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2023/08/12 14:31:25 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] slevogt |
Datum | 2023/08/12 17:26:20 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Online-Vortrag: WIE FAMILYSEARCH ARCHIVE BEI DER DIGITALISIERUNG IHRER BESTÄNDE HILFT UND AHNENFORSCHENDE UNTERSTÜTZT am 17.08.2023 beim Ahnenfo rscher Stammtisch Unna |
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2023/08/28 23:15:55 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Die Flamme der Freiheit. Die deutsche Revolution 1848/1849 |
Betreff | 2023/08/18 08:15:10 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Ein neues Deutschland? Rück kehrerfahrungen nach 1945 |
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2023/08/12 14:31:25 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] slevogt |
Autor | 2023/08/12 17:26:20 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Online-Vortrag: WIE FAMILYSEARCH ARCHIVE BEI DER DIGITALISIERUNG IHRER BESTÄNDE HILFT UND AHNENFORSCHENDE UNTERSTÜTZT am 17.08.2023 beim Ahnenfo rscher Stammtisch Unna |
Date: 2023/08/12 15:56:25
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Die
Geschichte des „Stern“ und seiner prägenden Personen. Zum
Kontext historischer
Kontinuitäten und Neuanfänge im deutschen Journalismus
Institut für Zeitgeschichte, München/Berlin
Berlin
24.04.2023 - 26.04.2023
Von Felix Lieb, Institut für Zeitgeschichte, München
2023 jährte sich der Skandal um die gefälschten
„Hitler-Tagebücher“ im „Stern“
zum 40. Mal. Die erstmalige Veröffentlichung sämtlicher 62 Kladden
durch den
NDR im vergangenen Februar sorgte für breite Aufmerksamkeit.[1] Bereits im Vorjahr hatte
das
Recherchemagazin „STRG_F“ antisemitische Flugblätter gezeigt, für
die eine
Propagandakompanie verantwortlich war, der auch der
„Stern“-Gründer Henri
Nannen als Kriegsberichterstatter angehört hatte.[2] Obwohl beides bereits
bekannt bzw.
vergleichsweise gut erforscht ist, führten die Veröffentlichungen
zu intensiven
Debatten über den Umgang des „Stern“ mit der NS-Vergangenheit.
Ziel der Tagung
war es, bisher bekanntes Wissen zu sammeln und Anstöße für weitere
Forschungen
zu entwickeln. Sie markierte gleichzeitig den Beginn eines
Forschungsprojektes
am Institut für Zeitgeschichte in München, das die Rolle der
NS-Zeit im „Stern“
systematisch untersuchen wird.
In ihrer Begrüßung konstatierte HELEN MÜLLER (Gütersloh/Berlin)
vom
Bertelsmann-Archiv eine Diskrepanz zwischen den
Forschungsergebnissen zu
personellen NS-Belastungen im „Stern“ und deren medialer
Wahrnehmung. Der durch
die NDR-Recherchen geäußerte Vorwurf der gezielten
Hitler-Verharmlosung durch
die "falschen" Tagebücher bestärkte Bertelsmann in seinem
Vorhaben,
die Geschichte des „Stern“ wissenschaftlich untersuchen zu lassen.
Zu diesem
Zweck beabsichtigt das Bertelsmann-Archiv, die relevanten
Unterlagen von
„Stern“ und Gruner + Jahr mit den bereits in Gütersloh vorhandenen
Akten
zusammenzuführen.
MAGNUS BRECHTKEN (München) bettete die Diskussionen in die
geschichtswissenschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte
ein.
Kontinuitäten aus dem „Dritten Reich“ spielten in zahlreichen
Aufarbeitungsprojekten eine zentrale Rolle, wobei der Bereich des
Journalismus
davon noch nicht breit erfasst wurde. Darin liegt eine Erklärung
dafür, warum
jüngste Enthüllungen für umso größere Aufmerksamkeit sorgen
konnten.
