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2023/08/26 15:08:25 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] neue Einwohnerbücher in Saarl ouis erschienen |
Datum | 2023/08/30 18:13:08 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Dezentrale Globalität. Die lateinische Textkultur nach dem Ende des Römischen Reiches |
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2023/08/30 18:13:08 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Dezentrale Globalität. Die lateinische Textkultur nach dem Ende des Römischen Reiches |
Betreff | 2023/08/12 15:56:25 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Die Geschichte des „Stern “ und seiner prägenden Personen. Zum Kontext his torischer Kontinuitäten und Neuanfänge im deutschen J ournalismus |
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2023/08/26 15:08:25 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] neue Einwohnerbücher in Saarl ouis erschienen |
Autor | 2023/08/30 18:13:08 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Dezentrale Globalität. Die lateinische Textkultur nach dem Ende des Römischen Reiches |
Date: 2023/08/28 23:15:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Die Flamme der
Freiheit. Die
deutsche Revolution 1848/1849
Autor: Jörg Bong
Erschienen Köln 2022: Kiepenheuer
& Witsch
Anzahl Seiten 553 S.
Preis € 29,00
ISBN 978-3-462-00313-0
Rezensiert für H-Soz-Kult von Manfred Hettling, Institut
für Geschichte,
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
1978 veröffentlichte François Furet, der bedeutendste
französische
Revolutionshistoriker nach 1945, seine programmatische Schrift
mit dem Titel
„Penser la Révolution Française“. Ihm ging es darum, das
Ereignis von 1789 aus
sich heraus neu zu verstehen. Das war ein beeindruckender und
folgenreicher
Versuch, die Revolution als geschichtswissenschaftlichen
Gegenstand zu
analysieren, jenseits geschichtsphilosophischer Überhöhungen und
jenseits des
„Schutts“ kommunistischer und anderer politischer
Instrumentalisierungen.[1]
1848 hat in Deutschland nie die Aufladung für das politische und
nationale
Selbstverständnis erfahren, wie 1789 in Frankreich, dennoch
steht jeder Blick
auf 1848 – damals wie heute – im Banne des
„Revolutionszeitalters“, das 1789
begonnen hatte. Seit Langem dominiert die Deutung von 1848 als
gescheiterter
Revolution, die als „Unterlassungssünde“ der deutschen
Geschichte interpretiert
wurde, wie David Blackbourn 1980 spottete.[2] Die emphatische
Beschreibung von 1848 als
einem zwar gescheiterten, aber vorbildlichen demokratischen
Erweckungserlebnis,
das in Deutschland vielleicht doch hätte gelingen können, bietet
uns Jörg Bong
in seiner auf drei Bände angelegten Geschichte von 1848. Sein,
neumodisch
gesprochen: Narrativ, besteht darin, auszubreiten, daß es fast
doch gelungen
wäre. Er zeigt uns zugleich, wie die Revolution, oder das, was
er darunter
versteht, hätte erfolgreich enden können. Bisher liegt der erste
Band vor, der
die Vorgeschichte und die Anfänge der Ereignisse bis Ende April
1848 schildert.
Für Bong ist 1848 „der erste große europäische Kampf für moderne
Demokratie“.
(S. 19) Gerne zitiert er dieser Deutung entsprechende
zeitgenössische Stimmen,
etwa Arnold Ruge, der 1848 das revolutionäre Geschehen dieses
Jahres in
Frankreich als „das größte Ereignis der Weltgeschichte“
bezeichnete. (S. 18) So
ist für ihn die Demokratie im Jahr 1848 (ohne daß er erläutert,
was er darunter
versteht) die „junge Heldin der Geschichte“, auch sprächen die
Demokraten schon
von den „Vereinigten Staaten von Europa“ (S. 19, ohne daß er
eine
zeitgenössische Quelle dafür angeben kann).[3] Wenn die historische
Revolutionsforschung
seit langem bemüht ist, der Komplexität von 1848 gerecht zu
werden, indem
mehrere Handlungsebenen unterschieden werden, die sowohl eigenen
Dynamiken
unterlagen als auch sich wechselseitig beeinflußten[4], so fehlt diese Vielfalt
bei Bong. Über
die Agrarunruhen des April erfährt man praktisch nichts, ebenso
wenig über die
Vereins- und Presseexplosion, die politischen Eliten und
Regierungen etc. Er
konzentriert sich regional auf den Südwesten (und ein wenig
Berlin), im Grunde
handelt es sich um eine etwas weit ausholende Geschichte des
südwestdeutschen
demokratischen Lagers und des ersten badischen Aufstands.
