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2011/02/02 18:26:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tagber: Von der Eigenkirche zur Pfarreiengemeinschaft.
Datum 2011/02/04 17:02:39
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[Regionalforum-Saar] Fahrt in die Geschichte Kerneuropas: Tagesfahrt nach Luxemburg
2011/02/18 17:48:53
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[Regionalforum-Saar] Meisterwerke antiker Technik
2011/02/02 18:26:03
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[Regionalforum-Saar] Tagber: Von der Eigenkirche zur Pfarreiengemeinschaft.
Autor 2011/02/04 17:02:39
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Fahrt in die Geschichte Kerneuropas: Tagesfahrt nach Luxemburg

[Regionalforum-Saar] m Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500

Date: 2011/02/03 20:24:32
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Wendt, Reinhard: Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die
Welt seit 1500 (= UTB 2889). Paderborn: UTB 2007. ISBN
978-3-8252-2889-7; 440 S.; EUR 22,90.

Rezensiert für geschichte.transnational und H-Soz-u-Kult von:
Friedrich Edelmayer, Universität Wien
E-Mail: <friedrich.edelmayer(a)... den letzten Jahren geht einer der Trends in der Geschichtsforschung
hin zu Studien, die unter dem Etikett von "Globalgeschichte" oder "neuer
Weltgeschichte" firmieren. Es soll also nicht nur mehr die Geschichte
der europäischen Expansion dargestellt werden, sondern vielmehr soll von
den Interaktionen berichtet werden, die zunehmend ab dem 15. Jahrhundert
die einzelnen Teile der Welt immer mehr zusammen wachsen ließen zu jenem
"globalisierten" System, das heute nicht nur Zustimmung, sondern auch
zahlreiche Kritik hervorruft. Reinhard Wendt steht in der Tradition
dieser neueren Geschichtsschreibung, auch wenn er im ersten Satz seiner
Einführung schreibt: "Dies ist ein eurozentrisches Buch" (S. 11). Zum
Glück stellt sich dies bald als eine mehrheitliche Schutzbehauptung
heraus, auch wenn natürlich die Weltregion Europa, der lange Zeit
wichtigste Motor für die Globalisierungsprozesse, im Buch immer wieder
vorkommen muss.

Wendt hat sich für seine sehr lesenswerte Zusammenfassung der
Globalisierungsprozesse ein originelles System der Darstellung einfallen
lassen. Seine vier Hauptkapitel untergliedert er jeweils in drei Teile,
die er auch gleich benennt: A. Nord-Süd; B. Süd; C. Süd-Nord. In den
A-Teilen wird jeweils die europäische oder "nördliche" Welt in ihrer
Expansion in die und ihrer zunehmenden Vernetzung mit den anderen Welten
beschrieben. In den B-Teilen werden die Veränderungen in den anderen
Welten analysiert. Und in den C-Teilen zeigt der Autor, wie sich der
Norden, der in den letzten fünfhundert Jahren beträchtlich gewachsen ist
- heute zählt dazu beispielsweise der größte Teil Nordamerikas - durch
den Süden seinerseits verändert hat. Wendt hat damit eine sehr tragbare
Konstruktion gefunden, um den äußerst heterogenen Stoff übersichtlich zu
gliedern und von einer Darstellungsweise wegzukommen, die die gesamte
Menschheitsgeschichte einzig aus dem europäischen Blickwinkel
betrachtet.

Nach seiner sehr lesenswerten Einführung und einem kurzem Kapitel über
die mittelalterlichen Interaktionen im afro-eurasischen Raum kommt Wendt
zu seinem ersten Hauptteil, der iberischen Phase, die er als jene des
Kronmonopolismus bezeichnet. Der Beginn dieser Phase am Ende des 15.
Jahrhunderts ist eindeutig, das Ende, das der Autor im Jahre 1820
ansetzt, wirkt etwas künstlich. Er meint damit wohl den Zusammenbruch
der spanischen und portugiesischen Systeme in den Amerikas. Für den
Rezensenten ist diese Einteilung etwas artifiziell und nur mit der
amerikanischen Weltregion begründbar. Dem Autor scheint es nicht
unähnlich ergangen zu sein, nennt er doch seinen zweiten Hauptteil die
nordwesteuropäische Phase oder die Zeit der "Chartered Companies", die
er 1600 beginnen und 1857 enden lässt. Es ergeben sich hier also
zeitliche, wenn auch nicht wirklich räumliche Überschneidungen.

