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2015/05/05 12:13:52
Hans-Joachim Kühn
Re: [Regionalforum-Saar] Steuerpflicht im 18ten Jahrhundert
Datum 2015/05/05 22:07:32
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] auf dem Friedhof, aber nicht im Standesamt
2015/05/07 23:31:48
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Geschichte der Familie Bruch - Vortrag in St. Wendel am Samstag
Betreff 2015/05/08 06:54:10
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Jüdischer Friedhof Ottweiler
2015/05/04 22:08:06
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Steuerpflicht im 18ten Jahrhundert
Autor 2015/05/05 22:07:32
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] auf dem Friedhof, aber nicht im Standesamt

[Regionalforum-Saar] hexerei und öffentlichkeit

Date: 2015/05/05 21:45:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

From:    Johanna E. Blume <j.blume(a)...   06.05.2015
Subject: Tagber: Hexerei und Öffentlichkeit
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Petra Kurz, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart; Wolfgang
Behringer, Universität des Saarlandes/Rita Voltmer, Universität
Trier/Arctic University of Norway, Tromsø, Arbeitskreis
Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH)
19.02.2015-21.02.2015, Stuttgart

Bericht von:
Johanna E. Blume, Historisches Institut, Universität des Saarlandes
E-Mail: <j.blume(a)... begrüßte Akademiereferentin Petra Kurz alle Anwesenden und
beglückwünschte die Mitglieder des Arbeitskreises zu dessen 30jährigem
Bestehen. Pointiert ließ sie die Geschichte des Arbeitskreises
Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH) Revue passieren und gab der
Hoffnung Ausdruck, dass die gute Zusammenarbeit weiterhin fortgesetzt
werde. Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer verwies Rita Voltmer,
die aufgrund der Erkrankung von Wolfgang Behringer die Leitung übernahm,
zunächst auf die beiden letzten Tagungen (2012 und 2014), bei denen
"Hexerei in den Medien" im Mittelpunkt gestanden hatte. Interessiert
habe dabei, wie das medial konstruierte "Wissen" um Magie und Hexerei
sowie die damit verknüpften Tatbestände durch die gattungsbedingten
Funktionen spezifischer Medien geprägt, wie Bilder und "Erzählungen"
(narratives) von Hexerei und Magie in Predigten, Gerichtsakten,
Traktaten und Zeugnissen der Publizistik erschaffen wurden. Diesmal
konzentriere sich die Tagung noch mehr auf die Interaktion im
öffentlichen Raum. Dabei hob Voltmer hervor, dass der Begriff
Öffentlichkeit höchst schwierig zu definieren sei. Mit Ann C. Zimmermann
lasse sich Öffentlichkeit am besten durch das erklären, was sie nicht
sei: weder geschlossen, noch geheim oder privat. Sie verwies auf deren
drei, in der Forschung unterschiedenen Bedeutungsebenen: Öffentlich
seien 1.) Vorgänge von allgemeinem Interesse, 2.)
Kommunikationsstrukturen, die sich an alle richteten und 3.) die
Zugangsoffenheit von Räumen und Plätzen. In diesem Kontext sei die
Hexenthematik daher durch ihre mediale und räumliche Breitenwirkung
nicht nur von allgemeinem, also öffentlichem Interesse gewesen, sondern
habe durch mediale Vermittlung einen öffentlichen Kommunikationsraum
geschaffen. Sie sei sowohl im barocken Theater als auch bei der
Exekution öffentlich zugänglich und erfahrbar gemacht worden. Auch
heute, wo die Themen "Hexerei" und "Hexenverfolgung" in den Printmedien
und im Film eine breite Rezeption erführen, werde immer wieder aufs Neue
ein solcher öffentlicher Kommunikationsraum geschaffen. Dabei handele es
sich nicht um die "eine" Öffentlichkeit, sondern jeweils um
Teil-Öffentlichkeiten, die sich in der Interaktion mit unterschiedlichem
Publikum konstituierten. Die Forschung differenziere dabei zwischen 1.)
Encounter-Öffentlichkeiten (dem zufälligen Treffen mehrerer Personen),
2.) Versammlungs-Öffentlichkeiten (mit festgelegten Rollen und Inhalten)
und 3.) der massenmedialen Öffentlichkeit, die sich nicht durch die
Präsenz eines Publikums, von Zuschauern oder Teilnehmern etabliere,
sondern durch die mediale Vermittlung. Dieser Einteilung wurden auch die
Vorträge gerecht.

