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2014/07/07 11:09:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] schlagzeilen von der front
Datum 2014/07/09 09:16:09
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] celtoi am hunnenring
2014/07/20 21:04:31
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[Regionalforum-Saar] Die Hungerkrisen der "Kleinen Eiszeit" (1300-1800).
Betreff 2014/07/15 09:35:05
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[Regionalforum-Saar] Dr. Bohrs Erinnerungen
2014/07/07 11:09:28
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Autor 2014/07/09 09:16:09
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] celtoi am hunnenring

[Regionalforum-Saar] Die Welt der Burgen

Date: 2014/07/08 20:18:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Großmann, G. Ulrich: Die Welt der Burgen. Geschichte, Architektur,
Kultur [108 meist farbige Abb.]. München: C.H. Beck Verlag 2013. ISBN
978-3-406-645-10-5; geb.; 303 S.; EUR 26,95.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_22729.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Thomas Wozniak, Institut für Mittelalterliche Geschichte,
Philipps-Universität Marburg
E-Mail: <thomaswozniak(a)... meisten Burgen verdanken ihre Gestalt Bauphasen verschiedener
Epochen: "Tatsächlich stellte der ständige Um- und Ausbau die Regel im
Burgenbau dar" (S. 102). Genau diesen Entwicklungen widmet sich der
durchgehend farbig bebilderte Band "Die Welt der Burgen" von Ulrich
Großmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.
In acht Kapiteln beantwortet der Autor nach der Einleitung (S. 11-15)
zunächst die Frage: "Was ist eine Burg?" (S. 16-27), dann geht er auf
"Burg und Herrschaft: Die Aufgaben einer Burg" (S. 28-43) und "Die
Bauteile der Burg" (S. 44-97) ein. Des Weiteren wird "Die Burg im
Mittelalter" (S. 98-194) und "Die Burg in der Neuzeit" (S. 195-236)
betrachtet. Ein kurzes Kapitel klärt den "Mythos Burg" (S. 237-241) und
das letzte beschreibt "Die Geschichte der Burgenforschung" (S. 242-264).
Ein Anhang mit Anmerkungen (S. 265-276), einer ausführlichen Liste der
verwendeten Literatur (S. 277-288), Erläuterungen von Fachbegriffen (S.
289-291) und einem Register der Burgen (292-302) schließen den mit 108
Farbabbildungen üppig ausgestatteten Band ab.

Der Autor macht zunächst klar, was das Buch nicht sein soll und zwar
kein Inventar der rund 25.000 Burgen des deutschsprachigen Raumes oder
der 40.000 Burgen Mitteleuropas (S. 15). Bei der folgenden Definition
dessen, was eine Burg ist, geht es auch um die seit langem diskutierte
Frage des Verhältnisses von Burg und Schloss. Großmanns Darstellung ist
innovativ und zeichnet den Forschungsgang nach, neuere Diskussionen
fehlen aber.[1] Um sich dem Ziel, der Darstellung grundsätzlicher
Phänomene, zu nähern, werden moderne Kategorisierungen von Burgentypen
analysiert: Königsburg und Königspfalz, Ministerialen-, Ordens- oder
Bischofsburgen. Aber auch nach der topographischen Lage oder den
topographischen Gegebenheiten (Höhen-, Sporn-, Talburg, Wasser-, Felsen-
oder Höhlenburg) und nach ihrer Funktion (Zoll-, Amts- oder Jagdburg)
werden die Burgen unterteilt. Während die Erkenntnis, dass die
Wehrkirche ein Mythos ist, mittlerweile Common Sense zu sein scheint und
die "Ritterburg" als romantische Verklärung dekonstruiert wird (S. 24),
scheint im ersten Textdrittel immer wieder eine starke Betonung der
"Adelsburg" in der Darstellung durch (S. 22f.). Den rechtlichen
Dimensionen - "Die Burg war ein räumlich und rechtlich eingeschränkter
Bezirk" (S. 35) - wird sich durch eine, an klassischen Werken
orientierte, Darstellung des Lehnswesens und der Grundherrschaft
angenähert. Gerade diese werden aber von der neueren Forschung
diskutiert.[2] Während der 'Burgwert' sich aus den Burggebäuden, den
Zugehörigkeiten und den Rechten ableiten lässt, ist der Zusammenhang
zwischen Burggröße und Burgbesitz noch nicht erforscht (S. 37). Die
Anachronismen der älteren Forschung, die versucht hat, aufgrund ihres
Verständnisses von modernen Verteidigungslinien aus Beton (Maginot-Linie
etc.), eine 'Burgenpolitik' der Staufer zu (re-)konstruieren, negiert
der Autor mit dem Hinweis, dass Burgen zwar zur Sicherung der
Herrschaft, aber nicht als Verteidigungsring im Sinne kommunizierender
Festungen der Neuzeit zu verstehen sind (S. 43).

