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2011/10/01 21:11:18
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Archäologie auf dem Schaumb erg 2010
Datum 2011/10/04 16:42:55
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[Regionalforum-Saar] Die Entstehung des Zeitungswesens
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[Regionalforum-Saar] Archäologie auf dem Schaumb erg 2010
Autor 2011/10/04 16:42:55
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[Regionalforum-Saar] Die Entstehung des Zeitungswesens

[Regionalforum-Saar] Der Spanische Erbfolgekrieg

Date: 2011/10/04 16:41:58
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Smid, Stefan: Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines vergessenen
Weltkriegs (1701-1714). Köln: Böhlau Verlag Köln 2011. ISBN
978-3-412-20638-3; 582 S.; EUR 69,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Axel Flügel, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und
Theologie, Universität Bielefeld
E-Mail: <axel.fluegel(a)... europäische Geschichte besteht, wie wir in diesen Tagen wieder
einmal feststellen, aus einer Abfolge von Krisen. Unter den vielen
möglichen Kennzeichen Europas weisen die dort fortwährend aufgeführten,
jeweils aber erfolglos gebliebenen konfessionellen und militärischen
Hegemonialkämpfe diese Ländermasse als einen ausgesprochen
querulantischen Kontinent aus. Ein bedeutendes Kapitel aus dieser
krisenreichen Geschichte behandelt der Kieler Zivilrechtler Stefan Smid
mit seiner Darstellung des Spanischen Erbfolgekrieges von 1701 bis 1714.
In ihm kämpften die Häuser Habsburg und Bourbon um die Herrschaft in
Spanien, nachdem der spanische Thron durch den Tod des kinderlos
gebliebenen Königs Carlos II. (1665-1700) aus dem Haus Habsburg verwaist
war. Gegen die drohende Vereinigung Frankreichs, Spaniens und des
riesigen spanischen Kolonialreiches unter der Herrschaft des Hauses
Bourbon bildete sich die "Große Haager Allianz". Die Niederlande,
England und einige Territorien des Alten Reiches bündelten ihre
finanziellen bzw. militärischen Potentiale, um an der Seite der
österreichischen Habsburger der französischen Militärmaschine entgegen
zu treten. Auf französischer Seite nahm an dieser Erbschaftsquerele des
europäischen Hochadels das Haus Wittelsbach teil, vertreten durch den
bayerischen Kurfürsten und den Kölner Erzbischof.

In 23 ausführlichen Kapiteln schildert Smid die militärischen Kampagnen
des Krieges von den ersten Schlachten unter Prinz Eugen in Norditalien
im Jahr 1701 und den Ereignissen in Spanien über die Kampagnen am Rhein,
an der Donau und in den spanischen Niederlanden bis zu dem späten
französischen Erfolg bei Denain im Jahr 1712. Darunter finden sich auch
die großen Schlachten des Herzogs von Marlborough bei
Höchstädt/Blenheim, Ramillies, Oudenaarde oder Malplaquet. Außerdem sind
der Seekrieg, die Kriege in den nordamerikanischen Kolonien und der
Kuruzzenaufstand in Ungarn berücksichtigt. Nicht behandelt werden
dagegen die anderen klassischen Aspekte des Themas, wie die parallelen
diplomatischen Intrigen, die umfangreichen Korrespondenzen der
Feldherren oder die zahllosen zeitgenössischen Flugblätter und Pamphlete
zum Spanischen Erbfolgekrieg, die ihn ebenso wie die militärischen
Feldzüge zu einem veritablen europäischen Ereignis machten. Die
Darstellung stützt sich auf den großen Fundus älterer wie neuerer
Publikationen zum Spanischen Erbfolgekrieg.

Trotz der Beschränkung auf die militärische Seite des Erbstreites
verfällt das Buch nicht in ein Lob militärischer Strategie oder
feldherrlichen Genies. Ebenso wenig findet sich eine ausdrückliche
Kritik am Streben nach herrscherlicher Gloire oder den bizarren
Bemühungen, das eigene adlige Haus im Rang zu erhöhen. In einer Weise,
die sich heute vielleicht kein Fachhistoriker zutrauen würde, folgt der
Autor vielmehr unheroisch Jahr um Jahr, Kriegstheater um Kriegstheater
dem Ablauf jeder einzelnen Kampagne. Ihm ist kein Dorf, das
niedergebrannt wurde, zu klein, kein Bach, den die Truppen
überschritten, zu belanglos und keine Bastion, die belagert und erstürmt
wurde, zu unbedeutend, um sie nicht in seine Darstellung aufzunehmen.
Für die größeren militärischen Treffen und berühmteren Manöver sind dem
Buch 24 Kartenskizzen beigegeben. Vor den ermüdenden Augen der Leser
entsteht so ein in seiner Weise großes Panorama der Militärmanöver als
Abfolge endloser Märsche und immer neuer Belagerungen. Die Leistungs-
und Leidensfähigkeit von Tross, Soldaten, Offizieren, Feldherren und
drangsalierter Bevölkerung in den immer erneuten Kampagnen, von denen
man hier Seite um Seite erfährt, sind staunenswert.

Die Kritikpunkte betreffen weniger das engere Thema und seine
Darstellung im Buch. Ein gewisser Mangel liegt vielmehr in der fehlenden
Kontextualisierung der geschilderten Ereignisse. Weder wird die Quellen-
und Literaturlage zum Spanischen Erbfolgekrieg vorgestellt, noch die
fachliche Entwicklung der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren
reflektiert. Auch in dieser Hinsicht ist die Studie ein aktuelles
Beispiel antiquarischer Geschichtsschreibung. Das Buch hätte zudem eine
sorgfältigere Korrektur und ein Lektorat verdient gehabt, um die Tipp-
und Setzfehler, die sich nahezu auf jeder Seite finden, zu vermeiden,
und die unnötig lang und detailliert dargestellte Vorgeschichte des
Erbfolgekrieges kräftig zu kürzen.

Der Spanische Erbfolgekrieg ist keineswegs ein, wie der Untertitel
werbewirksam behauptet, vergessener Weltkrieg. In der deutschen
Geschichtswissenschaft ist er allerdings durch die Abwendung von der
konventionellen Politik- und Diplomatiegeschichte und aufgrund der
Schwäche der historischen Biographie hierzulande an den Rand der
historischen Aufmerksamkeit gedrängt. Weder für die Sozialgeschichte
noch die neuere Kulturgeschichte schien bei diesem Thema für ihre
aktuellen Zwecke etwas Interessantes zu holen zu sein. Daher beherrscht
die altbackene balance of power-Doktrin aus den Zeiten einer
nationalstaatlichen Entwicklungsgeschichte sozusagen weiterhin das Feld.
Sie taugt aber allenfalls noch für historisch dilettierende
Politikwissenschaftler. Die Potentiale des Themas für neue
Fragestellungen einer genuin europäischen und nicht mehr nationalen
Geschichtsschreibung sind dagegen noch gar nicht erprobt. Sie liegen zum
Beispiel in der Krise adliger Elitenherrschaft, deren Unantastbarkeit
sich erschöpfte, oder in der Herausbildung und Festigung eines wahrhaft
und explizit europäischen Raumes wechselseitiger politischer und
kultureller Beobachtung. Die Provokation dieses Buches und unsere
historische Jubiläumskultur könnten die Fachhistoriker zur Frühen
Neuzeit also zur Aktion reizen. Bis zum Jahrestag des Friedens von
Utrecht (vom April 1713) oder der Friedensschlüsse von Rastatt und Baden
(aus dem Jahr 1714) wäre noch etwas Zeit.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Niels Grüne <ngruene(a)...