Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] am Donnerstag um 20.15 im Fernsehen

Date: 2014/05/05 18:57:39
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

An diesem Donnerstag, dem 8. Mai, bringt der SR im Dritten Programm des Fernsehens um 20:15 Uhr in der Sendung mag's (Magazin Saar) einen Beitrag über das Buch "Die Nazis aus der Nähe", für den vor ein paar Wochen Aufnahmen gemacht wurden. Es ist gedacht als Beitrag zum 8. Mai als Jahrestag des Kriegsendes.

[Regionalforum-Saar] Buchvorstellung in Tholey am Dienstag, 6. Mai, im Rathaus

Date: 2014/05/05 20:09:46
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Guten Abend,

 

morgen abend wir in Tholey das Buch „Die Nazis aus der Nähe“ vorgestellt. Bernhard Planz führt in das Thema ein, dann hält Eva Tigmann einen Vortrag; Alfons Klein liest ein paar seiner Erzählungen vor, am Schluß zeige ich den Film über den Einmarsch der Amerikaner im Kreis St. Wendel.

 

Beginn wird um 19 Uhr sein.

Austragungsort im Saal im oberen Stock des Rathauses.

 
Mit freundlichem Gruß
 
Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Vortrag Dr. Hans-Christian Herrmann in Wellesweiler

Date: 2014/05/11 10:56:25
From: Michaela Becker <Michaela-Becker(a)gmx.net>

Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Landeskunde und Volkskultur e.V. in Zusammenarbeit mit der
                   Aleksandrastiftung zur Förderung der Westricher Geschichtsforschung



                                               Einladung 
                                               zum Vortrag 

                          "Jüdisches Leben an der Saar von der Industralisierung
                                             bis zum Holocaust"

                                                   von 
                                      Dr. Hans-Christian Herrmann
                                       Leiter des Stadtarchivs 
                                            Saarbrücken

Der Vortrag beschreibt die Entwicklung jüdischen Lebens an der Saar von der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bis zum Holocaust
und geht dabei ausführlich auf die gesellschaftliche Stellung der Juden ein.

Ihre Verankerung im wirtschaftlichen Leben an der Saar war stärker als bisher angenommen. Gefragt wird nach den Ursachen des wachsenden
Antisemitismus und dem vorauseilenden Gehorsam der Saarländer, mit dem sie schon vor der Rückgliederung an Hitler-Deutschland dem Aufruf
zum Boykott jüdischer Geschäfte folgten und versuchten, Juden aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. 

Es werden die Stationen auf dem Weg der weiteren Verfolgung analysiert bis zur Deportation ins französische Gurs. Der Vortrag geht auch
auf die Arisierung und Entschädigung nach dem Krieg ein und geht auch der Frage nach, wie der Opfer wirksam gedacht werden kann.    
  

                                     Am Mittwoch 14.05.2014, 19.00 Uhr
                                      im historischen Junkerhaus (1569)
                                       Wellesweiler, Eisenbahnstr. 22


                              Von Nichtmitgliedern wird 5 Euro Eintritt erbeten

[Regionalforum-Saar] noch fünf Plätze gegen da s Vergessen

Date: 2014/05/14 00:10:25
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Sieben Orte gegen das Vergessen:

 

schon eingeweiht wurden:

 

Eugen-Berl-Platz

- St.Wendel: nördlich der evangelischen Kirche -

 

Eugen Berl wurde 1870 geboren und war in den zwanziger Jahren einer der führenden Sozialdemokraten in St. Wendel. Er hat das kommunalpolitische Geschehen in Stadt und Kreis über 15 Jahre maßgeblich mitbestimmt.

1936 ergeht ein Urteil des Amtsgerichtes St. Wendel wegen Vergehen gegen das Gesetz zum Schutze des Deutschen Blutes und der Deutschen Ehre. Das Ehepaar ist angeklagt, weil sie weibliche Angehörige deutschen Blutes in ihrem Haushalt beschäftigt hatten. Eugen Berl verstarb bereits während der Hauptverhandlung, seine Frau Erna wurde verurteilt. Eugen Berl war der letzte Jude, der in St. Wendel beerdigt wurde.

Seine Frau Erna Berl wurde 1940 nach Gurs deportiert und 1942 nach Auschwitz überführt. Seitdem gilt sie als verschollen. Ihr Todestag wurde amtlich auf den 8. Mai 1945 festgesetzt.

Der Sohn von Erna und Eugen Berl mit dem Namen Fritz konnte noch 1939 emigrieren. Er lebt heute in Israel.

 

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Änne-Meier-Platz
- BALTERSWEILER: kirmesplatz -


An Änne Meier wird deutlich, dass auch ganz "einfache Leute" Widerstand leisteten gegen Diktatur und Unterdrückung. Am 3. Januar 1896 wurde Änne bzw. Anna Meier als fünftes von sieben Kindern in Baltersweiler geboren. Im Beruf als Fürsorgerin kümmerte sie sich um bedürftige Familien, half Kranken, Behinderten und Menschen in finanzieller Not. Aufgrund ihrer religiösen katholischen Orientierung erkannte sie früh die Gefahren des Nationalsozialismus, verweigerte Zeit ihres Lebens den Hitler-Gruß und entschied sich trotz massivem Drucks, den NS-Verbänden nicht beizutreten.
Ihre Haltung und ihr couragierter Einsatz für Menschlichkeit und Gerechtigkeit führten dazu, dass sie 1942 ohne Prozess und Verurteilung "wegen fanatischen Einsatzes für die katholische Bewegung" und Verbreitung von "Hetzbriefen" ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert wurde.
Änne Meier überlebte KZ, Todesmarsch und Befreiung und zeigte Zivilcourage bis ins hohe Alter.

 

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noch eingeweiht werden: 

 

Donnerstag, 15. Mai 2014, 17.00 Uhr

Harry-Schu-Platz in Oberthal

am Radweg, Ecke Kirchstraße

anschließend 18.00 Uhr im Rathaus Oberthal:

Gesprächsrunde „Erinnerung an Johann, Helene und Harry Schuh aus Oberthal“

 

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Montag, 19. Mai 2014, 19.00 Uhr

Walter-Sender-Platz in Tholey

vor dem jüdischen Friedhof in Tholey

anschließend 20.00 Uhr im Rathaus Tholey:

Gesprächsrunde „Erinnerung an ehemaliges jüdisches Leben in Tholey“

 

Dr. Walter Sender gehörte in der schwierigen Zeit von 1920 - 1955 zu den zeitweilig führendsten politischen Persönlichkeiten der Saargegend.
Geboren am 10.05.1885 in Tholey, zog er nach Ende des 1. Weltkrieges als Rechtsanwalt nach Saarbrücken und begann dort seine politische Tätigkeit als Sozialdemokrat. 1925 war es Walter Sender, der als einer der ersten vor der Gefahr des Nationalsozialismus warnte. Im Abstimmungskampf 1934/35 unterstützte er als einer der Hauptredner der SPD die Politik des Status Quo, also eine Aufschiebung des Anschlusses des Saargebietes bis zu einer Zeit, in der wieder demokratische Verhältnisse herrschten.
Walter Sender überschritt am Abend des Wahltages mit seiner Frau und seinen beiden Kindern die Grenze bei Forbach. Bis zum Kriegsausbruch lebte er als Fabrikant bei Paris und zog sich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in ein Versteck in den Bergen bei Nizza in Südfrankreich zurück. Nur so konnte er als Jude der Verfolgung durch deutsche und französische Faschisten überleben.

 

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Dienstag, 20. Mai 2014, 11.00 Uhr

Lotte-Koschelnik-Platz in Sötern

auf dem Dorfplatz

anschließend 12.00 Uhr in der Gemeinschaftsschule Türkismühle

Projekt „Erinnerung an Lotte Koschelnik“

 

1942/43 war das Jahr des grausamen Schicksals der Familie Koschelnik. Kurz bevor man sie abführte, gab sie ihrer Freundin eine Puppe. Sie meinte, sie solle sie aufbewahren, bis sie wieder zurückkommen würde, denn den Kindern wurde verheimlicht, dass sie ins KZ kamen. Sie wussten in diesem Moment nicht, was ihnen geschieht.
Lotte, damals 13 Jahre alt, wurde mit ihrer Mutter Johanna Hedwig Koschelnik und ihrem Bruder Friedrich 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Die Spur ihrer Schwester verlor sich bereits ein Jahr zuvor im Konzentrationslager Riga. Der Ehemann Isaak Koschelnik flüchtete bereits 1939 nach Shanghai. Einige Zeit später wollte er seine Familie nachholen, doch dazu kam es nicht mehr.

 

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demnächst:

 

Raimund-Hirsch-Platz

- Gonnesweiler:  Rundweg Bostalsee (Ecke Seestraße) -

Ludwig und Flora Hirsch wurden mit ihrem 8-jährigen Sohn Raimund im April 1942 verschleppt und sind in Lublin verschollen. Die Großeltern Josef und Charlotte Kahn wurden noch im gleichen Jahr im KZ Theresienstadt ermordet.

