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2010/05/02 18:53:29
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 48. Deutscher Historikertag
Datum 2010/05/03 08:31:07
FJ Marx
Re: [Regionalforum-Saar] ein Vortrag in Amerika
2010/05/31 22:06:29
Johannes Naumann
Re: [Regionalforum-Saar] Die Stadt im Mittelalter
Betreff 2010/05/03 08:31:07
FJ Marx
Re: [Regionalforum-Saar] ein Vortrag in Amerika
2010/05/02 18:53:29
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 48. Deutscher Historikertag
Autor 2010/05/03 22:23:12
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Rezension "Ländliche Gese llschaft und Agrarwirtschaft im Hunsrück"

[Regionalforum-Saar] ein Vortrag in Amerika

Date: 2010/05/03 00:44:43
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Salü,

 

nachdem ich am vergangenen Wochenende ein paarmal gefragt wurde, wann denn jetzt mein Vortrag auf Phoenix erscheint und warum überhaupt in Phoenix und nicht etwa in SR oder Arte oder so, dachte ich mir, ich erzähle ein bißchen von dem, was letzte Woche so abging und am Samstagabend abgeschlossen wurde.

 

Ich habe seit vielen Jahren Kontakt zur Veteranenorganisation der 10th Armored Division. Das war die Einheit, die am 19. März 1945 meine Heimatstadt St. Wendel besetzte. Ich habe in den letzten 18 Jahren viel darüber geforscht und auch schon zweimal das National Archives in College Park, Maryland, besucht, wo die maßgeblichen Unterlagen dieser Einheit aufbewahrt werden. Auf der Website der 10th AD habe ich auch schon einige Male Fragen gestellt, die auch ab und an – eher an – beantwortet wurden.

 

Trotzdem war mein Erstaunen groß, als mich Philip Burge (sprich: Bördsch) vom Western Chapter der 10th AD Veteranenvereinigung Ende vergangenen Jahres per Email kontaktierte und zur diesjährigen Jahrestreffen in Phoenix, Arizona, einlud. Sie würden die Übernachtungskosten in Phoenix übernehmen, aber nicht die Flugkosten nach Amerika. Ich sah das eigentlich als einen guten Witz an, wollte aber den Leuten nicht auf die Füße treten, und gab zurück, ich würde mir das überlegen. Das Überlegen dauerte ein paar Wochen, in denen ich mir Gedanken machte, wie ich das wohl bewerkstelligen könnte. Es war klar, daß ein Flug nach Amerika für einen Vortrag nicht in Frage kam. Wie kann ich also einen Vortrag von zuhause aus halten?

 

Webconferenzing – das war eine Möglichkeit. Ich steuere über meinen Rechner den Rechner der Amerikaner in Amerika und spreche über Telefon. Pffff. Sehr kompliziert. Und wenn die Verbindung zusammenbricht. Hmm. Und was kostet das? Und habe ich überhaupt die technischen Mittel – hard- wie softwaremäßig?

 

Dann kam jemand auf die Idee, das neue Medium "skype" zu verwenden. Und so lief es dann auch. Ich baute meine Präsentation über powerpoint, einer der Office-Funktionen, zusammen und versah sie mit Pfeilen und zusätzlichen Fotos, die man hinzublenden konnte.

 

Das sah dann im Extremfall einmal so aus, daß ich eine Karte des südlichen Kreises St. Wendel zeigte und auf dieser dann nacheinander die einzelnen Stationen eines Films, den ein amerikanischer Kameramann am 18. März von Wadern bis nach Bliesen gedreht hatte. Die alten Fotos, die ich im Laufe der Jahre gesammelt hatte, peppte ich mit aktuellen Neuaufnahmen auf, die ebenfalls hinzugeblendet wurden. Das kam schon vor sechs Wochen in Hasborn gut an und auch am Samstag bei den Amerikanern.

 

Die entstehende Powerpoint-Datei hatte einen Umfang von 80 Megabite, ganz erklecklich und viel zu groß, um sie per Email zu senden. Deshalb gewährte mir Craig Chalton, der EDV-Mensch der 10th AD, einen beschränkten Zugang auf deren Website, so daß ich meine Datei über ein Transfersystem namens FileZilla auf die Website aufspielen konnte. Das Aufspielen dauerte etwa 45 Minuten; auch den Film, von dem ich vor über zehn Jahren eine VHS-Kopie erhalten hatte und der mit Hilfe von Herrn Müller, dem Ex-Bürgermeister von Wadern, auf DVD übertragen worden war, konnte ich so überspielen. Mit seinen 500 MB dauerte die Übertragung aber gut 1,5 Stunden. Die Amis hatten ein bißchen Probleme, ihn zum Laufen zu bringen, aber schließlich klappte das auch.

 

Aber was tun, wenn am Abend aller Abende die Internetverbindung nicht klappen würde? Dann hätten die Amerikaner eine Datei mit Bildern und englischen Beschriftungen, aber keinen Erläuterungstext. Also verfaßte ich – in Englisch – einen Erläuterungstext pro Folie, der auch das Weiterschalten mitberücksichtigte.

 

Am Anfang mußte ich den Amis natürlich erst mal sagen, wo St. Wendel überhaupt liegt. Im Erläuterungstext sieht das dann so aus:

 

"First let me tell you where St. Wendel is located.