In der ersten Paneldiskussion umrissen Magnus Brechtken, LUTZ
HACHMEISTER
(Köln) und ANNETTE VOWINCKEL (Potsdam) den bisherigen
Forschungsstand. Als
typisch für mediale Aufarbeitungsbemühungen charakterisierte
Hachmeister, dass
diese erst durch Enthüllungen von außen angestoßen werden. Nicht
selten besteht
jedoch die Gefahr, dass die daraufhin in Auftrag gegebenen Studien
zu
„Beerdigungsunternehmen“ verkommen, da ihre Ergebnisse erst lange
nach
Abschluss der medialen Diskussion vorliegen. Brechtken resümierte,
dass zu
NS-Kontinuitäten beim „Stern“ vergleichsweise viele Erkenntnisse
vorliegen.
Vermutlich wurden sie in der Wissenschaft deswegen eher selten
rezipiert, da es
meist Journalist:innen waren, die sich an diesen Diskussionen
beteiligten.
Vowinckel analysierte die Unterschiede zwischen journalistischen
und wissenschaftlichen
Formen der NS-Aufarbeitung. Während der journalistische Diskurs in
der Regel
skandalisiert, widmen sich Historiker:innen der Untersuchung von
Zusammenhängen
hinter den Skandalen. Die Diskutant:innen thematisierten ferner
die Spezifika eines
medienhistorischen Aufarbeitungsprojekts. Insbesondere die Analyse
des „Stern“
biete die Gelegenheit, Fotografien einzubeziehen. Dies ist
insofern lohnend,
als in vielen Fällen frühere Tätigkeiten von Fotografen im
Propagandaapparat
des „Dritten Reiches“ belegt sind. Eine weitere Forschungslücke
bestehe im
Unternehmerischen, schließlich bedienten Heftinhalte mit
NS-Bezügen auch
ökonomische Motive. Solche Untersuchungen wurden bislang durch
einen
problematischen Quellenzugang erschwert, denn die wenigsten
Zeitungen und
Verlage unterhalten klassische Unternehmensarchive. Relevantes
Material
befindet sich häufig im Privatbesitz von Journalist:innen bzw.
deren
Nachfahren.
KLAUS CEYNOWA (München) stellte das „Stern“-Fotoarchiv in der
Bayerischen
Staatsbibliothek vor, das etwa 15 Millionen Bilder von
„Stern“-Fotografen
umfasst. Ein Teil davon (bislang etwa 300.000 Bilder) kann über
ein
öffentliches Kundenportal, das seit dem Februar 2023 online ist,
eingesehen
werden.[3] Nicht einsehbar sind vor
allem
Fotografien, deren Nutzungsrechte ungeklärt sind, sowie solche,
die
gewaltverherrlichende, diskriminierende und propagandistische
Inhalte
darstellen. Die Digitalisierung des Gesamtbestandes soll bis 2028
zur Hälfte
abgeschlossen sein. Anhand einiger Beispiele verdeutliche Ceynowa,
dass sich
die für den „Stern“ charakteristische visuelle Ästhetik vor allem
aus der
unkonventionellen Darstellungsform speiste. Durch ihre Visualität
implizierten
die Bildreportagen des „Stern“ außerdem ein Maß an Authentizität
und
Unmittelbarkeit, über die Schriftquellen oftmals nicht verfügen.
Das anschließende Panel fasste die bisherigen Erkenntnisse zu
NS-Kontinuitäten
im „Stern“ zusammen. Zunächst berichtete MICHAEL SCHORNSTHEIMER
(Berlin) über
seine Forschungen zum Umgang mit der NS-Vergangenheit im „Stern“
in den
1950er-Jahren. Demnach wurde die NS-Vergangenheit dort fortlaufend
thematisiert, insbesondere in Form sogenannter Tatsachenberichte.
Negative
Erfahrungen wie Angst oder Tod kamen in diesen Kriegsberichten
nicht vor und
mussten einem Abenteuerroman-Stil weichen, der organisatorische
und technische
Aspekte der Kriegsführung in den Vordergrund stellte. Wurden ihre
Schrecken
thematisiert, so erschienen sie als anonyme Naturgewalt. Zwar
traten in den
Berichten auch „böse Nazis“ auf, jedoch meist in so geringer Zahl,
dass
demgegenüber der überwiegende Teil der „anständigen“ Soldaten
exkulpiert wurde.