 

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- St.Wendel: Panoramaweg -

Dieser Platz soll stellvertretend an die lange Geschichte des jüdischen Lebens im Landkreis St. Wendel, sowie seine Kultur und Religion erinnern und sie im Bewusstsein der Bewohner und in der Region verankern.

 

[Regionalforum-Saar] Johann Blum aus St. Wendel, Pfarrer in der Eifel

Date: 2014/05/14 09:58:12
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Salü,
 
gestern erhielt ich eine Email aus der Eifel. Ralph Schmitz von der VG Bitburger-Land recherchiert für eine Pfarrchronik seiner Heimatgemeinde Seffern und stieß dabei auf den Lehrer Johann Blum, der 1824 in St. Wendel geboren wurde. Mir war der Name gar nicht bewußt, ich bin allerdings ein paar Mal im St. Wendeler Notariat auf ihn gestoßen, als er Hiesigen Geld geliehen hat.
 
Johann Blum * 24.05.1824 zu St. Wendel
Sohn von Nikolaus Blum und Helene Enkrich

02.09.1848          Priesterweihe
anschl.                 Kaplan und Religionslehrer in Saarbrücken
14.10.1851          Pfarrer in Seffern St. Laurentius
05.11.1855          Pfarrer in Hermeskeil
22.03.1870          Pfarrer in Oberwesel
06.08.1870          Definitor zu St. Goar
08.01.1889          Dechant zu St. Goar
29.04.1890          Pfarrer zu Karden
30.09.1891          verstorben
 
In Seffern baute er die Kirche neu und wurde kurz darauf nach Hermeskeil versetzt. Zum Abschied hielt er eine starke Rede. 
 
Wirken in der Pfarrei Seffern

Es muß eine sehr innige und von gegenseitiger Hochachtung geprägte Zeit gewesen sein, die Pfarrer Johann Blum in der Pfarrei verbrachte. Es waren auch die Jahre des Neubaus unserer Pfarrkirche. Am 15. September 1851 fand der letzte Gottesdienst im in der alten Laurentiuskirche statt. Dann wurde sie ausgeräumt und abgetragen. Am 26. Mai 1852 war die Grundsteinlegung für die neue Laurentiuskirche und 29 Monate später, im Oktober 1854, konnte Pastor Blum den ersten Gottesdienst in der heutigen Kirche zelebrieren. Aber schon ein gutes Jahr später, im Dezember 1855, wurde er nach Hermeskeil berufen, wo noch heute eine Straße im Ortszentrum seinen Namen trägt. Doch scheint in der Zeit des Kirchenbaus und der Improvisation ein sehr enges, vertrautes und freundschaftliches Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeinde gewachsen zu sein.

Am ersten Adventssonntag, dem 2. Dez. 1855, verabschiedete sich Pfr. Blum nach der Sonntagspredigt von der Pfarrei Seffern:

„Zum letzten Male, meine Lieben, habe ich als euer Seelsorger von dieser Stätte aus euch das Evangelium verkündet, denn, wie euch allen schon bekannt ist, hat der Hochwürdigste Herr Bischof mir einen anderen, größeren Wirkungskreis angewiesen und ich muß euch daher verlassen, um in Zukunft einer anderen Herde das Wort des Evangeliums zu verkünden und das Brot des Lebens zu brechen. Ich muß gestehen, der Abschied von dieser Gemeinde fällt mir schwer. Zwar habe ich nur 4 Jahre und einen Monat unter euch als Seelsorger gelebt, allein diese kurze Zeit war für euch, wie für mich eine sehr wichtige Zeit. Es waren Tage vielen Kummers und vieler Mühseligkeiten durch den Kirchenbau, aber auch Tage vieler geistiger Freude durch die hl. Mission. Durch den Kirchenbau hattet ihr mit mir viel zu leiden, aber gerade dieses gemeinsame Ringen und Kämpfen und Dulden während des Kirchenbaues war es, was unsere Herzen innig aneinander kettete und mir die Trennung von euch auch erschwert, doch der Wille des Herrn geschehe in allem, so auch hierin. Ich habe ja meine neue Steile nicht gesucht. Der Hochwürdigste Herr Bischof hat sie mir übertragen, und so muß ich in seinem Willen den Willen Gottes verehren, denn meinem Bischof unbedingt zu gehorchen, habe ich ja bei meiner Priesterweihe geschworen.

Der Augenblick der Trennung ist nun gekommen, und so sage ich denn euch allen ein herzliches Lebewohl! Grüßet mir auch freundlich alle eure Angehörigen, welche jetzt nicht hier zugegen sind. Behaltet mich stets in eurem Andenken. Wenn auch örtlich voneinander getrennt, wollen wir doch stets im Geiste vereint bleiben, namentlich durch Gebet. Ja, Geliebte, schließt mich allezeit in euer Gebet ein, gleichwie auch ich eurer im Gebete und beim Hl. Messopfer eingedenk sein werde. Und nun noch ein Wort insbesondere an euch, ihr Kinder, ihr Jünglinge und Jungfrauen! Ich habe mir viel Mühe gegeben, um euch durch tüchtigen Unterricht zu guten Christen zu machen. Oh, meine Lieben, vergesset doch die Lehren nie, die ich euch gegeben habe. Es waren ja nicht meine Worte, sondern die Worte dessen, der mich zu euch gesandt hat, die Worte unseres Heilandes Jesu Christi. Ja, bewahret diese Lehren stets in eurem Herzen und lebet auch danach, damit ich einst frohen Herzens vor den Richterstuhl Gottes treten kann und sprechen: „Siehe, da sind sie alle, o Herr, die du meiner Obhut anvertraut hast. Keines derselben ist verloren gegangen." Ja, wie würde ich mich freuen, wie glücklich würde ich sein, wenn alle Glieder dieser Pfarrgemeinde die Lehren befolgten, die ich euch täglich gepredigt, wenn ihr als gute Christen leben und sterben würdet. Wie glücklich, wenn ich euch alle im Himmel dereinst wiedersäh! Oh, das wäre der allerschönste Dank für alle meine Mühen und Arbeiten, der schönste Dank für alle Opfer, die ich für diese Pfarrgemeinde gebracht.! Unserer Hl. Mission würde dadurch die Krone aufgesetzt. Und nun noch eins: Ich weiß nicht, wieviele Jahre der liebe Gott in seiner Barmherzigkeit mich noch auf dieser Erde zu leben gestattet. Vielleicht ruft er mich bald ab, um Rechenschaft über mein Wirken abzulegen, vielleicht läßt er mich auch noch viele Jahre in seinem Weinberge arbeiten. Sei dem nun, wie ihm wolle, wenn ihr einstens über kurz oder lang die Kunde aus der Ferne vernehmt: „Pastor Blum ist gestorben, dann, Geliebte, dann betet noch ein Vaterunser für die Ruhe meiner armen Seele!"

Mit freundlichem Gruß
 
Roland Geiger
 

[Regionalforum-Saar] Konf: Namen und Geschichte in der Zeit der Einnamigkeit

Date: 2014/05/19 08:14:44
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

From:    Christoph Haack <derlustigestudent(a)yahoo.de>
Date:    13.05.2014
Subject: Konf: Namen und Geschichte in der Zeit der Einnamigkeit (ca.
         400-1100) - Tübingen 05/14
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Seminar für mittelalterliche Geschichte Universität Tübingen, Zentrum
Vormodernes Europa Universität Tübingen, Deutsche Gesellschaft für
Namenforschung
30.05.2014-31.05.2014, Tübingen, Alte Frauenklinik, Schleichstr. 4,
72076 Tübingen, Raum 4231

Namen sind für Mittelalterhistoriker eine wichtige Quelle: für Arbeiten
über den Zusammenhang zwischen (ethnischen) Identitäten, Namengebung und
(Zweit)Namenwahl genau so wie für die Prospopgraphie und Geneaologie von
Führungsgruppen. Drei Felder sind hier insbesondere zu nennen:

1) Zweitnamen im frühen und hohen Mittelalter (Kosenamen, Beinamen
verschiedenster Art, Spitznamen, Pseudonyme etc.), das üblicherweise als
Zeit der Einnamigkeit begriffen wird.

2) Ethnizität im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter,
ausgehend vom Zusammenhang zwischen ethnischer Identität und der Wahl
eines Personennamens.

3) Der Zusammenhang von Namen und Verwandtschaft.


