung eine konzise Darstellung des Wiener Kongresses auf
engem Raum zu geben, die überdies gut lesbar ist und daher einen
Einstieg in die Thematik und einen ersten Überblick bietet.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Daniel Menning <daniel.menning(a)...