„Feinde“ der Deutschen hingegen wurden als hässliche und dumpfe
Figuren
gezeichnet und rassistische Stereotype dadurch reproduziert.
TIM TOLSDORFF (Berlin) bilanzierte anschließend seine Forschungen
zum frühen
„Stern“ und seinen Vorläufern im „Dritten Reich“. Starke
personelle,
inhaltliche und gestalterische Kontinuitäten zum alten „Stern“,
der 1938/39 als
unterhaltungsorientierte Illustrierte erschien und „positive
Integrationspropaganda“ betrieb, wurden nach der Gründung des
neuen „Stern“
1948 bewusst verschwiegen. In der Gründungszeit spielte zunächst
Karl Jödicke,
der ehemalige Leiter des Ullstein Verlages / Deutschen Verlages,
in dem der
alte „Stern“ erschien, eine wichtige Rolle bei der Lizenzierung
des
Nachfolger-Heftes. Zentrale Personen der Frühzeit wie Karl
Beckmeier, Kurt
Zentner und Günter Radke waren ebenso (unterschiedlich stark) mit
dem NS-Regime
verbunden gewesen. Tatsächlich positionierte sich der neue „Stern“
zunächst als
Medium der „deutschen Opfergemeinschaft“, indem er Vertreibung,
Bombenkrieg und
Kampagnen zur Begnadigung von Kriegsverbrechern breit
thematisierte; mitunter
waren rassistische und antisemitische Ressentiments erkennbar. Die
Politisierung und Liberalisierung des „Stern“ seit den
1960er-Jahren war weniger
eine logische Konsequenz seines Gründungskontextes. Vielmehr
folgte sie einer
gezielten, die bisherige Linie des Blattes neu ausrichtenden
Prioritätensetzung
Henri Nannens.
Diese Erkenntnisse wurden im folgenden Panel um den weiteren
journalistischen
Kontext zwischen Diktatur und Demokratie ergänzt. RAINER
JEDLITSCHKA (Augsburg)
stellte Giselher Wirsing, zwischen 1954 und 1970 Chefredakteur von
„Christ und
Welt“, ins Zentrum seiner Ausführungen. Während der Weimarer
Republik schrieb
Wirsing für die konservative „Tat“, wurde nach 1933 ihr
Schriftleiter und kurz
darauf Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, 1943
wiederum
Chefredakteur der von der Wehrmacht herausgegeben Illustrierten
„Signal“.
Jedlitschka charakterisierte Wirsing, der SS-Sturmbannführer war
und für den SD
arbeitete, als Journalisten, der kein überzeugter
Nationalsozialist war, es
aber gut verstand, sich unterschiedlichen politischen Systemen
anzudienen. Zum
Nationalsozialismus anschlussfähig war insbesondere sein
rechtskonservatives
und nationalistisches Weltbild. Wirsing Belastungen standen seiner
journalistischen Nachkriegskarriere allerdings kaum im Wege, auch
wenn er vor
allem wegen seiner ideologischen Hinwendung zum westlichen Ausland
regelmäßig
mit Vorwürfen des Opportunismus konfrontiert war.
THEO MÜLLER (Karlsruhe) berichtete anschließend aus seinem
vergleichenden
Projekt zu Journalist:innen in Deutschland und Frankreich.
Eingehender widmete
er sich Henri Nannen, der als Kriegskorrespondent für die mit der
NS-Herrschaft
kollaborierende Zeitung „La Petite Gironde“ schrieb. Nannen
berichtete dort von
Kriegsschauplätzen an der Ostfront und beteiligte sich auf diese
Weise an
Propaganda gegen die Rote Armee. Für die Zeit nach 1945 ist die
Vergleichsperspektive insofern fruchtbar, als sie einen Blick auf
die
grenzübergreifende Selbstbeobachtung beider Presselandschaften
erlaubt. Die
Verherrlichung von NS-Tätern in deutschen Zeitungen wurde in
Frankreich genau
registriert; in diesem Zusammenhang konnten regelmäßig Angriffe
französischer
auf deutsche Medien festgestellt werden. Dies traf auch den
„Stern“ im Kontext
der Rehabilitierung von Kriegsverbrechern und der Täterflucht nach
Südamerika.