Die erste Sektion "Theater" eröffnete GABRIELA DRAGNEA HORVATH (Florenz)
mit ihrem Beitrag "Höllischer Ehrgeiz und himmlische Macht. Macbeth:
Theater und Magie im Elisabethanischen Theater". Darin stellte sie die
dämonologische Komponente im Stück "Macbeth" (1606) von William
Shakespeare vor und erläutert die besonderen politisch-religiösen
Hintergründe im zeitgenössischen England: Besonders James I. war der
Überzeugung, dass allein der König als Oberhaupt der englischen Kirche
Wunder tun könne und alle andere Magie vom Teufel käme. Das Stück
bestätige auf den ersten Blick dessen "Demonology" (1597), indem es die
Effekte der teuflischen Einmischung in die Natur (Unfruchtbarkeit Lady
Macbeths, Vertauschung von Wahrheit und Lüge, Umkehrung der natürlichen
Ordnung) thematisiere und als deren Konsequenzen die Vernichtung des
Tyrannen und seiner Frau stehe. Dennoch könne man die Darstellung der
drei Hexen, die im elisabethanischen Theater von älteren Männern
verkörpert worden seien, auch als Fantasiefiguren oder gar männliche
Schöpfungen lesen und einen ironischen Umgang Shakespeares mit Hexerei
herauslesen. In der Diskussion wurde intensiv auf die Frage eingegangen,
inwieweit es sich um die Umsetzung dämonologischer Vorstellungen der
Zeit handele oder hauptsächlich theatralische Mittel angewendet worden
seien.

RITA VOLTMER (Trier/Tromsø) widmete sich zu Beginn der zweiten Sektion
"Gericht und Öffentlichkeit" dem Ereignis, das häufig am Ende eines
Hexenprozesses stand. In ihrem Vortrag "'Exekutionstheater' - Zur
Bedeutung öffentlicher Hexenhinrichtungen" erörterte sie, inwieweit die
Hinrichtung von Hexen ritualisiert war, welchen Zwecken sie diente und
ob Unterschiede zu den Hinrichtungen in anderen Kriminalprozessen
existierten. Zunächst skizzierte sie die generellen Charakteristika
frühneuzeitlicher Exekutionen: Sie seien Manifestation obrigkeitlicher
Autorität gewesen, sollten die Wiederherstellung der gestörten Ordnung
bewirken und der Abschreckung dienen. Darüber hinaus sei der Straftäter
als Büßender inszeniert worden, der eine öffentliche conversio zum armen
Sünder unterlaufen habe. Auch die Zuschauenden hätten spezifische Rollen
innerhalb dieses ritualisierten Spektakels eingenommen, wie auch die
Ausführenden, denen ihre Tätigkeit keineswegs misslingen durfte. Mittels
kritischer Analyse ikonographischer und schriftlicher Quellen legte
Voltmer dar, dass Hexenhinrichtungen zwar die gleichen Eigenschaften
aufgewiesen hätten wie andere, dass jedoch der Ablauf und die
Ausgestaltung jeweils modifiziert worden sei, je nach Adressaten,
Frequenz der Prozesse, juristischem Personal, rechtlichen Grundlagen
sowie Geschlecht, Status, Rang und Konfession der Verurteilten.
Zentrales Element sei jedoch die besondere Inszenierung der conversio
gewesen, wobei die in den Prozessakten betonte Annahme der Rolle des
Büßenden durch die Verurteilten kritisch hinterfragt werden müsse.

Ein spezifisches, von den neuen halbstaatlichen iberischen Inquisitionen
inszeniertes Ritual beschrieb IRIS GAREIS (Frankfurt am Main) in
"Inszenierungen des Gottesgerichts: Zauberei- und Hexereidelikte im
Autodafé". Dieser öffentliche "Akt des Glaubens" bestand aus
Prozessionen vom Inquisitionssitz zum Ort des Autodafés und in der
Verlesung der Anklagepunkte und Urteile derjenigen, die von den
Inquisitoren eines Glaubensdelikts für schuldig befunden wurden, also
unter anderem Magie Praktizierende, Bigamisten und conversos. Es habe
auf die Wiederherstellung der politischen und religiösen Ordnung
abgezielt, ihrer Repräsentation und Konstitution sowie der Vertreibung
des Bösen (Purifikation) gedient. In den meist als Teil größerer
Festlichkeiten aufwendig ausstaffierten Zeremonien wurden die reuigen
Angeklagten in die Gemeinschaft der Gläubigen und damit in die
Gesellschaft wiederaufgenommen und die unbußwilligen zum Tode
Verurteilten endgültig ausgeschlossen. Das Publikum sollte ebenfalls
durch dieses Übergangsritual geläutert und diszipliniert werden, indem
die Anwesenden gemeinsam den rechten Glauben bestätigten und
bekräftigten und so zu einer religiösen und politischen communitas
verschmolzen. Die nur selten vor der Spanischen Inquisition verhandelten
Hexereidelikte hätten größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wobei
teilweise erst die öffentlich verlesene detaillierte Deliktbeschreibung
Hexenpaniken in den entsprechenden Gebieten ausgelöst habe. Derlei
Veranstaltungen hätten also unabsichtlich das Wissen über das Hexenwesen
verbreitet und die Anwesenden erst von der Existenz der Hexen überzeugt.
Daraus resultierende Selbstanzeigen und Denunziationen seien jedoch
nicht von der Inquisition intendiert gewesen und den mit dem Autodafé
verbundenen Zielen entgegengelaufen.
   