Nicht nur für den Bauforscher ist wichtig, dass Burgen nie reine
Steinbauten waren, sondern immer auch unter Benutzung von Holz, Lehm und
Fachwerk errichtet wurden. Die Holz-Erde-Konstruktionen des
Frühmittelalters wichen erst im 11. Jahrhundert den Steinbauten (S.
46f.). Je nach Art des Mauerwerkes oder des verwendeten Werkzeugs
(Stein-zange erst ab 1200) ergeben sich grobe Datierungsansätze.
Bemerkenswert ist auch der Hinweis, dass die fehlende Betrachtung
historischer Putze erst in jüngster Zeit überwunden wurde (S. 55).

Die einzelnen Teile von Burgen werden ausführlich besprochen: Barbakane,
Zwinger, Torzwinger, Ringmauer, Wehrgang, Maschikuli, Mauertürme,
Schild- und Mantelmauer, Zinnen, Schießscharten, Haupttor mit
Riegelbalken, Kammertore, Flankentore, Fallgatter oder Zugbrücke als
Bestandteile, die Wehrfunktionen erfüllten. Aber jede Burg hatte auch
eine Wohnfunktion zu erfüllen und so beschäftigen sich einzelne
Abschnitte mit Wohntürmen, Saalgeschosshaus, Saal, Hofstuben,
unbeheizten Kammern und beheizten Stuben, bis hin zum Appartement, der
Badestube, dem Abort, der Küche und der Kapelle. Als Inventar der
multifunktionalen Kammern werden Bett, Truhe, Sitzmöbel und Tisch
besprochen, als universale Bestandteile des Hauses Türen, Fenster,
Treppen, die Wasserversorgung durch Zisternen, Schreibstube,
Schatzkammer, Torwache und Rüstkammer. Auch die wirtschaftlichen Aspekte
werden im Detail dargestellt: Vorburg, Produktionsstätten, Marstall,
Stallgebäude, Scheunen und Mühle.

Am Beispiel der Marburg wird die Entwicklung einer Burg im Mittelalter
vorgeführt: Bereits 1290 zur Residenz ausgebaut, im 15. Jahrhundert
wesentlich erweitert und im 17./18. Jahrhundert massiv verstärkt, wird
das Bild der meisten Burgen von den Bauphasen verschiedener Epochen
geprägt. Im folgenden chronologischen Teil wird die Entwicklung der
Burgen nachgezeichnet, von großen Flächenburgen mit Fluchtfunktion hin
zu engen steinernen Burgen, die sich zunehmend bautechnisch auf die
Entwicklungen der Waffentechnik einstellen mussten. Dem oft diskutierten
Verhältnis zwischen 'Motte' und 'Bergfried' wird auch hier ausführlich
Raum gegeben. Der Bergfried war definitiv kein strategischer letzter
Rückzugsort, eher ein Herrschaftszeichen mit militärischer (sehen) und
symbolischer (gesehen werden) Funktion (S. 75f.). Bei der Motte ist
"aufgrund des Forschungsstandes nicht zu entscheiden, ob der Turm als
herrschaftlicher Wohnsitz oder als hölzerner Vorläufer der Bergfriede
diente" (S. 119).