 

(next)

 

All the pictures from Earth and so on I took from google Earth or google maps, depending on which had better quality.

 

A planet called Earth

 

(next)

 

If we come nearer, we'll see a continent called Europe"

 

Das "next" ist das Zeichen für den Lesenden, auf die Leertaste zu drücken, worauf powerpoint die nächste Folie bringt.

 

Im Text gab ich natürlich auch Anweisungen, wie die deutschen Ortsnamen auszusprechen waren: Bliesen = Bleesan, das war einfach. Eklig wurde es dann, wenn Laute in den Namen waren, die die Amis nicht aussprechen können, z.B. in Gronig mit langem "o" und "ch" am Schluß. Die Orte überließ ich kurzerhand ihrem Schicksal. Sie hatten die Amis schon einmal überlebt, sie würden es schon schaffen.

 

Dann hatte Thomas "Doc" Kuhn, mein Software-Spezialist aus Bliesen, der zusammen mit seiner Ehefrau Ilka meine neue Website auf typo3-Basis kreiert hat, eine Super-Idee, wie ich das phonetische Problem elegant lösen konnte. Es gibt nämlich in powerpoint die Möglichkeit, zu jeder Folie einen Kommentar aufzu s p r e c h e n. Ich probierte das ein bißchen aus, Thomas sagte mir, was ich da am besten einstellen mußte, und es klappte vorzüglich. Als ich aber den ganzen Text aufgesprochen hatte, da hatte die Datei statt der ursprünglichen 80 plötzlich 320 MB. Die Übertragung dauerte wieder ein bißchen länger, aber die funktionierte, und Craig konnte alle Dateien problemlos runterladen.

 

Am Samstagabend räumte ich meinen Schreibtisch auf, zog mich fein an (normalerweise sitze ich in den Klamotten nicht vorm Schreibtisch), setzte meinen Kopfhörer mit Mikro, genannt Headset, auf und startete die Verbindung, die auch problemlos zustandekam.

 

Damit nur ja auch niemand störte, hatte ich das Telefon weggeräumt, und meine Frau Anne hatte die Haustürklingel entschärft, in dem sie einen Zettel darüberhing mit der Aufschrift "Achtung, Webkonferenz". Das hätte zwar kaum jemand verstanden, aber die Klingel war nicht mehr zu sehen, d.h. es funktionierte ebenfalls.

 

Bei uns war es jetzt kurz vor 19 Uhr, drüben in Amerika neun Stunden früher, also 10 Uhr morgens. Auf dem Bildschirm erschien Craig, im Hintergrund sah ich ein paar Leute herumlaufen. Etwa 50 Besucher waren anwesend, Männlein und Weiblein, die meisten ältern Datums, aber auch jüngere. Es waren Veteranen mit ihren Frauen, Kindern und z.T. auch Enkeln.

 

Craig legte mein Bild auf den großen Schirm, der hinter meinem virtuellen Rücken stand. Ich winkte in die Kamera und legte los.

 

" Good morning, Ladies and gentlemen.

My name's Roland Geiger,

I'm talking to you from the far side of the world,

from St. Wendel, Germany. "

 

Ich hatte ein paar coole Sprüche eingebaut, um die Stimmung ein bißchen aufzulockern. Die Reaktion des Publikums konnte ich sehen, aber nicht hören, dafür war Craigs Mikro nicht stark genug. Aber er gab mir zwischendurch immer zu verstehen, wie sie reagierten. "Sie haben gelacht", meinte er dann, worauf ich entgegnete "Gut, das sollten sie auch!"

 

Ein Problem war die Synchronisation, d.h. wenn ich über eine Folie sprach oder eine Einblendung, dann sollten die Zuhörerer auf der anderen Seite diese auch sehen. Ich konnte die Leinwand nicht sehen, weil Craigs Kamera fest in seinem Notebook integriert war und er dieses nicht drehen konnte. Wir hatten es einmal probiert, worauf fast die Verbindung zusammenbrach. Also fragte ich ihn ab und zu, was er denn gerade sähe, und er nannte die Anfangszeile auf der Folie oder beschrieb, was er sah. Damit kamen wir sehr gut hin, und es gab nicht einen "Aussetzer".

 

Ich begann mit der St. Wendeler Geschichte, zählte unsere Kriege und Belagerungen auf, geizte nicht mit Nikolaus Marschall, der den Südstaaten 1861 ihre eigene Flagge beschert hatte, und kam dann langsam aber sicher auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Als die Hälfte der Folien durch war, ließ Craig den Film laufen, den ich nicht sah, aber nach seinen Beschreibungen in etwa kommentierte. Danach ging ich anhand von Einzelfotos aus dem Film und anderen den Weg der amerikanischen Truppen bis nach St. Wendel durch.

 

Nach einer guten anderthalb Stunde (inkl. Film) waren wir durch. Ich dankte allen und lud sie zu einem Besuch in St. Wendel ein. Als das Klatschen verklungen war, kam ein älterer Herr zu Craig und sagte in Deutsch mit Striefen ins Mikro: "Danke, Herr Geigerrrr, das war serr aufschlußreich!"

 

 

Roland Geiger, St. Wendel