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Freitag, 30. Mai 2014

Namen, Gruppenbindungen, Identitäten

9.00-11.15 Uhr 
Christa Jochum-Godglück, Saarbrücken
Seltene germanische Personennamen im Frühmittelalter

Sören Kaschke, London
Von Adalbert bis Trasimund. Die Verbreitung ausgewählter Namen im Reich
Karls des Großen gemäß urkundlicher Überlieferung

Daniela Fruscione, Frankfurt am Main
"Wo waren die Langobarden in den italienischen Urkunden?". Identität,
Verwandtschaft und Namengebung

11.30-13.00 Uhr
Hans-Werner Goetz / Wolfgang Haubrichs, 
Hamburg / Saarbrücken
Namen und Namengebung in Ober- und Unterschichten des frühen
9. Jahrhunderts in der Île-de France

a. Wolfgang Haubrichs: Sprachliche Assimilation und Hybridisierung der
Personennamen in einem Raum sprachlich vollzogener Romanisierung

b. Hans-Werner Goetz: Motivationen der Namengebung im sozialen und
inhaltlichen Vergleich

14.30-16.00 Uhr
Jens Lieven, Bochum
Bischofsnamen und Verwandtschaft in den frühmittelalterlichen Libri
memoriales

Lidia Becker / Steffen Patzold, Hannover / Tübingen
Zu den Namen der Bischofslisten aus der Bretagne im Frühmittelalter

16.15-17.45 Uhr
Matthias Becher, Bonn
Zur Exklusivität von Herrschernamen (Merowinger und Karolinger)

Gerhard Lubich, Bochum
Der Namenbestand der Karolingergenealogien im Kontext - historische
Fiktionen, gerettetes Wissen oder Modeerscheinung?


Zweit- und Beinamen

18.00-19.30 Uhr
Wolfgang Eric Wagner, Münster
Herrscherbeiname und Geschichtsschreibung. Zur Motivik der
Beinamengebung für Herrscher des Mittelalters

Jürgen Strothmann, Siegen
Das Augustus-Nomen Karls des Großen


Samstag, 31. Mai 2014

9.00-11.15 Uhr
Dieter Geuenich, Duisburg / Freiburg
Sedulius sive Ilarleh. Zu den Beinamen der Mönche in der
frühmittelalterlichen Gedenküberlieferung

Annette Grabowsky, Tübingen
Zwischen historischer Erinnerung und politischem Programm? Papstnamen im
10. und 11. Jahrhundert

Thomas Kohl, Tübingen
Beinamen und frühe Zweinamigkeit im westlichen Frankreich

11.30 Uhr

Conclusio
Dieter Kremer, Trier

Schlussdiskussion
Moderation Jörg Jarnut, Paderborn



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Christoph Haack

Seminar für mittelalterliche Geschichte, Universität Tübingen,
Wilhelmstraße 36, 72074 Tübingen

0707129729990

neg(a)uni-tuebingen.de

Homepage <www.neg.uni-tuebingen.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=24991>

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[Regionalforum-Saar] Drei Familien im Mittelpunkt der St. Wendeler Stadtgeschichte

Date: 2014/05/20 08:40:22
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

 

Drei Familien im Mittelpunkt der St. Wendeler Stadtgeschichte

Morgen startet Vortragsreihe der KuLani

St. Wendel. Die Kultur-Landschafts-Initiative St. Wendeler Land (KuLanI) hat im vergangenen Jahr in einer vierteiligen Vortragsreihe die letzten fünf Jahrhunderte Stadtgeschichte unter dem Aspekt „Frankreich und St. Wendel“ beleuchtet. In diesem Jahr nun werden die letzten 500 Jahre der Stadt St. Wendel im Spiegel von drei Familiengeschichten dargestellt.

Los geht die dreiteilige Vortragsreihe am morgigen Mittwoch, 21. Mai. Gerd Schmitt spricht über die „Familie D'Hame im St. Wendel des 16. bis 18. Jahrhunderts“. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Mia-Münster-Haus in St. Wendel. An gleicher Stelle geht es am Mittwoch, 4. Juni, 19 Uhr um „Die Familie Cetto im St. Wendel des 18. und 19. Jahrhunderts“. Referent ist Roland Geiger. Der dritte und letzte Vortrag ist am Mittwoch, 18. Juni, 19 Uhr im Casino Thomas Bruch in St. Wendel geplant. Dann spricht Bernhard Planz über „Die Familie Bruch im St. Wendel des 19. und 20. Jahrhunderts“.

Mit der Reihe wird das seit 2010 laufende Leitprojekt des Kulturprogramms „St. Wendeler Land steinreich“ abgeschlossen. Anliegen und Ziel des Projekts ist es, bei der Bevölkerung Interesse für die kulturhistorischen Besonderheiten des St. Wendeler Landes zu wecken. red

[Regionalforum-Saar] Der historische Roman zwischen Kunst, Ideologie und Wissenschaft.

Date: 2014/05/20 23:43:59
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Paul, Ina Ulrike; Faber, Richard (Hrsg.): Der historische Roman zwischen
Kunst, Ideologie und Wissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann
2013. ISBN 978-3-8260-5021-3; 536 S., mit Abb.; EUR 49,80.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_20674.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Christoph Deupmann, Institut für Germanistik, Karlsruher Institut für
Technologie
E-Mail: <christoph.deupmann(a)kit.edu>

"Der historische Roman ist erstens ein Roman und zweitens keine
Historie."[1] Nähme man Alfred Döblins Diktum beim Wort, würden
historische Romane kaum in den Fokus des gemeinsamen Interesses von
Literatur- und Geschichtswissenschaft geraten. Tatsächlich wirft Döblins
Satz jedoch mehr Fragen auf, als er im Gestus der Klarstellung
beantwortet: Wie ist die Beziehung zwischen Literatur und Geschichte,
Fiktion und historischem Wissen, ästhetischer und historiografischer
Form in Hinsicht auf den historischen Roman zu denken? Literarizität
storniert jedenfalls nicht einfach Historizität, sondern gehört
womöglich zu deren Darstellungsbedingungen.

Die 27 aus Geschichts-, Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaften
kommenden Beiträger/innen des Bandes, der in Teilen auf eine
Ringvorlesung von 2009 zurückgeht, arbeiten sich an solchen Fragen in
theoretisch unterschiedlich ambitionierten Anläufen ab. Die Herausgeber,
die Historikerin Ina Ulrike Paul und der Literatur- und
Religionssoziologe Richard Faber (beide Freie Universität Berlin), haben
die Texte in drei Sektionen gegliedert: In der ersten geht es um das
Nähe- und Konfliktverhältnis von "Geschichtsschreibung und Literatur",
in der zweiten um exemplarische "Fallstudien", in der dritten,
kürzesten, um "[k]ontrafaktische Zeitgeschichte" in Romanen seit 1945.
Gattungsbezogen gibt sich der Band eher großzügig: Tatsächlich
untersuchen die Aufsätze nicht nur historische Romane, sondern auch
Erzählungen, Dramen und Filme. Dem Gewinn an Einsichten und Anregungen
schadet diese Inkonsequenz freilich nicht.

Dass Darstellungen von Geschichte erzählende Verfahren in Anspruch
nehmen, ist keine neue Erkenntnis, wie der wiederholte Rekurs der ersten
Sektion auf Überlegungen bei Droysen, Carlyle und White verdeutlicht.
Den Anfang macht Burkhard Gladigows historisch weit ausholender Beitrag,
der anhand von Fiktionen außerirdischer Beobachter von der Antike bis
zur modernen Science Fiction das menschliche Zeit- und
Geschichtsverständnis beleuchtet. Im nachfolgenden Interview unternimmt
Jörn Rüsen einen pointierten Klärungsversuch der 'metahistorischen'
Probleme von "Wahrheit, Sinn und Konstruktion", indem er (gegen Hayden
White) die "Tatsachenrichtigkeit" (S. 47) zum unabdingbaren Kriterium
historischer Wissenschaft erklärt - und damit auch zum Korrektiv aller
journalistischen und literarischen Repräsentation von Vergangenheit. Das
wird an einer 'false memory' wie Binjamins Wilkomirskis
pseudo-autobiografischen "Bruchstücken. Aus einer Kindheit 1939-1948"
von 1995 besonders flagrant; Katja Stopka nimmt dieses Buch zum Anlass
ihres Plädoyers für eine "engere Kooperation zwischen
Geschichtswissenschaft und Literaturwissenschaft" (S. 79). Rüsens
Aussagen bringen jedoch eine zentrale Einsicht des Bandes auf den Punkt:
Literatur trägt zur Selbstreflexion der historischen Wissenschaften,
ihrer Erkenntnisbedingungen und Darstellungsformen bei. Glauben
Historiker, sie seien "Herren des Verfahrens", geraten ihre
Darstellungen zu "schlechte[r] Literatur" (S. 53). Otto Gerhard Oexles
Aufsatz spitzt diese Überlegung zu, indem er in Claude Simons Romanen
über Ereignisse im Zweiten Weltkrieg die "Destruktion jeglichen
Anspruchs" ausmacht, "zu wissen oder gar sagen zu können, 'wie es
eigentlich gewesen'" (S. 65). Die wechselvollen Annäherungen und
Entfernungen zwischen Geschichte und Literatur vom Historismus bis zur
Gegenwart rekonstruiert Wolfgang E. J. Weber unter dem Gesichtspunkt der
historiografischen Methodologie.