Zugleich orientiert
sich seine Darstellung an einer nur allzu einfachen
dichotomischen
Grundstruktur. Im Grunde erzählt er die alte Geschichte vom
Kampf der Guten
gegen die Bösen. Hier das Volk, mit den Demokraten als ihrem
eigentlichen,
wahren Sprachrohr, dort die Dynastien, die Fürsten. Friedrich
Wilhelm IV. wird
präsentiert als „preußischer Gott des Gemetzels“ (S. 289),
Metternich als der
„dunkle Fürst“. (S. 32)
Bong versucht gar nicht erst, zu zeigen, wie es „eigentlich“
gewesen ist,
Rankes Diktum und sonstige theoretische Fragen bleiben ihm
fremd. Sein
Erzählmodus ist statt dessen der des „fast“ – des wie es
eigentlich hätte sein
sollen, sein können, mit mehr revolutionärem Elan. Der Autor
versucht
gewissermaßen, die Handelnden von der Seitenlinie aus
anzufeuern. Über das
Vorparlament in Frankfurt (31. März bis 3. April), bestehend vor
allem aus
süddeutschen Liberalen, das sich nicht zur revolutionären
Konstituante erklärt,
klagt Bong: „tatsächlich ist die deutsche Revolution zum Greifen
nah, es bedarf
buchstäblich eines einzigen Beschlusses. […] Das wär’s! Mehr
nicht! Eine
einzige Tat“. (S. 363) Das mag genügen, um zu verdeutlichen, daß
Bong keine
Scheu vor Pathos und vor dramatisierenden Schilderungen hat.
Bong hegt eindeutige politische Sympathien für seinen Gegenstand
und seine
Helden. Deshalb stellt er die Demokraten in den Mittelpunkt
seiner Darstellung,
auch wenn diese eine Minderheit innerhalb des 1848 sich
vielfältig
ausdifferenzierenden heterogenen politischen Handlungstableaus
bildeten. Das
kann man zweifellos machen, schreibt dann aber keine Geschichte
der deutschen
Revolution, wie Bong verspricht. Das eigentliche Problem der
Arbeit besteht
indes darin, daß er die Geschichte, die er dem Leser anbietet,
als teilnehmende
Beobachtung ex post gestaltet. Ihm fehlen sowohl die analytische
Distanz zu
seinem Gegenstand als auch ein theoretisches Gerüst für die
Interpretation des
komplexen Handlungsgeschehens. Hinzu kommen eine bisweilen
souveräne Ignoranz
gegenüber der reichhaltigen Forschungsliteratur und ein
selektiver und
beeindruckend unkritischer Umgang mit den Quellen, welche er
heranzieht. Einige
Kritikpunkte seien im Folgenden beispielhaft benannt.
Erstens hat der Verzicht auf eine intensive Kenntnis der
historischen Literatur
seinen Preis. Zwar würdigt und verwendet Bong sehr ausführlich
Veit Valentins
Geschichte von 1848, die ja auch als erzählerische Darstellung
angelegt ist,
aber trotzdem beeindruckend analytisch argumentiert. So
reproduziert Bong etwa
den längst widerlegten marxistischen Mythos, die Armut im
Vormärz sei ein
Resultat der aufkommenden Fabrikarbeit, der „neuen
kapitalistischen
Produktion“. (S. 61) Der Pauperismus wurde auch nicht durch
„wesentlich drei
Frauen“ dem breiteren bürgerlichen Publikum zu Bewußtsein
gebracht, sondern war
seit den 1830er-Jahren eines der großen öffentlichen Themen im
Vormärz. Die
südwestdeutschen grundherrschaftlichen Verhältnisse generell als
„Knechtschaft“
(S. 157) zu bezeichnen, ist – gelinde gesagt – unterkomplex.
Gilt doch der
Südwesten als Region der „klassenlosen Bürgergesellschaft“, die
nicht nur ein
städtisches Phänomen war, wie einer der am breitesten
rezipierten Aufsätze zum
Vormärz der letzten Jahrzehnte betont hat.[5] Vor allem für sein
Kernargument, der
Erfolgschancen der revolutionären Straßenaktion, hier den ersten
badischen
Aufstand im April 1848, der versuchte, die eigene minoritäre
Zielvorstellung
mit Waffengewalt durchzusetzen, vermeidet er jede Diskussion mit
konträren
Positionen. Für den Leser Bongs wäre es jedoch erhellend, aus
welchen Gründen
er Hecker attestiert, „politischer Realist“ (S. 158) gewesen zu
sein, und er
seinen Zug ganz anders interpretiert, als dies etwa in einer
umfassenden
historischen Analyse der badischen Revolution beurteilt wird, wo
es heißt, daß
es die „die politische Inkompetenz der Beteiligten in geradezu
erschreckender
Weise“ zeige.[6] Oder wie er zu Analysen
steht, welche in
Baden durchaus Sympathien für republikanische Vorstellungen
entdeckt haben,
aber auch hervorhoben, daß diese „friedlich“, in „gesetzlicher
Weise“
angestrebt werden sollten.[7] Daß genau hierin einer
unter mehreren
Gründen für das Scheitern zu finden sein könnte, derartige
Überlegungen bleiben
dem Autor fremd.
