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2011/03/21 08:57:43
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Paul Burgards Buch üb er die Geschichte des Saarlandes
Datum 2011/03/21 12:21:16
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] "Unterwegs als sicherer Ort"
2011/03/21 08:57:43
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Paul Burgards Buch üb er die Geschichte des Saarlandes
Betreff 2011/03/26 10:41:58
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] SZ: wissen war gestern, dem möglichen gehört die welt
2011/03/21 08:57:43
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Paul Burgards Buch üb er die Geschichte des Saarlandes
Autor 2011/03/21 12:21:16
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] "Unterwegs als sicherer Ort"

[Regionalforum-Saar] SZ: Roman über den Widers tand des kleinen Mannes

Date: 2011/03/21 08:58:58
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Ein Ehepaar als Guerillavereinigung

Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ von 1947 ist erst jetzt in der Originalfassung erschienen

Am kommenden Sonntag hat in Saarbrückens Alter Feuerwache eine Theaterfassung von Hans Falladas Roman „Kleiner Mann was nun?“ (1932) Premiere. 15 Jahre später schrieb Fallada, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß, seinen vielleicht wichtigsten Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Nun ist er erstmals in der Originalfassung erschienen – ein Ereignis.

Von SZ-Mitarbeiter Roland Mischke

Saarbrücken. Was für ein Leben. Als 18-Jähriger erschoss Hans Fallada einen anderen Schüler und wurde in psychiatrische Verwahrung gebracht. In seinen Dreißigern verbrachte er einige Zeit im Gefängnis, weil er seine ausufernde Morphiumsucht mit Unterschlagungen finanzierte. In seinen Vierzigern fiel er der SA in die Hände. In seinen Fünfzigern schoss er auf die Frau, die sich von ihm hatte scheiden lassen. Sein ganzes Leben lang hatte Fallada Depressionen, immer fehlte Geld, das er für Drogen brauchte. Ein Leben, das bis zum Tod ein langes Leiden war.

Das wissen wir nun noch mehr als zuvor. In der Jerusalemer Nationalbibliothek wurden 25 Briefe von Fallada an den Schriftsteller Carl Ehrenstein entdeckt. Darin bekennt er sich zu seiner drogenbedingten „Unzulänglichkeit“. Zum Fund gehört auch das Ablehnungsschreiben von Falladas englischem Verleger, der sich 1948 weigerte, „Jeder stirbt für sich allein“ zu publizieren. Deshalb erschien der Roman nicht im angelsächsischen Raum. Jetzt aber gilt es dort, 2009 neu übersetzt, als sensationelle Kriegsprosa aus Nazideutschland.

Fallada erzählt schonungslos von der Verrohung des deutschen Volkes unter dem Nationalsozialismus im Jahr 1942 anhand der wahren Geschichte des Berliner Ehepaars Quangel. Anfangs waren die Eheleute im Arbeiterbezirk Wedding dem „Führer“ dankbar, weil sie Arbeit und Einkommen fanden. Anna Quangel trat der NS-Frauenschaft bei. Doch dann fällt der einzige Sohn der Quangels an der Westfront, ein tiefes Nachdenken über den sinnlosen Tod setzt ein – innerhalb kurzer Zeit werden die Eheleute Widerstandskämpfer. Um nicht wegen Wehrkraftzersetzung im Zuchthaus zu landen, quengeln die Quangels: Sie schreiben Postkarten gegen Hitler und legen sie in Bürohäusern ab, selbst in Amtsstuben. Nach zwei Jahren werden sie gefasst, verurteilt und in Plötzensee hingerichtet.

Postkarten gegen ein Wahnsystem; bürgerliche Opposition im Kleinen; verdeckte Zivilcourage, getrieben von einem Gerechtigkeitsdenken. „Es kam allein darauf an, dass diese Arbeit getan wurde“, lässt Fallada den Tischlermeister Otto Quangel denken, der nicht mehr nur Särge herstellt, sondern auch eine mutige Konterbande. „Das ist ja unser Leben, diese Karten“, sagt der Vater, der seinen Sohn verlor. Er und seine Frau begannen als Liebespaar und sind nun eine Mini-Guerillavereinigung. Fallada misst das ganze Seelenrepertoire seiner Hauptfiguren aus: der Hass gegen das System, die Angst aufzufliegen, die kühne Frechheit im Umgang mit NS-gleichgeschalteten Nachbarn und Bekannten. Viele, die Postkarten finden, entledigen sich ihrer schnell. Einer fragt: „Was schreibt er eigentlich?“ Seine Antwort: „Nichts, was jeder von uns nicht schon weiß!“ In Falladas Roman wird auf Ämtern und auf der Straße gepöbelt und geprügelt, zerstreiten sich Arbeiter in Betrieben und Familien, laufen Spitzel durch die Stadt und wird von den Behörden eine harte Linie gefahren, nachdem die Postkartenschreiber lange nicht entdeckt werden. Da erpressen Polizeistellen Schuldgeständnisse, um der Obrigkeit zu gefallen, da geht man über Leichen. Auf vielen Seiten wird von Haft, Folter, banger Hoffnung und dem Leichenschauhaus berichtet. Fallada erspart seinen Lesern nichts. Noch nie ist der Widerstand der kleinen Leute so beschrieben worden; in England wird das mit großem Interesse vermerkt.

Die englische und deutsche Neuausgabe enthält nun ein nie gedrucktes Kapitel, womit jetzt – 64 Jahre nach der Erstveröffentlichung – erstmals die Originalfassung vorliegt. Hans Fallada erhielt nach dem Krieg Dokumente zum historischen Fall von Johannes R. Becher, dem ersten Kulturminister der späteren DDR. Er war erst angeekelt von dem, was Landsleute den Quangels antaten, dann fasziniert von dem Stoff. Den Roman soll er in nur vier Wochen wie im Rausch geschrieben haben, er hat damit den kleinen Leuten ein Denkmal gesetzt.

Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein. Aufbau Verlag, 704 Seiten, 19,95 €