Einen ungewöhnlichen Beitrag zur Sektion liefert Jürgen Link mit
"Prolegomena" zu seinem eigenen "aktualhistorischen Roman" "Bangemachen
gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee" (2008), einem
literarischen Versuch, "Struktur- wie Ereignisgeschichte, [...] Kultur-,
Diskurs-, Intelligenz- und Subjektivitätsgeschichte" zusammenzuführen
(S. 116). In der Doppelrolle als Literaturwissenschaftler und
Schriftsteller skizziert Link darin im Blick auf die '1968er' eine
Autorpoetik, die die spezifische Leistung literarischer Darstellung
exponiert: Ihre Geschichte lässt sich womöglich nur in der
"Mehrstimmigkeit" eines Textes darstellen, dessen 'Ich', wie sein
Romanauszug veranschaulicht, durch ein "'zerbröckelnde[s]' Wir" (S. 118)
ersetzt wird.

Die zweite, umfangreichste Sektion zu literarischen "Fallstudien"[2]
setzt mit Margarete Zimmermanns Deutung von Annie Ernaux' "hybride[n]",
gattungsmäßig kaum einzuordnenden "Les Années" als historischer
'Soziographie' in der Nachfolge Marcel Prousts und Virginia Woolfs ein,
die sich auf das Partikulare als Erinnerungsträger berufen. Damit ist
eine - quer durch den Band führende - Reihe eröffnet, die die
('kritische') Referenz von Literatur auf geschichtliche Wirklichkeit
unterstreicht. Das wird zumal am Beitrag des Mitherausgebers Richard
Faber über Fontanes "Effi Briest" deutlich: Er weist mit Carlo Ginzburg
alle "modischen Theorien" zurück, welche Geschichte in Fiktion auflösen
(S. 393), und sieht in Fontanes Romanfiktion ein Produkt 'teilnehmender'
Beobachtung. Diesem Interesse am Autor als "Historiograph[en] der
zeitgenössischen Verhältnisse" folgen auch Perdita Ladwigs Aufsatz über
"Die Vizekönige" des italienischen Journalisten und literarischen
'Veristen' Federico De Roberto, Brunhilde Wehingers gendertheoretische
Überlegungen zu George Sands "Nanon" sowie die Beiträge von Christine de
Gemeaux über Marguerite Yourcenars "Die Schwarze Flamme" und von Helmut
Hanko über Leo Perutz' "Nachts unter der Steinernen Brücke". Jens
Flemmings (leider mit falschem Kolumnentitel versehener) Aufsatz
versteht Arnold Zweigs autobiografisches "Schreiben über den Krieg"
("Der Große Krieg der weißen Männer") als Form einer Therapie, "um das
Trauma des Kriegserlebnisses zu bannen" (S. 291). Ricarda Huchs
quellentreues Roman-Panorama "Der große Krieg in Deutschland" inszeniert
nach Gerhard Bauer wie bei Tolstoi oder Stendhal die
"Unübersichtlichkeit" der Gemengelage im Dreißigjährigen Krieg. In die
Reihe gehört auch der Beitrag der Medienwissenschaftlerin Karin Bruns
über Uli Edels "Der Baader-Meinhof-Komplex", den sie überraschenderweise
als "Romanverfilmung" vorstellt.[3] Ihre Analyse intermedialer
Authentifizierungsverfahren wirft allerdings überlegenswerte
Anschlussfragen auf: Sind "Polizeidokumente, Pressefotografien und
Tonbandaufnahmen", Fernsehbilder etc. tatsächlich "Zeichen erster
Ordnung" (S. 156) oder nicht bereits darstellende Formen, die die
Referenz auf historische Ereignisse 'aufschieben'?

Eine andere Reihe von Beiträgen stellt den Rekurs literarischer Texte
auf Erinnerung und Überlieferung ins Zentrum: Andreas Pfersmann
untersucht Augusto Roa Bastos und Patrick Chamoiseaus Romane anhand
ihrer Anmerkungspraxis als Medien einer Gegengeschichte, die sich
gegenüber 'offiziellen' Darstellungen dissident verhält. Gegengeschichte
akzentuiert eine 'Geschichte von unten', also die apokryphe Geschichte
kollektiver Akteure oder ihrer Repräsentanten, die im öffentlichen
Diskurs zum Schweigen gebracht worden sind. Diese "benjaminartige Idee"
(S. 184)[4] bestimmt für Heribert Tommek auch Peter Weiß'
Dokumentardrama "Viet Nam Diskurs", das er als Vorstufe zum Roman "Die
Ästhetik des Widerstands" interpretiert. Eine andere Art von
Gegengeschichte, die das verdrängende Schweigen über die
NS-Vergangenheit bricht und damit "das Beschriebene [selbst]
auszulöschen" versucht (S. 231), findet sich Josef P. Mautner zufolge in
Thomas Bernhards "Auslöschung". Dass der historische Roman auch die
Bibelkritik zu seiner Sache machen kann, beleuchtet Martin Leutzsch
anhand der 'Mutter' aller Jesusromane, Carl Heinrich Venturinis
"Natürliche Geschichte des großen Propheten von Nazareth". Indem er die
Evangelien dem poetologischen Maßstab der 'Wahrscheinlichkeit'
unterstellt, behält der reich mit Quellenbelegen ausgestattete Roman das
Jesusbild eines unpolitischen Reformators übrig.

Eine dritte Perspektive richtet sich auf die Adaption historischer
Darstellungsverfahren, Stoffe und Gestalten. Ludwig Stockinger und
Ulrike Weymann machen dabei Romanbiografien zum Gegenstand: Stockinger
bezieht Friedrich von Hardenbergs romantische Bestimmung des Romans als
einheitsstiftende "Mythologie der Geschichte" auf Penelope Fitzgeralds
"The Blue Flower"; Weymann interpretiert Heinrich Manns "Henri Quatre"
mit Michail Bachtin als grotesk-karnevalistische Außerkraftsetzung
etablierter Ordnungen. Die Savonarola-Erzählungen, die Ralf Georg Czapla
untersucht, demonstrieren dagegen die Adaptionsfähigkeit einer
historischer Gestalt: Von Thomas Manns Erzählung "Gladius Dei" über
Fritz Steins "Savonarola der Zweite" bis zu Friedrich Norfolks
faschistischem Roman "Der Kondottiere" werden fiktive oder an
zeitgenössischen Personen orientierte Figuren in die historische Kontur
eingetragen; die Reihe kommt bei der Überblendung Joseph Goebbels' mit
dem "Glaubenseiferer" aus (S. 369). Eine spielerische Adaption
historiografischer 'Quellen' führt die Mitherausgeberin Ina Ulrike Paul
an Daniel Kehlmanns Erfolgsroman "Die Vermessung der Welt" vor: Die für
manche 'Experten' anstößigen Inkongruenzen zwischen Figur und Person
(Alexander von Humboldt, Carl Friedrich Gauß) demonstrieren letztlich
die Konstruktivität jeglicher Geschichte (S. 176f.). Solch spielerischer
Umgang mit historischen Stoffen bleibt im vorliegenden Band leider die
Ausnahme. Virtuos potenziert wird das Verhältnis von Geschichte und
(dramatischem) Spiel freilich in Arthur (nicht Alfred, S. 371!)
Schnitzlers Einakter "Der grüne Kakadu" (Erhard Stölting), wo die
Geschichte als Spiel vom Ernst der Geschichte (der Französischen
Revolution) eingeholt wird.

Die letzte Sektion erweitert den Fokus auf die 'Uchronie', die auch in
der Geschichtswissenschaft die Probe auf die "Schlüssigkeit von
Materialanordnungen, Narrationen und Konklusionen" anstellt (S. 470).
Kontrafaktische Fiktionen wirken Erhard Schütz zufolge als
"parabolische" Spiegel, indem sie apokryphe Versionen der Geschichte
darbieten und zugleich von der eigenen Gegenwart Zeugnis ablegen (S.
476). Den "kindlichen Wunsch", die Grauen des Nationalsozialismus
ungeschehen zu machen - ein Motor der politischen Geschichte nach 1945
-, bewahrt indes nur die Fiktion (S. 485). Alfred Anderschs
"Winterspelt", analysiert von Barbara Picht, entspricht als Erzählung
einer potenziellen Devianz der Geschichte freilich nur fast dem Typus
des allohistorischen (alternativgeschichtlichen) Romans: Zwar scheitert
der Plan der kampflosen Übergabe eines Bataillons bei der
Ardennen-Offensive, aber der Roman führt vor, dass Geschichte aus dem
entsteht, was man für möglich hält (S. 502f.). Dass die 'faits
accomplis' der Geschichte die Denkmöglichkeiten nicht begrenzen sollten,
macht Philip K. Dicks Alternativweltroman "The Man in the High Castle"
geltend, wie Reinhard Brenneke abschließend argumentiert: Selbst wenn
die erdachte Welt alternativlos erscheint, so erinnert die
kontrafaktische Konstruktion doch daran "that we have to take
responsibility for the whole of history" (S. 520).