ALEXANDER KORB (Leicester) referierte über den „Tat-Kreis“ und
konzentrierte
sich dabei vor allem auf Hermann Proebst, seit 1960 Chefredakteur
der
„Süddeutschen Zeitung“. Proebst schrieb ab 1932 für die „Tat“ und
arbeitete
nach Beginn des Zweiten Weltkrieges als Agent der Abwehr in
Südosteuropa. Seit
1941 gab er in Zagreb „Die Neue Ordnung“ heraus. Diese
Propagandatätigkeiten
taten seiner Karriere in der Nachkriegszeit keinen Abbruch;
bereits 1946
schrieb er wieder für die „Rheinische Zeitung“. Proebst war ein
Musterbeispiel
für die Journalisten der „Kriegsjugendgeneration“, die sich
während der
Weimarer Republik durch eine Ablehnung der Versailler
Nachkriegsordnung
auszeichneten, einen geopolitisch inspirierten völkischen
Internationalismus
unter deutscher Führung propagierten, sich nach 1933 überwiegend
an die
NS-Herrschaft anpassten und während des Krieges ihre Dienste dem
NS-Propagandaapparat zur Verfügung stellten. Nach 1945 wendeten
sie ihre
Überzeugungen binnen weniger Jahre in eine prowestliche und
demokratische
Richtung.
Das nächste Panel fokussierte sich auf inhaltliche und personelle
Bezüge zur
NS-Zeit im „Stern“ seit den 1970er-Jahren. KERSTIN VON LINGEN
(Wien) griff die
Beziehung zwischen dem „Stern“-Reporter Gerd Heidemann, der später
durch die
Veröffentlichung der gefälschten „Hitler-Tagebücher“ Berühmtheit
erlangte, und
Karl Wolff heraus. Wolff war General der Waffen-SS, Stabschef
Heinrich Himmlers
und Chef der SS und der Polizei in Italien. Heidemann knüpfte in
den
1970er-Jahren Beziehungen zu Wolff, da er vor allem an Kontakten
zu
„professionellen“ Zeitzeugen aus dem „Dritten Reich“ interessiert
war. 1978
veröffentlichte der „Stern“ ein Interview mit Wolff und gab diesem
darin
Gelegenheit, seine eigene Rolle im Holocaust zu verharmlosen. 1979
schließlich
reiste Heidemann zusammen mit Wolff nach Südamerika. Auf diese
Weise gelang es,
in Bolivien den Lyoner Gestapo-Chef Klaus Barbie und in Chile
Walter Rauff, den
Konstrukteur des „Gaswagens“, ausfindig zu machen. Für die
NS-Reportagen
Heidemanns war typisch, dass sie die Verbrechen der begleiteten
Personen zwar
nicht verschwiegen, dafür aber meist herunterspielten. Bei den
Interviewten war
kein Schuldbewusstsein zu erkennen, darüber hinaus verbreiteten
sie
Unwahrheiten über ihre Beteiligung am Holocaust.
Unmittelbar daran anknüpfend ermöglichte SEBASTIAN BARTH
(Pforzheim) einen Einblick
in seine Forschungen zur Debatte über die falschen
„Hitler-Tagebücher“. Er
plädierte dafür, den Blick von der Ereignisgeschichte zu lösen und
sich
stattdessen größeren gesellschaftlichen Kontexten zuzuwenden.
Barth bestätigte,
dass der Fälscher Konrad Kujau in seinen Kladden dem fiktiven
Adolf Hitler u.a.