Das Nachleben frühneuzeitlicher Medien stellte MARION GIBSON (Penryn) in
der Sektion 3 mit ihrem Beitrag "English Witchcraft Pamphlets and their
Afterlives in Contemporary Culture" in den Mittelpunkt. Sie untersuchte
eine Reihe von Beispielen, die Motive der ersten in England publizierten
Pamphlete über Hexerei verwendeten, welche zwischen den 1560er- und
1580er-Jahren veröffentlicht wurden: Abigail Dochertys Hörspiel "Ursula
and Boy" (2011), die Folge "The Straw Woman" der Fernsehserie "Midsomer
Murders" (2004), Caryl Churchills feministisches Theaterstück "Vinegar
Tom" (1976) und das Internetblog einer jungen, unbekannten Frau, das
eine für das Videospiel "The Sims 3: Supernatural" (2012) entworfene
moderne Hexe zeigt. Jeder Text verwende Charaktere, die nach den Hexen
in den Pamphleten benannt sind, um bestimmte Themen zu behandeln: die
Ungleichbehandlung der Geschlechter, ökonomische Ungleichheit, die Hexe
und das Recht und die Hexe und die dörfliche Gemeinschaft. Vor allem das
Blog, dass zunächst als gedankenlose Wiederverwendung des Namens einer
Hexe für einen Online-Avatar erscheine, zeige die bis heute andauernde
Relevanz des Diskurses über Macht, Fantasie und Ausgrenzung, die mit der
Hexe assoziiert würden. Ihr Motiv fungiere also bis heute als Mittel,
auf gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.

Die medial verarbeitete Hexenfigur im 20. Jahrhundert veranschaulichte
CHRISTINA SEITZ (Oftersheim) in der Sektion 4 "Film in Die Hexe im Film.
Die Rezeption eines Stereotyps aus Antike, Mittelalter und Früher
Neuzeit in US-amerikanischen Kino- und Fernsehproduktionen". Anhand
verschiedenster Filme aus mehreren Jahrzehnten, in denen eine stereotype
Hexenfigur auftritt, machte sie zwei Typen aus: zunächst die Hexe als
Täterin und Schadenszauberin, die sowohl in Trickfilmen wie "Disney's
Snow White" (1937) in Form der "evil queen/old hag" zu finden sei, als
auch als gezielt abstoßend gezeichnete Seherin Mortianna in "Robin Hood
- King of Thieves" (1991) oder zerstörungswütige Geliebte Alex Forrest
in "Fatal Attraction" (1987). Dabei bedienten sich die Filme antiker
(Knochenschau) und frühneuzeitlicher ikonographischer Elemente (Katze
und Kochtopf). Doch trete die Hexe auch als positiv besetzte Heldin auf,
wie "The Witches of Eastwick" (1987) oder die Fernsehserie "Charmed"
(1998-2006) zeige. Dabei seien Stilmittel wie der Rückgriff auf
pseudo-mittelalterliche Welten sowie die Verwendung neuheidnischer
Elemente (Wicca-Kult) zu beobachten. In den letzten Jahren sei noch die
Figur der gelehrten Hexe wie Hermione Granger aus "Harry Potter"
(2001-2011) dazugekommen, die eine bis dato männlich konnotierte
Eigenschaft der aktiven Wissensaneignung verkörpere und durchweg als
weibliche Identifikationsfigur herhalte.