Angesichts der zahlreichen vorkommenden Autoren und Titel vermisst man
ein Personen- und Werkregister. Eine sorgfältige Schlussredaktion hätte
dem Buch ebenfalls gut getan. Dass literatur- und
geschichtswissenschaftliche Forschungen jedoch in einen ertragreichen
Dialog treten können, lässt sich bei der Lektüre des umfangreichen
Bandes erleben.


Anmerkungen:
[1] Alfred Döblin, Der historische Roman und wir [1936], in: ders.,
Aufsätze zur Literatur, hrsg. von Walter Muschg, Olten 1963, S. 169; in
der Einleitung des rezensierten Bandes zit. auf S. 15.
[2] Die Entstehungszeit der untersuchten Werke ist im Inhaltsverzeichnis
jeweils genannt; die Auswahl stammt aus dem Zeitraum 1800-2008.
[3] Stefan Aust bezeichnet seinen "Baader-Meinhof-Komplex" (zuerst 1985)
dagegen als "Protokoll" oder "Chronik" - was allerdings den Anteil der
'Tatsachenphantasie' (um noch einmal einen Ausdruck Döblins zu
gebrauchen) überspielt.
[4] Vgl. Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte [1940], in:
ders., Gesammelte Schriften, Bd. I.2, hrsg. von Rolf Tiedemann und
Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1974, S. 693-704.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Jan-Holger Kirsch <kirsch(a)zzf-pdm.de>

[Regionalforum-Saar] Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15

Date: 2014/05/20 23:45:30
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>


Duchhardt, Heinz: Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15
(= Beck'sche Reihe 2778). München: C.H. Beck Verlag 2013. ISBN
978-3-406-65381-0; 128 S.; EUR 8,95.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Oliver Mohr, Nussloch
E-Mail: <o.a.mohr(a)gmail.com>

Der Wiener Kongress, dessen Beginn sich im Jahre 2014 zweihundertmal
jährt, stellt eine der großen Weichenstellungen der neueren europäischen
Geschichte dar. Nach einem Vierteljahrhundert Instabilität und Krieg
leitete er eine europäische Friedensperiode ein, die immerhin 40 Jahre
andauerte.

Momente des Theatralischen hat Heinz Duchhardt als Leitmotive seiner
knappen Darstellung des Wiener Kongresses gewählt, die in der
"Beck'schen Reihe" erschienen ist. Das erste Kapitel behandelt das
"Vorspiel und das Nachspiel" des Kongresses. Im Mittelpunkt des zweiten
Kapitels stehen die "Akteure und Aktricen", die "Gesellschaftsspiele"
sind Gegenstand von Kapitel drei, mit den "Spielregeln" beschäftigt sich
das folgende Kapitel. Die Konflikte, die vor allem um die Zukunft
Sachsens und Polens entbrannten, fasst der Autor unter dem Titel "Spiele
mit dem Feuer" zusammen. Das sechste, abschließende Kapitel - "Finale
furioso" - steht im Zeichen der Rückkehr Napoleons.

In seinen einleitenden Bemerkungen bietet Duchhardt einen kurzen
Überblick über die sprudelnden Quellen zu dem politisch-diplomatischen
Großereignis von 1814/15, auf dessen europäische Dimension er zu Recht
nicht müde wird, hinzuweisen. Er erinnert zudem, aus Platzgründen
skizzenhaft, an die Parallelen zu den Pariser Friedenskonferenzen von
1919 und erwähnt - er nimmt diesen Faden am Ende des Buches wieder auf -
die (relative) Stabilität der Wiener und die Brüchigkeit der späteren
Pariser Friedensordnung.

Die in historischen Darstellungen wie selbstverständlich erscheinende
Verbindung der Stadt Wien mit dem Kongress als Wegmarke des 19.
Jahrhunderts trägt den Zug des Kontingenten. Voraus gingen die Pariser
Friedensverhandlungen, bei denen es wohl geblieben wäre, hätte sich
nicht die - von Talleyrand zuerst aufgebrachte - Idee eines europäischen
Staatenkongresses durchgesetzt. Es gibt nach Duchhardt keinen besonderen
Grund, warum die Wahl auf Wien als Kongressstadt fiel - Sankt Petersburg
sei zu entlegen und klimatisch zu kühl gewesen, die Öffentlichkeit in
London zu unberechenbar und Berlin nicht mondän genug.

Der Wiener Kongress stellte eine Zäsur in der europäischen
Staatengeschichte dar: die Etablierung eines europäischen
Sicherheitssystems, das von den Großmächten garantiert wurde. Nicht
unwesentlich zum Zustandekommen dieser neuen Ordnung trug bei, dass
Paris und London ihre Rivalitäten begruben und sich zu einer "begrenzten
Partnerschaft" bereitfanden. So zukunftsweisend dieser Ansatz war, so
anachronistisch mutet andererseits die Diktion des Vertragstextes der
Heiligen Allianz an, "eins der merkwürdigsten Dokumente des gesamten 19.
Jahrhunderts" (S. 31).

Das mit Abstand ausführlichste Kapitel ist den Personen gewidmet, die
während des Kongresses eine Rolle spielten - die Souveräne, in erster
Linie Kaiser Franz I., Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm III.,
die Minister und Delegierten wie Metternich, Castlereagh und Wellington,
Talleyrand, Hardenberg und Humboldt, Nesselrode sowie Gentz, der
Publizist und die "rechte Hand Metternichs". Porträtiert werden auch
einige Frauen, deren tatsächlicher Einfluss auf die Ergebnisse des
Kongresses aber unbestimmt bleibt. Erwähnung finden die Fürstin
Bagration, die Herzogin von Sagan und ihre Schwestern, die Gräfinnen
Julie und Sophie Zichy, Auersperg, Saurai-Hunyday und
Széchenyi-Guilford.

Duchhardt weist darauf hin, dass die den Kongress begleitenden
Festivitäten ("Le Congrès danse et ne marche pas", S. 62) eine
politische Funktion besaßen. So boten sie den Rahmen für informelle
Gespräche und Agreements, die am Verhandlungstisch weit schwieriger
hätten erzielt werden können. Darüber hinaus war der Kongress ein
kulturgeschichtliches Ereignis, weil er politische, militärische,
künstlerische und intellektuelle Eliten aus ganz Europa auf einzigartige
Weise zusammenführte. Der Autor erwähnt die zahllosen und mannigfaltigen
Theater- und Opernaufführungen, die Feuerwerke und sonstigen
Festivitäten. Das Panorama, das er zeichnet, ist beeindruckend, hätte
aber zugunsten einer Analyse der sozio-kulturellen
Funktionszusammenhänge knapper ausfallen können.

Das Wort "Kongress" kann insofern in die Irre führen, wie außer zur
Unterzeichnung der Schlussakte im Juni 1815 niemals ein Plenum der
Kongressteilnehmer zusammentrat. Die Arbeit wurde in den zahlreichen
Komitees und Kommissionen geleistet, an deren Spitze ein "Leitkomitee"
stand, dem die vier Alliierten und Frankreich angehörten. Von geringerem
Gewicht war das Achterkomitee, in dem auch Schweden, Portugal und
Spanien vertreten waren. Zahlreiche Repräsentanten, etwa der kleineren
deutschen Staaten, der Reichsritterschaft und von Kommunen, von Standes-
und Interessengruppen waren nach Wien gereist und versuchten, auf die
Gremien Einfluss zu nehmen (S. 74).

Konflikte taten sich auf dem Wiener Kongress vor allem wegen der
"Sachsen-Polen-Frage" auf. Weder Russland noch Preußen konnten ihre
ambitionierten Pläne für Polen respektive Sachsen durchsetzen und
mussten sich auf Druck der anderen Großmächte mit Kompromissen zufrieden
geben. Duchhardt erwähnt auch den britisch-amerikanischen Konflikt am
Rande des Kongresses, der von London wohlweislich aus den Wiener
Verhandlungen herausgehalten wurde.

Einzelfragen wurden in verschiedenen Komitees verhandelt wie die Zukunft
der Eidgenossenschaft, deren Neutralität und Unabhängigkeit schließlich
bestätigt wurde, das Verbot des Sklavenhandels, die Freiheit der
Rheinschifffahrt und Regeln des diplomatischen Verkehrs. Inwieweit die
Bevölkerung das Objekt von Machtspielen war, zeigt die Arbeit der
"Statistischen Kommission", die an Hand von Bevölkerungsstatistiken den
Wert von Territorien bezifferte und damit einen Maßstab für den
politischen Handel von Gebieten und ihren Bewohnern schuf.

