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2012/01/10 23:18:02
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Rez. MA: S. Neumann: Der gerichtliche Zweikampf im Mittelalter
Datum 2012/01/11 23:22:33
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ja, nein, gegebenenfalls . Gehören menschliche Überreste ins Museum
2012/01/12 17:27:31
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Betreff 2012/01/08 23:56:45
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2012/01/10 23:18:02
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Rez. MA: S. Neumann: Der gerichtliche Zweikampf im Mittelalter
Autor 2012/01/11 23:22:33
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ja, nein, gegebenenfalls . Gehören menschliche Überreste ins Museum

[Regionalforum-Saar] Teufel, Geister und Dämon en

Date: 2012/01/10 23:18:57
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Cornelia Logemann <Logemann(a)...   11.01.2012
Subject: Rez. MA: W. Metternich: Teufel, Geister und Dämonen
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Metternich, Wolfgang: Teufel, Geister und Dämonen. Das Unheimliche in
der Kunst des Mittelalters [135 farb. Abb.]. Darmstadt: Primus Verlag
2011. ISBN 978-3-89678-725-5; geb. m. SU; 144 S.; EUR 39,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Cornelia Logemann, Transcultural Studies Program, Universität
Heidelberg
E-Mail: <Logemann(a)... ein Dokumentar- oder Historienfilm über das Mittelalter, kaum ein
historischer Roman kommt ohne jene Prise von Dramatik und Finsternis
aus, die solange Zeit unsere Vorstellungen von mittelalterlicher
Lebenswirklichkeit bestimmt haben. Dabei ist es meist eine Inszenierung
düster-grauer Farben und höchst dramatischer Musik, die offenbar als
Fanal vom Ende der ebenso düsteren Epoche verstanden werden wollen. Die
nebulöse Stimmung und dumpfe Kälte sind es, die bis in die letzte
Sequenz die Verfilmung von Umberto Ecos "Name der Rose" prägen - und die
auch dem Zuschauer die finstere Epoche mit einfachen Stilmitteln
nahebringen soll. Dämonenglaube und Teufelsfurcht sind dem modernen
Betrachter nicht glaubwürdig vermittelbar, und so treten dramaturgisch
andere, nachvollziehbare Bedrohlichkeiten an diese Stelle.

Auch das vorliegende Buch beginnt bezeichnender Weise bei Ecos
Meisterwerk und daran anknüpfend mit dem Dictum Gregors des Großen
(gest. 604), nach dem die Bilder dem leseunkundigen Laien die Schrift
ersetzen würden. Es stellt die Frage, wie Bilder auf den
mittelalterlichen Betrachter wirkten und inwiefern diese eine
'unheimliche' Wirkung zeitigten, die sich dem modernen Rezipienten
allerdings völlig entzieht. Wovor sich der Mensch des Mittelalters
tatsächlich fürchtete, ist umso schwerer zu ermitteln, versucht man die
didaktisch motivierten Texte der Geistlichen und die Monstrositäten, die
unter Chorgestühl, an Kapitellen und im Portal so vieler
Sakralarchitekturen begegnen, miteinander in Einklang zu bringen. Eine
bunte Welt mit verstörendem bis scheußlichem Formenrepertoire erregte
nicht zuletzt das Missfallen des Bernhard von Clairvaux, das dieser für
seine Ordensbrüder artikulierte als "deformis formositas ac formosa
deformitas".[1] Seine Kritik richtete sich dabei gegen die
zeitgenössischen Ausgestaltungen von Klosterbauten, da er in den
unpassenden Bildwerken großes Ablenkungspotential sah. Seltsame und
absonderliche Dinge begegnen dem Gläubigen in der Kirche, an halb
verborgenen Orten oder oft auch prominent, den irritierten Blicken der
Betenden entgegengesetzt. Immer wieder transportieren Buchmalereien die
eine oder andere Mär von unheimlichen Planetenbewohnern am Ende der
Welt, ohne Kopf oder mit überdimensioniertem Fuß, nebst menschlichen
Körpern an tierischen Gesichtern, kurzum: Teufel, Geister und Dämonen
und Monstrositäten scheinen visuell omnipräsent zu sein in der
mittelalterlichen Kunst.

Wolfgang Metternichs Buch über Teufel, Geister und Dämonen ist an ein
breites Publikum adressiert, es ist eine Reise in ein fernes und fremdes
"Damals", in dem die Menschen nach gängiger Vorstellung in einem Zustand
permanenter religiöser Furcht zu leben schienen. In zwölf Kapiteln wirft
Metternich verschiedene Schlaglichter auf die Ausprägungen des
Unheimlichen in der mittelalterlichen Kunst. Zunächst wird die
Einflussnahme der Heiligen Schrift, die "in langen Passagen nichts für
zarte Gemüter" (S. 9) sei, auf das Leben im Mittelalter geschildert und
mit dämonischen Darstellungen in verschiedensten Medien, Buchmalerei und
Portalplastik verglichen. Die Relikte antiker Kulte und das Fortleben
mancher heidnischer Götterbilder im Mittelalter werden in einem zweiten
Kapitel kursorisch zusammengefasst. Imaginationen des Teufels und seiner
Helfer folgen ebenso wie Erörterungen zu wilden Männern, Fabelwesen und
himmlischen Geschöpfen. Als Allgemeinplatz im Kanon von Teufeln,
Geistern und Dämonen darf offenbar auch ein Kapitel zur Frau und
verderblicher Sexualität nicht fehlen, in dem der Autor durchaus auch
die humoristischen Seiten mittelalterlicher Bildfindungen erläutert,
wenngleich sehr fraglich ist, ob die eine oder andere Grimasse
tatsächlich durch die "unbewusste Antwort des Kirchenvolkes auf die
Verdrängung der Sexualität" (S. 102) zu erklären ist.