Vertieft auf die Geschichte "Die Hexen von Eastwick" ging WOLFGANG
SCHILD (Bielefeld) ein. Er verglich John Updikes (1932-2009) Roman
(1984), den darauf basierenden Film (1987), das Musical (2000/12) und
die Fernsehserie (2009) miteinander und konzentrierte sich dabei auf die
Präsenz frühneuzeitlicher dämonologischer Vorstellungen. Wenn der
Romanautor auch nur rudimentäre Kenntnisse des elaborierten
Hexereibegriffs besessen hätte, fänden sich bei ihm am stärksten dessen
Motive wie Teufelsbuhlschaft, Tierverwandlung und Schadenszauber. Im
Film dagegen werde der Protagonist zunächst entdämonisiert und der
Schwerpunkt liege auf der Selbstverwirklichung und sexuellen Erfüllung
der Hexen. Den Anforderungen an einen Bühnendarsteller sei es
geschuldet, dass der Fokus im Musical nicht nur auf dessen wilde Tänze
gelegt würde, sondern die ursprünglich als abgrundtief hässlich
beschriebene Teufelsfigur zudem attraktiv wirken solle. Die Fernsehserie
habe dagegen kaum mehr mit dem eigentlichen Plot zu tun, was eventuell
zu ihrer Kurzlebigkeit beigetragen habe.

Den zweiten Tag und damit die Sektion "Neues aus der Forschung" leitete
ALEXANDRA KOHLHÖFER (Mainz/Münster) mit dem Vortrag "Lasterhafte
Trunkenbolde oder von Gott Begnadete? Mythos und Verfolgung der
saludadores in Nordspanien (Schwerpunkt 17. Jahrhundert)" ein, bei dem
sie eine fast ausschließlich männliche Domäne von Heilern und
Segenssprechern vorstellte, die nur im iberischen Raum auftrat. Auf der
einen Seite seien diese durch bischöfliche Lizenzen befugt, Dörfern ihre
Dienste als Heiler und Hexenerkenner anzubieten, auf der anderen Seite
habe die Inquisition sie wegen Ausübung magischer Praktiken verfolgt.
Öffentlichkeit habe dabei sowohl eine Rolle bei der Prüfung ihrer
Fähigkeiten vor den Stadt- oder Gemeinderäten, als auch bei der Ausübung
ihrer Tätigkeiten gespielt. Durch die Untersuchung von Traktaten und
Prozessakten konnte Kohlhöfer nicht nur zeigen, wie ambivalent das
Gewerbe der saludadores von Dämonologen und kirchlichen wie weltlichen
Gerichten bewertet wurde, sondern auch welche weiteren Faktoren dabei
eine Rolle spielen konnten, wie Nichtsesshaftigkeit, Betrug, religiöse
vs. magische Praktiken, deviante Sexualität und verschiedene
Rechtsauffassungen.

LAURA KOUNINE (Berlin) zeigte in "Emotions and gender in witch-trial
narratives" am Beispiel eines Prozesses, der sich 1616 in Münchingen
ereignete, wie Magistrate versuchten, dem in der Carolina und dem
Landrecht nur unscharf gezeichneten Hexereidelikt auf die Spur zu
kommen. Vor allem um die Schadensintention nachzuweisen, die in
Württemberg ausreichte, um wegen eines Hexereideliktes angeklagt zu
werden, habe die von der Angeklagten gezeigten Emotionen eine große
Rolle gespielt. Im Vergleich mit anderen Prozessen in Württemberg konnte
Kounine zeigen, dass Regungen wie Verzweiflung oder Gleichgültigkeit und
deren physische Auswirkungen Tränen, Schweiß und Gesichtsfarbe
unterschiedlich interpretiert wurden, je nach Geschlecht, Ehestatus und
ob Emotionsregungen als authentisch eingeschätzt wurden oder nicht.
Zudem wies sie auf verwandtschaftliche bzw. freundschaftliche Netze
innerhalb der Ortsgemeinschaft hin, die unter Umständen vor Besagungen
habe schützen können, so lange sich jedes Mitglied einem bestimmten
Verhaltenskodex gemäß verhalten hätte. Dieser habe für Frauen auch das
Zeigen bestimmter Emotionen wie Mitgefühl enthalten, deren Fehlen erst
verdächtig gemacht habe, wie der Fall in Münchingen demonstriere.