Von herausragender Bedeutung war die im "Deutschen Komitee" behandelte
Frage, wie nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
die Mitte Europas politisch verfasst werden würde. Hinter den
Erwartungen der jungen deutschen Nationalbewegung blieb die
Konföderation souveräner Staaten unter dem Dach eines "Deutschen Bundes"
natürlich weit zurück, doch wurde für Mitteleuropa immerhin eine
politische Ordnungsstruktur gefunden, die für ein halbes Jahrhundert
stabil blieb.

Duchhardt weist darauf hin, dass der Wiener Kongress viele Fragen - von
denen die "deutsche Frage" nur eine war - offen ließ. So konsequent
Duchhardt plakative Zuschreibungen wie etwa das Schlagwort von der
"Restauration" vermeidet, kommt er nicht umhin, den konservativen
Charakter der Wiener Ordnung zu betonen. Zugleich waren die Beteiligten
bemüht, diese als "alternativlos" (S. 120) erscheinen zu lassen. Damit
ist ein Bogen skizziert zu den Rettungsbemühungen des europäischen
Währungsraumes, gut 200 Jahre nach dem Wiener Ereignis.

Vielleicht hätten die Schilderungen der zahlreichen Festivitäten etwas
knapper ausfallen und dafür die politischen Verflechtungen der
beteiligten Mächte ausführlicher zu Wort kommen können. Dem Autor ist es
dennoch gelungen, durch eine insgesamt nachvollziehbare
Schwerpunktsetzung eine konzise Darstellung des Wiener Kongresses auf
engem Raum zu geben, die überdies gut lesbar ist und daher einen
Einstieg in die Thematik und einen ersten Überblick bietet.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Daniel Menning <daniel.menning(a)uni-tuebingen.de>

[Regionalforum-Saar] Tagber: Erdbeben in der Ant ike. Deutungen, Folgen, Repräsentationen

Date: 2014/05/25 22:42:19
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>


Irmgard Männlein-Robert / Mischa Meier / Laura Carrara / Jonas Borsch,
SFB 923 Bedrohte Ordnungen, Teilprojekt B01 Erdbeben
28.03.2014-29.03.2014, Tübingen

Bericht von:
Philipp Deeg, Historisches Institut, Universität Stuttgart
E-Mail: <PhilippDeeg(a)gmx.de>

Der Mittelmeerraum, der in geographischer Hinsicht im Mittelpunkt
altertumswissenschaftlicher Forschung steht, ist eine seismisch
hochaktive Region. Dass sich auch in der Antike Erdbeben in hoher
Frequenz ereigneten, ist nicht nur eine plausible Annahme, sondern über
eine Vielzahl von Quellen belegt.[1] Seit 2011 widmet sich das im SFB
923 "Bedrohte Ordnungen" angesiedelte Teilprojekt B01 der Erforschung
antiker Erdbeben als Phänomen an der Grenze zwischen Natur und Kultur.
Der Fokus der international besetzten Tagung, die im Rahmen dieses
Projekts veranstaltet wurde, lag auf den Auswirkungen von Erdbeben auf
antike Gesellschaften, den Möglichkeiten der Rekonstruktion seismischer
Ereignisse sowie dem Verhältnis zwischen Ereignis und literarischem
Niederschlag. Diese Fragen verkürzten die Veranstalter auf die
pointierten Schlagworte Deutungen, Folgen und Repräsentationen, mit
denen die Sektionen der Konferenz bezeichnet wurden.

ULRIKE EHMIG (Wien/Paris) setzte sich mit dem Problem auseinander, dass
Poseidon zwar als griechischer 'Erdbebengott' fassbar ist, eine
vergleichbare Zuständigkeit Neptuns in Rom trotz sonstiger Parallelen
aber unbekannt ist. Vielmehr wird im Anschluss an die grundlegende
Studie Gerhard Waldherrs meist angenommen, die Römer hätten unbestimmte
Gottheiten ('si deo si deae') für Beben verantwortlich gemacht.[2]
Anhand von Weihinschriften für Neptun arbeitete Ehmig zunächst heraus,
dass sich tatsächlich keine Bebenzuständigkeit, sondern eine umfassend
zu verstehende Schutzfunktion Neptuns ('periculorum absolutor') belegen
lässt. Allerdings hätten die Weihungen sicher konkrete Anlässe gehabt,
die sich nur nicht mehr rekonstruieren ließen. In einem zweiten Schritt
analysierte Ehmig die Votivinschriften für die unbestimmten Gottheiten.
Auf diesen Inschriften ließen sich staatstragende Interessen wie das
Wohl des Kaisers als Weihanlass finden, aber auch hier sei kein Hinweis
auf Zuständigkeit bei Naturkatastrophen im Allgemeinen oder Erdbeben im
Speziellen feststellbar. Ein spezifischer Anlass der Weihungen sei auf
diesen Steinen überhaupt kaum ersichtlich. Indem Ehmig in ihrer
Untersuchung die Möglichkeit negativer Resultate bewusst in Kauf nahm,
konnte sie zeigen, welchen Wert solche Arbeiten haben können.
Vermeintliche Gewissheiten können dadurch herausgefordert werden, neue
Fragen sind zu klären. Muss die 'si deo si deae'-These differenzierter
als bisher vorgetragen werden? Warum spielten Erdbeben keine große Rolle
als Votivgründe?

STEFANO CONTI (Siena/Urbino) ging der Verbindung von Herrschertod und
Katastrophe nach. An einer Vielzahl von Beispielen von Caesar bis in die
Spätantike konnte er die Instrumentalisierung von Erdbeben als
(Vor-)Zeichen aufzeigen. Besonders interessant stellte sich das
Aufeinanderprallen von christlichen und heidnischen Autoren im Falle
Iulians dar: Heidnische Autoren zeichneten ihn als eine Art tragischen
Helden, der allen Vorzeichen zum Trotz seine Pflicht erfüllt habe und
dessen Tod ein Unglück darstellte, weil er allein weitere Beben hätte
verhindern können. Christen hingegen deuteten das Handeln Iulians als
Ursache für den Zorn Gottes, der sich in Beben niederschlug, und
seismische Aktivität nach dem Tod des Kaisers als Aufbäumen der Erde,
die damit die Aufnahme des Leichnams abgelehnt habe. Insgesamt habe das
Interesse der antiken Autoren zumeist darin bestanden, statt der
natürlichen die 'tatsächlichen' Ursachen von Erdbeben, also den
göttlichen Zorn, herauszustellen. Während Beben vor dem Tod des
Herrschers als Vorankündigung gegolten hätten, hätte eines nach dem
Herrschertod sowohl als negative Bewertung der Herrschaft des
Verstorbenen als auch als ein Akt der Trauer der Natur interpretiert
werden können.

Durch den spätantiken Schwerpunkt Contis entstanden einige - durchaus
fruchtbare - Parallelen zum folgenden Vortrag GERHARD WALDHERRs
(Regensburg). Der "Vater der altertumswissenschaftlichen
Erdbebenforschung", wie Waldherr von Mischa Meier nicht zu Unrecht
angekündigt wurde, akzentuierte die Erdbebenverwendung bei christlichen
Autoren noch etwas schärfer. So habe die Erwähnung von Erdbeben auch
einen Aspekt der Angstbewältigung enthalten: Wenn Gottes Zorn dafür
verantwortlich war, konnte dieser Zorn durch Gebete beschwichtigt
werden. Überdies seien Erdbeben auch als Heilmittel gegen die Sündigkeit
der Menschen gedeutet worden, als kathartische Ereignisse also, denen
gleichsam durch Läuterung entgegengewirkt werden konnte. Mithin sei den
Christen der Spätantike, anders als früheren bzw. heidnischen Autoren,
durch eine alttestamentarisch geprägte Perspektive eine positive
Darstellung von Erdbeben möglich gewesen.