eine Unkenntnis des Holocaust zuschrieb. Das Verschulden des
„Stern“ habe aber
weniger darin gelegen, mit der (geplanten) Veröffentlichung einen
bewussten
Geschichtsrevisionismus betrieben zu haben, sondern mit den
„Tagebüchern“ naiv
umgegangen zu sein, die Glaubwürdigkeit der Texte nicht
angezweifelt und sich
auch nicht um ihre kritische Kommentierung bemüht zu haben. Barth
ordnete den
Skandal in den größeren Kontext der NS-Aufarbeitung ein. So war im
Rahmen der
„Hitler-Welle“ in den 1970er-Jahren ein großes Interesse an
vermeintlich
authentischen Zeugnissen hochrangiger NS-Figuren entstanden. Erst
im Anschluss
daran bildete sich eine spezifische Erinnerungskultur aus, die die
Opfer des
Holocaust ins Zentrum rückte. Das Besondere am Tagebuch-Skandal
war, dass er
genau in den Übergang zwischen beiden Phasen fiel. Die diffuse
Hitler-Fixierung
der 1970er-Jahre wirkte noch nach; der sich bereits abzeichnenden
reflektierteren Erinnerungskultur war jedoch geschuldet, dass eine
Hitler-Verharmlosung nicht mehr so einfach möglich war und daher
auch schnell
aufflog.
Die engagierte Diskussion über Barths Vortrag kreiste insbesondere
um die
Motive des „Stern“ hinter der Veröffentlichung der gefälschten
Kladden. Sie
kehrte vor allem heraus, dass die These einer bewusst betriebenen
NS-Relativierung zu simpel ist. Rückblickend erschien der Skandal
als ein fast
schon logisches Resultat der NS-/Hitler-Fixierung im deutschen
Journalismus
seit den 1950er-Jahren. Finanzielle Motive waren ein maßgeblicher
Faktor, warum
inhaltliche Zweifel an der Echtheit der Dokumente an den Rand
rückten. Henri
Nannen wiederum wusste erst spät von der geplanten
Veröffentlichung, da anfangs
nur ein kleiner Kreis aus Redakteuren und Verlagsleitung
eingeweiht war. Alle
Beteiligten unterschieden nicht ausreichend zwischen „Hitler als
Geschäftsmodell“ und „Hitler als historischer Person“. Bei einer
ernsthaften
Inhaltsanalyse der Texte wäre die Fälschung rasch erkennbar
gewesen. Eine
unterstellte „intentionale Hitler-Verharmlosung“ ist deswegen
unwahrscheinlich,
weil sie angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Forschung
nie eine
Chance auf Durchsetzung gehabt hätte.
Die abschließende Panel-Diskussion mit RAINER HANK (Frankfurt),
Alexander Korb,
Kerstin von Lingen und Magnus Brechtken leitete Rainer Hank mit
einem
Werkstattbericht zu seinem aktuellen Projekt über deutsche
Journalistinnen ein.
Er hob dabei Blindstellen der Forschung hervor, die
Journalistinnen bislang
nicht als eigenständige Akteurinnen würdigte, obwohl sie eine
wichtige Rolle
bei der rechtlichen Liberalisierung der Bundesrepublik spielten.
Hank nannte
ihren Einsatz für die Umsetzung der grundgesetzlich garantierten
Gleichstellung
der Geschlechter und ihr Engagement für die Presse- und
Meinungsfreiheit als
Beispiele. Hanks Thesen wurden in der Diskussion um Hinweise auf
die
Beteiligung von Journalistinnen an den Begnadigungskampagnen
zugunsten Ernst
von Weizsäckers und Albert Kesselrings ergänzt. In diesem
Zusammenhang wurde
beispielsweise auf Marion Gräfin Dönhoff verwiesen.
Die Diskussion wurde daraufhin auf das Gesamt-Thema der Konferenz
geweitet, die
einmal mehr ihren Ausgangspunkt in der neuerlichen Diskussion der
gefälschten
„Hitler-Tagebücher“ fand. Unter den Diskutierenden bestand
Konsens, dass der
Skandal nur im Kontext des erinnerungspolitischen Klimas der
ersten
Nachkriegsjahrzehnte erklärbar ist. Dies macht eine Analyse des
Umgangs mit der
NS-Vergangenheit im „Stern“ als Spiegel westdeutscher
Geschichtsinteressen und
Aufarbeitungslogiken jedoch umso interessanter. Zum nun
beginnenden
Forschungsprojekt wurde die Erwartungshaltung geäußert, nicht nur
die bereits
in weiten Teilen bekannte publizistische Festigung der
Opfergemeinschaft in den
Blick zu nehmen, sondern auch den Umgang mit ehemals Verfolgten
und Opfern von
NS-Verbrechen.