Den abschließenden Vortrag hielt JUDITH VENJAKOB (Bielefeld/Erlangen)
mit dem Titel "Die Holzschnitte in Ulrich Molitors 'De laniis': Eine
neue Ikonographie für das Hexenstereotyp? Verschiedene Fassungen im
Vergleich mit Druckgrafiken des späten 15. Jahrhunderts". Sie wies nach,
dass der Hexenflug von Beginn an das signifikanteste Zeichen bildlich
dargestellter Hexen sei, da er sich von der Darstellung des klassischen
Ketzerstereotyps besonders gut abgegrenzt habe. Dies illustriere nicht
nur die erste belegte Darstellung einer fliegenden Hexe im "Le Champion
des Dames" (1441/42), sondern auch die Bildserien in den verschiedenen
Druckversionen Ulrich Molitors "De laniis" (1489). Indem Venjakob
Verwandtschaften in Kleidung und Gesichtern der veranschaulichten Hexen
sowie Ähnlichkeiten der Bildkulissen mit Drucken geographisch naher
Werkstätten hervorhob, konnte sie zeigen, dass bei der ersten gedruckten
Hexenbildserie auf bestehende Ikonographien - vermutlich aus
finanziellen Gründen - rekurriert wurde. Bis auf die Einfügung von
Attributen wie Ofengabeln und Kessel, Schlange, Hagelkörner wurde also
für die Hexenbilder keine neue Bildsprache geschaffen. Während sich das
Schadenszaubermotiv in der Bildwelt der Frühen Neuzeit nicht
durchgesetzt habe, sondern zur Hexengruppe um einen Kessel ohne
Unwetterwolke umgewandelt wurde, sei das Flugmotiv in zahlreichen
Hexenbildern des 16. und 17. Jahrhunderts als signifikantes Symbol
etabliert worden.

In der Abschlussdiskussion wurde hervorgehoben, dass gerade die
Interaktion mit dem Publikum in der Öffentlichkeit Hexennarrative
konstituiert und produziert habe. Diese Wechselwirkung sei jedoch in
verschiedenen Regionen Europas unterschiedlich vonstattengegangen, wie
das Beispiel der iberischen Halbinsel zeigt. Hier wurden zwar ähnliche
Wissensbestände in der Öffentlichkeit tradiert (z.B. der kumulative
Hexereibegriff), aber andere magische Vorstellungen (z.B. das Wirken der
saludadores) traten in den Vordergrund. Gerade die öffentlichen
Inszenierungen bei Exekutionen oder durch die Inquisition leiteten die
Wahrnehmungen in eine spezifische Richtung. Die Transferwege des
ikonographischen Motivs vom Hexenflug haben wiederum gezeigt, wie andere
Hexerei-Motive verdrängt werden konnten. Gerade das Neben- und
Durcheinander heterogener wie homogener Narrative und Wissensbestände
macht das Identifizieren von Transferwegen und Umdeutungen schwierig,
zumal bei weitem noch nicht alle Texte, Topoi, Exempla, neue und alte
Narrative europaweit entschlüsselt sind. Dies wäre aber notwendig, um
Tradierungslinien und -ketten sowie Brüche nachverfolgen zu können.
Einmal mehr hat auch diese Tagung - wie die vorangegangenen beiden
Tagungen zum Thema "Hexerei und Medien" - gezeigt, dass die Forschung
sich noch wesentlich intensiver mit der Frage beschäftigen muss, wie
ganz konkret bestimmte Narrative, Konstrukte und Wissensbestände
europaweit und in den Kolonien weitergegeben und modifiziert worden
sind. Die nächste, große Tagung des AKIH (Weingarten, 28.09.-
01.10.2016) wird sich daher beschäftigen mit: Magie, Zauberei, Hexerei -
Wissenskulturen im Kontext/Magic, sorcery, witchcraft - Cultures of
knowledge in Context (OrganisatorInnen: Rita Voltmer, Iris Gareis, Hans
de Waardt).

Konferenzübersicht:

Gabriela Dragnea Horvath (Florenz), Höllischer Ehrgeiz und himmlische
Macht. Macbeth: Theater und Magie im Elisabethanischen Theater

Rita Voltmer (Trier/Tromsø), "Exekutionstheater" - Zur Bedeutung
öffentlicher Hexenhinrichtungen

Iris Gareis (Frankfurt am Main), Inszenierungen des Gottesgerichts:
Zauberei- und Hexereidelikte im Autodafé

Marion Gibson (Penryn), English Witchcraft Pamphlets and their
Afterlives in Contemporary Culture

Christina Seitz (Oftersheim), Die Hexe im Film. Die Rezeption eines
Stereotyps aus Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit in
US-amerikanischen Kino- und Fernsehproduktionen

Wolfgang Schild (Bielefeld), Die Hexen von Eastwick

Alexandra Kohlhöfer (Mainz/Münster), Lasterhafte Trunkenbolde oder von
Gott Begnadete? Mythos und Verfolgung der saludadores in Nordspanien
(Schwerpunkt 17. Jahrhundert)

Laura Kounine (Berlin), Emotions and gender in witch-trial narratives

Judith Venjakob (Bielefeld/Erlangen), Die Holzschnitte in Ulrich
Molitors De laniis: Eine neue Ikonographie für das Hexenstereotyp?
Verschiedene Fassungen im Vergleich mit Druckgrafiken des späten 15.
Jahrhunderts

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5955>

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