Das heutige Bild der Burg ist oft vom 13. bis 15. Jahrhundert geprägt
(S. 178). "Vieles, was uns heute typisch für den mittelalterlichen
Burgenbau erscheint, gab es in der Salierzeit nicht oder es war eine
seltene Ausnahme" (S. 124), denn erst die Zeit des 'klassischen
Burgenbaus' brachte zahlreiche Innovationen für die Burgen hervor: der
Ersatz der hölzernen Palisaden durch Ringmauern (im 12. Jahrhundert),
das Aufkommen von Buckelquadern (die aber zur Datierung ungeeignet
sind), Schießscharten und Bergfried, aber auch von Schild- und
Mantelmauern (ab 1200). Zwar ebbte die Burgengründungswelle im 14.
Jahrhundert insgesamt ab und das Spätmittelalter "ist vor allem eine
Zeit der Adelsburgen" (S. 150), aber trotzdem entwickelte sich der
Burgenbau weiter: Hinzu kamen Fallgatter, Zugbrücken oder platzsparende
Wendeltreppen, aber auch ein tendenzielles "Höhenwachstum" (S. 193) sind
festzustellen. Die Wohnkultur des Innenraums wird zunehmend durch
Wandmalereien und Fresken (als Ersatz für Bildteppiche) geprägt. Die
spätere Tendenz zur Trennung der Festung mit Wehrstrukturen vom Schloss
mit Wohnfunktion bedeutete aber kein grundsätzliches Ende der Burg um
1500 (S. 213), Burgen wurden weiter benutzt und weiter zerstört wie im
Pfälzer Erbfolgekrieg (1688-1697). In dem Maße, in dem Burgen ihre
praktischen Funktionen verloren, nahm die Begeisterung für pittoreske
Burg(ruin)en zu. Der romantisch geprägte Mythos der 'Burg' war gleichsam
eine Voraussetzung für den Massentourismus. Das dabei bis heute
verbreitete Burgenbild basiert vielfach auf den Vorstellungen der
letzten 200 Jahre und muss stets erneuert, hinterfragt und korrigiert
werden (S. 237f.). Die Entwicklung dieser Vorstellungen wird im letzten
Kapitel erstmals ausführlich dargestellt und endet mit der Forderung
nach einer wirklich interdisziplinären Burgenforschung unter Beteiligung
der Historie, Kunstgeschichte, Bauforschung und der Archäologie. Als
Anregung für künftige Auflagen bleibt lediglich anzumerken, dass einige
Burgen (insbesondere in Österreich) in den Karten auf dem Umschlag und
im Register falsch eingezeichnet oder zugeordnet sind.

Fazit: Die Darstellung bietet einen anschaulichen Überblick über die
Entwicklung der Burgen in Mitteleuropa und versteht es, den
vorherrschenden anachronistischen Ansichten gut belegte
Zusammenfassungen von vielen (jedoch nicht allen) aktuellen
Forschungsdiskussionen entgegenzusetzen. Zudem verfügt sie über eine
exzellente Bebilderung, die den Charakter der Einzelburgen sehr treffend
veranschaulicht. Es gibt Bücher, die einen, egal wo man sie aufschlägt,
direkt in ihren Bann ziehen. "Die Welt der Burgen" gehört dazu!


Anmerkungen:
[1] Matthias Müller, Von der Burg im Schloss! Das Mainzer Schloss und
die Revision eines entwicklungsgeschichtlichen Denkmodells, in: Franz J.
Felten (Hrsg.), Befestigungen und Burgen am Rhein, Stuttgart 2011, S.
91-122; Thomas Wozniak: Rezension zu: Franz J. Felten (Hrsg.):
Befestigungen und Burgen am Rhein, Stuttgart 2011. In: H-Soz-u-Kult,
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-2-193>
(11.06.2014).
[2] Jürgen Dendorfer / Roman Deutinger (Hrsg.), Das Lehnswesen im
Hochmittelalter. Forschungskonstrukte - Quellenbefunde -
Deutungsrelevanz, Ostfildern 2010; Thomas Wittkamp: Rezension zu: Jürgen
Dendorfer / Roman Deutinger (Hrsg.), Das Lehnswesen im Hochmittelalter.
Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz, Ostfildern
2010. In: H-Soz-u-Kult,
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-3-077>
(11.06.2014); Steffen Patzold, Das Lehnswesen, München 2012; Thomas
Wittkamp: Rezension zu: Steffen Patzold, Das Lehnswesen, München 2012.
In: H-Soz-u-Kult,
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-3-077>
(11.06.2014).