Da der Beitrag von Dora Katsonopoulou (Athen) leider entfallen musste,
folgten die Vorträge von WOLFRAM MARTINI (Gießen) und RICHARD POSAMENTIR
(Tübingen) unmittelbar aufeinander. Martini beklagte das weitgehende
Fehlen systematischer archäologischer Analysen zu antiken Erdbeben. Denn
obwohl er zugab, dass Schäden durch Erdbeben von Schäden etwa durch
Erosion, Krieg oder Fehlkonstruktionen nicht immer klar zu unterscheiden
seien und auch eine einigermaßen klare Datierung nur manchmal gelinge,
sah er großes Potential solcher Forschungen für die historische
Katastrophenforschung, aber auch die Urbanistik und die sozioökonomische
Forschung. Mit vielen Einzelbeispielen, vor allem aus Perge, konnte
Martini nicht nur Schäden, sondern auch, was ihn mehr interessierte,
Restaurationsmaßnahmen nach Beben zeigen. Abschließend formulierte er
seinen "Traum" einer interdisziplinär betriebenen und nutzbaren
Erdbebendatenbank, die möglichst umfassend seismische Ereignisse und
damit möglicherweise zusammenhängende Schäden enthalten sollte.
Posamentir stellte sich eingangs, anders als sein Vorredner, auf eine
dezidiert skeptische Position, die den Nutzen archäologischer Befunde
für die Erdbebenforschung für begrenzt hält.[3] Schwere Verwerfungen und
Merkmale der Bauornamentik könnten zwar auf Bebenschäden hindeuten. Eine
Datierung der Beben und etwaiger Baumaßnahmen, ein Zusammenhang gar zu
anderweitig belegten seismischen Ereignissen sei, wenn überhaupt, nicht
hinreichend sicher zu leisten. Dies zeige sich etwa in Ephesos, das vom
sogenannten Zwölf-Städte-Beben im Jahre 17 n. Chr. betroffen war[4]:
Dass Wiederaufbaumaßnahmen eingeleitet worden sein sollen, ist zwar
überliefert. Archäologisch ließe sich aber kein klarer Zusammenhang
herstellen, zumal bauliche Veränderungen des Stadtbildes wohl bereits
vor 17 n. Chr. begonnen hätten und selbst der Bauboom unter Nero nicht
als Spätfolge des Unglücks auszuweisen sei. Besonders am Beispiel von
Anazarbos legte Posamentir seine Position dar. Da eine spätantike
Bebenserie überliefert ist, ließe sich ein Zusammenhang zwischen
Bebenschäden und einem späten Mauersystem um die Stadt, in dem
spätantike Trümmer verwendet wurden, annehmen. Belegbar sei dieser
Zusammenhang aber nicht: Weder sei das Mauerwerk klar datierbar noch sei
gesichert, dass die verbauten Trümmerstücke von seismischen Zerstörungen
herrührten. Insgesamt seien Erdbeben allenfalls als Katalysatoren
bereits eingeschlagener Entwicklungsrichtungen, nicht als Anlass von
Veränderungen oder Umbrüchen plausibel zu machen. In der anschließenden
Diskussion zeigte sich, dass Martini und Posamentir in ihren
Einschätzungen nicht so weit auseinanderlagen, wie ihre pointierten
Vorträge hätten erwarten lassen. Während Martini eine
einzelfallorientierte Mikroperspektive einnahm, richtete Posamentir den
Blick auf Makrozusammenhänge der Stadtentwicklung.

Obwohl CLAUDIA WIENER (München) sich mit einem Thema befasste, das
bereits häufiger untersucht wurde[5], konnte Wiener mit ihrer
detaillierten Analyse einige wichtige Akzentuierungen und Ergänzungen
erreichen. So zeigte sie Senecas rhetorischen Kniff auf, mit dem er den
Leser von der von ihm selbst präferierten Theorie über die Entstehung
von Erdbeben zu überzeugen suchte. Einerseits listete er die Theorien in
der Reihenfolge von der 'primitivsten' zur 'modernsten' - also der von
ihm favorisierten - auf, andererseits bezeichnete er keinen der
konkurrierenden Ansätze rundheraus als falsch. Auch eine völlige
Entsakralisierung von Erdbeben sei nicht Senecas Absicht gewesen.
Vielmehr bestehe der Trost seiner Darlegungen darin, dass die Welt eine
göttliche Schöpfung sei und also seismische Ereignisse keine Störung,
sondern einen Bestandteil der göttlichen Ordnung darstellten. Nicht
zuletzt habe Seneca - anders als andere antike Autoren, wie Conti und
Waldherr in ihren Beiträgen zuvor herausgearbeitet hatten - gerade keine
politische Instrumentalisierung betrieben, sondern das Naturereignis von
der Politik abgekoppelt. Damit enthielten die 'Naturales quaestiones'
ein affirmatives Element. Mit Blick auf die häufig diskutierte stoische
Opposition der frühen Kaiserzeit wird damit nochmals klar hervorgehoben,
dass diese 'oppositionellen' Senatoren allenfalls einzelne Kaiser, nicht
aber den Prinzipat als solchen in Frage stellten.

GIUSTO TRAINA (Paris) hatte seinen Beitrag als Kommentar zu Dios
ausführlicher, über bloße Topik hinausgehende Darstellung des
Antiochia-Bebens von 115 n. Chr. konzipiert.[6] Unter Heranziehung
diverser ergänzender Quellen beleuchtete er das Ereignis vielseitig und
detailliert. Besonders die politische Dimension - Traian befand sich zur
Zeit des Bebens in Antiochia - interessierte Traina. Leicht hätte das
Ereignis sich zu Ungunsten des Kaisers auswirken können, immerhin plante
er zu dieser Zeit einen Feldzug gegen die Parther. Überdies befanden
sich Tausende Gesandte, Schaulustige und sonstige seinetwegen in der
Stadt und waren vom Erdbeben betroffen. Die Umstände hätten sich aber
doch als günstig erwiesen. Das spektakuläre Entkommen des Kaisers aus
einem Gebäude wie auch die Unversehrtheit seiner außerhalb der Stadt
lagernden Truppen konnten als positives Vorzeichen des Feldzuges
gewertet werden. Die Deutungshoheit über das Ereignis habe
offensichtlich beim Herrscher gelegen und sei von diesem erfolgreich
genutzt worden. Dass Traians Entschlossenheit und demonstrative
Großzügigkeit beim Wiederaufbau der Stadt ebenfalls eine große Rolle bei
der politischen Stabilisierung der Lage gespielt haben dürfte[7], stand
in Trainas Vortrag nicht im Fokus.

Die Monodie des Libanios auf das 358 n. Chr. zerstörte Nikomedia stand
laut CARLO FRANCO (Venedig) zwar in der rhetorischen Tradition des
Aelius Aristides, sei jedoch nicht an dessen Reden für Smyrna orientiert
gewesen, wie meist vermutet wird[8], sondern an der rhodischen Rede, die
Aristides in der Forschung oft abgesprochen worden ist. Entgegen der
herrschenden Meinung scheine die Monodie zudem nach dem Briefwechsel mit
Iulian entstanden zu sein, ja mehr noch: Libanios sei von Iulian erst zu
seiner Trauerrede überredet worden. Wie sonst lasse sich angesichts der
engen Verbindung nicht nur des Rhetors, sondern auch des nachmaligen
Kaisers mit Nikomedia erklären, dass die Monodie im Briefwechsel
unerwähnt blieb? Schließlich sei der amtierende Kaiser Constantius in
den Quellen in keiner Weise mit dem Beben in Verbindung gebracht worden,
weder als Schuldiger noch als Helfer. Angemessenes kaiserliches
Verhalten einschließlich Hilfsmaßnahmen sei nur von Iulian überliefert.
Franco konnte aber auch an die Beiträge von Conti und Waldherr anknüpfen
und deren Ergebnisse bestätigen. Denn während Libanios die Zerstörungen
in Nikomedia beklagte und Poseidon vorwarf, seinen Zorn über einer
unschuldigen Stadt ausgeschüttet zu haben, zeigen die christlichen
Quellen eine etwas andere Deutung. Sie interessieren sich vorrangig für
christliche Opfer, zerstörte christliche Bauwerke und eine wegen des
Bebens entfallene Bischofssynode, beklagen den Zorn Gottes aber nicht,
sondern betrachten ihn als gerecht.

Abschließend fasste KLAUS GEUS (Berlin) unterhaltsam, souverän und
pointiert einige wichtige Ergebnisse zusammen, benannte aber auch offene
Fragen. Ungelöst müsse bis auf weiteres bleiben, woher die Unterschiede
zwischen Poseidon und Neptun bezüglich Erdbeben rührten. Der Umgang
heidnischer und christlicher Autoren mit Beben sei insgesamt recht
ähnlich. Zwar trete bei spätantiken Christen das kathartische Element
hinzu, ansonsten unterschieden sich die Interpretationen aber kaum.
Handelt es sich um eine Art anthropologischer Konstante oder um einen
Wissenstransfer? Wer waren gegebenenfalls dessen Träger? Den Wunsch nach
einer interdisziplinären Erdbebendatenbank unterstützte Geus
ausdrücklich. Bedenkenswert ist schließlich seine Überlegung, ob Senecas
Beschränkung auf Trost unter bewusster Ausblendung von Hilfen eine
subtile Kritik an Nero darstellte.[9]

Die Tagung, die in sehr angenehmer Atmosphäre stattfand, zeigte den
Facettenreichtum der Erdbebenthematik für die Antike auf. Insbesondere
die fachliche Zusammensetzung der Referenten, die ein Ausgreifen über
literarische Quellen hinaus ermöglichte, trug zum Gelingen dieses
Vorhabens bei. Dass der zeitliche Schwerpunkt klar auf Kaiserzeit und
Spätantike lag, war dabei kein Nachteil. Vielmehr wurden Bezugnahmen und
Querverweise ermöglicht, sodass ein nuanciertes Bild entstand.