Es folgen schließlich Abschnitte zu fremden und wundersamen Völkern, wie
sie bekanntermaßen in Reisebeschreibungen und Weltkarten visualisiert
wurden, ebenso wie klassische mittelalterliche Randgruppen von Jongleurs
bis zu den Juden. Ein letzter Abschnitt über Seuchen, Krankheit und Tod
öffnet dabei ein weiteres Feld, das auch mit dem Isenheimer Altar
zeitlich einen neuen Rahmen absteckt. Das Thema des Unheimlichen wurde
hierbei weitestgehend verlassen, selbst wenn, wie Metternich betont,
Unheimlichkeit "immer auch die Angst vor dem Fremden ist" (S. 103). Die
Teufel, Geister und Dämonen wären damit primär in den ersten acht
Kapiteln abgehandelt, während der zweite Teil des Buchs sich mehr auf
Fremde konzentriert - inwiefern dies die Kategorie des 'Unheimlichen'
wesentlich ergänzt, wäre zu hinterfragen. Statt dieses sehr großen
Parcours durch verschiedenste Themenbereiche wären vielleicht mehr
Beispiele mit engerem inhaltlichen Zuschnitt wünschenswert gewesen: Die
teils topographisch und zeitlich auseinander liegenden Objekte sind oft
schwierig zu verbinden.

Gesamtansichten über mittelalterliche Kunst, die an eine größere
Leserschaft gerichtet sind, erschienen in den letzten Jahren einige.
Michael Camille hat sich in seinen Forschungen immer wieder mit jenen
Erscheinungsformen der mittelalterlichen Bildproduktion
auseinandergesetzt, die hier in opulenter Farbigkeit zusammengestellt
sind. Neben Camilles mehrfach übersetztem Standardwerk zur
mittelalterlichen Kunst[2], das auch ohne größere Vorkenntnisse
gewinnbringend zu lesen ist, sei etwa auch Jacques Le Goffs
unterhaltsames und üppig illustriertes Werk zum Mittelalter in Bildern
hervorgehoben[3], das in sehr prägnanter Zuspitzung wesentliche Aspekte
mittelalterlicher Kunst nennt. Auch kleinere Buchformate wie etwa Bruno
Reudenbachs "Kunst des Mittelalters" gehen auf diese Präsenz Furcht
einflößender Bilder zweifelsohne ein.[4]

Doch die in "Teufel, Geister & Dämonen" zusammengestellten Bilder auf
ihre unheimliche Funktion zu reduzieren, erscheint schwierig,
funktionieren etwa die das strenge ikonographische Gesamtprogramm eines
Portals konterkarierenden dämonischen oder monströsen Bilder auch auf
anderer Ebene - in dem Sinne, dass sie durch Aufzeigen einer chaotischen
Gegenwelt die Ordnung des christlichen Weltbildes zementieren. Die im
Band verwendeten Beispielbilder wurden von Metternich dabei größtenteils
im sozialgeschichtlichen Kontext interpretiert: Verschiedene Medien und
Rezipientenschichten spielen bei der Analyse der Bilder jedoch durchaus
eine wichtige Rolle, und so scheint doch das Studium fremder Völker in
Jean de Mandevilles Reisebeschreibungen auf einer ganz anderen Ebene zu
liegen als etwa Fragmente heidnischer Ikonographie in
hochmittelalterlichen Portalen. Furchterregende Gestalten in der
Buchmalerei dienten nicht selten als Herausforderung, sich im Akt der
Kontemplation gegen die Geister der Einbildung zu wehren, während die an
das Massenpublikum gerichteten Dämonen an und in Kirchen nach Willen der
Geistlichen Furcht einflößend wirken sollten (aber vielleicht auch in
ihrer didaktischen Drohgebärde am Betrachter vorbeizielten).

Die im Rahmen eines solchen Buchs vielleicht auch notwendigen
Akzentuierungen, die von Metternich formuliert werden, manifestieren,
gewollt oder ungewollt, ein Bild des finsteren Mittelalters, das die
Mittelalterforschung eigentlich überwunden zu haben glaubte. Dabei wird
im üppigen Literaturverzeichnis des Werkes alles genannt, was eine
differenziertere Sicht auf die Dämonen mittelalterlicher Kunst erlaubt.
Denn letztlich, um nun auch auf den vorangehenden Passus in Bernhards
eingangs zitierten Äußerungen einzugehen, in dem er von lächerlichen
Monstrositäten spricht, ist die ironische Brechung des Unheimlichen und
der Übergang des Dämonischen zur Phantasie ein wesentliches Moment, auf
das das vorliegende Buch nicht eingeht.


Anmerkungen:
[1] Bernhard von Clairvaux, Apologia ad Guillelmum Sancti Theoderici
abbatem, in: Jacques Leclercq / Henri Marie Rochais (Hrsg.), S. Bernardi
Opera, Bd. III, Rom 1963, S. 106: "Ceterum in claustris, coram
legentibus fratribus, quid facit illa ridicula monstruositas, mira
quaedam deformis formositas, ac formosa deformitas?"
[2] Michael Camille, Die Kunst der Gotik. Höfe, Klöster und Kathedralen,
Ostfildern 1999.
[3] Jacques Le Goff, Das Mittelalter in Bildern, Stuttgart 2002.
[4] Bruno Reudenbach, Die Kunst des Mittelalters, Bd. 1: 800-1200,
München 2008. Vgl. auch den zweiten Teil zur mittelalterlichen Kunst von
Klaus Niehr, Die Kunst des Mittelalters, Bd. 2: 1200-1500, München 2009.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Wolfgang Eric Wagner <wolfgang-eric.wagner(a)... for citation of this contribution
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-1-022>

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