In bisher nicht gekannter Weise bündelte die Konferenz
wissenschaftliche und
journalistische Erkenntnisse zur Rolle des Nationalsozialismus in
den deutschen
Nachkriegsmedien im Allgemeinen und im „Stern“ im Speziellen. Sie
leistete
damit wertvolle Impulse für deren weitere Untersuchung. Gleiches
gilt für die
noch offenen Fragen, die für weitere Forschungen erkenntnisleitend
werden. Analog
zur bereits etablierten Aufarbeitungsforschung müsse eine Brücke
zwischen
personellen Kontinuitäten und deren tatsächlichen inhaltlichen
Auswirkungen
geschlagen und beides in einem analytischen Zusammenhang
betrachtet werden. Nur
so könne erklärt werden, warum sich ein großer Teil des deutschen
Nachkriegsjournalismus trotz teilweise erheblicher Belastungen aus
der NS-Zeit
an Aufbau und Festigung der Nachkriegsdemokratie beteiligen
konnte. Ferner war
durchgehend erkennbar, dass zwischen der öffentlichen
Skandalisierung von
NS-Kontinuitäten und deren wissenschaftlicher Analyse zu
unterscheiden ist, ja,
die Funktionsweisen solcher Skandalisierungen selbst zu
historisieren sind.
Konferenzübersicht:
Panel zur Einführung: Journalismus und Medien nach 1945: Was wir
wissen – und
was noch lange nicht
Magnus Brechtken (München) / Lutz Hachmeister (Köln) / Annette
Vowinckel
(Potsdam)
Claus Ceynowa (München): Das Stern-Bildarchiv in der Bayerischen
Staatsbibliothek
Panel I
Moderation: Annette Vowinckel (Potsdam)
Michael Schornstheimer (Berlin): Stern und Quick als
Forschungsgegenstand in
den 1980er Jahren: Erfahrungen und Erkenntnisse
Tim Tolsdorff (Berlin): Der Stern als Forschungsgegenstand der
jüngeren
Zeitgeschichte: Ergebnisse, Konsequenzen, Erfahrungen
Panel II
Moderation: Magnus Brechtken (München)
Rainer Jedlitschka (Augsburg): Giselher Wirsing
Theo Müller (Karlsruhe): Welterklärer: Eine vergleichende
Betrachtung des
Journalistenberufes in Deutschland und Frankreich 1950 bis 1990 –
Ein Bericht
aus der Forschungswerkstatt
Alexander Korb (Leicester): Der Tatkreis in der Nachkriegszeit:
Deutsche
Journalisten von Stresemann bis Brandt
Panel III
Moderation: Cord Arendes (Heidelberg)
Kerstin von Lingen (Wien): „Zeitzeuge“ Karl Wolff: Zur
NS-Berichterstattung von
Gerd Heidemann im Stern
Sebastian Barth (Pforzheim): Der Skandal um die Hitler-Tagebücher
des Stern im
Jahr 1983: Rezeption und geschichtspolitischer Rahmen des
Nationalsozialismus
in den 1980er Jahren
Panel-Diskussion: Aktuelle Herausforderungen der Forschung zum
Journalismus in
Deutschland nach 1945
Moderation: Magnus Brechtken (München)
Rainer Hank (Frankfurt) / Alexander Korb (Leicester) / Kerstin von
Lingen
(Wien)
Anmerkungen:
[1]https://www.ndr.de/geschichte/tagebuecher/Datenbank-Die-gefaelschten-Hitler-Tagebuecher-zum-Durchsuchen,hitlertagebuecherdatenbank102.html#6/1932
(2.5.2023).
[2]https://www.youtube.com/watch?v=89ebHDhGdkg
(6.6.2023).
[3]https://www.stern-fotoarchiv.de/stern/main/thumbnailview
(12.6.2023).
Zitation
Tagungsbericht: Die Geschichte des „Stern“ und seiner prägenden
Personen. Zum
Kontext historischer Kontinuitäten und Neuanfänge im deutschen
Journalismus,
In: H-Soz-Kult, 12.08.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-137678>.