Konferenzübersicht:

Mischa Meier / Irmgard Männlein-Robert (Tübingen), Begrüßung

Laura Carrara / Jonas Borsch (Tübingen), Thematische Einführung

Sektion 1: Deutungen
Moderation: Mischa Meier

Ulrike Ehmig (Wien/Paris), Der "Erdbebengott Neptun" und die
"unbestimmte Erdbebengötter" in lateinischen Inschriften

Stefano Conti (Siena/Urbino), Ende des Herrschers - Ende der Welt?
Naturkatastrophen und der Tod des Kaisers

Gerhard Waldherr (Regensburg), Erdbebenkatastrophen bei christlichen
Autoren der Spätantike

Sektion 2: Folgen
Moderation: Jonas Borsch

Wolfram Martini (Gießen), Schadensbilder. Archäologische Dokumentation
von Erdbeben im Mittelmeerraum

Richard Posamentir (Tübingen), Erdbeben als Ende und Anfang:
Auflösungsprozesse im römischen Osten

Sektion 3: Repräsentationen
Moderation: Laura Carrara

Claudia Wiener (München), ratio terrorem prudentibus excudit - die
Evaluierung von Erdbebentheorien in Senecas Naturales quaestiones

Giusto Traina (Paris), Trajan and the Earthquake of Antioch (115 AD)

Carlo Franco (Venedig), Ein Erdbeben, ein Rhetor, eine Tradition:
Libanios und Nikomedia

Kommentar und Schlussdiskussion
Moderation: Irmgard Männlein-Robert

Klaus Geus (Berlin), Kommentar

Anmerkungen:
[1] Siehe Emanuela Guidoboni / Alberto Comastri / Giusto Traina,
Catalogue of ancient earthquakes in the Mediterranean area up to the
10th century, Rom 1994.
[2] Gerhard Waldherr, Erdbeben. Das außergewöhnlich Normale, Stuttgart
1997, S. 231-239.
[3] Vgl. dazu Gerhard Waldherr, Antike Quellen zu Erdbeben und ihre
Problematik, in: Gerhard Waldherr / Anselm Smolka (Hrsg.), Antike
Erdbeben im alpinen und zirkumalpinen Raum, Stuttgart 2007, S. 15-22,
hier S. 18, 21.
[4] Zu diesem Beben: Tac. ann. 2,47, der aber Ephesos nicht nennt.
[5] Insbesondere, dass Senecas Erdbebendarstellung darauf abzielte, die
Sicht auf seismische Ereignisse zu rationalisieren und damit Trost zu
spenden, wurde dabei bereits früher herausgearbeitet; vgl. etwa Holger
Sonnabend, Wahrnehmung von Naturkatastrophen in der Antike: Das
Kampanien-Beben von 62 n. Chr. und der Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr.,
in: Dieter Groh / Michael Kempe / Franz Mauelshagen (Hrsg.),
Naturkatastrophen. Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und
Darstellung in Text und Bild von der Antike bis ins 20. Jahrhundert,
Tübingen 2003, S. 37-44; Gareth Williams, Greco-Roman Seismology and
Seneca on Earthquakes in "Natural Questions 6", in: Journal of Roman
Studies 96 (2006), S. 124-146.
[6] Cass. Dio 68,24-25.
[7] Siehe dazu jüngst Jörn Kobes, Trajan und Antiochia - Kaiserliche
Hilfen und Mirakel, in: Babett Edelmann-Singer / Heinrich Konen (Hrsg.),
Salutationes - Beiträge zur Alten Geschichte und ihrer Diskussion,
Berlin 2013, S. 73-88.
[8] Vgl. etwa Guidoboni / Comastri / Traina, Catalogue, S. 258.
[9] Man beachte beispielsweise die von Tacitus überlieferte Information,
Laodikeia habe sich im Jahre 60 n. Chr. nach einem Erdbeben selbst
helfen müssen, ohne kaiserliche Unterstützung; Tac. ann. 14,27,1.

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5388>

[Regionalforum-Saar] Nazi-Terror im Westen, Ausgrenzu ng – Verfolgung – Vernichtung

Date: 2014/05/30 16:20:02
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Die „Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e.V.“ lädt am 13.06.2014 zu einem Vortrag von Hans Peter Klauck ein.

Thema wird sein:

Nazi-Terror im Westen, Ausgrenzung – Verfolgung – Vernichtung

Das Lagersystem der Nationalsozialisten

Der Vortrag von Hans Peter Klauck beginnt um 19.00 Uhr im Landsratsamt Saarlouis, Großer Sitzungssaal (Neubau). Der Eintritt ist frei.

Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 begann der offene Terror gegen die politische Opposition. Die juristische Grundlage bildete hierfür die "Reichstagsbrandverordnung" vom 28. Februar 1933, mit der zum "Schutz von Volk und Staat" politische Gegnerinnen und Gegner des Regimes "präventiv" verhaftet und ohne Justizurteil festgehalten werden konnten. Allein im März und April 1933 wurden rund 35.000 Personen von Polizei, Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) in "Schutzhaft" genommen und waren damit staatlicher Willkür ohne jeden Rechtsbeistand ausgeliefert. Nach der weitgehenden Ausschaltung der politischen Opposition und der Grundsatzentscheidung Adolf Hitlers für ein Fortbestehen des SS-Konzentrationslagersystems wurden die Konzentrationslager zunehmend auch zu einem Instrument der radikalisierten NS-Rassenpolitik, die im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, in gezielten Tötungen an kranken und behinderten Menschen sowie im systematischen Massenmord an der jüdischen sowie der Roma- und Sinti-Bevölkerung ihren Ausdruck fand. Mord und Gewalt nahmen auch in den Lagern mit gezielten Massentötungsaktionen eine neue Dimension an.

Hans Peter Klauck zeigt an vielen Beispielen und historischen Fotos das Lagersystem westlich des Rheins. Vorgestellt werden u.a. die Lager Osthofen, Hinzert, Neue Bremm in Deutschland, Natzweiler, Ban-St.-Jean, Thil, Woippy in Frankreich, Herzogenbuch und Westerbork in Holland, Fünfbrunnen in Luxemburg, Mechelen, Huy und Breendonk in Belgien. Außerdem werden  die Zwangsarbeiterlager im Kreis Saarlouis dargestellt.

 

 

[Regionalforum-Saar] Nazi-Terror im Westen, Ausgrenzu ng – Verfolgung – Vernicht

Date: 2014/05/31 01:00:05
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Die „Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e.V.“ lädt am 13.06.2014 zu einem Vortrag von Hans Peter Klauck ein.

Thema wird sein:

Nazi-Terror im Westen, Ausgrenzung – Verfolgung – Vernichtung

Das Lagersystem der Nationalsozialisten

Der Vortrag von Hans Peter Klauck beginnt um 19.00 Uhr im Landsratsamt Saarlouis, Großer Sitzungssaal (Neubau). Der Eintritt ist frei.

Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 begann der offene Terror gegen die politische Opposition. Die juristische Grundlage bildete hierfür die "Reichstagsbrandverordnung" vom 28. Februar 1933, mit der zum "Schutz von Volk und Staat" politische Gegnerinnen und Gegner des Regimes "präventiv" verhaftet und ohne Justizurteil festgehalten werden konnten. Allein im März und April 1933 wurden rund 35.000 Personen von Polizei, Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) in "Schutzhaft" genommen und waren damit staatlicher Willkür ohne jeden Rechtsbeistand ausgeliefert. Nach der weitgehenden Ausschaltung der politischen Opposition und der Grundsatzentscheidung Adolf Hitlers für ein Fortbestehen des SS-Konzentrationslagersystems wurden die Konzentrationslager zunehmend auch zu einem Instrument der radikalisierten NS-Rassenpolitik, die im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, in gezielten Tötungen an kranken und behinderten Menschen sowie im systematischen Massenmord an der jüdischen sowie der Roma- und Sinti-Bevölkerung ihren Ausdruck fand. Mord und Gewalt nahmen auch in den Lagern mit gezielten Massentötungsaktionen eine neue Dimension an.

Hans Peter Klauck zeigt an vielen Beispielen und historischen Fotos das Lagersystem westlich des Rheins. Vorgestellt werden u.a. die Lager Osthofen, Hinzert, Neue Bremm in Deutschland, Natzweiler, Ban-St.-Jean, Thil, Woippy in Frankreich, Herzogenbuch und Westerbork in Holland, Fünfbrunnen in Luxemburg, Mechelen, Huy und Breendonk in Belgien. Außerdem werden  die Zwangsarbeiterlager im Kreis Saarlouis dargestellt.