Zweitens ist Bongs Umgang mit Quellen fragwürdig. Er
konzentriert seine
Darstellung ganz zentral auf die Selbstaussagen und späteren
Rechtfertigungsberichte
jener Personen, denen seine politischen Sympathien gehören. Das
sind die
politischen Führungsfiguren wie Hecker und Struve, das sind
Literaten wie Georg
und Anna Herwegh, Louise Aston, Karl Gutzkow, das sind die
Personen des linken
Lagers, wie Robert Blum. Jedoch vermisst man jegliche
Quellenkritik bei ihm. Er
nimmt die Selbstaussagen und Deutungen eines ganz bestimmten
Teils der
politisch Handelnden als hinreichende Informationsquelle für das
Geschehen
insgesamt und versucht nicht einmal, deren Darstellung und
Interpretation zu
überprüfen, indem er andere Stimmen heranzieht, andere Quellen
damit
kontrastiert, Bedingungen und Gegebenheiten schildert, um die
Validität von
Äußerungen zu plausibilisieren.
Die revolutionäre Zurückhaltung in Berlin will er mit einer
Äußerung Georg
Herweghs verdeutlichen, der wenige Tage nach den
Barrikadenkämpfen des 18. März
an einen Berliner Freund schrieb, „ihr habt Eure, Ihr habt
unsere Geschichte
verpfuscht!“, und damit zum Ausdruck bringen will, daß man in
Berlin im März
1848 die Monarchie hätte stürzen müssen, ja können, wenn man
dort den
notwendigen „politischen Instinkt eines Pariser Gamins besessen
hättet“. (S.
335) Das entspricht der herkömmlichen Deutung der
„Unterlassungssünde“, um
nochmals Blackbourn zu erwähnen. Ob aber vielleicht der
unrealistische badische
Aufstand des April 1848, der bei Bong eine heroische Schilderung
erhält, auch
etwas verpfuscht hat, fragt Bong nicht. Er blendet das Urteil
über Hecker und
Struve aus, das zum Beispiel Robert Blum, eine andere Leitfigur
der Demokraten,
am 3. Mai 1848 seiner Frau gegenüber artikulierte. „Hecker und
Struve […] haben
das Volk verraten durch ihre wahnsinnige Erhebung und es mitten
im Siegeslauf
aufgehalten; das ist ein entsetzliches Verbrechen“.[8] Derartige Stimmen passen
nicht in seine
Dramaturgie des – fast erfolgreichen – Kampfes der Guten gegen
die Bösen.
Furet war erfolgreich mit seinem Impuls, die Revolution neu zu
denken und als
wissenschaftliches Sujet aus den Vereinfachungen politischer
Identitätsstiftung
zu lösen. Im vorliegenden Band aber wird das Geschehen von 1848
nicht neu
interpretiert, sondern eine romantische Phantasie von
demokratischer Revolution
ausgebreitet. Bong versucht eine Form von historischer
Erzählung, die Nietzsche
monumentalische Geschichtsschreibung genannt hat. Diese
verzichtet darauf den
„wahrhaft geschichtliche[n] Connexus von Ursachen und Wirkungen“
zu ergründen
und erliegt gerne der Gefahr, „der freien Erdichtung angenähert
zu werden“.[9]
Anmerkungen:
[1] François Furet, 1789 – Vom
Ereignis zum
Gegenstand der Geschichtswissenschaft, Berlin 1980 (franz.
1978), S. 7.
[2] David Blackbourn / Geoff
Eley, Mythen
deutscher Geschichtsschreibung. Die gescheiterte bürgerliche
Revolution von
1848, Frankfurt am Main 1980, S. 71.
[3] Weder in der Offenburger
Versammlung der
Demokraten 1847 noch auf dem Demokratenkongress 1848 wurde diese
Forderung
erhoben.
[4] Z.B. Wolfram Siemann, Die
deutsche
Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main 1985.
[5] Lothar Gall, Liberalismus
und „bürgerliche
Gesellschaft“. Zu Charakter und Entwicklung der liberalen
Bewegung in
Deutschland, in: Historische Zeitschrift 220 (1974), S. 324–356.
[6] Wolfgang von Hippel,
Revolution im deutschen
Südwesten. Das Großherzogtum Baden 1848/49, Stuttgart 1998, S.
146.
[7] Paul Nolte,
Gemeindebürgertum und
Liberalismus in Baden 1800–1850, Göttingen 1994, S. 324f.
[8] Rolf Weber (Hrsg.),
Revolutionsbriefe
1848/49, Frankfurt 1973, S. 139f.
[9] Friedrich Nietzsche, Vom
Nutzen und Nachteil
der Historie für das Leben, in: ders., Kritische Studienausgabe,
Bd. 1, München
1988, S. 262.
Zitation
Manfred Hettling: Rezension zu: Bong, Jörg: Die Flamme der
Freiheit. Die
deutsche Revolution 1848/1849. Köln 2022 , ISBN 978-3-462-00313-0,, In: H-Soz-Kult,
29.08.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-135241>.