Letztlich handelt es sich um nicht ganz geglückte Kapitelüberschriften,
die nicht davon ablenken sollten, dass Wendt ganz großartig die
einzelnen Globalisierungsprozesse beschreibt. Dabei beschränkt er sich
nicht nur auf politische Ereignisse, religiöse Änderungen oder das, was
früher unter dem Begriff "Entdeckungsgeschichte" subsumiert wurde,
sondern berichtet detailreich Prozesse, die in anderen Darstellungen nur
marginal erwähnt werden. Pars pro toto sei der globale Pflanzenaustausch
erwähnt, der im Buch immer wieder auftaucht. Hier überrascht der Autor
mit Detailkenntnissen, die oft nur in der regionalhistorischen
Forschungsliteratur zu finden sind. Meines Wissens wurde beispielsweise
noch nicht globalhistorisch kontextualisiert, dass der Benediktinerabt
Caspar Plautz im Kloster Seitenstetten in Niederösterreich schon 1621
Kartoffelrezepte publizierte[1], wie Wendt beschreibt (S. 189).

Auch bei seinem dritten Hauptteil, den der Autor als die Phase der
europäischen Dominanz (1857-1930) bezeichnet, behält er sein oben
genanntes Gliederungsschema bei. Im Teil A berichtet er über Freihandel
und Imperialismus, die Aufteilung der Welt sowie Missionen und
Imperialismus. Im Teil B beschreibt er unter anderem die von ihm so
genannte "Verdichtung" des europäischen Weltsystems, die Aufhebung der
Sklaverei und die kolonialen Gesellschaften. Im Teil C kommt er wieder
auf Kolonialwaren oder überseeische Pflanzen zurück und widmet auch den
Migrationen den nötigen Raum.

Im letzten Hauptteil beschreibt Wendt die Dekolonisierung, den
Neokolonialismus und die endgültige Globalisierung im 20. und 21.
Jahrhundert. Auch hier scheut er nicht davor zurück, unangenehme Fragen
zu stellen, beispielsweise nach der "Biopiraterie", also der Verwendung
pflanzlicher Stoffe für die Pharmaindustrie, ohne die Länder, in denen
die betreffenden Pflanzen gewonnen werden, an den Gewinnen zu beteiligen
(S. 373). Sehr kritisch setzt er sich auch mit den kolonialen Erblasten
in den postkolonialen Gesellschaften auseinander (S. 345-349).

Versöhnlich wirkt der Schluss des Buches. Dort werden nicht nur die
Gesamtergebnisse der Arbeit noch einmal knapp zusammengefasst, sondern
es fehlt auch nicht der Hinweis auf einzelne regionale Küchen, die
italienische Pasta mit Tomaten, das steirische Kürbiskernöl, die
englischen "Fish and Chips", den ungarischen Paprika, die Polenta, die
Schokolade etc. etc. All diese Produkte sind keine europäischen, auch
wenn sie hier schon identitätsstiftend wirken und manchmal als
"national" wertvoll gegen alles "Ausländische" verteidigt werden müssen.
Gerade die letzten Zeilen von Wendt regen noch einmal sehr zum
Nachdenken an.

Das Buch ist also ein gelungener Wurf. Einzig das an sich illustrative
Kartenmaterial gerät manchmal etwas zu klein und unlesbar. Die
Abbildungen dagegen sind äußerst illustrativ und klug ausgewählt. Das
anregend geschriebene Werk ist als Pflichtlektüre im universitären
Neuzeitunterricht unbedingt zu empfehlen.

Anmerkung:
[1] Honorius Philoponus [= Pseudonym von Caspar Plautz], Nova Typis
Transacta Navigatio. Novi Orbis Indiae Occidentalis ..., [Linz] 1621.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Katja Naumann <knaumann(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-1-083>

Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums
geschichte.transnational.
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